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Ereignismeldung UdSSR Nr. 151

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I. Standorte und Nachrichtenverbindungen: Zeit: 5.1.1942.

Höherer SS- und Polizeiführer Nord (101): (Jeckeln), Standort: Riga.

Einsatzgruppe A: (Dr. Stahlecker), Standort: Riga und Krasnogwardeisk, N-Verbindungen: FT, FS Riga, Feldpost-Nr. 15.119.

Kommandeur der Sicherheitspolizei und des SD für den Generalbezirk Estland: (Dr. Sandberger), Standort: Reval mit Dienststellen in Narwa, Dorpat, Kingisepp, Krasnoje-Selo, Luga und Pleskau, N-Verbindungen: FT Narwa, FS Reval, Feldpost-Nr. 15.119.

Kommandeur der Sicherheitspolizei und des SD für Generalbezirk Lettland: (Dr. Lange), Standort: Riga mit Dienststellen in Libau, Wolmar und Dünaburg, N-Verbindungen: FT Riga, FS Riga und Libau, Feldpost-Nr. 15.447.

Kommandeur der Sicherheitspolizei und des SD für den Generalbezirk Litauen: (Jäger), Standort: Kowno mit Dienststellen in Wilna und Schaulen, N-Verbindungen: FT und FS Kowno und Wilna, Feldpost-Nr. 15.641.

Kommandeur der Sicherheitspolizei und des SD für den Generalbezirk Weißruthenien: (Strauch), Standort: Minsk mit Dienststellen in Nowgorod, Tschudowo, a.d. Marsch nach Cholm und Baranowicze1, N-Verbindungen: FT und FS Minsk, Feldpost-Nr. 15.641.

Höh. SS- und Polizeiführer Mitte (102): (Von dem Bach), Standort: Mogilew.

Einsatzgruppe B: (Naumann), Standort: Smolensk, N-Verbindungen: FT Smolensk, Kurierverbindung über Warschau u. Fernsprecher über VD Smolensk, Feldpost-Nr. 37.857. Sonderkommando 7a: (Steimle2), Standort: Rshew und Sytschewka, N-Verbindungen: FT Rshew, Feldpost-Nr. 05.607.

Sonderkommando 7b: (Rausch), Standort: Brjansk und Kursk, N-Verbindungen: FT a.d. Marsch, Feldpost-Nr. 18.555.

Einsatzkommando 8: (Bradfisch), Standort: Mogilew, Roslawl, Orscha, Gomel, Bobruisk, N-Verbindungen: Feldpost-Nr. 37.857.

Einsatzkommando 9: (Schäfer), Standort: Smolensk, Wjasma, Witebsk, Gshatsk, N-Verbindungen: FT Wjasma, Feldpost-Nr. 37.857.

Sonderkommando Moskau: Standort: Roslawl, N-Verbindungen: FT Roslawl.

Höh. SS- und Polizeiführer Süd (103): (Prützmann), Standort: Kriwoj-Rog, N-Verbindungen: FS Lemberg.

Einsatzgruppe C: (Dr. Thomas), Standort: Kiew, N-Verbindungen: FT Kiew, FS Lemberg, von dort Kurier, Feldpost-Nr. 32.704.

Sonderkommando 4a: (Blobel), Standort: Charkow, N-Verbindungen: FT Charkow, Feldpost-Nr. 22.789.

Sonderkommando 4b: (Braune), Standort: Kramatorsk mit Teilen in Sochnowtschina, Losowaja, Slawjansk, Konstantinowka, Artemowsk, N-Verbindungen: FT a.d. Marsch, Feldpost-Nr. 34.310.

Einsatzkommando 5: (Meier), Standort: Kiew mit Teilen in Shitomir, Rowno, Winniza, N-Verbindungen: FT Nikolajew, FS Rowno, Feldpost-Nr. 35.102.

Einsatzkommando 6: (Kröger3), Standort: Stalino, N-Verbindungen: FT Stalino, Feldpost-Nr. 35.979.

Höh. SS- und Polizeiführer z.b.V.: (Korsemann), Standort: Rowno.

Einsatzgruppe D: (Ohlendorf), Standort: Simferopol, N-Verbindungen: FT Simferopol, Feldpost-Nr. 47.540.

Sonderkommando 10a: (Seetzen), Standort: Taganrog, N-Verbindungen: Feldpost-Nr. 47.540.

Sonderkommando 10b: (Persterer), Standort: Sudak, N-Verbindungen: FT a.d. Marsch, Feldpost-Nr. 47.540.

Einsatzkommando 11a: (Zapp), Standort: Jalta mit Teilen in Alupka und Bachtschissaraj, N-Verbindungen: FT Simferopol und Aluschta, Feldpost-Nr. 47.540.

Einsatzkommando 11b: (Zapp4), Standort: Simferopol mit Teilen in Aluschta, Karasubasar, Eupatoria, N-Verbindungen: FT Simferopol und Aluschta, Feldpost-Nr. 47.540.

Einsatzkommando 12: (Nosske), Standort: Fedorowka, N-Verbindungen: FT Fedorowka, Feldpost-Nr. 47.540.

II. Meldungen der Einsatzgruppen und -kommandos: Einsatzgruppe A: Standort Krasnogwardeisk5.

Das Volksdeutschtum im besetzten Gebiet vor Leningrad: Die Ergebnisse der durch die Einsatzgruppe A in Zusammenarbeit mit den Ortskommandanten erfolgten Erfassung der Volksdeutschen liegen jetzt vor. Es sind in diesem Gebiet 1644 Personen volksdeutscher Abstammung erfasst worden, von denen 353 Männer, 680 Frauen und 611 Kinder unter 15 Jahren sind. Die Erfassung ergab ein unterschiedliches Bild. Während sich in geschlossenen deutschen Siedlungen ein Teil der Deutschen durch Sauberkeit, bessere Hauswirtschaft und Erscheinungsbild von der russischen Bevölkerung unterscheidet, sind die einzeln wohnenden Deutschen im allgemeinen ohne weiteres von den Russen nicht mehr auseinander zu halten. Der Hauptteil der Deutschen ist schon seit längerer Zeit im Leningrader Gebiet ansässig, ein kleiner Teil ist während der bolschewistischen Zeit aus anderen Gegenden Russlands oder den baltischen Ländern zugewandert. Etwa 14 % der erfassten Deutschstämmigen entstammen oder leben in völkischen Mischehen. Unter den Erfassten befinden sich 29 Familien mit 4 bis 7 Kindern, wie überhaupt die in den ländlichen Orten wohnenden Familien im allgemeinen kinderreich sind. Die meisten Männer im wehrfähigen Alter sind nicht mehr bei ihren Familien. Sie sind zum Teil verschleppt oder nach Verurteilung wegen politischer Vergehen in Gefängnisse geworfen worden oder sie sind bei der Roten Armee oder beim Arbeitseinsatz in anderen Gegenden Russlands. Der Aufenthaltsort ist in keinem Fall genau bekannt. Bei den erfassten Männern und Frauen sind fast sämtliche möglichen Berufe vertreten. Die in den ländlichen Gebieten wohnenden Deutschstämmigen sind grösstenteils Kolchosbauern, die in den Mittelstädten und Vororten von Leningrad lebenden Fabrikarbeiter, Handwerker, Techniker, Ärzte und Lehrer. Soweit Fachkenntnisse geprüft werden konnten, sind sie nicht sehr bedeutend. Die Allgemeinbildung auch der Kopfarbeiter ist an deutschen Maßstäben gemessen gering. Irgendeine organisatorische Sammlung der Deutschen hat während der bolschewistischen Zeit in keiner Form stattgefunden; die meisten waren im Gegenteil bemüht, ihre deutsche Abstammung zu vergessen oder zu verbergen. Die jüngere Generation spricht meistens gar kein Deutsch mehr; bei der älteren Generation hat sich die deutsche Sprache im allgemeinen erhalten, zum Teil sogar im Dialekt. Erscheinungsbildlich entspricht der Eindruck, den die Erfassten machen, etwa dem der Wolhyniendeutschen. Bei den einzelnen Versuchen, die Voreltern von Deutschstämmigen festzustellen – im allgemeinen wussten die Erfassten wenig von ihren Voreltern – wurden sehr oft russische Vorfahren schon in früheren Zeiten ermittelt. Diese waren insbesondere Frauen. Soweit überhaupt solche Versuche durch Befragen der Erfassten durchgeführt werden konnten, war gewöhnlich eine Großmutter oder Urgroßmutter Russin. Die wirtschaftliche Lage der Volksdeutschen ist durchweg schlecht. Etwa 50 % der Erfassten sind ohne sofortige Hilfe buchstäblich dem Hunger ausgesetzt. Der Rest verfügt noch für wenige Wochen über die notwendigsten Lebensmittel. Eine einzige Ausnahme macht ein Teil der Bauern der Kolonie Strjelna, die noch notwendigste Lebensmittel bis zum Frühjahr besitzen. Sie sind dabei aber ununterbrochen Versuchen der unter ihnen lebenden Russen und anderer Deutschstämmiger ausgesetzt, sie zur Teilung der Vorräte zu veranlassen. Die meisten Volksdeutschen werden gegen Lebensmittelzuteilung bei Dienststellen der Wehrmacht beschäftigt. Die Zuteilungen reichen jedoch nur für das Allernotwendigste und betreffen nur diejenigen, die in Ortschaften wohnen, in denen deutsche Truppen liegen. Infolge des Mangels an Transportmöglichkeiten fehlt es überdies an Heizmaterial, das aus entfernt liegenden Wäldern – die Umgebung von Leningrad ist nicht sehr waldreich – zusammengetragen wird. Sämtliche Erfassten befanden sich auch in der bolschewistischen Zeit in schlechten wirtschaftlichen Verhältnissen. Es befindet sich unter ihnen nicht eine Person, die irgendeine hervorragende Stellung einnahm. Am schlimmsten betroffen waren die Frauen von Arbeitern, die in anderen Gebieten Rußlands zur Arbeit eingesetzt waren, da sie gewöhnlich keine oder nur spärliche Geldsendungen erhielten. Mit Ausbruch des Krieges kam die Notlage der Angehörigen der einberufenen Rotarmisten hinzu. Die Angehörigen von Verschleppten oder Verurteilen waren, wenn sie nicht selbst genügend arbeiten konnten, grundsätzlich auf die Mildtätigkeit anderer angewiesen Von den geschlossenen deutschen Kolonien ist als bedeutendste Strjelna zu erwähnen. Es waren dort 576 Deutschstämmige erfasst, von denen 456 die deutsche Sprache beherrschen und grösstenteils jetzt wieder als Haussprache verwenden. Die nicht mehr Deutschsprechenden sind durchweg Kinder. Zwischen den Deutschstämmigen und den in Strjelna lebenden Russen bestehen in der Lebenshaltung geringe Unterschiede, die an besonderen Einrichtungsgegenständen, anderem Bau der Herde, zum Teil auch anderem Bau der Höfe zu bemerken sind. Zum größten Teil sind die Höfe der Deutschstämmigen sauberer und die Kinder gepflegter. Bei den Arbeitern ist ein Unterschied kaum zu merken, wobei zu beachten ist, dass die Lebenshaltung der Bewohner der Vorstädte Leningrads etwas besser als die des flachen Landes ist. Von den gesamten erfassten 1644 Deutschen, die zu 528 Familien gehören, haben nur 6 eine Zugehörigkeit zur Kommunistischen Partei oder sowjetischen Organisationen zugegeben. Von den Erfassten bekennt sich der grösste Teil zur evangelisch-protestantischen Religion. Geschlossen römisch-katholisch bezeichnen sich die deutschstämmigen Bewohner der Gemeinde Suida. Ein Teil der Erfassten bezeichnet sich als religionslos. Im allgemeinen kann gesagt werden, dass die Deutschstämmigen weniger dem kulturellen Einfluss als dem bolschewistischen Terror unterlegen sind. Das Bewusstsein deutscher Abstammung ist zweifellos erst nach dem Einmarsch der deutschen Truppen wieder aufgelebt. Auch die jetzt die deutsche Sprache als Haussprache Sprechenden haben sicherlich in der bolschewistischen Zeit nur geringen Gebrauch von der deutschen Sprache gemacht. Aus den Erzählungen ist allgemein zu entnehmen, dass Versuche Einzelner zur Erhaltung irgendeiner deutschen Eigenart sofort mit Verhaftung oder zumindest Verschleppung geahndet wurden.

Lage in Stadt und Land Krasnogwardeisk: Die Stimmung der Zivilbevölkerung in Stadt und Land Krasnogwardeisk wird fast ausschliesslich von der Sorge um die Ernährung bestimmt. In der Stadt ist man im allgemeinen froh, dass die Deutschen da sind und dass damit wenigstens die unmittelbare Kriegsbedrohung vorbei ist. Weiterhin hat der Aufbau eines Arbeitsamtes wesentlich zur Beruhigung beigetragen, da durch die vom Arbeitsamt vergebene Arbeit einem Teil der Bevölkerung die Möglichkeit zur Ernährungsbeschaffung gegeben ist. Hinsichtlich der allgemeinen politischen und militärischen Lage verhält man sich ruhig. Einwohner von Marienburg mit dem russischen Bürgermeister an der Spitze entwickelten den Plan einer uniformierten russischen freiwilligen Abteilung zum Kampf gegen den Bolschewismus mit der Waffe. Auf die konkrete Frage, warum die angegebenen Personen den Bolschewismus ablehnen, gaben sie drei Gründe an: 1) Der Bolschewismus habe ihr Eigentum zerstört und ihnen alles Land genommen. Sie hätten kaum das Notwendigste zum Leben verdient. 2) Der Bolschewismus habe die Religion zerstört. 3) Die führenden Leute des Bolschewismus wären Juden gewesen.

Übersicht: Das Gebiet der Einsatzgruppe A hat sich nur unwesentlich vergrößert. Hinzugekommen sind die Inseln Dagö, Oesel und Moon, ferner Geländegewinne südlich und südostwärts von Petersburg und das Gebiet um Tichwin. Nachdem das gesamte Gebiet Weißrutheniens als Generalkommissariat in das Gebiet des Reichskommissariats Ostland eingegliedert worden ist, wurde für die sicherheitspolizeilichen Aufgaben in Weißruthenien das Einsatzkommando 1b für zuständig erklärt. Da das Generalkommissariat Weißruthenien durch die ungeheure Größe (ca. 170.000 qkm) selbst bei geringsten Anforderungen zur Wahrung der sicherheitspolizeilichen Aufgaben einer großen Anzahl SS-Führer und Männer bedarf, wurde der größte Teil des EK 1b zur Verstärkung nach Minsk verlegt.6 Das beim AOK 16 verbleibende Teilkommando wurde vom Gruppenstab aus verstärkt. Dienststellen des EK 1b befinden sich z.Zt. in Minsk und Baranowicze; der Aufbau weiterer Dienststellen wird vorbereitet. Noch nicht geklärt ist, ob weitere Gebiete von Weißruthenien in absehbarer Zeit an die Zivilverwaltung des Generalkommissariats Weißruthenien vom Befehlshaber des rückwärtigen Heeresgebietes der Heeresgruppe Mitte übergeben werden. Mit der Einnahme von Petersburg ist in absehbarer Zeit nicht zu rechnen. Die Russen versuchen in täglichen Angriffen aus der Petersburger Einschließungsfront auszubrechen. Der Schwerpunkt der Ausbruchsversuche liegt vor Kolpino (Newa-Knie). Die Stellungen der Rotarmisten vor Petersburg werden täglich weiter ausgebaut, die Unterstände für den Winter mit Öfen versehen und auch sonst alle Vorbereitungen für die Überwinterung getroffen. Zur Bekämpfung von Partisanen mußten in der Berichtszeit vereinzelt Kommandos in Lettland und Estland eingesetzt werden. Die Haupttätigkeit der für den Einsatz auf Petersburg bereitgestellten Kommandos besteht z.Zt. in einem erfolgreichen Nachrichtendienst über die Lage in Petersburg selbst. Durch Agenten, die im Einvernehmen mit den einzelnen Truppenteilen durch die Linien geschleust werden, sind verschiedentlich gute und wichtige Nachrichten über militärische und wirtschaftliche Objekte der Stadt, Stimmung der Bevölkerung, Propagandamöglichkeit, Vorrat an Lebensmitteln usw. gewonnen worden. Ein weiteres Nachrichtennetz ist im rückwärtigen Armeegebiet zwischen dem Peipus- und Ilmensee aufgebaut worden. Neben Agenten und versprengten Rotarmisten wurden durch diesen Nachrichtendienst auch mehrfach Partisaneneinheiten aufgespürt, die z.T. mit eigenen Kräften vernichtet, z.T. den zuständigen Wehrmachtsdienststellen gemeldet wurden. Bei der Überprüfung der Bevölkerung stellte sich heraus, dass besonders viele unzuverlässige Russen in den Dienst der Eisenbahn in Krasnogwardeisk eingestellt waren, die seit einiger Zeit unter deutscher Leitung wieder in Betrieb ist. Vom EK 1b wurde der politische Kommissar Ivan Petrovich Kibkalo festgenommen, der über das Kirchenproblem, die Geschichte der kommunistischen Partei, die Judenfrage, die Ehe und das sittliche Leben in der Sowjetunion vernommen wurde. In folgenden Orten sind z.Zt. ständige Kommandos der Einsatzgruppe A tätig: Kauen, Wilna, Schaulen, Baranowicze, Minsk, Riga, Libau, Dünaburg, Narwa, Dorpat, Pernau, Krasnoje-Selo, Krasnogwardeisk, Djetskoje-Selo (Puschkin), Sluzk, Tosno, Luga, Nowgorod, Tichwin, Medjewedje und Tschudowo.

Sämtliche Juden der Generalkommissariate Litauen und Lettland sind jetzt restlos in Ghettos untergebracht.7 Die Juden des Rigaer Ghettos, die von Wehrmachts- und Zivilbehörden als Arbeitskräfte benutzt werden, dürfen nicht mehr frei zur Arbeitsstätte gehen, sondern müssen von den anfordernden Dienststellen geschlossen morgens vom Ghetto abgeholt werden, unter Bewachung zu ihrem Arbeitsplatz geführt und abends geschlossen wieder ins Ghetto zurückgebracht werden. Für die Aufnahme der aus dem Reich ankommenden Judentransporte8 ist sowohl in Minsk als auch in Riga alles vorbereitet. Der erste in Minsk angekommene Transport, der sich aus Hamburger Juden zusammensetzte, traf am 10.11.41 ein. Am gleichen Tage wurde den Juden im Ghetto Quartier angewiesen. Es konnte beobachtet werden, daß die Juden sich z.T. ein völlig falsches Bild über ihre Zukunft machten, z.B. daß sie sich als Pioniere fühlten, die zur Kolonisierung des Ostens eingesetzt werden. Die ersten 5 Transporte, die nach Riga kommen sollten, wurden nach Kauen geleitet.9 Das Rigaer Lager, das zur Aufnahme von rd. 25.000 Juden dienen soll, ist z.Zt. im Entstehen und wird in kürzester Zeit fertiggestellt sein. Der Höhere SS- und Polizeiführer in Riga, SS-Obergruppenführer Jeckeln, hat inzwischen eine Erschießungsaktion in Angriff genommen und am Sonntag, dem 30.11.41, ca. 4000 Juden des Rigaer Ghettos und eines Evakuierungstransportes aus dem Reich beseitigt. Die Aktion sollte ursprünglich mit eigenen Kräften des Höheren SS- und Polizeiführers durchgeführt werden; nach einigen Stunden wurden jedoch die zu Sicherungszwecken abkommandierten 20 Mann des EK 2 mit in der Aktion eingesetzt.10

Politische Lage in Litauen: Die politische Lage in Litauen hat sich nicht wesentlich geändert. Für die politische Entwicklung in Litauen bedeuteten die Aktivisten11 eine Gefährdung. Der Generalkommissar v. Renteln hat daher an 26.9. die Front der Aktivisten Litauens aufgelöst und ihr Vermögen beschlagnahmt und eingezogen. Der Führer der Aktivistenfront, Leonas Prapuolenis12, wurde mit Einverständnis des Generalkommissars für Litauen vom EK 3 am 27.9.41 festgenommen und bis auf weiteres der Stapostelle Tilsit überstellt. Der unmittelbare Grund für seine Festnahme ist eine von ihm am 15.9.1941 verfasste Denkschrift, die bisher nur dem Generalkommissar in Kauen zugesandt worden ist. Die Aktivistenfront hatte geplant, diese Denkschrift dem Führer, dem Oberkommando des Heeres und noch einigen anderen militärischen Stellen im Reich zugänglich zu machen. Aus der Denkschrift geht eindeutig hervor, daß die litauischen Aktivisten jegliche politische und wirtschaftliche Steuerung durch deutsche Behörden ablehnen bezw. scharf kritisieren. Durch die Verbannung des Aktivistenführers Prapuolenis ist der Kopf der Aktivisten verschwunden. Seine Mitarbeiter, die die Denkschrift mit unterschrieben haben, wurden vom EK 3 verwarnt und werden voraussichtlich ihre politische Tätigkeit einstellen.

Im Gebiet um Wilna ist die Aktivität der Polen weiter gestiegen. Die Polen beschränken sich nicht nur darauf, durch Verbreitung von Gerüchten und Stimmungsmache die Öffentlichkeit zu beunruhigen, sondern haben den Versuch gemacht, illegale Kampf- und Terrorgruppen zu bilden. Die Versuche wurden von der Sicherheitspolizei im Zusammenwirken mit Ordnungspolizei und Wehrmacht im Keim erstickt. Ein polnischer Geheimsender, der auf Kurzwelle 36,7 am 1.9.41 zum ersten Mal gehört wurde, wurde in der Zwischenzeit entdeckt und ausgehoben. Die polnische Propaganda fordert weiterhin zu Sabotageakten und Partisanentätigkeit auf. Das Abhören ausländischer Sender und die systematische Verbreitung ihrer Nachrichten von Wilna aus nimmt seinen Fortgang [sic]. Dabei wird die Frage der litauischen Unabhängigkeit diskutiert, die niemals mehr von Deutschland kommen könne, sondern nur von den anglo-amerikanischen Staaten und der Sowjetunion. Gesprochen wird auch über eine angebliche Meldung des Moskauer Rundfunks, wonach die baltischen Staaten unter amerikanischem Schutz ständen. Die Stimmung auf dem flachen Lande ist nach wie vor deutschfreundlich.

Die Erhöhung der Preise für landwirtschaftliche Produkte beginnt sich günstiger auszuwirken. In den nächsten Tagen wird die neue Lohnordnung für Industriearbeiter in Kraft treten. Nach dem hier vorliegenden Entwurf sollen ungelernte Arbeiter 0,40 RM, qualifizierte Arbeiter 0,48 RM und Vorarbeiter 0,58 RM Stundenlohn im Durchschnitt erhalten. Damit werden die Löhne gegenüber dem Stand von 20.6.1941 um das Drei- bis Vierfache, nach dem Stand vom 15.11.1941 um 50–100 % erhöht. Die Verstimmung der litauischen Selbstverwaltungsstellen darüber, daß die deutschen Dienststellen nicht, wie zunächst gehofft, nur als Inspektionsorgane tätig sein werden, sondern die Arbeiten bis ins Kleinste selbst erledigen, hält an. Man hoffte durch die Einsetzung der Generalräte, daß der größte Teil des litauischen Beamtenapparates in der bestehenden Form übernommen und somit vor allem die mittlere und untere Verwaltung einen rein litauischen Charakter behalten würde. Ursprünglich war erwartet worden, daß die deutschen Dienststellen nur Richtlinien und Weisungen erteilen, jedoch die Durchführung zum großen Teil durch die entsprechenden litauischen Behörden oder die Generalräte vorgenommen wird. Die deutschen Dienststellen gingen von dieser Methode ab, mit dem Erfolg, dass der z.T. brauchbare litauische Verwaltungsapparat nicht beschäftigt wird.

Von den Einsatzgruppen B, C u. D liegen keine Meldungen vor.

III. Reich und besetzte Gebiete:

1) Kärnten und Krain:

Der Kommandeur der Sicherheitspolizei und des SD in den besetzten Gebieten Kärntens und Krains in Veldes meldet: Seit der letzten Berichterstattung ist es zu keinen wesentlichen Vorfällen gekommen. Es wurden an mehreren Stellen Telegrafen- bzw. Bahnleitungen zerstört, mehrere Diebstähle von Lebensmitteln und der Versuch der Sprengung einer Eisenbahnbrücke, der ohne Erfolg war, unternommen. Die Banden haben sich vollkommen in das Gebiet des Jelovca-Gebirges zurückgezogen und verhalten sich im allgemeinen ruhig. Ohne Zweifel werden die aus dem Bezirk Laak und aus Laibach neu hinzugekommenen Mitglieder vorerst entsprechend ausgebildet. Insgesamt dürften sich ca. 3–400 Personen bei den Banden befinden. Ähnlich wie im Bezirk Radmannsdorf sind auch in Laak Personen zurückgekehrt, die sich während der letzten Tage bei den Banden aufgehalten haben bzw. geflüchtet waren. Die notwendigen Erhebungen und Festnahmen werden laufend von hier durchgeführt. Heute findet in Vigaun die Exekution von 35 von hier bei den Bandenmitgliedern festgenommenen Personen statt. Weitere Exekutionen erfolgen in den nächsten Tagen. In der vergangenen Nacht wurden an mehreren Orten in Laibach hergestellte Flugschriften zerstreut, in denen der 3. Januar als Trauertag für die Opfer des Jahres 1941 erklärt wurde und die Bevölkerung aufgefordert wird, zwischen 19 und 20 Uhr öffentliche Orte und Lokale zu meiden.

BAB, R 58/220

1 Spiegelt die anhaltende Standortverlagerung des bisherigen SK 1b.

2 Falsch, kommissarisch geführt durch Kurt Matschke.

3 Falsch, längst Robert Mohr.

4 Falsch, längst Dr. Werner Braune.

5 Am 5. u. 6.1.1942 hielt sich auch Himmler in Krasnogwardeisk auf; vgl. Der Dienstkalender Heinrich Himmlers, S. 309f.

6 Zu dieser improvisierten, durch den forcierten Angriff auf Moskau erzwungenen Verlegung vgl. Wilhelm: Die Einsatzgruppe A, S. 308ff.

7 Vgl. Dieckmann: Deutsche Besatzungspolitik in Litauen 1941–1944; Reichelt: Lettland unter deutscher Besatzung 1941–1944; Max Kaufmann: Churbn Lettland. Die Vernichtung der Juden Lettlands, Konstanz 1999; Wolfgang Benz/Marion Neiss (Hrsg.): Judenmord in Litauen. Studien und Dokumente, Berlin 1999.

8 Vgl. Gottwaldt/Schulle: Die „Judendeportationen“ aus dem Deutschen Reich 1941–1945, S. 84–97, 110–136; Gerlach: Kalkulierte Morde, S. 747–761.

9 Diese 5 Transporte gingen vom 17.–25.11.1941 von ihren Ausgangsbahnhöfen ab, wobei die Insassen des 3. u. 4. Zuges – insgesamt 3929 Menschen – am 25. bzw. 29.11. in Kaunas vom EK 3 erschossen wurden; vgl. ebd., S. 98–109.

10 Erst hier wurde von jenen beiden „Großaktionen“ in Riga berichtet, bei denen HSSPF Jeckeln am 30.11. u. 8.12.1941 im nahen Rumbula-Wald 27.800 Juden liquidieren ließ u. lediglich die Facharbeiter im Ghetto zurückbehielt. Die Schützen stellten die Stabskomp. des HSSPF u. das RPB 22. Erst als die Zeit knapp wurde, zog Jeckeln dafür auch Teile des EK 2 hinzu; vgl. Angrick/Klein: Die „Endlösung“ in Riga, S. 138–184; Mallmann/Rieß/Pyta: Deutscher Osten 1939–1945, S. 89–96. Am Morgen des 30.11. ließ Jeckeln die 1053 Juden des „7. Osttransportes“ aus Berlin unmittelbar nach ihrer Ankunft gleichfalls im Rumbula-Wald erschießen. Damit überschritt er offensichtlich seine Kompetenzen, denn am Mittag des 30.11. hielt Himmler nach einem Telephonat mit Heydrich fest: „Judentransport aus Berlin, keine Liquidierung“, Telephonnotiz RFSS v. 30.11.1941, BAB, NS 19/1438. Sein Übereifer brachte Jeckeln am 1.12. eine Rüge Himmlers ein: „Die in das Gebiet Ostland ausgesiedelten Juden sind nur nach den von mir bezw. vom Reichssicherheitshauptamt in meinem Auftrage gegebenen Richtlinien zu behandeln. Eigenmächtigkeiten u. Zuwiderhandlungen werde ich bestrafen“, NAK, HW 16/32; vgl. Peter Klein: Die Erlaubnis zum grenzenlosen Massenmord – Das Schicksal der Berliner Juden und die Rolle der Einsatzgruppen bei dem Versuch, Juden als Partisanen „auszurotten“, in: Rolf-Dieter Müller/Hans-Erich Volkmann (Hrsg.): Die Wehrmacht – Mythos und Realität, München 1999, S. 923–947. In Riga selbst fanden die Massaker keine Ablehnung. Der KdO Lettland berichtete am 23.12.1941: „In Riga wird allgemein von Massenerschießungen der bisher im Ghetto untergebrachten Juden gesprochen. Der überwiegende Teil der Rigaer Bevölkerung spricht davon mit Genugtuung u. hofft auf eine restlose Beseitigung der Juden u. damit auf ein Freiwerden des Ghettos für Wohnzwecke“, LVVA,70–5–44.

11 Gemeint ist die Litauische Aktivistenfront (LAF); vgl. Siegfried Gasparaitis: „Verrätern wird nur dann vergeben, wenn sie wirklich beweisen können, daß sie mindestens einen Juden liquidiert haben“. Die „Front Litauischer Aktivisten“ (LAF) und die antisowjetischen Aufstände 1941, in: ZfG 49(2001), S. 886–904

12 Leonas Prapuolenis, der regionale Fhr. des litauischen Widerstandes im Gebiet von Kowno, verkündete am 23.6.1941 im Rundfunk, daß die Selbständigkeit Litauens wiederhergestellt sei u. eine provisorische Regierung die Geschäfte übernommen habe; vgl. Myllyniemi: Die baltische Krise 1938–1941, S. 147ff.

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