Читать книгу Seitenblicke auf die französische Sprachgeschichte - Группа авторов - Страница 55
5 Fazit
ОглавлениеResümiert man nun die bei La Mettrie angesprochenen Aspekte der Sprachphilosophie bzw. die Reflexionen zur Sprache, so läßt sich folgendes konstatieren:
Die Ausführungen La Mettries zur menschlichen Sprache sind wie bei vielen anderen Philosophen der Zeit kein zentraler eigenständiger Abhandlungsgegenstand. Vielmehr sind seine Betrachtungen zur Sprache eng mit seiner philosophischen Gesamtkonzeption verbunden. Basierend auf seinen medizinischen Studien, die eben auch die physiologischen Aspekte des Körpers umfassen (Anatomie) und in direkter Auseinandersetzung mit seinen wichtigsten Vorbildern Boerhaave (Empirismus, Medizin, Chirurgie), Locke (Empirismus, Sensualismus) und Descartes (Rationalismus) kommt er zu einem sensualistischen-mechanistischen Weltbild, in dessen Mittelpunkt die sich selbst bewegende (force motrice) und empfindende Materie steht, aus der heraus alles erklärbar wird. In der Negierung von allem Metaphysischen wird die kreative Natur und die dort entstehende komplexe organisierte Materie, also das was man empirisch beschreiben kann, als die einzige Erklärungsbasis akzeptiert. Daraus resultiert auch seine Radikalität, d.h. sein reiner Materialismus, sein Atheismus und der bedingungslose Empirismus. Anders als der Titel seines Hauptwerkes L’homme machine suggeriert, ist dabei der Mensch mitnichten eine rein mechanistische seelenlose Maschine, sondern sein monistischer Materialismus veranlasst ihn dazu ein Kontinuum der Lebewesen Pflanze – Tier – Mensch zu postulieren, innerhalb dessen er z.B. auch den Tieren Empfindungen zugesteht (im Gegensatz zu Descartes) und bereits vor Rousseau zu einer sehr positiven Bewertung der Natur kommt. Die „menschliche Maschine“ ist bei ihm äußerst dynamisch und voller physikalisch-biologisch erklärbaren Empfindungen mit einem hedonistischen Telos.
Für seine Sprachauffassung, deren wesentliche Aspekte hier dargestellt wurden, bedeutet dies, dass er auch dort kompromisslose Positionen einnimmt. Dies gilt vor allem für die annährende Gleichsetzung von Mensch und Tier, sowohl was das Zeichensystem der Sprache anbelangt als auch das Erklärungsmodell zum Sprachursprung, im Zuge dessen er den Mensch letztlich der Gattung Tier zuschlägt und dies auch noch positiv bewertet. Diese Annahme ist für die damalige Zeit (und noch lange darüber hinaus), in der in erster Linie die Sonderstellung des Menschen (supériorité de l‘homme) vor dem Hintergrund der göttlichen Schöpfung betont wird, unerhört.
Die diesbezüglichen einzelnen Argumentationsstränge sind bei La Mettrie dabei nicht besonders originell, gehorchen sie doch den Themen der Zeit (wilde Kinder, Taubstumme, Papageien, Affen etc.), doch vor dem Hintergrund seiner radikalen Philosophie erscheinen sie in einem anderen Licht. Das gleiche gilt auch bezüglich der Arbitrarität der Zeichen und der Sprache in der Gesellschaft, denn auch hier bringt La Mettrie die einzelnen Aspekte sehr klar und deutlich hervor, betont die Wichtigkeit der Kommunikation in der Gesellschaft, den Zusammenhang von Sprache und Denken und den fortschreitenden Erkenntnisgewinn, der eben nur über Sprache, über die Zeichen repräsentierende imagination erfolgen kann, so dass Ideen entwickelt werden können. Dabei bleibt er im Gegensatz zu Cartesianern, die in der Sprache einen Ausdruck der ratio sehen, was wiederum die Existenz der menschlichen Seele beweisen würde und damit letztlich einen göttlichen Ursprung, streng bei einem naturwissenschaftlichen, medizinischen und atheistischen Erklärungsansatz.
Dabei darf nicht vergessen werden, dass La Mettrie vor den wichtigen Schriften zur Sprachphilosophie von Condillac, Rousseau oder Herder schreibt und er hier trotz seiner dürftigen Rezeption als wichtiger Repräsentant und Impulsgeber der Sprachreflexion in der Aufklärung gesehen werden kann.