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4. Die parallelen Frühjahrskonferenzen (seit 1981)
ОглавлениеMit dem Selbstverständnis der Disziplin und ihrer Methodologie beschäftigte sich inzwischen ein anderer exklusiver Kreis, der sich unter der Führung von K.-R. Bausch, H. Christ, W. Hüllen und H.-J. Krumm 1981 als sog. „Frühjahrskonferenz“ im idyllischen Rauischholzhausen etabliert hatte und der dort bis heute jährlich vorwiegend forschungsmethodische Fragestellungen diskutiert. Dazu werden Statements der geladenen Teilnehmer auf vorgegebene Leitfragen eingefordert, die dann unter dem Titel „Arbeitspapiere der [xten] Frühjahrskonferenz zur Erforschung des Fremdsprachenunterrichts“ veröffentlicht werden.28 Die Leitfragen der 1. Konferenz von 1981 lauteten: „Wie definieren Sie den methodischen Ansatz Ihrer eigenen wissenschaftlichen Disziplin? Wo sehen Sie das größte wissenschaftsmethodische Defizit bei der Erforschung des Fremdsprachenunterrichts?“ (Bausch et al. 1981, 1).
Es lohnt sich, auf diese Papiere etwas näher einzugehen, weil sie ein authentisches Zeugnis ablegen für das intellektuelle Ringen jener Jahre um eine eigenständige wissenschaftliche Fremdsprachendidaktik. So provozierten die in ihrer brüsken Direktheit fast naiv anmutenden Fragestellungen eine sicherlich gewollte Klarstellung von Positionen bezüglich der ‚Wissenschaftlichkeit‘ der Disziplin. Es war vor allem das Problem des Praxisbezuges, an dem sich die Geister schieden. Hier einige Beispiele für die kontroversen Standpunkte:
K.-R. Bausch (Seminar für Sprachlehrforschung Bochum) zählte die „sog. Verwertbarkeitsperspektive“ als einen der „für das Konsolidierungsstadium unserer Disziplin typischen Problembereiche“ auf, die „von zufriedenstellenden Lösungsvorschlägen (noch weit) entfernt“ seien (op.cit., 13).
I. Ch. Schwerdtfeger (Seminar für Sprachlehrforschung Bochum) stellte die Frage, „wie weit alle unsere Ergebnisse sofort in Anweisungen für Unterrichtshandeln einmünden müssen/sollen“ und monierte den dadurch entstehenden ungerechtfertigten Erwartungsdruck (op.cit., 108).29
G. List (Universität Landau) wandte sich gegen ein Verständnis von Praxisorientierung, das sich auf die Registrierung „vermeintlich objektiver“ „Ist-Zustände“ beschränkt, „um diese dann in einem nachgeordneten Schritt nach Belieben mit jeweils bevorzugten Instrumenten zu bearbeiten“ (op.cit., 75).
H.J. Krumm (Universität Hamburg) vertrat die Meinung, „beim derzeitigen Zustand des Fremdsprachenunterrichts“ sei eine „empirische Forschung […] vordringlich, die sich durch ihre Handlungsrelevanz für den heutigen Fremdsprachenunterricht legitimiert“. Forschung helfe, „Alternativen zur bestehenden Unterrichtspraxis zu entwickeln, indem die Analyse der Wirklichkeit des Fremdsprachenunterrichts zu ‚Maßnahmenhypothesen‘ im Hinblick auf Veränderungen führt“. Vorerst beträfen „solche Maßnahmenhypothesen“, die „im Rahmen von Pilotstudien auf ihre Machbarkeit und ihre Wirkungen“ zu überprüfen wären, allerdings nur „partikulare Aussagen“ (op.cit., 62–64).
F.-R. Weller meldete als Wunsch aus der ‚Praxis‘ die Beantwortung der Frage an: „Wie können wir für den Fremdsprachenunterricht zu mehr wissenschaftlicher Erkenntnissicherheit kommen?“ (op.cit., 130).
H. Heuer (Universität Dortmund) stellte in seinem Statement unter dem abschließenden Punkt „Wissenschaft zwischen Grundlagen- und Zweckforschung“ unmissverständlich und mit warnendem Unterton30 fest: „Ohne verwendungsfähige Ergebnisse wird sich die Universitätsforschung zum Fremdsprachenunterricht immer weiter vom Fremdsprachenunterricht entfernen. Auf der Ebene der schulnahen Curriculumentwicklung und der 2. Ausbildungsphase wird eine Ersatzforschung auftreten, die einem doktrinären Praktizismus erliegen könnte“ (op.cit., 49sq.).
Einig waren sich wohl alle Teilnehmer darin, dass die empirische Forschung intensiviert und methodisch auf ein befriedigendes wissenschaftliches Niveau angehoben werden musste. Wie schwierig dieses Postulat umzusetzen sein würde, war ebenfalls allen bewusst. Hier einige Stellungnahmen dazu.
A. Barrera-Vidal sprach von einem „Wechselverhältnis zwischen ‚reiner‘ Beobachtung der Realität, Theoriebildung und Rückkoppelungseffekt auf eben diese Realität“ (op.cit. 5) und exemplifizierte dies am Problem der Lehrwerkkritik. Als besonders „dringendes Desiderat“ an die Forschung nannte er die Klärung des Verhältnisses „zwischen dem neuen Prinzip einer kommunikativen Progression und den traditionellen Grundsätzen einer lexikalischen und grammatischen Progression“. Hier gelte es, „klare und begründete Antworten zu geben“ (op.cit., 8sq.).
K.-R. Bausch mahnte die Entwicklung und Erprobung eines dem Fremdsprachenunterricht und seiner „Faktorenkomplexion“ angemessenen „differenzierten und vielfältigen Untersuchungsinstrumentariums“ zu „Datenerhebungs-, Beschreibungs- und Auswertungsverfahren“ an (op.cit., 16).
L. Bredella wies auf die Gefahr einer „Verabsolutierung des empirisch-analytischen Erkenntnisideals“ hin, das die „Äußerungen der Lernenden“ als „Reflexe äußerer Bedingungen“ deute, anstatt sie als „Handlungen“ mit „Sinnanspruch“ zu verstehen (op.cit., 32sq.).
H. Heuer plädierte für eine „empirisch-hermeneutisch angelegte Methode zur Untersuchung einzelsprachspezifischer Lernvorgänge“, wobei die „intuitiv angenommenen Wahrscheinlichkeiten“ und die „Daten der im Lernprozess sichtbaren und beobachtbaren Sprachoberfläche“ miteinander zu korrelieren seien (op.cit., 47).
J. House-Edmondson forderte die Erarbeitung einer „Theory of Learning“, in der „die Spannung zwischen beobachtbarem Verhalten und kognitiven Strukturen und Prozessen […] sinnvoll gelöst werden“ müsse. Sie sprach sich außerdem für „qualitative Forschungsmethoden, insbesondere Fallstudien“ in „real life situations“ aus (op.cit., 53sq.54).
W. Hüllen strebte eine „Korrelation von Modellaussagen mit Wirklichkeitsbeobachtungen“ an, die „didaktisch in Handlungsanweisungen auf mehreren Abstraktionsstufen der Unterrichtsplanung wiederkehrt“ (op.cit., 60).
H.J. Krumm konstatierte: „Forschung schafft empirische Grundlagen für Sprachlehr- und Spracherwerbstheorien, soweit diese Empirie nicht auf völliger Reduktion der unterrichtlichen Komplexität beruht, sondern Lernsituation und Lernkontext einbezieht“ (op.cit., 63).
G. List machte auf die erkenntnistheoretische Notwendigkeit aufmerksam, den empirischen Zugriff auf seine (subjektiven) Bedingtheiten zu prüfen, Empirie also immer als eine „kritische Form der Erkenntnisgewinnung“ zu betrachten. Unter „Grundlagenforschung“ verstand sie die Thematisierung der „praktisch-funktionellen Implikationen grundlegender Erwerbsprozesse“, einschließlich der „Implikationen, die die Forschung selbst für solche Prozesse mit sich bringt“ (op.cit., 75).
R.-M. Müller plädierte für einen „kritischen“ Forschungsansatz, „bei dem immer schon gegebene Theorien oder Theorieansätze mit ihren wissenschaftlichen, vorwissenschaftlichen oder pseudowissenschaftlichen Begründungen für fremdsprachenunterrichtliche Handlungsanweisungen auf ihre logische Schlüssigkeit (und die Haltbarkeit ihres implizierten Gewissheits- und Verallgemeinerungsgrades) diskutiert werden“ (op.cit., 79).
H.J. Vollmer warnte vor der unkritischen Übernahme methodischer Verfahren der empirisch-analytischen Sozialforschung. Diese müssten vielmehr „in ihrer Angemessenheit“ „für den komplexen Wirkungszusammenhang FU“ „überprüft und konkret in ihrer jeweils begrenzten Reichweite und Erklärungskraft offen gelegt werden“ (op.cit., 124 und 128).
Aus allen Papieren spricht eindeutig das Bewusstsein von der Größe der Herausforderung, die eine wissenschaftliche Erforschung des Fremdsprachenunterrichts darstellt. Es war abzusehen, dass die unterschiedlichen Positionen, die sich vor allem aus den verschiedenen Traditionssträngen erklärten, nur schwer miteinander in Einklang zu bringen waren.31 Einige Vertreterinnen und Vertreter der Sprachlehrforschung gingen denn auch nach wie vor unverhohlen auf Konfrontationskurs. So verstieg sich K.-R. Bausch 1988 in einem Lexikonbeitrag, der paradoxerweise wohl auf Verlangen der Herausgeber mit „Fremdsprachendidaktik“ überschrieben war (Bausch 1988, 1730) zu der Behauptung, „die Sprachlehrforschung (sei) aus der Kritik an den wissenschaftsmethodischen Unzulänglichkeiten der herkömmlichen Fremdsprachendidaktik (und zum Teil auch der angewandten Linguistik) hervorgegangen“. Er begründete diese ‚Unzulänglichkeiten‘ mit dem „evidenten Defizit an empirischer Grundlagenforschung“ (1729).