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Ereignismeldung UdSSR Nr. 153
ОглавлениеI. Standorte und Nachrichtenverbindungen:
Die mit der Ereignismeldung Nr. 152 vom 7.1.1942 gemeldeten Standorte und Nachrichtenverbindungen sind unverändert geblieben.
[II. Meldungen der Einsatzgruppen und -kommandos:]
Einsatzgruppe A: Standort Riga und Krasnogwardeisk.
Politische Lage in Lettland: In der Bevölkerung, insbesondere in den Städten, machen sich allmählich die ersten Anzeichen eines Stimmungsumschwungs bemerkbar. Wenn auch die Grundtendenz nach wie vor deutschfreundlich ist, da die Befreiung von den Bolschewisten ein sehr starkes Erlebnis für jeden Einzelnen war, so wird doch immer deutlicher an den Maßnahmen der deutschen Zivilverwaltung1 Kritik geübt. Die lettische Intelligenz ist sich allmählich klar darüber geworden, dass mit einer lettischen Selbständigkeit auch in nur beschränktem Rahmen in Zukunft nicht mehr gerechnet werden kann. Im Augenblick finden sich die führenden Kreise – da sie machtpolitisch völlig ausgeschaltet sind – damit ab, versuchen aber illegal zu einer lettischen nationalen Einheitsfront zu kommen. Typisch für die Grundhaltung des lettischen Volkes waren die vielen Wünsche bezüglich des Staatsgründungstages des ehemaligen Freistaates Lettland am 18. November, die an die Dienststelle der Sicherheitspolizei und der Zivilverwaltung herangetragen wurden. Der Tag sollte in der alten Form festlich begangen werden, wobei vor allem Beflaggung mit den ehemaligen lettischen Farben und Kranzniederlegung und Ansprache am Freiheitsdenkmal in Riga gewünscht wurden. Durch Verfügung des Reichskommissars vom 5.11.41 wurden sämtliche Feiern für den 18. November verboten. Der Tag selbst verlief ohne Zwischenfälle. Die lettischen Bewohner Rigas waren seit den frühen Morgenstunden auf dem Wege zum Brüderfriedhof, wo auf den Gräbern reiche Blumenspenden niedergelegt wurden. Kundgebungen haben auf dem Brüderfriedhof nicht stattgefunden. Auch das Freiheitsdenkmal in Riga – der Wallfahrtsort der Letten – war mit Blumen zum Andenken an die lettischen Freiheitskämpfer geschmückt. Eine grössere Menschenmenge, die sich in den Abendstunden vor dem Freiheitsdenkmal ansammelte und nationallettische Lieder sang, wurde bei Einbruch der Dunkelheit von der lettischen Ordnungspolizei aufgefordert, sich in die Wohnungen zu begeben, was dann auch befolgt wurde. Zu erwähnen ist noch die Verteilung eines Flugblattes, in dem zwar die Befreiung von den Bolschewisten als glückliches Ereignis erwähnt wurde, das jedoch die Letten zur Errichtung eines selbständigen Nationalstaates aufrief. Das Flugblatt wurde von weiten Kreisen der lettischen Bevölkerung als Provokation betrachtet. Man ist auch lettischerseits bestrebt, die Verfasser und Verteiler zu ermitteln. Auch auf dem flachen Lande verlief der 18. November ohne Zwischenfälle. In der Nacht vom 4. auf 5.11. fand ein überraschender Angriff russischer Flugzeuge auf Riga statt, bei dem einige Zivilpersonen getötet und einiger Sachschaden verursacht wurde. Auf Grund dieses Ereignisses versuchen einige Kreise durch Lügenmeldungen die allgemeine Stimmung zu trüben, besonders mit dem Hinweis darauf, dass der deutsche Rundfunk den Moskauer Rundfunk hinsichtlich dieser Angriffe seiner neunten Lügenmeldung bezichtigt hat. Der Führer des Perkonkrust2, Gustav Celmins3, erklärte bei seinem Aufenthalt in Riga vor einigen Wochen, dass er beauftragt sei, eine lettische Freiwilligendivision aufzustellen. Er hat besonders unter den ehemaligen lettischen Offizierskreisen grosse Propaganda für diese Freiwilligenlegion gemacht, jedoch nur zum Teil Anklang gefunden. Sowohl in den deutschen Dienststellen als auch in der lettischen Verwaltung ist verbreitet worden, dass man in Kürze mit einer Verfügung des Reichsministers für die besetzten Ostgebiete zu rechnen hat, nach der die deutsche Zivilverwaltung lediglich eine politische Überwachungsbehörde darstellen soll. Die eigentliche Verwaltung wird den Letten überlassen werden. Dieses Gerücht hat eine lebhafte politische Tätigkeit der einzelnen lettischen Gruppen hervorgerufen. Jede derselben versucht schon jetzt, ihre Kräfte zu mobilisieren. Während die Perkonkrustler nach wie vor lediglich auf die Aufstellung einer lettischen Division hinarbeiten und höchstens noch kulturelle Belange vertreten, sind die ehemaligen Bauernbündler bemüht, eine klare Linie in ihre Reihen zu bringen. Zu Ulmaniszeiten bestand eine Spaltung dieser Regierungspartei, die aber durch das Geschick des Ministerpräsidenten Ulmanis4 immer wieder zusammengehalten wurde. In der letzten Zeit konnten Besprechungen führender Bauernbündler festgestellt werden. Zur deutschfreundlichen Seite haben sich folgende führende Politiker geschlagen: Kvijesis, der ehemalige Präsident des Freistaates Lettland, Valdmanis5, der ehemalige Finanzminister, und Pauliuk. Diese Gruppe hat durch die Berufung Valdmanis zum Generaldirektor der Justiz einen Auftrieb erhalten. Die Gegner dieser Gruppe haben sich fühlbar von den deutschen Behörden distanziert. Es sind dies der ehemalige Präsident der lettischen Nationalbank, Klive, ferner der Sekretär der Bauernpartei, Druva, und der zweite Parteisekretär Grantskalns. Im Zusammenhang mit der Abschaffung des Senats als letzte Instanz der lettischen Justiz hat der ehemalige Finanzminister Valdmanis, der nach dem deutschen Einmarsch Oberstaatsanwalt beim Senat geworden war, seine Stellung verloren. Nachdem der bisherige Generaldirektor für das Rechtswesen, Zvejnieks, sein Entlassungsgesuch eingereicht hat, ist Valdmanis als Generaldirektor für das Rechtswesen eingesetzt worden. Die Wiederaufnahme des Unterrichts in dem lettischen Gymnasium und mittleren Fachschulen, die am 18.11. vom Generalkommissar Dr. Drechsler in feierlicher Form verkündet wurde, ist allseits sehr freundlich begrüsst worden. Es ist weiter beabsichtigt, die Universität in allernächster Zeit wieder zu eröffnen und den Lehrbetrieb fortzusetzen.
Politische Lage in Estland: Die am 5.12.41 eintretende Übernahme der Zivilverwaltung durch den Generalkommissar, SA-Obergruppenführer Litzmann6, bedeutet eine Erleichterung des gesamten öffentlichen Lebens und wird, trotzdem die Zusammenarbeit zwischen dem Befehlshaber des rückwärtigen Heeresgebietes und den estnischen Stellen reibungslos vonstatten ging, von der gesamten Bevölkerung begrüsst. Bei der Anerkennung, die der Este Dr. Mäe als Vertrauensmann der estnischen Bevölkerung gefunden hat und dem Vertrauen, das er andererseits bei den deutschen Dienststellen geniesst, ist zu erwarten, dass die zukünftige Entwicklung auf den allgemeinen Lebensgebieten in Estland in wünschenswerter Weise vor sich geht. Die Bevölkerung beschäftigt sich sehr ausführlich mit der Einführung der Zivilverwaltung und knüpft grosse Erwartungen an das neue zivile Regiment. Die Frage der Reprivatisierung des von den Sowjets enteigneten Besitzes steht dabei, insbesondere soweit es die Wiederherstellung der ländlichen Besitzverhältnisse betrifft, im Vordergrund. Die Stimmung der Bevölkerung ist nach je vor deutschfreundlich, obgleich sie zum Teil durch eine Reihe wirtschaftlicher Maßnahmen, zum Teil durch den Schwebezustand bei der Lösung wichtiger Fragen eine harte Belastungsprobe erhält. Besonders bemerkbar macht sich der Mangel an geeigneter Propaganda, durch die die einschneidenden Maßnahmen wirtschaftlicher und kultureller Art dem Volke sehr gut psychologisch verständlich gemacht werden könnten. Lediglich bei der Vorbereitung der Einführung von Lebensmittelkarten ist durch Zusammenarbeit zwischen den deutschen und estnischen Stellen ein gewisser Erfolg zu verzeichnen. Hier ist es durch rechtzeitige gemeinsame Propaganda gelungen, der Einführung der Lebensmittelmarken bei der Bevölkerung eine positive Aufnahme zu gewährleisten, denn die Bevölkerung zeigt sich z.Zt. noch einsichtig in Bezug auf die bevorstehenden Leistungen und Opfer. Die Parole des gemeinsamen Kampfes gegen den Bolschewismus und der sich daraus auch für das estnische Volk ergebenden Opfer findet, soweit sie schon propagandistisch ausgewertet worden ist, weitgehendes Verständnis, und es ist anzunehmen, dass ihre geschickte Handhabung in der Aufklärungsarbeit wesentlich zur Erhaltung der grundsätzlich nach wie vor positiven Einstellung der Bevölkerung beitragen wird.
Bericht über polnische Widerstandsbewegung in Weissruthenien: Der polnische Aktivismus ist, nach den Feststellungen der Sicherheitspolizei und des SD, in dem Gebiet der Zivilverwaltung Weissruthenien in voller Tätigkeit. Getragen durch polnische Volkstumsangehörige, die unmittelbar nach der Besetzung Weissrutheniens, insbesondere der ehemals polnischen Gebiete, mit den nachrückenden Einheiten der Wehrmacht in das Gebiet kamen, ist die polnische Widerstandsbewegung daran gegangen, auch im weissruthenischen Raum ihr Zellensystem zu organisieren. Ihre Arbeit wird insbesondere dadurch erleichtert, als in zahlreichen Fällen nicht nur polnische röm.-katholische Geistliche bereits wieder amtieren, sondern dass darüber hinaus teils durch die Wehrmacht, teils durch die Zivilverwaltung polnische Volkstumsangehörige als Bürgermeister eingesetzt und als Dolmetscher verwendet oder sogar wieder in ihren Grossgrundbesitz eingesetzt sind. Die Träger der polnischen Widerstandsbewegung im westweissruthenischen Raum sind die katholischen Priester. In mehreren Fällen ist festgestellt worden, dass die führenden Aktivisten der polnischen Widerstandsbewegung – darunter auch röm.-katholische Geistliche – Querverbindungen zu anderen Gegnern aufgenommen haben und dass enge Freundschaft zwischen Kommunisten und ehem. NKWD-Agenten und katholischen Priestern besteht, z.B. in Tuschkiwitsche, Rayon Goroditsche. Auch die Juden sind aus der Kampfgemeinschaft der polnischen Widerstandsbewegung nicht ausgeschlossen, obwohl sie bei den polnischen Volkstumsangehörigen im allgemeinen wenig Sympathie geniessen. Sie werden als Kampfgefährten in gemeinsamer Abwehrfront betrachtet und besonders als Träger der Flüsterpropaganda. Die geheimen Zusammenkünfte der Zellen der polnischen Widerstandsbewegung finden in der Regel bei polnischen röm.-katholischen Geistlichen statt, getarnt als religiöse Versammlungen. Bezeichnend ist hierfür z.B. eine Versammlung, welche am 9.11.41 in der Ortschaft Klezk bei dem polnischen katholischen Geistlichen Gschesiak stattfand und an der acht Personen teilnahmen. Die Versammlung eröffnete der Pole Elnir mit einem politischen Referat, in dem er ungefähr folgendes ausführte: „Wir Polen müssen politisch fest zusammenstehen und die Weisungen Sikorskis7beachten, damit wir bereit sind, wenn der Tag der Abrechnung kommt. Es kommt der Winter. Die Kraft der Deutschen wird bald erlahmen, und sie werden erliegen. Für diesen Moment müssen wir so gut organisiert sein wie 1918, denn mit einer guten Organisation ist die Grundlage für unsere Zukunft geschaffen. Werden wir von einem Posten abgesetzt, so müssen wir sofort einen anderen Posten der Verteidigung besetzen.“ Auch die Predigten der katholischen Geistlichen sind ganz im Sinne der polnischen Widerstandsbewegung gehalten. Insbesondere verstehen sie es geschickt, auf die im polnischen Volksteil kursierende Flüsterpropaganda einzugehen. Dies geschieht etwa derart, dass ausgeführt wird: In der Bibel steht geschrieben, zwei grosse Mächte liegen miteinander im Kampf auf Leben und Tod. Die eine, noch starke Macht wird erlahmen, und die andere wird in ihrer Herrlichkeit wieder gross und mächtig auferstehen. Die auf der Basis der röm.-katholischen Konfession vorgetragene Angriffsbewegung des Polentums beschränkt sich jedoch nicht nur auf den westweissruthenischen – ehemals polnischen – Teil, vielmehr versucht die röm.-katholische Kirche in geschickter Form durch Einsetzung röm.-kath. Priester weissruthenischer Volkszugehörigkeit ihre propolnische Arbeit zu tarnen.
Spionage- und Partisanenzentralen in Leningrad: Im Zuge des Auftrages der Erkundung Leningrads ergab sich in Umrissen ein Bild vom Aufbau und der Tätigkeit einer Reihe der aktivsten Spionagezentralen in Leningrad. Ausser den erfassten Zentralen sind zweifellos noch eine Anzahl anderer Zentralen auf die finnische und Wolchow-Front angesetzt. Über deren Tätigkeit konnten jedoch keine Erfahrungen gesammelt werden. An der Spitze der ganzen Spionage- und Partisanenarbeit steht der Vorsitzende des Militärrats und Sekretär des Gebietskomitees der KP in Leningrad, Kusnezow. Er gibt persönlich die Richtlinien für diese Arbeit. Sie erfolgt im Zusammenwirken des Stabes der Nordfront mit der Gebietsverwaltung des NKWD. Der Stab der Nordfront entscheidet über die militärischen Notwendigkeiten, bedarf jedoch für die Durchführung der Entscheidungen der Genehmigung der Gebietsverwaltung des NKWD, dessen Aufsicht er unterliegt. Der eigentliche zentrale Arbeitsstab für die gesamte Spionage- und Partisanentätigkeit an der Nordfront befindet sich im Hotel „Oktjabrskaja“. Befehligt wird diese Spionage- und Partisanenabteilung der Nordfront von einem Major Swetschnew. Mit der praktischen Ansetzung von Agenten und teilweise auch von Partisanen mit Sabotageaufträgen befassen sich im einzelnen: 1) Die Besondere- und Spionageabteilung der 55. Armee, 2) die Besondere- und Spionageabteilung der 42. Armee, 3) die Besondere- und Spionageabteilung der Baltischen Flotte, 4) Spionagekommando Swerew, 5) Spionageabteilung L 13, 6) Spionageabteilung L 12, 7) Spionage- und Partisanenabteilung des Instituts Lesgaft, 8) Spionagekommando in Rasliw. Jede einzelne dieser Spionageabteilungen verfügt über eine Anzahl von Werbestellen bei den verschiedensten sowjetischen Behörden, in denen geeignete Personen angeworben werden. Die Besondere Abteilung der 55. Armee unterhält für ihre Agenten zwei Privatquartiere, während die Agenten der übrigen Spionageabteilungen gemeinsam kaserniert leben. Das Institut Lesgaft verfügt über eine besondere Ausbildungsabteilung in Kawgolowo. In den Agentenwohnungen erfolgt die Instruktion der von den Werbestellen für Agententätigkeit in Aussicht genommenen Personen, denen oft erst hier eröffnet wird, dass sie für Spionagezwecke angeworben sind. Nach Erledigung eines Auftrages erhalten die Agenten in der Wohnung Verpflegung und Unterkunft, soweit sie nicht um Stadturlaub nachsuchen. Arbeitsmethode: Eine planmäßige Siebung bzw. Anlernung des Agentenmaterials ist kaum festzustellen. Nur in einem einzigen Fall war zwei Knaben eine Tabelle mit deutschen Dienstrangabzeichen gezeigt worden, von denen sie nach drei Tagen viele vergessen hatten. Die Aufträge sind stereotyp und niemals der besonderen Individualität angepasst. Die Agenten werden gewöhnlich paarweise über die Linien geschickt. Erfolg: Trotz Masseneinsatzes von Agenten sehr dürftig. In vielen Fällen gehen die mangelhaft ausgesuchten Agenten mit dem festen Vorsatz durch die Linien, nicht mehr zurückzukehren. Am erfolgreichsten erwiesen sich Handwerkerschüler, doch sind deren Meldungen infolge fehlender Schulung oft unbrauchbar. In einem bekanntgewordenen Einzelfall (Tereschenkow) versuchte die Abteilung eine Anlaufstelle im besetzten Gebiet aufzubauen. Der damit beauftragte Leiter, ein alter zaristischer Lehrer, erwies sich als unbrauchbar und ist z.Zt. freiwillig im Auftrage der Sicherheitspolizei tätig. Als im Dienste der oben genannten Spionageabteilungen arbeitend, konnten bis Anfang Dezember insgesamt 201 Agenten namentlich erfasst bzw. durch Personalbeschreibung gekennzeichnet in eine Fahndungsliste eingetragen werden. Die höchste bisher bekanntgewordene Durchschleusungsnummer ist 703. Zum Passieren der sowjetischen Linien erhält jeder Agent bzw. jede Agentengruppe einen mit laufender Nummer versehenen Passierschein, der dem letzten Posten der Roten abgegeben werden muss. Die Passierscheine werden vom Auftraggeber aus einem Vordruckheft abgetrennt. Da anscheinend die Numerierung für das ganze Frontgebiet durchlaufend ist und sich derartige Vordruckhefte bei allen Spionageabteilungen befinden, so dürfte die Zahl der Agentendurchschleusungen faktisch niedriger liegen. Zu beachten ist, dass auf ein und demselben Passierschein meist zwei, häufig auch mehr Personen durchgebracht werden. Der Einsatz von Agenten im Gebiet der Leningrader Front ist in jedem Fall ausserordentlich stark und mit 5–600 nicht zu gering geschätzt. Da das Agentenmaterial jedoch zum beträchtlichen Teil recht zufällig zusammengeholt, ungenügend oder überhaupt nicht ausgebildet ist und einen geringen Intelligenzgrad besitzt, da ferner nicht wenige dieser Agenten den Auftrag nur mit der Absicht annahmen, das hungernde Leningrad auf bequeme Weise zu verlassen, so scheinen die Erfolge dieses Masseneinsatzes im Ganzen gesehen recht bescheiden. Auffällig ist die meist festzustellende Ideenlosigkeit der Auftragserteilung bzw. deren Nichtanpassung an die Intelligenz des Auftragsträgers, die Schablonenhaftigkeit der vorzutragenden Legenden, der anscheinend herrschende Mangel an gut arbeitenden Nachrichtenzentralen im besetzten Gebiet, mit deren Errichtung zum Teil erst im November ds.Js. begonnen wurde. Bezeichnend ist auf der anderen Seite die besonders zahlreiche Verwendung von Jugendlichen und Kindern, die das Mitleid der deutschen Soldaten zu erwecken haben (etwa bettelnd vor den Feldküchen stehen) und relativ häufig zurückkehren, allerdings mit meist minderwertigem Nachrichtenmaterial. Dass bei der Anwerbung Personen, die aus den durch die deutsche Wehrmacht besetzten Gebieten stammen bzw. Angehörige dort haben, bevorzugt werden, ist selbstverständlich. Eine Altersgrenze nach oben gibt es kaum; ein Spion, der nachweislich auf der Tragfläche eines Flugzeuges bei strengem Frost über die Linien gebracht und hinter diesen mit dem Fallschirm abgesetzt worden war, zählte 68 Jahre.
Meldungen der Eins.Gr. B u. C liegen nicht vor.
Einsatzgruppe D: Standort Simferopol.
Arbeitsbereiche der Teilkommandos vor allem in kleineren Orten judenfrei gemacht. In der Berichtszeit wurden 3176 Juden, 85 Partisanen, 12 Plünderer, 122 kommunistische Funktionäre erschossen.8 Gesamtsumme 79.276. In Simferopol ausser Juden auch Krimtschaken-9 und Zigeunerfrage bereinigt. Befreiung von diesen Elementen von Bevölkerung allgemein begrüsst.
Partisanen: Nachdem in der ersten Dezemberhälfte im Raum Aluschta durch mehrere grössere erfolgreiche Aktionen die Partisanen stark geschwächt und zerstreut wurden und kaum noch Überfälle auf Truppen und Transporte vorkommen, lag Schwergewicht der Arbeit in der Berichtszeit am ostwärtigen Teil des Jaila-Gebirges. Durch Ermittlung des Teilkommandos Karasubasar wurden 3 grössere Gruppen von 70–90 Mann mit entsprechenden Versorgungslagern im Raum Kamenschlik–Jeny–Sali–Koktasch und Ortalan festgestellt. Ausserdem sind in diesem Raum noch mehrere kleine Gruppen erkundet worden. Von russischen Fallschirmspringern, die im Raum von Karasubasar abgesprungen waren, wurde eine Karte mit eingezeichneten Partisanenstellungen erbeutet, die durch Erkundungsergebnisse bestätigt wurden. 10 Stellungen der Partisanen bis jetzt bekannt. Unternehmen gegen die westliche Gruppe, an dem auch 11b beteiligt war und die Erkundungsunterlagen und Lotsen stellte, führte zur Vernichtung von 17 Partisanen, 2 Wachzellen, 2 Unterkünften, 1 Erdbunker u. Verpflegungslager. Durch vorzeitigen Abzug der einen russischen Eskadron wurde Vernichtung der gesamten Gruppe unmöglich und neues Unternehmen geplant. Zur Zeit stehen jedoch keine Truppen zur Verfügung. Von Fallschirmspringern wird vermutet, dass sie als Melder für die Partisanen gedacht waren, mit Aufträgen, die im Zusammenhang mit Landungen in Kertsch und Feodosia stehen. Im Waldgebiet Otusi–Kisiltasch wurden bei Aktion am 22.12.12 Partisanen getötet und 3 gefangen. Unter Getöteten befand sich früherer Tscheka-Beamter. Erbeutet wurden 3 Granatwerfer, 12 automatische Gewehre, 70 Kisten Granatwerfermunition, 30.000 Schuss MG- und Gewehrmunition, Fernsprechanlage, Morseschreibgerät, 2 Blinkgeräte, Ausrüstungsgegenstände und 3 Lebensmittellager. Es handelt sich um Restgruppe von Partisanen aus Feodosia. Hinsichtlich Partisanentätigkeit nach Landung der Russen bei Feodosia bisher südlich Stari-Krim Versuch zur Verbindungsaufnahme mit Roten Truppen festgestellt. Dortiges Teilkommando beobachtet weitere Entwicklung.
Allgemeine Stimmung: Einstellung zur deutschen Besatzung weiterhin positiv. Bei Grossteil der Bevölkerung Furcht vor Rückkehr der Russen. 7000 Gefangene aus Feodosia über Simferopol–Dshankoj zum Teil ohne Bewachung unterwegs. Kein Versuch, zu den Russen überzulaufen, Versorgungslage bereits sehr schwierig. Zur Zeit Versuch, Teile der Stadtbevölkerung aufs Land zu verschicken. Tataren allgemein positiv zur deutschen Besatzung eingestellt. Bieten fortlaufend aktiven Einsatz gegen Partisanen, Aufstellung eigener bewaffneter Einheiten und sichere Vernichtung der Partisanen an.10
BAB, R 58/220
1 Vgl. Sven Jüngerkes: Deutsche Besatzungsverwaltung in Lettland, 1941–1945. Eine Kommunikations- und Kulturgeschichte nationalsozialistischer Organisationen, Konstanz 2010.
2 Die 1930 gegründete faschistische Bewegung Pērkonkrust (Donnerkreuzler) bediente neben antisemitischen auch antirussische u. antideutsche Attitüden u. verfocht einen lettischen Nationalismus. Die Mitgliederzahl wurde für die 1930er Jahre auf 12.000–15.000 Mann, nach einem späteren Urteil der Abwehr auf 5000–6000 Personen geschätzt. Der Pērkonkrust wurde am 17.8.1941 im Rahmen der Einrichtung der deutschen Zivilverwaltung verboten. In der Folgezeit trat eine Spaltung der Bewegung ein. Ein Teil der Mitglieder paktierte als „lettische Nationalsozialisten“ offen mit den Deutschen u. gründete im Herbst 1943 mit Unterstützung des SD den Verein Lidumnieks (Pioniere), während die Mehrheit in Opposition zu den Besatzern trat; vgl. Reichelt: Lettland unter deutscher Besatzung, S. 50ff., 101.
3 Gustavs Celminš, geb. 1899, Fhr. des Pērkonkrust, als politisch nicht tragbar 1937 des Landes verwiesen. Er begab sich im März 1940 nach Deutschland, verfügte wie andere Exilanten über Kontakte zur Abwehr u. kehrte in deren Diensten stehend als Sonderfhr. im Juli 1941 nach Riga zurück. Wenngleich Abwehr u. EG zunächst auf die Donnerkreuzler als Kollaborateure setzten, die wegen ihres Antisemitismus geschätzt wurden, mißtraute man doch Celminš. In Fehleinschätzung seiner eigenen Position reiste dieser nach Berlin in der Annahme, er könne Hitler von einem unabhängigen Lettland überzeugen. Nachdem ihm noch im selben Jahr die Rückkehr gewährt worden war, nahm er zunächst die Funktion eines Leiters des lettischen Freiwilligenbüros u. danach die eines Chefdolmetschers der landeseigenen Verwaltung wahr, gehörte aber trotz seiner Zuarbeit für den SD zum lettisch-nationalen Widerstandskreis. Celminš Verhaftung erfolgte jedoch 1944. Er wurde ins KL Flossenbürg überstellt, ging 1950 in die USA, lehrte russische Geschichte an der St. Mary’s University in San Antonio u. starb 1968; vgl. Ezergailis: The Holocaust in Latvia, S. 29, 46f., 81ff., 107, 122; Reichelt: Lettland unter deutscher Besatzung, S. 100f., 219f., 361.
4 Kārlis Ulmanis, der Führer des Bauernbundes, stand zunächst dem demokratisch gewählten Parlament (Seima) vor, verwandelte aber am 15.5.1934 Lettland durch einen Staatsstreich in ein von ihm u. einer Gruppe Vertrauter autoritär geführtes Regime. Bei der Besetzung des Baltikums wurde er von den Sowjets in Haft genommen u. am 22.7.1940 nach Woroschilowsk deportiert, wo er verstarb; vgl. von Rauch: Geschichte der baltischen Staaten, S. 149ff., 213; Inesis Feldmanis: Umgestaltungsprozesse im Rahmen des Ulmanis-Regimes in Lettland 1934–1940, in: Erwin Oberländer(Hrsg.): Autoritäre Regime in Ostmittel- und Südosteuropa 1919–1944, Paderborn u.a. 2001, S. 215–248.
5 Alfreds Valdmanis wurde von der Wirtschaftsinspektion Ost unterstützt u. übernahm das Ressort eines Generaldirektors der Justiz in der landeseigenen Verwaltung. Er hatte jedoch in Rosenberg einen mächtigen Gegner, der ihn als früheren Ulmanis-Anhänger für politisch nicht tragbar hielt u. im Herbst 1942 dessen Amtsenthebung sowie seine Zwangsrückkehr nach Deutschland durchsetzte; vgl. Gerhard P. Bassler: Alfred Valdmanis and the Politics of Survival, Toronto u.a. 2000, S. 104–113.
6 Karl-Siegmund Litzmann, geb. 1893, Gutsverwalter, 1929 NSDAP, 1931 SA-Fhr. Ostland, 1941 Gen.komm. für Estland, gest. 1945.
7 Władyslaw Sikorski, General u. polnischer Premierminister 1922/23, 1939 Ministerpräsident der Exilregierung, gest. 1943 bei Flugzeugabsturz.
8 Auf welche Orte sich diese Zahlen konkret beziehen, ist unklar; vgl. Angrick: Besatzungspolitik und Massenmord, S. 345ff.; Kunz: Die Krim unter deutscher Herrschaft, S. 179ff.; ders.: Die Feld- und Ortskommandanturen auf der Krim und der Judenmord 1941/42, in: Kaiser: Täter im Vernichtungskrieg, S. 54–70.
9 Vgl. Rudolf Loewenthal: The Extinction of the Krimchaks in World War II, in: The American Slavic and East European Review 10(1951), S. 130–136; Warren Green: The Fate of the Crimean Jewish Communities: Ashkenazim, Krimchaks and Karaites, in: Jewish Social Studies 46(1984), S. 169–176.
10 Vgl. Kunz: Die Krim unter deutscher Herrschaft, S. 207–213.