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Arthur Miller

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Und es ist auch eine Frage des Stils. Für Arthur Miller hatte diese Frage konzeptionelle Bedeutung. Er suchte nach einer wirklichkeitsnahen Bearbeitung seiner Fabel, die jedoch auch „das Pantheon der Mächte und Werte, das hinter der realistischen Oberfläche des Lebens liegen muss“18 erfasst, das Geflecht der Motive, die Wahn und Zerstörung hervorbringen und, eine Zeitlang zumindest, aufrechterhalten. Indirekt spricht er damit auf bestimmte, aus einem entfremdeten Dasein resultierende Zustände an, Gewalten und anderen Faktoren, die sich zwischen System und Mensch geschoben haben, höchst unterschiedlich in Erscheinung treten und helfen, das System in seiner Struktur zu erhalten.19 Wie wird dieser Brutkasten des Bösen aufrechterhalten? Woher kommt das Böse, wenn man keine bösen Absichten hat? Ist es möglich zu leben, ohne zwischen Gut und Böse zu unterscheiden? Wie ist es möglich, nach gewissenlosen, scheußlichsten Taten sich selbst noch als Mensch zu empfinden?

Noch einmal zurück zur „Hexenjagd“. Das böse Spiel der Mädchen, die wissen, was sie tun, die, um sich selbst zu schützen, Glauben und Aberglauben ausnutzen, bringt die Rotte der Mitläufer und Nutznießer auf den Plan, Denunzianten, die sich private Vorteile verschaffen, wenn andere an den Galgen kommen, angstbesessene Gläubige, die böse handeln, um nicht in die Hölle zu kommen, furchtsame Nachbarn, die böse handeln, um nicht selbst verurteilt zu werden, die Befehlsempfänger, die ausführenden Organe des Terrors. Miller zeigt uns, wie Selbstbestimmung und Selbstbesinnung des Menschen in die Binsen gehen. Dass dieses Drama in den heutigen Krisenzeiten die Theaterleute herausfordert, spricht für seinen Beziehungsreichtum. Wäre seine einzige Bezugsebene die Analogie zum McCarthyismus und seinen Folgen gewesen, so wäre es kaum zu uns zurückgekehrt. Nein, es ging Miller um die Darstellung eines Zustands der Verblendung mit unmenschlichen Folgen, politisch wie persönlich, um Spurensuche nach den Ursachen und nach den Menschen, die ihre Kraft darein gaben, solche Zustände zu beenden, hier wie dort. Und eben hierbei ertappte Miller das ‚Böse‘ in seinem Entstehen, er begriff, „dass die Sünde des öffentlichen Terrors darin besteht, den Menschen seines Gewissens, seiner selbst zu entkleiden.“

Auch Miller gehörte zu den Verdächtigen, die vor den berüchtigten Ausschuss geladen wurden. Anders aber als sein Freund, der Regisseur Elia Kazan und andere, die, wie Miller es ausdrückte, „sich selbst demütigten“ und ihre Freiheit so verrieten wie die Freunde, deren Namen sie preisgaben, hat er sich geweigert, Namen zu nennen:

„Mein Gewissen erlaubt mir nicht,

den Namen eines anderen zu missbrauchen.“

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