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Einleitung
ОглавлениеDer vorliegende dritte Band der Dokumentation zu den Einsatzgruppen in der Sowjetunion bildet den Abschluß der Editionsreihe zur Tätigkeit von Sicherheitspolizei und SD im deutschbesetzten Osten. Nach Band I, der die „Ereignismeldungen UdSSR“ (EM) des Jahres 1941 beinhaltet1, und den in Band II kompilierten Zusatzdokumenten aus den Jahren 1941 bis 19452 umfaßt Band III jetzt die EM aus dem Jahr 1942 sowie die mit geändertem Titel, Erscheinungsturnus und Format darauf unmittelbar folgenden „Meldungen aus den besetzten Ostgebieten“ (MbO). Damit deckt dieser dritte Band der Edition den Zeitraum von Anfang Januar 1942 bis Mai 1943 ab, als mit der Nummer 55 die MbO als Berichtsform ersatzlos eingestellt wurden. Die Bände I und III beinhalten nunmehr sämtliche Berichte, die unter den beiden besagten Serientiteln im Reichssicherheitshauptamt (RSHA) in den Jahren 1941 bis 1943 zum Vorgehen von Sicherheitspolizei und SD sowie zur allgemeinen Lageentwicklung in der besetzten Sowjetunion verfaßt wurden. Dieses etwa 4500 Seiten umfassende Quellenkonvolut stellt bis heute den umfassendsten und informativsten Berichtsstrang dar, der für die nationalsozialistische Besatzungspolitik in Osteuropa überliefert ist.
Der Zeitraum der im vorliegenden Band abgedruckten Quellen markiert eine wechselvolle und entscheidende Phase des nationalsozialistischen Vernichtungskrieges. Nachdem Hitlers Konzept eines „Blitzkrieges“ gegen die UdSSR spätestens im Dezember 1941 vor Moskau gescheitert war, bewies die Rote Armee mit ihrer unmittelbar darauf einsetzenden Winteroffensive ihre fortbestehende, auf deutscher Seite allerdings kaum mehr für möglich gehaltene Operationsfähigkeit. Nach dem Abklingen der sowjetischen Angriffe folgte im Gegenzug im Sommer 1942 der von der NS-Propaganda mit neuen Siegesfanfaren begleitete deutsche Vormarsch an die Wolga und bis zu den Gipfeln des Kaukasus, ehe sich die Lage zum Jahresende erneut dramatisch änderte. Mit der Einkesselung der 6. Armee in Stalingrad und dem darauf folgenden hastigen Rückzug der Heeresgruppe A verlor die Wehrmacht ihre Aura der Unbesiegbarkeit, was sich punktuell auch in den Quellen des vorliegenden Bandes widerspiegelt.3
Parallel zur militärischen Entwicklung organisierten Sicherheitspolizei und SD, Ordnungspolizei, Wehrmacht, Zivilverwaltung und einheimische Kollaborateure in den deutschbesetzten Gebieten ab 1942 eine zweite Verfolgungswelle gegen die sowjetischen Juden. Bestehende Ghettos wurden dabei vernichtet, noch nicht erfaßte Juden verfolgt und ermordet.4 Die grausigste Zahl hierzu meldete der Höhere SS- und Polizeiführer Ukraine, Hans Adolf Prützmann, Ende 1942: Unter den 387.370 Menschen, die von August bis einschließlich November dieses Jahres im Reichskommissariat Ukraine, im Heeresgebiet Süd und im Bezirk Bialystock im Kontext der Partisanenbekämpfung getötet wurden, befanden sich demnach 363.211 Juden – 93,7 Prozent der Opfer.5 Hinzu kam ein gleichzeitig stetig steigender Terror gegen die nichtjüdische Zivilbevölkerung.6
Derlei Maßnahmen finden sich zwar in Andeutungen auch in den hier edierten Quellen für 1942/43 wieder, verglichen mit der Intensität der EM aus 1941 ist der Informationsfluß zu den konkreten Auswirkungen der deutschen Vernichtungspolitik jedoch deutlich schwächer. Dafür schlug sich die gesamte Partisanenproblematik in dieser Periode ungleich stärker nieder als noch im ersten Kriegsjahr, in dem die sowjetische Führung die Partisanenbewegung erst mühsam aufzubauen versuchte, frühe Strukturen hinter den feindlichen Linien hauptsächlich aus versprengten Rotarmisten und geflohenen Kriegsgefangenen bestanden und eine damit einhergehende Gefährdung deutscher Besatzungsherrschaft noch kaum virulent war. Im Winter 1941/42 gelang dann auf sowjetischer Seite eine immer straffere Organisierung sowie eine effizientere Führung und Ausrüstung der Partisanen, die seit Frühjahr 1942 eine beständig wachsende Schlagkraft gewannen.7 Diese Entwicklung nimmt in den EM des Jahres 1942, vor allem aber in den MbO der folgenden Zeitspanne einen herausragenden Raum ein.
Verglichen mit den EM wurden die MbO als Quellengattung wissenschaftlich bislang wenig genutzt, was sich teilweise aus dem Umstand erklärt, daß Historiker ihre Aufmerksamkeit auf die Frühphase der deutschen Besatzung konzentrierten. Schon Raul Hilberg verwandte in seiner Pionierstudie über den Holocaust zwar 80 Seiten auf die Darstellung der Judenvernichtung 1941, die darauf folgende längere zweite Phase handelte er jedoch lediglich auf einem Viertel dieses Raumes ab.8 Zahlreiche weitere Historiker folgten später diesem Trend und legten den Schwerpunkt ihrer Analyse auf die Militärgeschichte oder die deutschen Besatzungsverbrechen 1941, so daß die Folgejahre bis in die jüngere Zeit in wissenschaftlichen Darstellungen deutlich unterbelichtet blieben.9 Ähnliches gilt für die justiziellen Ermittlungen der Nachkriegszeit, die in der Tendenz ebenfalls einen Schwerpunkt ihrer Ermittlungstätigkeit für das Jahr 1941 aufweisen, da auch die Staatsanwälte seinerzeit oftmals vergebens nach inkriminierenden Dokumenten für die späteren Kriegsjahre suchten. Der Mangel an Ermittlungsverfahren wiederum hatte zur Folge, daß Historiker nur eingeschränkt auf Justizakten als ergänzende Quellengattung zurückgreifen konnten. Erst in jüngerer Zeit gelang es der Forschung, durch substanzielle Detailstudien den lange anhaltenden Mangel an Wissen über die spätere deutsche Besatzungspolitik in der Sowjetunion zu beheben.10
Die „Meldungen aus den besetzten Ostgebieten“ stellen in diesem Zusammenhang einen herausragenden Quellenkorpus dar, der für die Jahre 1942 und 1943 einen bemerkenswerten Informationsgehalt bietet und damit der vorherrschenden Optik eines scheinbaren Quellenmangels widerspricht. Im Mittelpunkt steht dabei zweifellos die sukzessive wachsende Bedeutung der Partisanenbewegung in den besetzten Gebieten, ihr stetig zunehmender Machtzuwachs und – damit einhergehend – der schleichende Kontrollverlust der deutschen Besatzer. Allerdings – und auch dies wird hier deutlich – verlief dieser Prozeß regional sehr unterschiedlich. Insbesondere in den Räumen der Einsatzgruppe B um Witebsk und Mogilew, Wjasma und Orel, im Generalkommissariat Weißruthenien, an den östlichen Rändern von Lettland und Litauen, in Wolhynien-Podolien und in den nördlichen Zonen des Reichskommissariats Ukraine sowie partiell auf der Krim vollzog sich diese allmähliche Gewichtsverschiebung zugunsten der Partisanen. Im restlichen Baltikum, vor Leningrad, im Donbass und im Süden der Ukraine dagegen blieben die Deutschen auch in dieser Phase noch nahezu uneingeschränkte Herren der Situation.
Ein Beispiel mag dies illustrieren: So kann der Lektüre von MbO Nr. 53 eine weitgehende Destabilisierung der Lage in den deutschbesetzten Gebieten entnommen werden. Die Versorgungslage wird als „sehr angespannt“ geschildert. Eine „Herbeischaffung der Lebensmittel […] aus den bandenverseuchten Gebieten“ sei „sehr uneinheitlich und erschwert“. Überhaupt stünde „die Bevölkerung allen deutschen Verlautbarungen mißtrauisch gegenüber“. Militärische Erfolge der Roten Armee hätten bei Teilen von ihr eine „Angstpsychose“ und „panikartige Haltung“ vor einer Rückkehr der Sowjetmacht ausgelöst. „Disziplin und Arbeitswillen ließen erheblich nach“, wurde als weitere Konsequenz festgestellt. Dem Bericht zufolge befände sich die Partisanenbewegung weiterhin in einem gefährlichen Aufschwung; die „Banden erhalten ständig Zulauf“. Im Gebiet von Rogatschew operierten „Banden in Stärke bis 1000 Mann“, im Raum Polozk könne eine wichtige Straße „nur noch in starken Geleitzügen“ passiert werden und in Teilen des Rayons Krugloje würden Partisanen „die Lage völlig beherrschen“ und hätten „weitgehend wieder sowjetische Verhältnisse eingeführt“. Die Bevölkerung solcher Gebiete habe sich „infolge Fehlens eines wirksamen militärischen Schutzes eine mehr und mehr müde und gleichgültige“ Haltung angewöhnt.11 Insgesamt bilanziert der Bericht für den Monat März 1943 allein im Bereich der Einsatzgruppe B weit über 1000 Überfälle und Anschläge, bei denen Hunderte von Personen getötet, verwundet oder verschleppt worden waren. Nicht zuletzt wird auch die sowjetische Propaganda als sehr effizient beschrieben, während die von deutscher Seite demgegenüber ihre Wirksamkeit eingebüßt zu haben schien. Alles in allem zeichnet der Bericht eine Lage, in der deutsche Besatzungsinstanzen die Kontrolle in manchen Gebieten in einer Weise verloren hatten, die wenig Hoffnungen auf Besserung machte. In ihrem Aussagewert wären solche Schilderungen insgesamt eigentlich weit eher für eine spätere Kriegsphase – etwa die des Jahres 1944 – zu erwarten gewesen. Daß Sicherheitspolizei und SD aber bereits im Frühjahr 1943 ein derart bedrohliches Gesamtbild zeichneten, verdeutlicht den Wert der MbO für die historische Forschung.
Zugleich informiert der vorliegende Quellenkorpus aber auch umfangreich über die Gegenmaßnahmen, mit denen die deutschen Besatzer auf diese Herausforderung reagierten.12 Anfangs glaubten die Einsatzgruppen, daß sie alleine in der Lage seien, die entstehende Partisanenbewegung zu vernichten. Doch diese Hoffnung schwand schon bald. Nach empfindlichen Verlusten – so wurde etwa Dr. Franz Walter Stahlecker, der Chef der Einsatzgruppe A, im März 1942 in einem Gefecht mit Partisanen tödlich verwundet – befahl Heydrich eine wesentliche Einschränkung ihres Aufgabenfeldes: Sicherheitspolizei und SD hätten sich „in Zukunft bei der Bekämpfung der Partisanen lediglich die Führung vorzubehalten“. Der „fühlbare Personalmangel“ verbiete jedoch den gefechtsmäßigen Einsatz eigener Kräfte. Die „Durchführung der Kampfhandlungen“ liege darum bei den Einheiten der Ordnungspolizei bzw. bei der Wehrmacht.13 Die Gewinnung nachrichtendienstlicher Informationen über die Stärke und Bewaffnung der „Banden“, die Lage ihrer Quartiere, aber auch deren logistische Unterstützung durch benachbarte Dörfer bildete seitdem den Sockel aller eigenen Aktivitäten. Auf der Auswertung dieser Aufklärungsergebnisse basierten dann die militärisch geplanten Großunternehmen, bei denen jeweils „SD-Kommandos“ zur Durchführung „sicherheitspolizeilicher Aufgaben“ den eigentlichen Kampftruppen zugeordnet wurden. Konkret bedeutete dies, so der KdS Minsk: „Erkundung, soweit noch möglich. Vernehmung von Gefangenen und Überläufern, Ermittlungen und Unschädlichmachung von Bandenhelfern und Begünstigern“.14
Der von Heydrich proklamierte Führungsanspruch in der Partisanenbekämpfung ließ sich in der Praxis also nicht durchsetzen. Gleichwohl blieb neben der dienenden Funktion des Pfadfinders zu den Partisanen die Entscheidungskompetenz über „Sonderbehandlung“ von Zivilisten. Denn die „SD-Kommandos“ legten nach ihren Verhören fest, wer als „Bandenhelfer“ galt und wer nicht, sie waren also auch Herren über Leben und Tod. Damit aber erweiterte sich die Aufgabe des Erkunders stets um die des Henkers. Wer während eines Unternehmens vor Ort erschossen wurde, lag in aller Regel im Ermessen der Truppenkommandeure von Wehrmacht, Waffen-SS und Ordnungspolizei. Über die Frage, wer danach oder in anderem Kontext – etwa bei einer städtischen Razzia – als Gefangener zu liquidieren war, befanden dagegen Sicherheitspolizei und SD, die so eine zentrale Rolle in der alltäglichen Gewaltpraxis deutscher Besatzungsherrschaft behielten.
Auf dieser Basis entwickelte sich die deutscherseits als „Bandenkampf“ titulierte Partisanenbekämpfung immer mehr zu einem Krieg gegen die Zivilbevölkerung. Obwohl die Besatzer trotz aller Personalknappheit bis 1944 noch die Möglichkeit hatten, punktuell überlegene Kräfte zu konzentrieren, war es für die Partisanen dennoch relativ einfach, sich rechtzeitig aus der drohenden Umklammerung zu lösen. Damit aber stießen die Deutschen immer wieder ins Leere und trafen hauptsächlich eine bäuerliche Zivilbevölkerung, die sie in aller Regel mit den „Banden“ gleichsetzten. Das Ergebnis der daraus resultierenden Gefechte, die in Wirklichkeit kaum mehr waren als Massaker, manifestierte sich in einem erheblichen Mißverhältnis zwischen der Ziffer der Getöteten einerseits und der Bilanz erbeuteter Waffen sowie der eigenen Verluste andererseits, wie nahezu alle Berichte eindeutig zeigen. Zum Maßstab des militärischen Erfolgs avancierte die Zahl der gegnerischen Toten, die umstandslos zu Partisanen oder „Bandenhelfern“ erklärt wurden. Als Indikator für erfolgreiche „Befriedung“ galt also nicht der Geländegewinn, nicht die Menge der Gefangenen, sondern die der Leichen.15 Diese ideologisierte Optik vernebelte zunehmend die Realität, beeinträchtigte die Faktenanalyse, verstellte den Blick auf die Wirklichkeit, wenngleich sich bis in die Spätphase des Berichtszeitraums durchaus Hinweise darauf finden lassen, daß Sicherheitspolizei und SD die ausweglose Lage der zwischen Partisanen und Deutschen zerriebenen Zivilbevölkerung wie auch die Sinnlosigkeit habituellen Terrors wahrnahmen.
Die deutsche Taktik erhöhte nicht nur die Zahl der getöteten Zivilisten, sie wirkte auch extrem kontraproduktiv, denn „die Großbanden wurden nicht vernichtet, sondern nur verdrängt“, wie man beispielsweise im weißrussischen Baranowicze feststellte. „Bei der Erschießung der Bevölkerung wurden leider nur zu einem wesentlichen Teil gerade die friedlichen Elemente erfaßt, da diejenigen Einwohner, die kein reines Gewissen gegenüber den deutschen Behörden hatten, bereits in den Wald geflohen waren, als die ersten Nachrichten von dem Großeinsatz sich verbreiteten. Die Zahl derjenigen Einwohner, die nicht erschossen worden sind, deren Gehöfte aber verbrannt wurden, ist erheblich. Diese treiben sich in den umliegenden Wäldern herum und sind gezwungen, ihren Lebensunterhalt durch Diebstahl oder Bedrohung zu erwerben oder – und dieses ist in der Mehrzahl der Fälle bereits geschehen – zu den Banden zu stoßen.“16 Ließen sich die Berichte an Himmler durch die immensen Tötungsquoten so zwar martialisch schönen, dokumentierten sie in Wirklichkeit doch das Scheitern deutscher „Befriedungs“-Politik. Denn statt – wie beabsichtigt – den sozialen Rückhalt der Partisanen zu schwächen, trieb man ihnen durch blindwütige Gewalt neue Kräfte zu. Und da diese Dynamik sich verstärkte, da sie struktureller Bestandteil der Besatzungsherrschaft war, untergruben die Deutschen mit jedem „Bandenunternehmen“, mit jedem verbrannten Dorf ihre eigene Machtposition.
Um auch diesen Band der Edition in einem für die Nutzung vertretbaren Umfang zu halten, kamen die Herausgeber nicht umhin, die MbO partiell zu kürzen. Redundanzen wurden zum einen dadurch vermieden, daß auf einen Abdruck der Inhaltsangaben ab MbO Nr. 2 grundsätzlich verzichtet wurde. Zum zweiten entfielen in der Edition mitunter auch Berichte, deren Inhalt den Herausgebern vernachlässigbar erschien. Zweifellos sind im Prinzip alle Quellen zur deutschen Besatzungspolitik relevant, doch nicht für alle gilt dies in gleichem Umfang. Beispielsweise wurde MbO Nr. 1 um eine Meldung aus Lettland gekürzt, in der zu erfahren war, es sei „in der Nähe von Modohn ein Flugzeug unbekannter Nationalität beim Abwurf von Ballons beobachtet“ worden. Da deren Funktion nicht weiter eruierbar war, entfiel diese Passage wegen ihres unwesentlichen Inhalts. Auch ein daran anschließender Bericht zu Litauen, in dem Aufklärungsergebnisse über einen „Brand in der Reichspelzfabrik Kailis“ wiedergegeben wurden, erschien ähnlich irrelevant und wurde daher ebenfalls nicht in die Edition aufgenommen.17 Auch eine Kürzung mancher Meldungen erschien schon wegen ihres Umfangs angebracht. So umfaßt etwa MbO Nr. 36 allein 49 Seiten. Darin wurde unter anderem zur „Wirtschaftlichen Lage im Generalbezirk Estland“ eine längere Passage gekürzt, in der Zahlen zu den beim „estnischen Wirtschaftsdirektorium 328“ eingereichten Reprivatisierungsanträgen referiert und Argumente für oder wider eine entsprechende „Behandlung der Mühlen- und Sägewerke“ debattiert wurden.18 Mit solchen maßvollen Streichungen beabsichtigen die Herausgeber die MbO als Quellensammlung besser handhabbar zu machen, ohne bei der Nutzung auf wesentliche Inhalte verzichten zu müssen. Daß es der Edition um möglichst breite Kontextualisierung zentraler Themenaspekte geht, belegt der bereits vorliegende Band II mit seinen Zusatzdokumenten sowie dem umfangreichen Anmerkungsapparat.
Ursprünglich gedacht waren die Berichte des RSHA nur für eine sehr begrenzte Anzahl von Dienststellen. Mit der Zeit weitete sich der Verteiler dann aber sukzessive aus. Von der ersten EM wurden am 23. Juni 1941 gerade einmal zehn Exemplare gefertigt. Der Verteiler weist Heinrich Himmler, Reinhard Heydrich und dessen sieben Amtschefs als Empfänger aus.19 Nach gut vier Monaten Ostkrieg hatte sich die Auflage der EM im November schon auf mehr als 50 Exemplare erhöht. Neben den anfänglichen Adressaten waren eine Vielzahl weiterer Gruppen und Referate im RSHA hinzugekommen. Zudem erhielten der Chef der Ordnungspolizei, die Höheren SS- und Polizeiführer in der Sowjetunion sowie der Befehlshaber und die Kommandeure bzw. Inspekteure der Sicherheitspolizei und des SD im besetzten Polen jeweils Ausfertigungen der Berichte.20 Im Folgejahr muß der Verteiler nochmals ausgeweitet worden sein, da nunmehr auch Behörden außerhalb von Himmlers SS-Imperium wie das Auswärtige Amt zu den Adressaten der EM und MbO zählten. Mangels genauerer Aufstellungen über den Verteiler fehlen für 1942/43 allerdings präzise diesbezügliche Informationen.
Die recht ansehnliche Verbreitung der Berichte läßt jedoch nicht den eigentlich naheliegenden Schluß zu, daß mit zunehmender Kriegsdauer auch ein ständig wachsender Kreis von NS-Behörden in Berlin in die mörderischen Praktiken der SS im Osten eingeweiht gewesen wäre. Die Berichte galten bis zuletzt als „Geheime Reichssache“, womit die Zahl ihrer Leser von vornherein stark beschränkt blieb. Gleichzeitig bewirkten ab Herbst 1941 verstärkt greifende Geheimhaltungsbemühungen der NS-Führung, daß die ursprünglich bemerkenswert unverblümte Berichterstattung über die Massenverbrechen an den sowjetischen Juden, an der nichtjüdischen Zivilbevölkerung oder den Kriegsgefangenen zunehmend aus der Berichterstattung verschwand und verschiedensten Euphemismen und Tarnbegriffen Platz machte, die das Wissen in der deutschen Gesellschaft um das „offene Geheimnis“ allerdings noch verstärkten.21
Eben jene verschärften Geheimhaltungsbemühungen zur Verschleierung der nationalsozialistischen Massenverbrechen werden letztlich auch durch die Tatsache belegt, daß lediglich eine einzige Zusammenstellung der Berichte überhaupt das Kriegsende überdauert hat.22 Während einzelne EM und MbO auch in den Akten des Auswärtigen Amtes überliefert sind, wurde diese bis auf marginale Ausnahmen offenbar einzige vollständige Sammlung im Zentrum der einstigen Macht in der Reichshauptstadt Berlin aufgefunden.23 Amerikanische Soldaten entdeckten das Berichtskonvolut am 3. September 1945 nicht einmal eigens gesichert inmitten einer Kollektion zahlreicher weiterer Akten mit einem Gesamtgewicht von annähernd zwei Tonnen im 4. Stock des Gestapo-Hauptquartiers in der Prinz-Albrecht-Straße 8.24
In eben diesem Gebäude waren sowohl die EM als auch die MbO jeweils auf der Grundlage der im RSHA eingehenden Berichte der vier in der Sowjetunion operierenden Einsatzgruppen sowie der vermehrt aus ihnen gebildeten stationären Dienststellen ursprünglich entstanden.25 Während der ersten Monate des Jahres 1942 wurden die EM erst einmal unverändert und im entsprechenden Erscheinungsmodus des Vorjahres fortgesetzt. Mit der EM Nr. 195 endete dann aber Ende April die annähernd ein Jahr beibehaltene Berichtsweise des RSHA zu dieser Tätigkeit. Ohne jegliche Vorankündigung wurden die EM eingestellt und durch die MbO ersetzt. Am 1. Mai heißt es dazu ohne weitere Erklärung oder Begründung im ersten Exemplar der neuen Berichtsform: „Anstelle der bisher monatlich gelieferten ‚Tätigkeits- und Lageberichte der Einsatzgruppen der Sicherheitspolizei und des SD in der UdSSR‘ erscheinen nun wöchentlich die ‚Meldungen aus den besetzten Ostgebieten‘.“26
In dem knappen Satz ist immerhin ein wichtiges Charakteristikum der neuen Erscheinungsweise erwähnt. Die MbO erschienen künftig im Wochenturnus statt wie bisher die EM anfangs täglich und dann zwei- bis dreimal wöchentlich. Abgesehen davon wurde die neue Berichtsform stärker vereinheitlicht und kategorisiert. Zu Beginn einer jeden MbO fand sich nun eine die Lektüre vereinfachende „Inhaltsangabe“, die eine Kurzzusammenfassung des jeweiligen Inhalts lieferte und ab MbO Nr. 10 eigens mit lateinischen Seitenzahlen statt der sonst üblichen arabischen Ziffern ausgewiesen wurde.27 Die Lagemeldungen der einzelnen Kommandos und Dienststellen wurden darüber hinaus unter Kategorien wie „Gegner und Exekutivfragen“ und „Lebensgebiete“ subsumiert. Zudem kam mit der Rubrik „Meldungen aus den unbesetzten Gebieten“ noch eine Berichtsebene hinzu, die regelmäßig über die Lage in Stalins Reich jenseits der deutschen Frontlinien informierte. Verglichen mit den früheren, für die EM gewählten Rubriken „Meldungen der Einsatzgruppen und -kommandos“, „Politische Ereignisse“ sowie „Militärische Ereignisse“ offenbarte sich darin das Interesse der RSHA-Führung, die Berichterstattung stärker zu vereinheitlichen und auf den eigentlichen Kernbereich der Sipo- und SD-Arbeit zu konzentrieren.28 Nicht von ungefähr glichen die MbO formal künftig auch weit stärker als bisher dem zur innenpolitischen Lage Deutschlands geführten SD-Berichtsformat der „Meldungen aus dem Reich“.
Mit dieser Umorganisierung inhaltlicher Art einher gingen personelle Veränderungen beim Kommandostab, der ursprünglich im Referat IV A 1 des RSHA beheimatet war und bislang die EM aus den eingehenden Berichten der Einsatzgruppen und Sipo-Dienststellen erstellt hatte. Gustav Adolf Nosske, der gerade als Chef des Einsatzkommandos 12 der Einsatzgruppe D abgelöst worden war und im RSHA das neugeschaffene Referat IV D 5 (Besetzte Ostgebiete) übernommen hatte, trat nunmehr an die Spitze des Kommandostabes. Zugleich änderte sich auch dessen weitere personelle Zusammensetzung. Unter dem Vorsitz von Nosske tagten seitdem einmal wöchentlich die Leiter jener RSHA-Referate, die mit Sachfragen der Sowjetunion befaßt waren. Sie erhielten fortan von ihren Amtschefs jeweils diejenigen Berichtsteile der Einsatzgruppen, die unmittelbar ihr Ressort betrafen, und erarbeiteten daraus Vorschläge für die Publikation. Nosskes Referat IV D 5, dem auch Rudolf Fumy und Dr. Günter Knobloch als Redakteure der bisherigen EM zugeordnet worden waren, nahm abschließend die Fertigstellung der MbO vor.29
Unklar bleibt, ob Heydrich mit dieser Umstrukturierung ein gewisses Gegengewicht zu Rosenbergs Ostministerium schaffen wollte oder ob er nicht auch unter eigener Ägide die Schaffung einer echten Befehlszentrale für die besetzten Gebiete der Sowjetunion intendierte, was dann lediglich durch seinen Tod kurze Zeit später verhindert wurde. Sogar jenes überraschende Ende des mächtigen Chefs von Sicherheitspolizei und SD am 4. Juni 1942 in Prag stellt ein Beispiel für die neue, stringentere Ausrichtung der MbO dar. Waren in den EM kurz zuvor noch scheinbar wahllos verschiedenste, in ihrer Bedeutung häufig eher fragwürdige Ereignisse aus dem Reich oder aus anderen deutschbesetzten Regionen Europas wie selbstverständlich gemeldet worden, fand nunmehr selbst der Tod Heydrichs in den MbO keinerlei Erwähnung mehr. Seit dem Formatwechsel gehörten dort insbesondere Berichte über kommunistische Untergrundaktivitäten in Frankreich, Jugoslawien oder dem Protektorat der Vergangenheit an.
Das unverkennbare Interesse der RSHA-Führung, durch diese Änderung von Aufmachung und Titel ein inhaltlich relevanteres, besser nutzbares Informationsmedium zu schaffen, kann aus heutiger Sicht nur als gescheitert gelten. Zu stark waren dafür längst NS-Ideologie und -Propaganda mit den realen Verhältnissen in den deutschbesetzten Gebieten verwoben. Dieser Umstand in Verbindung mit dem Bedürfnis nach positiver Selbstdarstellung verstellte den SS-Funktionären den Blick auf die Wirklichkeit, deren Wahrnehmung eine wesentliche Vorbedingung für einen wirklichen Gebrauchswert der Berichterstattung gewesen wäre. So entstanden jeweils dann, wenn die Lage vor Ort im Licht der nationalsozialistischen Propaganda- und Durchhalteparolen interpretiert wurde, reichlich groteske Situationsbeschreibungen. So war etwa Anfang Mai 1943 über die Lage im Heeresgebiet Mitte zu lesen, die Bevölkerung sehe fälschlicherweise „hinter den deutschen Frontverkürzungen im mittleren Abschnitt keine frei gewählte strategische Maßnahme, sondern glaubt, daß die deutschen Truppen durch Feinddruck gezwungen wurden, sich zurückzuziehen“.30
Abgesehen von erheblichen Defiziten bei der Abbildung der Realität offenbarten sich im Berichtsformat von EM und MbO für die Jahre 1942/43 zudem zahlreiche Lücken, die das Interesse eines möglichst einheitlichen, flächendeckenden Informationsflusses konterkarierten. Anders als wohl ursprünglich bei der mit den MbO einhergehenden Umstrukturierung intendiert, blieb das bereits bei den EM erkennbare Ungleichgewicht beim Meldungseingang zu einzelnen Regionen weiterhin bestehen. In den MbO ist wiederholt ein deutlicher Schwerpunkt bei der Berichterstattung zum Baltikum erkennbar, während über die Tätigkeit der Einsatzgruppe D gleichzeitig kaum noch etwas zu erfahren ist. Zur Ukraine läßt sich wiederum häufig eine Konzentration von Berichten auf deren westliche Regionen und hier speziell auf die Nationalitätenfrage sowie die Konflikte mit der Melnik- bzw. Bandera-Bewegung feststellen, während Lageberichte über die östlichen Gebiete weitgehend fehlen.31
Überdies sind erst seit Sommer 1942 übergreifende Angaben zu lesen, die das Bemühen erkennen lassen, bezüglich der Partisanenaktivitäten ein zusammenhängendes Lagebild zu entwickeln. So findet sich beispielsweise in MbO Nr. 14 eine Zusammenstellung über die Gesamtzahl der Sprengstoffanschläge im Juni 1942 im Bereich der Heeresgruppe Mitte, ergänzt durch eine Auflistung von Angriffen auf einzelne Bahnstrecken und eine Beschreibung der Art der Anschläge.32 Im gleichen Bericht sowie bereits früher in MbO Nr. 8 ist zudem eine deutliche Betonung der negativen Auswirkungen auf die Stimmung der Zivilbevölkerung und auf die schwierigere Versorgungslage formuliert.33 Mit dem Sommer 1942 und der sich auch für die deutschen Besatzungsbehörden immer augenfälliger aufdrängenden Tatsache, daß die sowjetische Partisanenbewegung an Schlagkraft gewann, waren nunmehr stärker um einen Realitätsgehalt bemühte Passagen zu lesen. So enthält MbO Nr. 16 umfangreiche Zahlen zur Häufigkeit von Partisanenüberfällen im Juli und August 1942. Bereits in der Woche darauf wurde in MbO Nr. 17 weiteres Zahlenmaterial zu Opfern, der Zahl von Anschlägen sowie den daraus resultierenden Schäden zusammengestellt.34
Gleichzeitig jedoch waren Sicherheitspolizei und SD in die Entwicklung hin zu kombinierten Großunternehmen der verschiedenen Waffengattungen bei der Bekämpfung der Partisanen offenbar kaum mehr entscheidend eingebunden. So fanden auch die ersten im Bereich der Heeresgruppe Mitte organisierten gemeinsamen Operationen von Wehrmacht und Ordnungspolizei in den MbO kaum ihren Niederschlag. Wenn die neue Strategie in den Berichten überhaupt Erwähnung findet, zeigt sich, daß solche Passagen fern der eigentlichen Befehlszentren aus einer gewissen Distanz verfaßt wurden.35 Entsprechend fehlte es in den Berichten weiterhin an Aktualität hinsichtlich maßgeblicher Entwicklungen und Ereignisse. Anfang Oktober 1942 beispielsweise sind den MbO Nr. 23 zwar Meldungen über den „Bandenkampf“ zu entnehmen, die jedoch bereits zwei Monate alt sind. Dagegen findet sich keinerlei Bericht über das damals in Weißrußland gegen die dortigen Partisanen laufende Großunternehmen „Sumpffieber“, an dem Sicherheitspolizei und SD immerhin ja beteiligt waren.36
Für solche auffälligen Lücken sind verschiedene Ursachen denkbar. Möglich wäre, daß die Bearbeiter im RSHA die Berichterstattung der Sipo-Dienststellen oder der noch mobilen Einsatzgruppen in ihrem Wert verkannten und aus der Fülle des Materials nur eher Beliebiges zusammenkürzten. Weit wahrscheinlicher ist jedoch, daß aus der deutschbesetzten Sowjetunion nur selten Berichtsmaterial in einer inhaltlichen Qualität und chronologischen Dichte nach Berlin geschickt wurde, welches das RSHA in die Lage versetzen konnte, zeitnah zu berichten und inhaltlich zutreffende Analysen zur dortigen Lage anzustellen. Bedauerlicherweise sind in diesem Zusammenhang keinerlei Unterlagen des RSHA erhalten, die Aufschluß darüber geben könnten, in welcher Form die Dienststellen vor Ort hinsichtlich der Abfassung von Berichten instruiert wurden. Nur auf der Grundlage solcher Quellen wäre eine zuverlässigere Beurteilung möglich, welche Dependancen genaue und den zugrundeliegenden Vorgaben entsprechende Meldungen verfaßten und welche in dieser Beziehung eher nachlässig verfuhren.37
Vielfach überwiegen in den Berichten aus dem RSHA nachrangige Details und langatmige Kommentare, etwa zu Einzelaspekten der Konfessions- oder Agrarpolitik. Ein authentisches Bild der Lage und ihrer Entwicklungslinien sowie aussagekräftige Vergleiche zur Situation in den einzelnen Großregionen werden hinter einer Fülle von Einzelheiten jedenfalls oft kaum sichtbar. Damit ist tendenziell auch der nicht unerhebliche Umstand belegt, daß Sicherheitspolizei und SD sich immer weniger befähigt zeigten, die Realitäten in den besetzten Gebieten realistisch wahrzunehmen, sie in ihrer Gefährdung für das nationalsozialistische Besatzungsgefüge anzuerkennen und etwa auf die sich ausbreitende Gegengewalt der sowjetischen Partisanen überhaupt eine angemessene Antwort finden zu können. Mit zunehmender Kriegsdauer lesen sich die Berichte immer mehr wie Kompilationen von Sachwaltern deutscher Herrschaft, denen es weniger um den Nutzwert ihrer Meldungen für die Berliner Zentrale als um die Erhaltung ihrer Posten fernab der Front mittels Betonung ihrer Rolle im ungleichen „Bandenkampf“ ging.
Zu diesem Zusammenhang, zu inhaltlichen Lücken und der Korrektheit der EM und MbO äußerte sich im Rahmen einer Vernehmung 1948 Rudolf Fumy, Sachbearbeiter im zuständigen RSHA-Referat. Er räumte durchaus grundsätzliche Fehler ein, wie sie „bei der notgedrungenen Flüchtigkeit der redaktionellen Arbeit nicht zu vermeiden waren“. Abgesehen davon zielten inhaltliche Eingriffe höherer Stellen, etwa durch Gestapo-Chef Müller, laut Fumy darauf ab, beim Leser den Eindruck zu erhärten, „daß die gesamte geschilderte Tätigkeit auf Rechnung der Sipo und des SD komme“. Dies hatte zur Folge, daß andere Instanzen selbst dann nicht genannt wurden, wenn deren Meldungen über „Querverbindungen“ ins RSHA gelangten und dort in die eigenen Berichte eingearbeitet wurden.38 Bestandteil der interessengeleitet verzerrten Darstellung war demnach auch die Unvollständigkeit bei der Abbildung des besatzungspolitischen Alltags. So fehlte – wie bereits angedeutet – in den Meldungen oft der Hinweis auf einschlägige Ereignisse, die von anderen, oftmals konkurrierenden Institutionen verantwortet wurden, wobei jeweils unklar bleibt, ob dies Folge der Beschränkung auf den Kernbereich des eigenen Aufgabenkreises, eine bewußte Ausklammerung von Aktionen der Konkurrenzinstanzen oder lediglich Resultat von mangelhaftem Informationsfluß war.
Die EM und MbO sind daher auch als ein Spiegelbild sowohl der sich zu Ungunsten der Deutschen verändernden Realitäten als auch des teilweise intriganten nationalsozialistischen Institutionengeflechts zu verstehen. Bis zuletzt behaupteten Sicherheitspolizei und SD im Rahmen ihrer Berichterstattung, grundsätzliche Kenntnis von der generellen Lageentwicklung zu besitzen, obwohl die zumindest partiell abhanden gekommen war. Gleichfalls wurde eine herausgehobene Bedeutung etwa bei der „Bandenbekämpfung“ suggeriert, obwohl die entscheidenden Befugnisse lange schon von anderen Instanzen übernommen worden waren. Die vorgespiegelte Objektivität kann über die hermetische Abgeschlossenheit der Berichterstattung nicht hinwegtäuschen. Entsprechend wichtig bleibt es, diese mit Quellen anderer Provenienz systematisch zu vergleichen.
Mit den MbO Nr. 55 endeten am 21. Mai 1943 nach annähernd zwei Jahren die bisherigen Berichtsformate von Sicherheitspolizei und SD zur Besatzungspolitik in der Sowjetunion.39 In der letzten Meldung finden sich weder irgendwelche Hinweise auf Überlegungen, die zur Einstellung führten, noch deutet sich irgendwo an, daß im RSHA geplant war, das Berichtsformat in veränderter Form fortzusetzen. Hinsichtlich einer Beantwortung der Frage, warum diese bedeutende Quelle ohne Vorankündigung derart abrupt eingestellt wurde, tappt die Geschichtswissenschaft im Dunkeln. Sahen sich die Verantwortlichen im RSHA angesichts der unbestreitbaren Machtbefugnisse Rosenbergs für die Zivilverwaltung und der bestimmenden Vollmachten Bach-Zelewskis bei der Partisanenbekämpfung, einer der zentralen früheren Kernkompetenzen von Sicherheitspolizei und SD, gezwungen, die eigene Nachrangigkeit auf diesen Gebieten zu akzeptieren und daher jenes Berichtsformat einzustellen, welches noch stark die eigene Bedeutung im besetzten Osteuropa betonte? Oder war es der mit dem Übergang zum „totalen Krieg“ verbundene Abbau bürokratischer Redundanzen, der zur Verschlankung des Berichtswesens in Himmlers Apparat führte? Ohne neue Quellenfunde stellen diesbezügliche Überlegungen jedoch lediglich Spekulationen dar. Ein Beleg dafür, daß die bisherigen Adressaten die Berichte vermißten, ist jedenfalls nicht überliefert.
Einige Bemerkungen seien noch zur Schreibweise und zum Umgang mit offensichtlichen Fehlern in den Originaldokumenten angefügt. Grundsätzlich wurde die häufig uneinheitliche Orthographie auch in den edierten Texten beibehalten. Nur um Mißverständnissen vorzubeugen, wurden etwa bei der Unterscheidung von „Maß“ und „Masse“ im Text entsprechende Korrekturen vorgenommen. Darüber hinaus wurden auch zweifelsfrei erkennbare sinnentstellende Schreibfehler stillschweigend verbessert. Im Falle augenscheinlicher orthographischer Fehler, die keine entsprechende Korrektur nahelegten, wurde zur Verdeutlichung ein „sic“ in eckigen Klammern beigefügt. Das gleiche Verfahren wurde bei unvollständigen oder verbauten Sätzen angewandt. Verstümmelte Sätze wurden nicht als sinnloser Torso in den Text aufgenommen, sondern komplett durch den Vermerk „unleserlich“ in eckiger Klammer ersetzt. Bei den in den Quellen häufig variierenden Ortsnamen galt als maßgeblich stets die Version im Kartenmaterial des deutschen Heeres.
Der Dank der Herausgeber gilt abschließend denjenigen, die zur Realisierung der vorliegenden Veröffentlichung beigetragen haben. Zu allererst sei Heidrun Baur, die langjährige Mitarbeiterin der Forschungsstelle Ludwigsburg der Universität Stuttgart, genannt, die in unermüdlicher Arbeit sämtliche Texte aufgenommen und korrigiert sowie einen Großteil der Kommentare zu den Quellen in den Anmerkungsapparat eingearbeitet hat. Ihre Tätigkeit an der Forschungsstelle Ludwigsburg hat sie Ende 2013 beendet. Für ihre unschätzbare Arbeit nicht nur am vorliegenden Band danken wir ihr noch einmal sehr herzlich und wünschen das Allerbeste für die weitere Zukunft. Ihre aktuelle Nachfolgerin in Ludwigsburg, Eva Samuel-Eckerle, hat die Arbeit an der Edition abgeschlossen und für den vorliegenden Band die Personen- und Ortsregister erstellt. Dafür gilt auch ihr unser herzlicher Dank. In schon bewährter Weise erarbeitete Ray Brandon einmal mehr die Karten. Dafür sind wir ihm ebenfalls sehr verbunden.
Nicht zuletzt danken wir Prof. Dr. Jan Philipp Reemtsma, Prof. Dr. Bernd Greiner und Matthias Kamm vom Hamburger Institut für Sozialforschung, die das Editionsprojekt von Beginn an begleitet und vorbehaltlos unterstützt haben. Dasselbe gilt für Paul Shapiro vom Jack, Joseph and Morton Mandel Center for Advanced Holocaust Studies des United States Holocaust Memorial Museum in Washington D.C. (USHMM). Den Genannten verdankt der Band großzügige Zuschüsse, einerseits seitens der Hamburger Stiftung zur Förderung von Wissenschaft und Kultur, andererseits durch den Curt C. und Else Silberman Fund des USHMM, die letztlich das Erscheinen eines solchen umfassenden Werkes erst möglich gemacht haben. Für dieses angenehme und vorbildliche Beispiel wissenschaftlicher Kooperation danken die Herausgeber sehr herzlich.
1 Klaus-Michael Mallmann/Andrej Angrick/Jürgen Matthäus/Martin Cüppers (Hrsg.): Die „Ereignismeldungen UdSSR“ 1941. Dokumente der Einsatzgruppen in der Sowjetunion I, Darmstadt 2011.
2 Andrej Angrick/Klaus-Michael Mallmann/Jürgen Matthäus/Martin Cüppers (Hrsg.): Deutsche Besatzungsherrschaft in der UdSSR 1941–1945. Dokumente der Einsatzgruppen in der Sowjetunion II, Darmstadt 2013.
3 Zum Kriegsverlauf grundlegend: Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg, Bde. 4 u. 6, hrsg. v. Militärgeschichtlichen Forschungsamt, Stuttgart 1983 u. 1990; John Keegan: Der Zweite Weltkrieg, Berlin 2004; Lothar Gruchmann: Der Zweite Weltkrieg, München 1967; Christian Hartmann: Wehrmacht im Ostkrieg. Front und militärisches Hinterland 1941/42, München 2010.
4 Ausführlich zu Weißrußland: Christian Gerlach: Kalkulierte Morde. Die deutsche Wirtschafts- und Vernichtungspolitik in Weißrußland 1941–1944, Hamburg 1999, S. 683–743.
5 HSSPF Rußland-Süd, Ukraine u. Nordost: Meldung über Bandenbekämpfungserfolge v. 26.12.1942, BAB, NS 19/2566; vgl. Shmuel Spector: The Holocaust of the Volhynian Jews 1941–1944, Jerusalem 1990, S. 172ff.
6 Martin Cüppers: Wegbereiter der Shoah. Die Waffen-SS, der Kommandostab Reichsführer-SS und die Judenvernichtung 1939–1945, Darmstadt 2005, S. 227–233.
7 Zu den schwierigen Anfängen der sowjetischen Partisanenbewegung: Bogdan Musial: Sowjetische Partisanen 1941–1944. Mythos und Wirklichkeit, Paderborn u.a. 2009, S. 38–83; Dieter Pohl: Die Herrschaft der Wehrmacht. Deutsche Militärbesatzung und einheimische Bevölkerung in der Sowjetunion 1941–1944, München 2009, S. 149ff., 283; Cüppers: Wegbereiter der Shoah, S. 215–233; Jörn Hasenclever: Wehrmacht und Besatzungspolitik in der Sowjetunion. Die Befehlshaber der rückwärtigen Heeresgebiete 1941–1943, Paderborn u.a. 2010, S. 359–377.
8 Raul Hilberg: Die Vernichtung der europäischen Juden, Bd. 2, Frankfurt/M. 1990, S. 287–410.
9 Vgl. den Ausstellungsband zur ersten Wehrmachtsausstellung des Hamburger Instituts für Sozialforschung (Hrsg.): Vernichtungskrieg. Verbrechen der Wehrmacht 1941 bis 1944, Hamburg 1996; Bernd Wegner (Hrsg.): Zwei Wege nach Moskau. Vom Hitler-Stalin-Pakt zum „Unternehmen Barbarossa“, München 1991; Gerd R. Ueberschär/Wolfram Wette (Hrsg.): „Unternehmen Barbarossa“. Der deutsche Überfall auf die Sowjetunion 1941. Berichte, Analysen, Dokumente, Paderborn u.a. 1984; Ralf Ogorreck: Die Einsatzgruppen und die „Genesis der Endlösung“, Berlin 1996.
10 Zu den frühen Standardwerken, die einen intensiven Einblick über 1941 hinaus anbieten, gehört Gerald Reitlinger: Ein Haus auf Sand gebaut. Hitlers Gewaltpolitik in Rußland 1941–1944, Hamburg 1958; als neuere Studien seien exemplarisch genannt: Hasenclever: Wehrmacht und Besatzungspolitik; Andrej Angrick/Peter Klein: Die „Endlösung“ in Riga. Ausbeutung und Vernichtung 1941–1944, Darmstadt 2006; Ray Brandon/Wendy Lower (Hrsg.): The Shoah in Ukraine. History, Testimony, Memorialization, Bloomington 2008; Norbert Kunz: Die Krim unter deutscher Herrschaft 1941–1944. Germanisierungsutopie und Besatzungsrealität, Darmstadt 2005.
11 Alle Zitate aus MbO 53 v. 7.5.1943 in diesem Bd.
12 Zusammenfassend: Klaus-Michael Mallmann: „Aufgeräumt und abgebrannt“. Sicherheitspolizei und ‚Bandenkampf‘ in der besetzten Sowjetunion, in: Gerhard Paul/Klaus-Michael Mallmann (Hrsg.): Die Gestapo im Zweiten Weltkrieg. ‚Heimatfront‘ und besetztes Europa, Darmstadt 2000, S. 503–520.
13 CdS an EG A v. 27.4.1942, in: Angrick/Mallmann/Matthäus/Cüppers: Deutsche Besatzungsherrschaft in der UdSSR, S. 330.
14 KdS Minsk-Einsatzstab: Einsatzbefehl zum Unternehmen „Erntefest II“ v. 28.1.1943, ebd., S. 504.
15 Vgl. Mallmann: „Aufgeräumt und abgebrannt“, S. 514f.
16 Forstschutzkdo. Baranowitsche an SD-Außenstelle v. 12.10.1942, BAB, R 6/354.
17 Vgl. die Passagen im Original in MbO 1 v. 1.5.1942, BAB, R 58/697.
18 MbO 36 v. 8.1.1943 in diesem Bd.
19 Eine weitere Ausfertigung wurde im Referat IV A 1 archiviert, vgl. den Verteiler in EM 1 v. 23.6.1941, in: Mallmann/Angrick/Matthäus/Cüppers: Ereignismeldungen UdSSR, S. 42.
20 Vgl. den Verteiler in EM 128 v. 3.11.1941, ebd., S. 746f.
21 Vgl. Peter Longerich: „Davon haben wir nichts gewußt!“ Die Deutschen und die Judenverfolgung 1933–1945, München 2006; Frank Bajohr/Dieter Pohl: Der Holocaust als offenes Geheimnis. Die Deutschen, die NS-Führung und die Alliierten, München 2006; Bernward Dörner: Die Deutschen und der Holocaust. Was niemand wissen wollte, aber jeder wissen konnte, Berlin 2007.
22 Archiviert im Bestand RSHA in BAB, R 58.
23 EM 158 stellt den einzigen Bericht der gesamten Serie von EM u. MbO dar, der offenbar nicht überliefert ist.
24 Ronald Headland: Messages of Murder. A Study of the Reports of the Einsatzgruppen of the Security Police and the Security Service, 1941–1943, Toronto 1992, S. 13f.; zum Auffinden der Berichte u. zu ihrer Nutzung als Beweismittel der Anklage im Nürnberger Fall 9, dem Prozess gegen Offiziere der EG, ausführlich: Hilary Earl: The Nuremberg SS-Einsatzgruppen Trial 1945–1958. Atrocity, Law, and History, Cambridge u.a. 2009, S. 75–82.
25 Zur Entstehung Vern. Dr. Günter Knobloch v. 30.1.1959, zit. in: Helmut Krausnick/Hans-Heinrich Wilhelm: Die Truppe des Weltanschauungskrieges. Die Einsatzgruppen der Sicherheitspolizei und des SD, Stuttgart 1981, S. 337; Mallmann/Angrick/Matthäus/Cüppers: Ereignismeldungen UdSSR, S. 10–14.
26 Vgl. MbO 1 in diesem Bd.
27 Dazu ebd. sowie MbO 10 in diesem Bd.
28 Vgl. bspw. die Gliederung von EM 122 v. 23.10.1941, in: Mallmann/Angrick/Matthäus/Cüppers: Ereignismeldungen UdSSR, S. 721–724.
29 Vermerk Staw Berlin v. 21.12.1964, BAL, B 162/5418; dto. Gstaw Berlin v. 8.6.1967, BAL, B 162/5419; Vern. Dr. Fritz Rang v. 12.1.1967, BAL, B 162/5403.
30 MbO 53 v. 7.5.1943 in diesem Bd.
31 Vgl. MbO 23 u. 24 v. 2. bzw. 9.10.1942 in diesem Bd.
32 Vgl. MbO 14 v. 31.7.1942 in diesem Bd.
33 Ebd.; MbO 8 v. 19.6.1942 in diesem Bd.
34 Vgl. MbO 16 u. 17 v. 14. bzw. 20.8.1942 in diesem Bd.
35 Zur neuen Strategie: Gerlach: Kalkulierte Morde, S. 884–892; Hartmann: Wehrmacht im Ostkrieg, S. 745–749; Cüppers: Wegbereiter der Shoah, S. 252–260.
36 Vgl. MbO 23 v. 2.10.1942 in diesem Bd.; zum großangelegten Unternehmen „Sumpffieber“: Gerlach: Kalkulierte Morde, S. 911ff.; Cüppers: Wegbereiter der Shoah, S. 252ff.
37 Vom Kommandostab RFSS u. seinen unterstellten SS-Brigaden sind diesbezüglich genaue Dok. erhalten geblieben, vgl. Cüppers: Wegbereiter der Shoah, S. 15, 152f., 174f., 177ff.
38 Eidesstattliche Versicherung Rudolf Fumy v. 12.1.1948, zit. in: Krausnick/Wilhelm: Die Truppe des Weltanschauungskrieges, S. 338f.; vgl. Headland: Messages of Murder, S. 38–43.
39 MbO 55 v. 21.5.1943 in diesem Bd.