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2. Plant Studies

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Bis vor Kurzem wurden Pflanzen in den Literatur- und Kulturwissenschaften wenig beachtet, sie wurden als Teil der Szenerie betrachtet oder als Symbole oder Metaphern gelesen, die externe Bedeutungen übertragen. Hier setzen die kulturwissenschaftlichen Plant Studies an,1 die sich derzeit als neues Forschungsfeld formieren und seit Kurzem auch in der Literaturdidaktik aufgegriffen werden:2 Sie richten den Blick gezielt auf Pflanzen in ihrer medialen Vermittlung, auf ihre Aktivität, ihren Beitrag zum Handeln, das von ihnen übertragene Wissen, ihre ethische Dimension und ihr ästhetisches und poetologisches Potenzial. Basierend auf Ansätzen der Akteur-Netzwerk-Theorie, der Environmental Humanities und des Ecocriticism bemühen die Plant Studies sich um eine neue kritische Wahrnehmung der in Kunst und Kultur allgegenwärtigen Pflanzen und um eine ihnen angemessene Weise des Sprechens über sie.3 Roland Borgards Bemerkung über die Tiere lässt sich auf die Pflanzen übertragen: Sie sind „überall, und doch bedarf es einer eigenen Anstrengung, auf diese Allgegenwart angemessen zu reagieren.“ (Borgards 2016a, VII). Dazu ist ein erweiterter Begriff von agency (Wirksamkeit, Handlungsmacht) notwendig, der von Intentionalität und Rationalität abgekoppelt ist. Handeln ist nach dieser Auffassung nicht mehr nur Sache von Menschen und Tieren, sondern auch von unbeseelten und sogar unbelebten Wesen – Flüssen, Stürmen, Dingen, Bakterien, Viren und natürlich Pflanzen. Sie alle können am Handeln teilhaben, wie die Akteur-Netzwerk-Theorie, die Philosophie Donna Haraways und der auf beiden aufbauende New Materialism lehrt. Durch diesen erweiterten Begriff des Handelns und durch die Historisierung und Kontextualisierung der inszenierten Pflanzen gehen die Plant Studies über Motivanalysen hinaus.4 Eine zentrale Fragestellung einer von den Plant Studies informierten Lektüre ist: In welcher Weise verändern die Pflanzen in einem Text „eine gegebene Situation […], indem [sie] einen Unterschied mach[en]“ (Latour 2007, 123), wodurch sie mit Bruno Latour zu Akteuren werden? In welcher Weise tragen sie zum Handeln bei? Mit welchen Verfahren stellt der jeweilige literarische Text die agency von Pflanzen dar und her? Welche Wechselwirkungen gehen Pflanzen mit den übrigen – menschlichen und nichtmenschlichen – Wesen ein, wie sind sie mit ihnen verwoben? Mit welchen Textverfahren werden Pflanzen von anderen Wesen abgegrenzt, und wie stabil oder porös sind diese Grenzen? Und welche poetologischen Verfahren basieren auf der Dynamik der Pflanzen?

Kulturelle Nachhaltigkeit lernen und lehren

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