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5.1 Volksschulkinder begeben sich in Wiener Neustadt auf Spurensuche
ОглавлениеBarbara Kreutmayer verfasste eine Bachelorarbeit mit dem Titel „Über Geschichte stolpern? Mit Volksschulkindern auf Spurensuche zum jüdischen Leben in Wiener Neustadt“. Sie dokumentierte, dass es heute nur noch wenige Plätze im öffentlichen Raum von Wiener Neustadt gibt, die an das einstige Leben jüdischer Menschen erinnern. Ziele der Arbeit waren einerseits die geschichtswissenschaftliche Beschäftigung mit der Thematik und mit „Stolpersteinen“, die in Wiener Neustadt an jüdische Opfer erinnern, und andererseits die Erstellung von Materialien inklusive eines Glossars für ein kindgerechtes Lernen über den Holocaust.
Die Grundlage für den didaktischen Teil bildet das Konzept der pädagogischen Abteilung der israelischen Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem. Dabei wird die Beschäftigung mit Einzelschicksalen Überlebender in den Fokus des didaktischen Handelns in der Primarstufe vor, während und nach dem Holocaust gestellt. „In Berücksichtigung dieses Konzeptes wählte die Verfasserin nur ‚Stolpersteine‘ aus, die das Weitererzählen von Lebensgeschichten auch nach dem Ende des Nationalsozialismus ermöglichen. Die Biografien wurden eingebettet in ein Projekt, das aus sieben Bausteinen zusammengesetzt ist.“ (Kreutmayer 2020, 87) Das von Kreutmayer entwickelte Portfolio „Wenn Steine Geschichten erzählen. Auf den Spuren jüdischer Familien in unserer Stadt“ begleitet die jungen Lerner*innen während der projektorientierten Beschäftigung mit der Thematik. Im zweiten Baustein erfolgt ein Sammeln erster Gedanken der Schüler*innen zu einem ausgewählten „Stolperstein“ in Gruppenarbeit. Die Gedanken werden anschließend ausgetauscht und auftretende Fragen durch die Lehrperson kindgerecht beantwortet, bevor eine detaillierte Beschäftigung mit verschiedenen Lebensgeschichten, an welche die „Stolpersteine“ in Wiener Neustadt erinnern, stattfindet.
Der letzte Baustein unterstützt die Lernenden mithilfe des Kinderbuchs Papa Weidt. Er bot den Nazis die Stirn dabei zu erkennen, dass es innerhalb der nationalsozialistischen Schreckensherrschaft unterschiedliche Handlungsspielräume gab. Kreutmayer fasst reflektierend zusammen: „Das Projekt eröffnete die Möglichkeit, einen Zugang zur Geschichte der Stadt und ihren jüdischen Bürgerinnen und Bürger zu finden, der aus einer leidvollen Vergangenheit in eine positivere Gegenwart führt und die Lernenden (und auch mich) in die Lage versetzt, aus den Lebensgeschichten der Überlebenden etwas mitzunehmen, das stärkt. Einer emotionalen Überforderung und Abwehrhaltung in der Befassung mit dem Nationalsozialismus kann dadurch vorgebeugt werden und an deren Stelle ein ‚zärtliches‘ und nachhaltiges Erinnern an ehemals hier lebende Wiener Neustädter und Wiener Neustädterinnen treten.“