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3. Die Arbeitstagungen der Fremdsprachendidaktiker von 1972 bis 1987
ОглавлениеDie Fremdsprachendidaktiker versuchten zunächst bei ihren weiteren, im Zwei-Jahres-Rhythmus stattfindenden Tagungen (Neuss, Freiburg, Gießen, Dortmund), die verschiedenen Richtungen zu integrieren. Die Vorträge dokumentieren das steigende methodologische Bewusstsein und ein beachtliches wissenschaftliches Niveau der Diskussion.
1972: 5. Arbeitstagung der Fremdsprachendidaktiker an Pädagogischen Hochschulen und Universitäten der BRD (PH in Neuss: W. Hüllen, H. Heuer, P.W. Kahl, K. Schröder, L. Weidner)
In Neuss wurden sowohl sprachenpolitische und curriculare (Th. Finkenstaedt, K. Schröder) als auch lerntheoretische (H. Arndt) und forschungsmethodologische Probleme (H. Heuer20) von namhaften Vertretern angesprochen. Auch die Auseinandersetzung mit den neuen Erkenntnissen der Bezugswissenschaften, allen voran mit der linguistischen Pragmatik (Hüllen) stand an. Erstmals gab es eine Veröffentlichung ausgewählter Vorträge in einer Buchpublikation (Hüllen 1973). Im gleichen Jahr vollzog sich eine weitreichende Veränderung beim Allgemeinen Deutschen Neuphilologen-Verband (ADNV). Der historisch an die Höheren Schulen gebundene ADNV wurde auf Initiative von W. Hüllen und F.J. Zapp umbenannt in „Fachverband moderne Fremdsprachen“ (FMF), was eine Öffnung für alle Schultypen und Institutionen bedeutete. Damit wurden implizit auch die Weichen gestellt für eine fortschreitende Anerkennung der fremdsprachlichen Kommunikationsfähigkeit als Leitziel des gesamten Fremdsprachenunterrichts.21
1974: 6. Arbeitstagung der Fremdsprachendidaktiker an Pädagogischen Hochschulen, Universitäten und Studienseminaren der Bundesrepublik Deutschland (PH in Freiburg i.B.: M. Pelz)
In Freiburg wurden auch die Studienseminare offiziell ins Boot geholt. Die wiederum z.T. publizierten Vorträge (Pelz 1974) spiegeln die Fortsetzung des Bemühens um die Klärung des wissenschaftlichen Selbstverständnisses, vor allem im Verhältnis zu den „Nachbarwissenschaften“ und der Anwendung von deren Erkenntnissen, z.B. der Generativen Transformationsgrammatik. Auch die Methoden-Kontroverse zwischen dem audio-lingual approach und dem cognitive code-learning approach wurde in einem englischen Beitrag angesprochen (cf. Tran 1974).
1976: 7. Arbeitstagung der Fremdsprachendidaktiker an Hochschulen und Studienseminaren (Uni Gießen: H. Christ, H.-E. Piepho)
Die Gießener Arbeitstagung wurde in einer „Kongressdokumentation“ festgehalten (Christ / Piepho 1977).22 Es gab folgende Arbeitsbereiche: Ausbildung von Fremdsprachenlehrern, Beitrag der Fachwissenschaft, Lehrwerk- und Unterrichtsmittelforschung, Unterrichtsmethoden, Spracherwerbsforschung (Fragen der Ausgangs- und Zielsprachenproblematik), Landeskunde. Über allem stand das Bemühen, die unterschiedlichen Traditionen zusammenzuführen. Fast alles, was Rang und Namen hatte, war mit Referaten vertreten. Daneben war auch Raum für Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftlicher. Indes wuchs der Spaltpilz weiter. In seiner Eröffnungsansprache betonte H. Christ zwar die „beträchtliche Integrationskraft“ der Fremdsprachendidaktik, die nun auch die „Sprachlehrforschung“ und die „Sprachenpolitikforschung“ mit berücksichtige. In seiner ad hoc-Formulierung der drei getrennten Aufgabenbereiche übernahm Christ allerdings eindeutig den Standpunkt der Sprachlehrforschung, indem er dieser „die grundlegende Erforschung der Lehr- und Lernprozesse“ und der Fremdsprachendidaktik die Untersuchung der „Lehrgegenstände“ und der „Lehrmethoden“ zuwies.23
1978: 8. Arbeitstagung der Fremdsprachendidaktiker an Hochschulen und Studien- und Bezirksseminaren der BRD (PH Ruhr in Dortmund: H. Heuer, H. Kleineidam, E. Obendiek, H. Sauer)
Auch bei der Dortmunder Tagung, an deren Organisation ich selbst beteiligt war, wurde wiederum der Zusammenhalt von „Fremdsprachendidaktik, Sprachlehr- und -lernforschung und angewandter Linguistik“ durch das gemeinsame „Interesse am Fremdsprachenunterricht“ vor den zahlreich erschienenen Vertreterinnen und Vertretern der verschiedenen Richtungen beschworen (Heuer 1979, 2). Die Vielfalt der Themen war in drei großen Themenbereichen gebündelt:
1 Fremdsprachen in Schule und Gesellschaft – Begründung, Ziele und Inhalte des Fremdsprachenunterrichts
2 Fremdsprachendidaktische Forschung und unterrichtliche Praxis
3 Ausbildung und Fortbildung von Fremdsprachenlehrern.
Bemerkenswert ist der Plenumsvortrag „Zum Wissenschaftsverständnis der Fremdsprachendidaktik“ von R.M. Müller.24 Er definierte die Fremdsprachendidaktik als „Theorie des Unterrichts“ und sah ihre gesellschaftliche Relevanz in der Verbesserung der Verfahren zur Erreichung des Unterrichtsziels, das er als ‚Spracherwerb‘ bezeichnete. Methodisch plädierte er – unter Berücksichtigung der historischen Dimension – für die Sammlung und Beschreibung von vorliegenden Verfahren und deren Theorieansätzen samt Effektivitätserprobung, aber auch für die Entwicklung neuer Verfahren mit Hypothesen über ihre Wirkungen. Die Forderung nach empirischer Erprobung zur Modell- und Hypothesen-Bildung versah er mit dem ausdrücklichen Hinweis, dass hierbei kein naturwissenschaftlicher Gewissheitsgrad zu erreichen sei.
1981: 9. Arbeitstagung der Fremdsprachendidaktiker an Hochschulen und Studien- und Bezirksseminaren der BRD – Fremdsprachendidaktiker-Kongress (Uni Hannover: C. Gnutzmann, K. Hellwig, F. Jarman, K. Köhring, D. Krohn, M. Siekmann)
Bei der nächsten Arbeitstagung, die erst drei Jahre später in Hannover stattfand, wurde zum ersten Mal der Begriff ‚Kongress‘ verwendet. Die Organisatoren versuchten wiederum, eine Balance zwischen thematischer Konzentration und Offenheit zu erreichen und boten vier Hauptdiskussionsbereiche an: die „Aufarbeitung der bezugswissenschaftlichen Grundlagen“ der Fremdsprachendidaktik sowie „ihrer gesellschaftspolitischen Beziehungen“, die „Erforschung und Ausrichtung von Fremdsprachenunterricht“ und die „Vor- und Weiterbildung von Fremdsprachenlehrern“ (Gnutzmann 1982, 274). In seiner Rückschau auf den Kongress nahm K. Hellwig eine betont vermittelnde Position ein, indem er die Ansicht vertrat, die Fremdsprachendidaktik befinde sich in einer „Zeit der Konsolidierung“, „der Aufarbeitung von Anregungen, des Zurechtrückens von Zu-wenig-Bedachtem und Vereinseitigungen, des Einlösens von Versprechungen in solider Detailarbeit und des Verknüpfens von Neuem mit Bewährtem“ (273).
1983: 10. Arbeitstagung der Fremdsprachendidaktiker an Hochschulen und Studien- und Bezirksseminaren (RWTH Aachen: J. Donnerstag, A. Knapp-Potthoff)
Die Organisatoren entschieden sich gegen eine thematische Systematisierung und boten in den Sektionen und Arbeitsgruppen ein breites Spektrum der unterschiedlichsten Themen an, wobei die derzeit im Fokus der Diskussion stehenden methodischen Probleme überwogen.25 Neben dem Unterricht in einzelnen Bereichen (Fachsprache, Hauptschule, berufsbildende Schule) wurden auch konkrete methodische Konzepte (Prinzip der Einsprachigkeit, Interaktive Verfahren, Freinet-Techniken) oder der Einsatz von Spielen, Rätseln, Filmen erörtert. Daneben standen Diskussionen zur Motivation, zur Literatur (Textzentrierung vs. Leserzentrierung) und Landeskunde (Stereotypen). Der Theorieaspekt war mit Themen wie „Grundfragen der empirischen Fremdsprachenforschung“, „Neuropsychologische Grundlagen des Fremdsprachenerwerbs“, „Spracherwerbsforschung zwischen Empirie und theoretischer Modellbildung“ oder „Normen im gesteuerten Fremdsprachenerwerb“ besetzt, und zwar vor allem von Referenten, die sich als Sprachlehrforscher verstanden (u.a. J. Vollmer, R.S. Baur, F.G. Königs). Zum ersten Mal wurde auch im fachpolitischen Diskurs Stellung bezogen, indem die Abschlussveranstaltung ein „Manifest zur Fremdsprachendidaktik und ihrer gegenwärtigen Lage“ verabschiedete.
1985: 11. Arbeitstagung der Fremdsprachendidaktiker an Hochschulen und Ausbildungsseminaren (PH Ludwigsburg: H. Melenk, J. Firges, G Nold, R. Strauch, D. Zeh)
Die Organisatoren der in der Publikation als ‚Kongress‘ ausgewiesenen Tagung entschieden sich für vier unverfängliche Rahmenthemen: Region (Regionalsprache, regionale Literatur, regionale Stereotypen), Drama (Perspektiven des Dramatischen bei der Vermittlung von Sprache und Literatur im Fremdsprachenunterricht und -studium), Politik (Die politische Dimension der Fremdsprachen und des Fremdsprachenunterrichts), Spracherwerb.26
1987: 12. Fremdsprachendidaktiker-Kongress: Die Beziehung der Fremdsprachendidaktik zu ihren Referenzwissenschaften (TU Braunschweig: P. Doyé, H. Heuermann, G. Zimmermann)
Der Kongress in Braunschweig konzentrierte sich erstmalig auf ein einziges Rahmenthema, das systematisch erschlossen werden sollte. Neben der Erörterung der traditionell als Bezugswissenschaften ausgewiesenen Gruppe der Sprachwissenschaft, Literaturwissenschaft, Landeskunde / Kulturwissenschaft und Erziehungswissenschaft / Allgemeinen Didaktik standen auch die interdisziplinären Bezüge zu Psychologie, Politologie und Soziologie, zu Psycholinguistik und zur Medienwissenschaft zur Diskussion.27 Der Fokus lag auf der Abgrenzung und der Betonung der Eigenständigkeit der Fremdsprachendidaktik als wissenschaftliche Disziplin, die inzwischen eindeutig an Selbstbewusstsein gewonnen hatte.