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Resonanz und Gegenstimmen
ОглавлениеIn Halbmond und Hakenkreuz. Das Dritte Reich, die Araber und Palästina haben Mallmann und Cüppers aufgedeckt, dass nach Einschätzung deutscher Geheimagenten Rommels Armee im Falle eines Sieges und der Eroberung Kairos und Palästinas mit der Unterstützung von Teilen des ägyptischen Offizierskorps wie auch der radikalen Muslimbruderschaft rechnen konnte. Sie fanden auch heraus, dass das RSHA in Athen eine Einsatzgruppe unter Walther Rauff zum Einmarsch in Ägypten und zum Mord an der jüdischen Bevölkerung in Ägypten und Palästina bereithielt, sobald Rommel die Schlacht von El Alamein gewonnen hätte. Von der örtlichen arabischen Bevölkerung erwarteten die deutschen Verantwortlichen dabei ebenso viel Unterstützung, wie sie Sipo und SD nach Beginn des „Unternehmens Barbarossa“ durch Ukrainer und andere Kollaborateure zuteil geworden war.21 Entsprechend verfolgte die arabischsprachige NS-Propaganda das Doppelziel, Araber und Muslime für die Sache der Achse zu gewinnen und sie soweit aufzuwiegeln, dass sie bei der von den Deutschen geplanten Ausdehnung der „Endlösung“ jenseits der geografischen Grenzen Europas mithelfen würden.
Nach dem britischen militärischen Desaster bei Tobruk entschied Präsident Roosevelt, die Nordafrika-Streitkräfte der Briten durch Lieferungen von Panzern und anderem Militärmaterial zu unterstützen. Je stärker sich die USA engagierte, umso mehr konstruierte die Propaganda der Achse eine Verbindung zwischen Roosevelt und „den Juden“. Am 2. Juli 1942 schrieb Fritz Grobba, zu dieser Zeit im Amt VII/Orient in der Politischen Abteilung des AA in Berlin tätig, eine Propagandaanweisung mit dem Titel „Die Juden sind die Drahtzieher der Amerikaner“. Darin forderte er „noch stärker als bisher herauszustellen, dass die Amerikaner als die Schrittmacher der Juden im amerikanischen Raum auftreten. Jeder Amerikaner kommt eigentlich im Auftrage der Juden nach dem Orient. Er ist von den Juden dorthin geschickt, auch wenn er es selbst nicht weiß. Die Juden sind die Drahtzieher der Amerikaner.“22 Grobbas Direktive sah die Übernahme gegen den amerikanischen Präsidenten gerichteter antisemitischer Verleumdungen in die arabischsprachige Propaganda vor, wie sie im Reich längst üblich waren.23 Doch noch im März 1943 beklagten AA-Vertreter das Problem deutscher Propaganda in Nordafrika, wonach die „führenden arabischen Kreise nur englandfeindlich sind“, aber „den Amerikanern nach wie vor großes Vertrauen entgegenbringen […] In diesem Zusammenhang wurde erneut die Notwendigkeit betont, alles brauchbare zionistische Material auszuwerten. Insbesondere wurde auf das Verlangen der Juden nach den alttestamentlichen Grenzen (sie sollen sich bis zum Euphrat erstreckt haben) hingewiesen. Dieses Material kann dazu dienen, das Vertrauen der führenden Araber in die amerikanischen Versprechungen allmählich zu erschüttern.“24 Während der Dauer des Krieges betrachteten deutsche Diplomaten antizionistische Agitation als wirkungsvolles Mittel, auch gegen die Alliierten Stimmung zu machen.
Nach Einschätzung amerikanischer Diplomaten und Geheimdienstler in der Region ließ sich kaum feststellen, auf wie viel Resonanz die antizionistischen und antisemitischen Inhalte der NS-Propaganda in der arabischen öffentlichen Meinung wirklich stießen. Weder BBC noch Voice of America (VOA), die vom OWI getragene Radiostation, ließen sich auf einen Wettstreit der Ideen mit dem Nationalsozialismus ein, wenn es um die Verfolgung und Vernichtung der Juden Europas oder um den Zionismus ging. Stattdessen war es Leitlinie amerikanischer Politik, derartige sensible Themen zu vermeiden. In ihrer „Weekly Propaganda Directive“ vom 14. November 1942 gab die OWI-Overseas Operations Branch ihrer Reaktion auf die NS-Propaganda mit folgender Anweisung für die Sendungen der VOA in Palästina Ausdruck.25 Der Sender solle „die Menschen in Palästina mit mehr Takt und Vorsicht ansprechen als andernorts im Nahen Osten. 1. Der Gebrauch des gesprochenen wie des geschriebenen Worts hat der ehrlichen Einsicht in die Tatsache Rechnung zu tragen, dass das Thema zionistischer Aspirationen nicht erwähnt werden kann, insofern als jedweder ernsthafter Ausbruch judenfeindlicher Gefühle von Seiten der arabischen Völker in der Region unsere Strategie im östlichen Mittelmeer gefährden würde. 2. Ähnlich ausgeschlossen ist zur Zeit jede Erwähnung einer jüdischen Armee. 3. Es darf nicht vergessen werden, dass die Juden, anders als die Araber, in ihrer Gesamtheit zuverlässig die Sache der Vereinten Nationen unterstützen. Daher haben wir uns in erster Linie an muslimische und christliche Araber zu wenden, gerade angesichts der Wirkungsmacht der Feindpropaganda.“26
Die Sendungen der VOA sollten „Hitlers eigene Aussagen zu fremden Rassen und Kulturen zitieren, um sie lächerlich zu machen“ und gleichzeitig „das Heidentum unserer Feinde“ herausstellen, wobei „unsere Kommentare mit denunzierenden Textpassagen aus Bibel und Koran zu versehen“ seien.27 OWI-Vertreter waren überzeugt, dass eine direkte Auseinandersetzung mit judenfeindlichen und antizionistischen deutschen Nachrichten die alliierten Versuche zur Gewinnung von Arabern und Muslimen untergraben würden und dass die NS-Propaganda mit ihrem Versuch Erfolg hatte, die Alliierten mit den Juden gleichzusetzen. Derartige pessimistische Einschätzungen finden sich während des Krieges wiederholt in Berichten des Office of Strategic Services (OSS) und des amerikanischen Militärgeheimdienstes.28
Die detailliertesten alliierten Berichte zur ägyptischen Reaktion auf Politik und Propaganda der Achse stammen von Miles Lampson (Lord Killearn), dem britischen Botschafter in Ägypten. Mit seinem stetigen Strom von Depeschen zum Einfluss des Krieges auf die innere Lage im Lande bot Lampson in den entscheidenden Monaten des Konflikts reflektierte Einschätzungen zu der Frage, inwieweit die britische Position in Ägypten auf öffentliche Zustimmung oder Ablehnung stieß.29 Im Frühjahr und Sommer 1941 fiel sein Urteil ernüchternd aus; so schrieb er etwa in einem Memorandum vom 26. April, dass das Denken der Ägypter ganz entscheidend vom Verlauf der Kampfhandlungen geprägt werde. Was Lampson „den Druck der äußeren Ereignisse“ nannte, bestimme „den Grad, bis zu dem die oben erwähnte Verschlechterung der ägyptischen Stimmung eine deutliche Gefahr für unsere Stellung im Lande“ darstelle.30 Bemerkenswert in ihrer Genauigkeit, fehlten den Berichten Lampsons Verallgemeinerungen über Ägypter, Araber oder Muslime. Ebenso wie Alexander Kirk kannte Lampson unter ihnen durchaus Verbündete im Kampf gegen Faschismus und Nationalsozialismus und arbeitete mit diesen regelmäßig zusammen. Keineswegs mit dem groben Pinsel eines ignoranten Orientalismus gezeichnet, sprach aus Lampsons Beobachtungen ausgewogene und nuancierte Einsicht in diejenigen politischen Strömungen ägyptischer Politik, aus denen sich die Unterstützung für die Alliierten oder die Achse speiste.31 Britische Beobachter, die sich in Generalisierungen über die Bevölkerung der Region ergingen, mag es gegeben haben, doch gehörte der diplomatische Vertreter Londons im Ägypten des Zweiten Weltkriegs eindeutig nicht dazu.
Auf die Niederlage in Nordafrika reagierte die NS-Propaganda in ähnlicher Form wie auf den Verlust Stalingrads. Goebbels’ ernsten Warnungen vor der Katastrophe, die die Deutschen im Falle eines alliierten Siegs in Europa zu erwarten hatten, entsprachen die ebenso düsteren Voraussagen der NS-Propagandisten an die Adresse der Araber und Muslime, sollten die Alliierten im Nahen Osten die Oberhand behalten. Von 1943 bis zum Frühjahr 1945 kamen derartige Warnungen von Radiosendern mit Namen wie „Berlin auf Arabisch“, „Radio Berlin“ und „Die Stimme des Freien Arabertums“. Am 8. September 1943 etwa beschrieb „Berlin auf Arabisch“, was nach Darstellungen des Senders die „Absichten der Juden“ waren.32 Die Juden gäben nicht eher Ruhe, bis „das gesamte Gebiet zwischen Tigris und Nil jüdisch“ geworden sei. Ihr Ziel bestünde darin: „Kreuz und Halbmond aus allen arabischen Ländern [zu] verbannen“. Im Erfolgsfall „bleibt kein einziger arabischer Moslem oder Christ in der arabischen Welt übrig. Araber! Stellt euch vor, Ägypten, Irak und alle arabischen Länder werden jüdisch, ohne dass es dort noch Christentum oder Islam gäbe.“33 Bis zum Ende des Kriegs gehörten Katastrophenwarnungen im Falle eines Siegs der Alliierten und „der Juden“ zu den Standardthemen der NS-Propaganda.34 Wieder und wieder identifizierten die arabischsprachigen Radiosendungen einen alliierten Sieg mit einem Sieg für die Juden, während der Erfolg der Achse einem Sieg der Araber gleichkomme.
Am 3. November 1943 brachte SFA eine Sendung zu „Palästina zwischen den Bolschewisten und den Juden“.35 Sie spiegelte die für die NS-Propaganda im Reich typische Anstachelung zum Mord, machte allerdings Zionisten, nicht allein „das internationale Judentum“ für den Weltkrieg verantwortlich: „Sollen wir nicht die Epoche verfluchen, die es dieser niedrigen Rasse erlaubt hat, Länder wie Großbritannien, Amerika und Russland für die Verwirklichung ihrer Wünsche zu gewinnen? Die Juden haben diesen Krieg im Interesse des Zionismus entfacht. Die Juden sind verantwortlich für das vergossene Blut. Dennoch ist die jüdische Unverschämtheit in solchem Masse gewachsen, dass sie behaupten, allein Opfer des Krieges zu sein und allein bittere Erfahrungen gemacht zu haben. Die Welt wird keinen Frieden haben, bis die Juden ausgerottet sind; sonst wird es immer Kriege geben. Die Juden sind die Krankheitserreger, die alles Übel in der Welt verursacht haben.“36