Читать книгу Wörterbuch der philosophischen Metaphern - Группа авторов - Страница 12
Bauen
ОглавлениеImmer müssen wir etwas machen. Immer müssen wir etwas zu tun haben. Ruhe, Nichtstun, Stillsitzen fällt schwer. Man muß es gewohnt sein. Doch Ruhe muß nicht unbedingt Nichtstun bedeuten. Kann man überhaupt nichts tun? Sind Kontemplation, Betrachtung, Nachdenken, Träumen, Dösen, Schlafen nicht auch ein Tun? Vielleicht ist Ruhe gegen unsere Natur, denn wir sind lebendig, wir wollen oder müssen uns bewegen. Diese Bewegungen hinterlassen Spuren. Indem wir uns bewegen, bewegen wir zugleich immer auch etwas und andere. Vielleicht wollen wir uns nur bewegen, weil wir etwas zu Wege, zu Stande bringen wollen oder müssen. Wir wollen etwas erreichen, doch der Arm ist zu kurz. Wir müssen aufstehen, uns aufrichten und dorthin gehen, uns bewegen.
Setzen – Um etwas zu erreichen, müssen wir etwas tun, etwas machen. Das ist immer mit einem Stellen, Setzen und Legen verbunden. Ich mache das Mittagessen und setze einen Topf Wasser auf den Herd. Auf den Tisch stelle ich Teller und Gläser. Messer und Gabeln lege ich neben die Teller. Wenn das Essen fertig ist, setzen wir uns alle an den Tisch. Da sitzen wir und speisen. Wenn man etwas macht, versetzt man dabei Gegenstände, Werkzeuge von da nach dort, stellt sie dorthin, wo sie gebraucht werden und räumt sie danach wieder auf. Man stellt oder legt sie zurück. Wenn sie zu Bruch gehen, ersetzt man sie.
Aber nicht nur Dinge stellen wir hin, sondern auch Sätze, Behauptungen, „Thesen“. Wir stellen etwas hin: Wir setzen etwas, wir setzen uns sogar selbst.1 Auch Sätze sind beweglich, sie lassen sich verändern, man kann sie zurückziehen und durch andere ersetzen. Man kann seinen Standpunkt wechseln. Man steht nicht mehr zu seinen Thesen von vordem. Oder umgekehrt: Sätze machen sich selbständig und entfernen sich von dem, der sie gesetzt hat.2 Indem man etwas hinstellt und behauptet, stellt man sich selbst hin, steht und nimmt man selbst Stellung, nimmt eine Position ein. Die Lagen sind veränderbar, beweglich, Ausgangslagen für eine nächste Position.
So variabel die Lagen sind, die Menschen glauben doch, daß sie in der Welt und gegenüber den anderen Lebewesen eine besondere Stellung einnehmen,3 eine höhere, heiklere, riskantere, die zu ändern ihnen nicht freigestellt ist, in der sie sich vielmehr von Natur aus hineingestellt sehen. Ihre Position zwingt sie, Stellung zu nehmen, Setzungen zu machen. Die Menschen sind nicht „festgestellt“4 wie die Tiere. Der Mensch ist unfertig und muß sich erst zu Stande bringen, Mensch werden. Er steht neben oder hinter sich. Er hat Abstand zu sich selbst und sieht sich darum in seinen Bewegungen zu. Er wird sich selbst zum Gegenstand. So verliert er seine Natürlichkeit und wird künstlich, „exzentrisch“.5 Zugleich aber gewinnt er die Freiheit zu willkürlichen Setzungen, die dem Tier versagt sind.
Wenn etwas von Natur aus unverrückbar das ist, was es ist, dann kann man es nicht verändern, verrücken, zurückstellen oder ersetzen, wohl aber das, was von Menschen nur gesetzt ist. Setzungen und Satzungen sind ersetzbar durch andere. Die Unterscheidung zwischen dem, was von Natur aus und was durch Setzung ist, ermöglicht, das Veränderbare von dem Unveränderlichen, das Verfügbare von dem Unverfügbaren zu trennen und obendrein im Einzelfall und je nach Interesse etwas als von Natur aus Seiendes oder durch bloße Setzung Seiendes hinzustellen.6
Am Ende stoßen die Voraussetzungen auf Gegebenheiten: Wasser, Feuer, Steine, Holz, Boden, Klima, Gewächse, die man essen kann, Fleisch von Tieren, die man jagt oder gezähmt hat: alles das, was von Natur aus da ist. Setzungen haben nur Bestand, wenn sie Rücksicht auf die Gegebenheiten nehmen. Gegebenheiten aber sind komplex und variabel. Es läßt sich etwas daraus machen, wenn man es geschickt anstellt. Die Willkür der Setzung muß in die Gegebenheiten passen, wie die Zufallsmutation der Evolutionstheorie in eine Umwelt passen muß, um sich durchsetzen zu können. Auch wenn es dem Menschen mehr und mehr gelingt, die Umwelt herzustellen, in der er bequem leben kann, muß er immer noch mit den Gegebenheiten rechnen.
Der Bauer setzt Pflanzen in die Erde,7 läßt sie wachsen und reifen und erntet sie später. Die Setzlinge entwickeln sich und wachsen. Kultur ist die Überlistung der Natur, Überlistung wiederum eine Form des Verstellens und Sichverstellens. Das Bauen beginnt mit einem Stellen, Setzen und Legen. Aber gerade im Deutschen hat es ein weiteres Bedeutungsfeld, indem es die Landwirtschaft, den Anbau von Getreide, Gemüse und Obst, den Garten- und Bergbau umfaßt. Das Bauen betont die Angewiesenheit des Setzens auf das Gegebene, auf das, was von Natur aus schon da ist. In dieser Hinsicht gehört das Bauen wie das Bilden und Heilen zu den grundlegenden Tätigkeiten.
Odysseus kommt nach Hause, allein, ohne Gefährten und als Bettler. Kriegsmaschinen hat der Listige ersonnen und bauen lassen, das hölzerne Pferd, mit dem Troja besiegt, den Pfahl, mit dem der Zyklop geblendet wurde. Aus jeder Lage findet er einen Ausweg. Er baut ein Floß, um nach Hause zu kommen. Der Sturm zerschlägt es. Der Fahrzeug- und Maschinenbau scheitert. Odysseus landet nicht, er wird an Land geworfen und nach Hause gebracht. Sein Hund erkennt ihn und die alte Amme. Nun aber will er sich seiner Frau zu erkennen geben. Doch Penelope steht ihm an Vorsicht, Klugheit, List und Verstellung nicht nach. Zwanzig Jahre mußte Odysseus um Troja und Heimkehr kämpfen, zwanzig Jahre mußte Penelope hinhaltenden Widerstand gegen die Freier leisten. Jetzt will sie sicher gehen, daß der Fremde sie nicht betrügt, der sich als ihr Mann ausgibt, und stellt ihn auf die Probe. Sie weist die Dienerin an, ihm das Lager vor der Kammer aufzuschlagen. Da fährt Odysseus auf. „Wer hat mir das Bett woanders aufgestellt?“ Sein Bett ist unverrückbar. Ausführlich beschreibt Odysseus, wie er das Bett gemacht hat: aus einem Ölbaum „dick wie ein Pfeiler“. Um ihn herum hat er das Schlafgemach gebaut, den Ölbaum oben abgeschlagen und den Stamm zu einem Pfosten des Bettes gemacht, der in der Erde wurzelt. „Fußt mir, o Weib, das Bett noch im Erdreich?“ fragt er am Ende seiner Rede. „Oder hat es einer der Männer woanders hingestellt?“8 Da lösen sich bei Penelope die Knie und das Herz, und sie erkennt ihren Mann.
Das Bett des Odysseus ist ein Bild für den Bau: etwas wird herstellt, das empedon ist, im Boden steht, fest und unerschütterlich ist, indem es am Gegebenen ansetzt. Es wurzelt in ihm. Kunstreich hat Odysseus das Bett mit Silber und Gold verziert. Das griechische Verb daidallo9 verweist auf die mythische Gestalt des Dädalus, der auf Kreta das Labyrinth gebaut hat, einen Tanzplatz (choros).10 Doch das Labyrinth wird ihm zum Gefängnis, aus dem er ausbrechen will. Da ihm Land und Meer verwehrt sind, flieht er über die Lüfte nach Athen.11 Sein Sohn stürzt ab. Der mythische Architekt verläßt den Boden, wird der Erde untreu. Er trägt Züge des magischen Schmieds, der die im Bergbau gewonnenen Metalle bearbeiten kann.12 Die Philosophie ist kein bloßes Setzen, sondern ein Formen und Härten durch das Feuer, sagt NIETZSCHE. Der Philosoph ist ein Schmied, der mit dem Hammer philosophiert.13 Umwertung aller Werte: Der Philosoph prägt neue Münzen, eine neue Währung. Die philosophische Umwertung setzt die natürliche und alchimistische Umwandlung gewaltsam fort.
Nehmen – Der Bauer setzt den Setzling in die Erde. Aus der Geborgenheit in der Erde treibt er nach draußen, nach oben ans Licht. Das Labyrinth ist ein Tanzplatz, schreibt KARL KERÉNYI, ein Ort der rituellen Vermittlung von Himmel (Welt) und Erde, von Tod und Leben, Endlichkeit und labyrinthisch angedeuteter Unendlichkeit.14 Der Tanzende verliert die Erdenschwere. Daidalos und sein Sohn heben sich in die Lüfte und fallen oder schweben auf die Erde zurück.
Bauen ist darum in der antiken Philosophie zuerst Landbau, georgike techne. XENOPHON, LUKREZ, VERGIL preisen Landwirtschaft und Landleben. Dem Edelmanne ziemt es nicht, sich dreckig zu machen und sich abzumühen. Alles muß ihm leicht von der Hand gehen, oder es muß zumindest leicht erscheinen. Ausnahmen vom Verbot der Mühsal sind Kriegsdienst und Landbau. Beides gehört für Xenophon zusammen. Denn der Bauer verteidigt das Land gegen Eindringlinge entschiedener als der Handwerker. Die Erde zeigt, meint Xenophon, wer ein guter und schlechter Mann ist.15 Der Landbau liegt offen zu Tage. Vor allem aber: Der Bauer ernährt seine Familie mit dem, was er anbaut. In der Landwirtschaft wird das Ideal der Autarkie sinnfällig. Bauen heißt die Gegebenheiten bewirtschaften mit dem Ziel, das zu haben, was man braucht, und nicht mehr zu brauchen, als man hat. Dieser Brauch ist der nomos. Der Landbau wird in der Ökonomie abgehandelt, in der Lehre vom Haushalt.
Der Haushalt setzt den Hausbau voraus. Die Lehre vom Haushalt handelt nicht von der Lehre des Hausbaus, enthält sie aber. Wessen Kunst ist die höhere, fragt der platonische SOKRATES, die des Instrumentenbauers oder des Flötenspielers, die des Schiffbauers oder des Steuermanns? Die des letzteren, denn das Machen und Bauen muß sich, so PLATON, nach dem Lenken und Herrschen richten.16 Wer ein Schiff zu führen versteht, weiß auch, wie es richtig gebaut sein muß. Steuerung, Führung, Herrschaft ist das erste: arche. Das gilt auch für den Haushalt.
In der Lehre von der Hausverwaltung geht es um die Gewalt im Haus, die Herrschaft über Frauen, Kinder und Sklaven.17 Auch innerhalb des Bauens gibt es Abstufungen. Der Kriegsmaschinenbau und der Schiffbau stehen über dem Hausbau, denn sie sind im Ungewissen des Krieges und des Meeres lebensrettend. Das verbindet die höhere Baukunst mit der Medizin und der Politik. Bauen heißt, etwas herzustellen, das Leben rettet, weil es gelenkt, beherrscht werden kann.18 Die Herrschaft wiederum ist auf das für die Beherrschten Zuträgliche, Gute gerichtet.
Das griechische Wort für Bauen ist nicht so weit gefaßt wie das deutsche. Demo (daraus domus) bezieht sich nur auf den Haus- und Wehrbau. Demo ist oikodomeo. Alles andere Bauen muß mit anderen Verben beschrieben werden, meistens einfach mit poiein, machen. Der Kriegsmaschinenbauer ist ein Mechanopoet.19 Poiein heißt nicht nur machen, sondern auch dichten. Aristoteles beschreibt in seiner Poetik, in seiner Lehre von der Dichtkunst die Tragödie als eine Theatermaschine, die den Helden von großer Höhe tief fallen läßt. Diese Theatermaschine muß zugleich als eine Belagerungsmaschine gebaut sein, die gegen die Zuschauer gerichtet ist. Sie sollen nicht zusammenbrechen, wohl aber erschüttert werden. Durch die Risse der erschütterten Fassade können die „eingeklemmten Affekte“20 entfahren. „Jammern und Schaudern“21 reinigen den Gefühlshaushalt. Insofern ist diese psychologische Kriegsmaschinerie der Tragödie für die Zuschauer sogar erbaulich.
Die Philosophie interessiert sich nicht für den Hausbau, sondern für den Haushalt, den nomos des Hauses, die Ökonomie. Doch der Nomos stößt uns wieder auf die Ambivalenz des Bauens. Der Nomos ist Brauch, Gewohnheit, Gesetz, also gesetzt. Auch er ist in den Boden, in die Erde gesetzt und gewachsen. Nomos aber kommt von nemein, nehmen, weiden lassen.22 Der Nomos ist „Landnahme“,23 Weiderecht. Man weidet, was wächst und nachwächst; später, was man züchten und anbauen kann. Das Nehmen setzt noch früher an als das Bauen. Der Nomade ist älter als der Bauer.24
Bauen heißt Grenzen setzen, Zäune machen, ein Territorium abstecken, Besitz als Eigentum. Der Nomos ist das Gesetz, der unvermeidlichen Territorialisierung immer wieder entkommen zu müssen, schreiben DELEUZE und GUATTARI, Fluchtwege im Hausbau anzulegen, labyrinthische Ausgänge zu finden: Deterritorialisierung. Was ist das erste am Bau, wo setzt das Bauen an? Ist es die Feuerstelle, das Obdach, die Schutzwand, die Einzäunung oder der Tanzplatz? Die labyrinthischen Fluchtlinien stellen durch Tanz, Gesang, Melodie und Rhythmus eine „Bleibe“ her, stecken ein Territorium ab und öffnen es zugleich.25 So können sich Erde und Himmel verbinden. So kommt man vom einen zum anderen.
Der Haushalt ist für die antike Philosophie viel wichtiger als der Hausbau, weil es für sie darauf ankommt, das, was schon gebaut ist: die Welt gut zu verwalten, zu bewirtschaften, zu bewohnen. Das Bauen könnte den Verdacht aufkommen lassen, es fehle etwas, die Welt sei wesentlich unvollständig, man müsse über das hinausgehen, was schon da ist, vorgefunden und gegeben. Das Bauen wird deshalb als ein Nachmachen verstanden. Die Menschen bauen nur weiter, setzen nur fort, was die Natur schon angelegt hat: Höhlen, Nester, Felsvorsprünge, Laubhaufen. Philosophieren heißt nehmen, was da ist, und nehmen, wie es kommt. Dazu müssen wir uns auf alles gefaßt machen, was kommen könnte. Wir brauchen nicht bauen, wir müssen jedoch vorbauen (praemeditatio26), damit wir nicht die Fassung verlieren, damit wir überall unerschütterlich sind, erschüttert nur gelegentlich von der Tragödie, die unser Mitleid stärkt. Der Stoizismus versteht die Philosophie als Fortifikation: Festungsbau. Eine Hochburg (Akropolis) ist der von Leidenschaften freie Verstand, schreibt MARC AUREL. „Denn nichts Stärkeres hat der Mensch. Hat er da seine Zuflucht gefunden, so ist er in Zukunft unüberwindlich.“27 Der stoische Philosoph lebt in einer Burg, er ist Bürger, Weltbürger. Die Welt ist schon erbaut. Man muß nur seinen Platz, seine Stellung in ihr einnehmen. Sich in der Welt zu wissen, erbaut den Verstand zur unerschütterlichen Festung.
Die stoischen Philosophen folgen dem Vorbild der Kyniker. Auch DIOGENES nahm es schon so, wie es kam, und nahm, was gerade da war: eine Tonne, ein Faß als Haus.28 Es hätte auch eine Höhle sein können. Doch als Einsiedler hätte er keinen Anstoß erregt. Das aber wollte er. Er demonstriert Bedürfnislosigkeit, ein Maximum an Autarkie. Diogenes nimmt die Tonne und gebraucht sie, er macht sie nicht. Aber sie ist gemacht, ein Artefakt. Sie steht für das Minimum an Kunst, das noch für den genügsamsten Philosophen unverzichtbar ist. Philosophie ist der sparsame Gebrauch des Hergestellten. Von Diogenes heißt es, sein Vater habe eine Wechselstube betrieben, er selbst sei der Falschmünzerei angeklagt gewesen.29 Mit der Münze (nomisma) ändert sich der Nomos der Gesellschaft. Der Nomos ist also nicht von Natur oder von Gott aus. Er kann gewechselt und umgetauscht, eine neue Währung kann eingeführt werden. Philosophieren heißt für Nietzsche, den Hammer zu nehmen und neue Münzen zu schlagen: Umwertung aller Werte. „Gott ist todt“ und „wir haben ihn getödtet“,30 mit dem Hammer erschlagen. Mit diesen Worten läßt Nietzsche den tollen Menschen am hellen Vormittag mit der Laterne in der Stadt herumlaufen und rufen: „Wohin ist Gott?“, genauso wie Diogenes nach Menschen gesucht, aber nur Unflat gefunden haben soll.31 Womit ist Gott getötet worden? Mit Sparsamkeit, Ökonomie, Selbstgenügsamkeit. „Vorsicht vor überflüssigen teleologischen Principien! […] So nämlich gebietet es die Methode, die wesentlich Principien-Sparsamkeit sein muss.“32 Daß es einen Schöpfer, Urhebergott und einen Bauherren der Welt gebe, ist auch nur gesetzt, eine Voraussetzung, die man sich sparen kann.
Der alte Philosoph sparte an anderer Stelle. Sein Haushalt war auf Selbsterhaltung (oikeiosis) ausgerichtet. Er sparte sich das Bauen und beschränkte sich auf Bauerhaltung, denn der Bau war schon errichtet, nahm er an. Mit Neubauten beginnt erst die Neuzeit. Den freien Baugrund gewinnt sie dadurch, daß sie das Nehmen zu einem Setzen macht. So werden Annahmen zu Voraussetzungen, die man einsparen kann. Die moderne Prinzipien-Ökonomie strebt dem Nullpunkt zu. Sie bewirtschaftet das unabdingbare „Minimum an Metaphysik“33 und stößt damit auf einen Widerspruch in sich selbst, denn Sparsamkeit selbst ist ein teleologisches Prinzip. Der moderne Philosoph lebt als Obdachloser unter den Brücken der Metaphysik.34 Der gestirnte Himmel, die Architektur der Welt, zeigt sich ihm nur ausnahmsweise.
Spielen – Bauten können einstürzen. Der Einsturz verwandelt das Gebäude in eine Ruine. Was gebaut, gemacht, eingesetzt wird, vergeht, verfällt, verwahrlost mit der Zeit, wird zerstört und außer Kraft gesetzt. So bleiben nur Trümmer und Spuren, fast nichts. Doch die halten sich oft hartnäckig.
Die Welt ist gut gebaut, aber die Erde wird schlecht bewirtschaftet. So dachten die Alten. Sie verfällt. Ihre Währung wird immer schlechter, die Metalle minderwertiger. Die Menschen verweichlichen. Zeichen des Niedergangs ist der Aufstieg der Künste. Sie dienen dem Luxus. Sie entlasten die Menschen in ihren Verrichtungen. Dadurch verlernen sie, die Härten des Lebens, sein Unglück, zu ertragen. Sie tragen nicht mehr alles Wichtige bei sich, sondern haben mehr, als sie brauchen, in ihrem Haus abgestellt. Nicht in der Welt sind sie zu Hause, sondern in ihrem Eigentum. Der Niedergang, schreibt ROUSSEAU, setzt ein mit dem Einzäunen von Land.35 Die Einzäunung ist der Anfang des Hausbaus.
Auch wenn sich die Philosophie anfangs eher als ein Nehmen und Vernehmen versteht und das bloße Setzen zurückweist, auch wenn sie sich als Haushalt begreift, kann sie nicht ganz auf den Hausbau verzichten. Auch sie muß Felder abstecken, einzäunen, begrenzen, definieren, das Unbegrenzte, Grenzenlose eingrenzen und dabei nicht ausgrenzen.36 Zäune und Grenzen sind nötig gegen das Chaos, den Wahnsinn, das Maßlose, das Unbestimmte und das Göttliche. Dennoch darf es nicht aus dem Horizont verschwinden. Die Philosophie bewirtschaftet die Grenzen. Die Stadt (polis) grenzt die Bürger von der Wildnis ab, die Freiheit grenzt sie von der Mühsal der Handwerker und Sklaven ab, arbeiten zu müssen.37 Freiheit, Muße und Sorglosigkeit, Entlastung von den Nöten des Lebens sind, sagt ARISTOTELES, die Voraussetzungen zur Philosophie.38 Darin gleicht ihre Existenzform der entfernten göttlichen. Doch indem das Philosophieren selbst als ein Abstecken und Einzäunen verstanden wird, wächst die Gefahr des Mißverständnisses, als könnte man das Eingegrenzte in Besitz nehmen und zum Eigentum machen, als hätte man in der Hand, was man begreift.
Was macht das göttliche Wesen in Muße und Freiheit? Es spielt, schreibt HERAKLIT.39 Was ist der Antrieb zum Bauen: Spiel oder Not? Vielleicht muß beides zusammenkommen, vielleicht haben wir beides nötig: homo faber ludens. Prometheus mußte den Menschen zu Hilfe kommen und für sie das Feuer aus dem Himmel stehlen, erzählt der platonische PROTAGORAS, denn die Menschen waren bei ihrer Erschaffung zu kurz gekommen: „nackt, unbeschuht, unbedeckt und unbewaffnet.“40 Unbedeckt fehlen ihnen von Natur aus die schützende Hülle, Bett und Waffen. Deshalb müssen sie bauen und vorbauen. In der Not brauchen sie dennoch Asyle des Unnötigen, der Sorglosigkeit, Mühelosigkeit und der Freiheit, um im absichtslosen Spiel etwas zu finden, das in der Not auch noch zu gebrauchen ist. Gegen die Not spielen sie mit dem Unnötigen.
Die Not trennt die Menschen vom Göttlichen, das Spiel verbindet sie mit ihm. Spielerisch leicht muß darum auch die Entstehung, die Erschaffung der Welt vonstatten gegangen sein, wenn sie überhaupt entstanden ist, leicht wie die zufällige, minimale Abweichung der unvergänglichen Atome, aus deren Wirbeln die Welten entstehen und vergehen nach Ansicht der Epikuräer.41
Platon hingegen beschreibt die Weltentstehung als ein Bauen. Ein Baumeistergott, der Demiurg, erbaut die Welt „im Blick auf das Unvergängliche“,42 die Idee des Guten. Der menschliche Künstler entfernt sich noch weiter als der Demiurg von der Idee, wenn er nachmacht, was selbst schon der Idee nachgemacht war.43 Der Bau der Welt ist ein Abbild des Ewigen im Vergänglichen und deshalb schlechter als das, was nicht vergeht und verfällt. Auch die platonische Kosmogonie zeigt, daß Bauen weniger wert ist als Haushalten, Bewahren, Pflegen, Erinnern (epimeleia, anamnesis). Das Bauen setzt die Idee in die Materie und dem Verfall aus, es setzt das Unvergängliche in die Zeit.
Christentum und Bürgertum verwandeln die Mühe des Machens in produktive Arbeit. Sie „bildet“, schreibt HEGEL.44 Der Knecht erarbeitet sich Selbstbewußtsein und Überlegenheit gegenüber seinem Herrn. In der Arbeit bildet sich der Gegenstand der Arbeit ins Innere des Arbeitenden ein. Das Bild des Bauens ist für diesen Vorgang nicht geeignet. Das Bauen stellt ein Äußeres her, in dem sich Innerlichkeit bilden kann. Als der Begriff der Arbeit jede Tätigkeit zu erfassen beginnt, das Denken zur „Arbeit des Begriffs“ (Hegel) und sogar das Träumen Arbeit wird (FREUD), entdeckt Nietzsche das göttliche Spiel wieder. „Ein Werden und Vergehen, ein Bauen und Zerstören, ohne jede moralische Zurechnung, in ewig gleicher Unschuld, hat in dieser Welt allein das Spiel des Künstlers und des Kindes. […] Nicht Frevelmuth, sondern der immer neu erwachende Spieltrieb ruft andre Welten ins Leben.“45
Die Steine des Hausbaus oder des Brettspiels sind Sandkörner zuhauf geworden. Aus ihnen läßt sich alles Mögliche modellieren. Aus der Zeichnung wird das Modell. Doch es ist so flüchtig wie eine Skizze. Die Sandfigur trocknet und wird vom Wind verweht oder von den Wellen des Meeres planiert, wenn sie nicht schon zuvor von ihrem kindlichen Urheber selbst verworfen wurde. Das spielende Kind bildet den Gegenentwurf zum hämmernden Schmied. Der unermeßlichen Zahl der Sandkörner entspricht die scheinbare Grenzenlosigkeit des Meeres. Geschieden sind Land und Meer durch die Küstenlinie. Die Philosophie bewirtschaftet die Grenzen zwischen dem Begrenzten und dem Unbegrenzten.
Am Strand läßt PAUL VALÉRY den jungen Sokrates ein weißes unbestimmtes Ding finden, ein objet ambigu. Nicht zu entscheiden, ob von Menschenhand oder vom Zufall der Meeresbewegungen so gemacht.46 Zweideutig ist auch das traumverloren im Sande spielende dionysische Kind: Natur und Künstler zugleich. Es ist die Ambiguität von Vorfinden und Erfinden, von Setzen und Nehmen. Das Kind spielt. Es baut im Sand, baut etwas und zerstört es wieder. Das Bauen selbst ist ein Zerstören, sagt Valéry. Denn das Material ist immer komplexer als seine zum Bau bestimmte Funktion. Unweigerlich sieht jeder Baumeister oder Handwerker von den Eigenschaften seines Materials ab, die ihn für seine Absichten nicht interessieren.47 Ein Bau wird errichtet, er wird auf etwas Bestimmtes gerichtet, das viele andere Möglichkeiten ausschließt.
Sprechen – Der biblische Gott ist das Kind, das mit seinen Geschöpfen spricht. Darin unterscheidet er sich von den Göttern Griechenlands, die zwar auch gelegentlich mit den Sterblichen reden, aber im Banne der Selbstgenügsamkeit am liebsten unter sich bleiben, sich mit sich selbst vergnügen. Der biblische Gott vergibt sich nichts von seiner Göttlichkeit, wenn es ihn zum Sprechen, zur Mitteilung drängt. Er spricht nicht bloß mit seinen Geschöpfen, er erschafft sie, indem er mit ihnen spricht. Er erbaut sie. „Es werde Licht, und es ward Licht.“48 Aus dem Nichts ist es da. Gott setzt, heißt es im Schöpfungsbericht, den Menschen in den Garten, den er gepflanzt hat.49 Den Menschen hat er als Lehmkloß geformt und ihm Atem eingehaucht. Dieses plastische Bilden und Bauen wird aber zuvor als Schöpfung durch einen Sprechakt beschrieben. Gott macht den Menschen nach seinem Bilde und ihm ähnlich. Darum findet er auch, daß es für den Menschen nicht gut ist, allein zu sein. Er selbst ist auch nicht gern allein.
Gott spricht: Abraham! Und der sagt: Hier bin ich.50 Der Anrede entspricht die Antwort. Der Anrede geht das Geheimnis der Erwählung voraus. Warum redet Gott diesen an und nicht jenen? Die er anredet, hören oft weg, sind verstockt. Aber Abraham sagt: ich höre. Er hört und gehorcht aufs Wort, zieht weg aus seiner Heimat in ein Land, „das ich dir zeigen werde.“ Mit Abraham schließt Gott einen Bund, mit David will er das „Haus Israel aufbauen“.51 Das Volk, das darin wohnt, soll zahlreich werden wie die Sterne am Himmel. Doch Abrahams Frau ist schon zu alt, um Kinder zu gebären. Das Bauen ereignet sich als Ausnahme und Wunder. Der Hörende vertraut aufs Wort und setzt auf das Unwahrscheinliche.
Gott spricht Abraham an, Abraham antwortet ihm. Der eine spricht und verspricht, der andere hört und gehorcht. Er vertraut, er baut auf das Versprechen. Alles andere wird gleichgültig, nichtig. Der Raum, die Umgebung verschwinden. Da sind nur noch Stimmen. Der biblische Gott spricht: Er erbaut und reißt nieder. Beides ist im Grunde eins, auch wenn es als ein Nacheinander dargestellt werden muß. Das Sprechen Gottes ist ein Ansprechen, ein Versprechen, auf das man bauen kann, ein Erbauen, ein Aufrichten, ein Gerade- und Gerechtmachen. Das Wort ist an jemanden gerichtet. Diesem wird alles niedergerissen und nichtig, was ihn sonst kümmerte. Er setzt nur noch auf das Wort, das an ihn gerichtet ist. Das hat ihn vom Boden aufgerichtet. Wort und Antwort des biblischen Wortes schwimmen gleichsam wie die Arche auf einer alles hinwegreißenden Flut. Der Bau der Arche besteht aus Hinhören und Machen, was geraten und versprochen ist, gehorchen, auf ein Wort bauen, das ein Versprechen ist.
Der Teufel will mit Gott wetten. Gott spielt. Er geht auf die Wette ein, daß sein treuer Knecht Hiob ihm ins Angesicht flucht, wenn er Hiobs Haus niederreißt. Das Haus stürzt ein und erschlägt Söhne und Töchter. Die Herden werden gestohlen. Hiob befällt der Aussatz. Seine Frau sagt: „Fluche Gott und stirb!“ Hiob aber sagt: „Das Gute nehmen wir an von Gott, das Böse sollten wir nicht annehmen?“ Und dann fängt er doch noch an zu klagen: „Er reißt nieder – wer baut wieder auf?“ Hiob klagt Gott an: „Warum bleiben die Gottlosen leben, werden alt, ja nehmen zu an Kraft? […] Ihre Häuser sind sicher vor dem Schrecken, und die Rute Gottes schlägt sie nicht. […] Der eine stirbt inmitten seiner Kraft in tiefer Ruhe und im Frieden […]. Der andere stirbt betrübten Herzens und hat nie das Glück gekostet. Zusammen betten sie sich in den Staub, und der Moder bedeckt sie beide.“ Die Freunde wollen Hiob beruhigen. Aber ihre Sprüche steigern nur seine Anklagen, bis Gott aus dem Sturm antwortet: „Ich will dich fragen, und du lehre mich! Wo warst du, als ich die Erde gründete? Sag an, wenn du Bescheid weißt! Wer hat ihre Maße bestimmt – du weißt es ja – oder wer die Meßschnur über sie ausgespannt? Worauf sind ihre Pfeiler eingesenkt, oder wer hat ihren Eckstein gelegt […]? Wer hat das Meer mit Toren verschlossen, da es hervorbrach, aus dem Mutterschoße kam, als ich Gewölk zu seinem Kleide machte und dunkle Wolken zu seinen Windeln?“52
Hiob schreit zu Gott, er schreit um Hilfe. Er will verstehen, warum sein Haus niedergerissen worden ist, da er kein Unrecht begangen hat. Und Gott antwortet mit Gegenfragen: Wie kann ein Geschöpf die Schöpfung, ein Baustein den Bauplan verstehen? Hiob bekommt keine Antwort. Gott erklärt nicht sein Tun, warum er baut und niederreißt. Es bleibt ein Geheimnis wie die Schöpfung. Und doch antwortet Gott, er spricht zu Hiob. Und das genügt, um Hiob und sein Haus (sieben Söhne, drei Töchter, vierzehntausend Schafe, sechstausend Kamele, tausend Eselinnen) wieder aufzubauen. Mit einem Wort, das Gott an ihn richtet, ist er in der Arche, gerettet. Aufbauen und Niederreißen sind eins.
Der biblische Gott braucht keinen Artikel. Er ist nicht einer unter vielen. Er baut die Welt und das Haus Israel. Er ist verantwortlich für das, was passiert, auch für die Verstocktheit, das Weghören derer, die er anspricht. Er übernimmt Verantwortung, er gibt auch Antwort. Aber die Antwort ist dunkel, er offenbart sein Geheimnis: ein verborgener Gott, verborgen seine Gerechtigkeit, warum er den einen aufrichtet und den anderen stürzen läßt.
Er baut, erschafft, indem er spricht. Er spricht im Sturm, im Vorübergehen, indem etwas passiert, in Ereignissen. Sie bilden Hohlformen, die von anderen Ereignissen ausgefüllt werden, bis sie „erfüllt“ sind. Eine Gestalt, ein Ereignis ist ein Typos, das in einem Antitypos seine Erfüllung findet, so Adam in Christus, der Sündenfall in der Erlösung, das irdische Jerusalem im himmlischen, der Tempelbau oder der Bau der Arche in der Kirche, im Bau Gottes, deren „Schlußstein“ Christus ist, der Stein des Anstoßes.53 Jeder baut am Bau Gottes mit, der auf sein Wort hört. Gott baut, indem er spricht. Kirche, ekklesia, ist die Versammlung derer, die er „herausgerufen“ hat.54 Ein Ereignis baut auf einem anderen auf, indem es dessen implizites Versprechen erfüllt. Die Erfüllung der Schöpfung, des göttlichen Sprechens und Versprechens, des Bauens und Niederreißens, ist das himmlische Jerusalem.
Das Weiterbauen am Bau Gottes zeigt sich also darin, daß es liebevoll, praktisch, brauchbar, konstruktiv ist: aufbauend, Erbauung der Gemeinde, der Kirche und des Einzelnen. In der Erbauung des Einzelnen greifen die Christen philosophische Meditationstechniken auf, die ihrerseits wiederum auf rhetorische Techniken der Gedächtniskunst zurückgehen: wiederholen, auswendig lernen, sich vorsagen von wichtigen Sätzen und Gedanken, sich ausmalen, vergrößern von Einzelheiten. Erbauung wird meditative, literarische Verstärkung, Ausmalung, Ausdeutung und Ausdichtung der heiligen Schrift: Predigten, Briefe, Exerzitienbücher, Heiligenlegenden, Vätersprüche, lyrische Mönchstheologie, fromme Sinnsprüche, religiöse Traktatliteratur. Erbauung wird zur geistlich gewendeten Dichtkunst, die belehren, bewegen und erfreuen soll. Verliert die Erbauungsliteratur den Bezug zum biblischen Begriff des Bauens, wird sie nur noch erbaulich, Rhetorik ohne Substanz.
Die mittelalterliche Bibelexegese „überbaut“55 die Bibel mit einem vierfachen Schriftsinn, einem Bau, der historia als Fundament, allegoria als tragende Mauern, tropologia als innere Einrichtung und anagogia als das vollendete Dach hat.56 So bedeutet Jerusalem zunächst die geschichtliche Stadt, allegorisch die Kirche, tropologisch (oder moralisch) die Seele und anagogisch das Himmelreich. Die Erbauung des Einzelnen ist auf diese Weise als moralische Dimension des vierfachen Schriftsinns eingebunden in die christliche Eschatologie.
Anstelle der Stadt Jerusalem aber wird die Seele oft auch als Burg verstanden. Doch diese Seelenburg unterscheidet sich von der antik-philosophischen. Die alten Philosophen wappnen sich gegen das Schicksal, sie bauen Verteidigungsanlagen, sie bauen vor. Das christliche Bauen ist kein Vorbauen, sondern ein Vorbereiten, Sichvorbereiten auf die Ankunft des Herrn, der sich wie ein Dieb in der Nacht einschleicht. Die Christen wollen seine Ankunft nicht verpassen. Gott passiert. MEISTER ECKHART schreibt, „daß unser Herr Jesus Christus in ein kleines Städtchen ging, dort nahm ihn eine Frau auf, die hieß Martha, die hatte eine Schwester, die hieß Maria, die saß zu den Füßen unseres Herrn und hörte auf seine Worte; Martha aber ging umher und diente dem lieben Christus.“57 Martha wird unwillig, weil Maria nichts tut. Da spricht sie Christus zweimal mit Namen an: Martha, Martha. Das bedeutet, schreibt Meister Eckhart, daß Martha über die Lebensform ihrer Schwester, die vita contemplativa, schon hinausgegangen ist. Das bloße Hören der Worte bei Maria ist von Martha ins Praktische umgesetzt: Erbauung. Das Hören wird ein Gehorchen, Dienen, ein praktisches Tun.
Gründen – Der Bau baut auf etwas auf. Grund und Boden und Baumaterial müssen schon da sein. So macht der platonische Demiurg die Welt. Der biblische Gott erschafft sie aus dem Nichts. Er ruft sie hervor. Auf welchem Grund, aus welchem Grund erbaut er sie? Es lag kein Grund vor, auf dem er hätte bauen müssen. Der Anfang ist ohne Grund. Hätte er einen, wäre dieser der Anfang. Am Anfang, schreibt darum Jakob Böhme, ist „der ungründliche Wille Gottes“, der Ungrund.58
Das deutsche Wort Grund ist mehrdeutig: Boden und Ursache, causa und fundamentum. Was heißt gründen: auf einen Grund stellen oder den Grund herstellen, Grund legen? Die Philosophie ist die Suche nach den „ersten Gründen und Ursachen“, schreibt Aristoteles.59 Die Philosophie will am Anfang anfangen, nicht unterwegs. Die Philosophie ist prinzipiell. Doch der Anfang ist ein Ungrund und Abgrund. Lukrez versucht, ihn als eine unbegründete winzige Abweichung der Atome zu beschreiben, die zu Turbulenzen führt. Wirbel entstehen, Welten, Abgründe, die schwindelig machen. Aus welchen Gründen bauen die Menschen: aus Not oder im Spiel, aus Mangel oder Überfluß? Warum baut Gott die Welt: aus Langeweile, Mitteilungsdrang, Freude oder Selbstvergessenheit?
Nichts ist ohne Grund, sagen die Philosophen, nur der Grund ist ohne Grund.60 Der Grund ist in sich selbst Grund. Er trägt, begründet sich selbst: Vernunft, Sein, Bewußtsein, Subjektivität. Die Philosophie sucht den Grund, der in sich selbst gründet. Auf diesen Grund stellt sie ihren Bau des Wissens, das System der Wissenschaften. Philosophie ist dessen Grundlegung. Gründen heißt anfangen, stiften, Stifte, Pfähle in den Grund zu setzen. Die Philosophie beansprucht, die Fundamente für den Bau des Wissens zu legen. Sie beschränkt sich auf das Wesentliche, Grundlegende und Schwierigste, die Basis. Den Überbau61 überläßt sie den anderen Wissenschaften oder späteren Zeiten. Wichtig ist nur, daß die Fundamente „unerschütterlich“ (inconcussum) sind, sagt DESCARTES.62 Da ist wieder die Ataraxie, die unerschütterliche Ruhe, Anfang und Ende der antiken Philosophie. Sie betrieb Anbau, Ausbau, Weiterbau, Renovierung. Mit der Neuzeit beginnt die Zeit des Neubaus. Deshalb setzt sie gern Descartes an ihren Anfang. Denn der reißt ab und baut neu. Er mißtraut den alten Fundamenten und baut neue.63
Der neuzeitliche Blick auf die Philosophiegeschichte ist von Descartes bestimmt. Sie erscheint als eine Reihe schöner Bauruinen. Denn der moderne Philosoph ist ein Neubaumeister, der in der Grundlegung seines Systems stecken bleibt. Über die Fundamente und vielleicht noch den Rohbau kommt er meist nicht hinaus. Die Schüler bauen noch etwas weiter. Dann aber erscheint der nächste Neubaumeister, mißtraut den alten Fundamenten, hält die Bauruine für ein „Luftschloß“ – die Vernunft, so Kant, ist nämlich „baulustig“: „Gebt mir nur Materie, ich will euch eine Welt daraus bauen“64 – und beginnt mit einer neuen Grundlegung. System und Fragment kennzeichnen die Neuzeit.
Ein Neubau verspricht nicht nur, solidere Fundamente zu haben, sondern auch aus einem Guß zu sein. Alte Bauten hingegen sind oft umgebaut und durch Anbauten erweitert. Neubauten aus der Hand eines einzigen Architekten sind schöner und harmonischer, rechtfertigt Descartes seine Methode und schützt sich mit dem Hinweis, daß er nur seine eigenen Gedanken reformieren und auf einem Boden bauen wollte, „der ganz mir gehört.“65 Der Boden wird Privateigentum. Er ist eingezäunt: die Philosophie des Herrn Descartes. Von seinem empirischen Ich ist nur das „Ich denke“, das denkende Ding, das transzendentale Ego zum Fundament seiner philosophischen Konstruktion geworden. Und doch läßt sich das eine vom anderen Ich nie ganz trennen. Das empirische ist das historische Ich, es macht die philosophische Grundlegung zur Bauruine von morgen.
Das Ich, Abrahams Antwort „Hier bin ich“ ist stark geworden. Christlich erbaut, geht es aus sich heraus, versucht, das Kastell, in dem es wohnte, abzureißen und durch einen Neubau zu ersetzen. Es traut dem alten Gemäuer nicht mehr. Das Ich hört auf, Antwort oder Widerwort zu sein. Es wird Subjekt, hypokeimenon: „Zugrundeliegendes“,66 Grundlage, Fundament, Basis, Prinzip, Anfang allen Philosophierens. Als Grund und im Grund ist es einsam.
Das Ich als Subjekt wird in sich selbst gründender Grund, Abgrund. „Mir ist, als wäre ich unversehens in einen tiefen Strudel geraten und würde so herumgewirbelt, daß ich auf dem Grund nicht Fuß fassen, aber auch nicht zur Oberfläche empor schwimmen kann.“67 Schließlich findet Descartes doch noch Ruhe, Unerschütterlichkeit, Sicherheit und Gewißheit im „Ich denke“. Aber das Subjekt ist ein tückischer Grund. Vielleicht greift Descartes deshalb so ausgiebig zum Bild des Bauens, um den Abgrund des Subjekts zuzuschütten.
Kopernikanische Wende68: aus der Erde wird ein Planet, der um die Sonne kreist, und in der Folge von Descartes’ Philosophie werden aus den Gegenständen der Welt Vorstellungen, die das Subjekt aus sich hervorbringt. Dennoch begründet Descartes das Subjekt im geozentrischen Bild des Hausbaus. Das Subjekt hat Grund und Boden. Dieser Halt in der Erde ist dem Ich PASCALS schon verlorengegangen. „Das ewige Schweigen dieser unendlichen Räume macht mich schaudern.“69 Ohne Fundament in der Erde stürzt es in die äußeren Abgründe des unendlichen Großen und Kleinen und in die inneren der Eigenliebe, Langeweile und Zerstreuung. Da ist die Ruhe hin und mit ihr die Unerschütterlichkeit.
Für die Zeit bis zur Vollendung des Neubaus zimmert Descartes eine provisorische Moral mit vorläufigen Grundsätzen, bis er sicher weiß, was gut und richtig ist. Mit seiner provisorischen Moral erbaut Descartes noch einmal die warme Stube, in der er zum Glück schon sitzt. Es ist die Moral der Skeptiker. Solange man noch zweifelt und unentschieden ist, hält man sich am besten ans Übliche und Bewährte, an die „väterlichen Sitten und Gesetze“.70 Der radikale Zweifel braucht als Residuum die bewährten Gewohnheiten. Descartes reißt das Haus ab, in dem er zum Glück noch wohnen bleiben kann.
Descartes bleibt der Erde treu.71 Er liest und reist, aber dann findet er eine warme Stube, in der er in Ruhe nachdenken kann über ein Wissensgebäude, das auf dem „Ich denke“ aufbaut. Der Bau ist eine stationäre Bleibe. Der Anfang ist das Fundament. Der Anfang ist immer schon gemacht, entgegnet Pascal. Wir sind immer schon unterwegs und erfassen höchstens das Vorletzte, aber nie das Letzte und Erste, das Nichts und das Unendliche. „Sie sitzen schon im Boot [Vous êtes embarqués].“72 Das Setzen ist ein Wetten, ein Setzen auf das Ungewisse, Riskante, ein Setzen ins Wasser. Der Bau muß Schiffbau sein.
So groß und stark das Schiff auch sein mag, im Unendlichen, im tobenden Weltmeer „nach allen Seiten unbegrenzt“ ist es ein Kahn, auf dem „ein Schiffer sitzt, dem schwachen Fahrzeug vertrauend“, schreibt SCHOPENHAUER.73 Aus dem Bau auf unerschütterlichen Fundamenten ist ein kleines Boot geworden, das auf den Wellen tanzt und jederzeit kentern kann. Das Ich-Boot ist klein und untergangsgefährdet, das Wissensschiff dagegen so groß, daß es schwimmend modernisiert werden kann. „Wie Schiffer sind wir, die auf offenem Meer ihr Schiff umbauen müssen, ohne je von unten auf frisch anfangen zu können“, schreibt MORITZ SCHLICK. Aus dem Neubau wird wieder ein Umbau, ein fortwährender Neubau mit Ersatzteilen und Treibgut. „So kann das Schiff mit Hilfe der alten Balken und angetriebener Holzstücke vollständig neugestaltet werden – aber nur durch allmählichen Umbau.“74
Mit angemessener Verspätung folgt die Baumetaphorik der technischen Eroberung der Meere, dem Wechsel der Elemente vom Land zum Wasser. Schlicks Bild vom Umbau orientiert sich immer noch am Segelschiff und seiner Holzkonstruktion. Mit der Vereinnahmung des Luftraums wird der Bau zum Flugzeugbau und der Einsturz zum Absturz. Die Luft ist ein noch gefährlicherer Grund. Er trägt meist nur bei hoher Geschwindigkeit. Doch der Anschein des Sichselbsttragens, des in sich selbst gründenden, sich selbst begründenden Baus kommt zu neuer Evidenz. Die Systemtheorie, schreibt NIKLAS LUHMANN, ist eine „sich selbsttragende Konstruktion“, die den Instrumentenflug über einer geschlossenen Wolkendecke ermöglicht. „Gelegentlich sind Durchblicke nach unten möglich.“75 Luhmann läßt uns die Vorstellung vom Himmel über den Wolken, von der Sonne, die dort oben scheint, und vermeidet vorsichtshalber, um von der Systemtheorie nicht unnötig abzuschrecken, das Bild des Blindflugs. Sicht ist nur noch nötig auf die Instrumentenanzeigen. Universalanspruch mischt sich mit Bescheidenheit. Gelegentliche Durchblicke hatte man auch früher.
Richten – Gewohnheiten sind wichtiger als Gebäude, Bauen ist eigentlich ein Wohnen, sagt HEIDEGGER. Auf den Haushalt kommt es an, nicht auf den Hausbau. Die Philosophie bewirtschaftet die Grenzen. Das unvermeidlich Ausgegrenzte soll von den Zäunen der Philosophie miteingeschlossen werden. Der Hausbau beginnt mit der Einzäunung eines Grundstücks. Der Zaun unterscheidet und verbindet zugleich durch Unterscheidung, schreibt Heidegger, Sterbliche und Unsterbliche, Himmel und Erde. Die Philosophie versucht, diese Vier in eins zu falten zu einem „Geviert“.76 Philosophie ist Wohnen.
Das Bauhaus versammelt Baumeister, keine Architekten. Architektur wird ihm fast zu einem Schimpfwort. Denn Architektur zerfällt in Technik und Dekoration. Der Bau hingegen vereinigt alle bildnerischen Tätigkeiten in sich. Er ist auf das „Einheitskunstwerk“77 gerichtet, die prismatische Entfaltung des Punktes über die Linie, die Fläche zum Körper.78 Bauen zielt auf Eins, auf Einheit. Deshalb gelingt es nur ausnahmsweise. Es bleiben Entwürfe und Bruchstücke des Einen, des Einheitskunstwerks oder der Einheitswissenschaft. Das Bauen soll nicht bloß die Einheit eines Gebäudes oder Kunstwerks herstellen, sondern die Einheit einer neuen Welt: Neuzeit. Bauen ist weltschöpferisch, ein Ineinszusammenbauen.
Mittelpunkt des Hauses ist der Herd, die Feuerstelle, das moralische Element der Baukunst, schreibt GOTTFRIED SEMPER.79 In einer warmen Stube verbringt Descartes den Winter unabgelenkt vom großen Krieg in Süddeutschland und entwirft einen Neubau der Philosophie. Zugrunde liegt ihm das Subjekt. „Ich denke“ aber kann auch heißen: Ich mache, ich konstruiere aus den Sinnesdaten meine Welt. Wahr ist für uns nur, was wir selbst gedacht und gemacht haben.80 Die Welt ist ein Konstrukt, ein Gehäuse, in dem sein Erbauer als Subjekt selbst steckt. Das unterscheidet die Welt von einem üblichen Bau: Man kann nicht aus ihr herausgehen und sie von außen betrachten. Wie fügen sich die subjektiven Welten ineinander? Fügen sie sich in eins? Das wäre die Welt. Die Philosophen untersuchen ihre tragende Konstruktion. Das Bauen ist ein Richten. Ein Gebäude wird errichtet, und man richtet sich darin ein. Sich aufzurichten, sich auf etwas zu richten und einzurichten ist eine intentionale, teleologische Bewegung: ein Minimum an Metaphysik und Eschatologie in einer provisorischen Bleibe.
Das Denken funktioniert nicht anders als das Leben: Ein Bau wird errichtet, Menschen richten sich darin ein. Beides fällt in eins. Das Subjekt ist von der Konstruktion der Welt nicht zu trennen, die Basis nicht von ihrem Überbau, der Baumeister nicht vom Bauplan, Baustein und Bauwerk.81 Ich und Welt sind zusammen da. Beides baut sich von selbst auf: Autopoiesis.82 So verstanden ist das Bauen nichts anderes als ein Wachsen. Ein Setzling kommt aus der Erde. Er hat sich selbst gesetzt. Etwas entwickelt und entfaltet sich zielstrebig nach inneren Gesetzen, nach einem inneren Bauplan: Entelechie. Das Leben ist zielgerichtet und unter anderem darauf ausgerichtet, sich irgendwo einzurichten, sich dort zu erhalten, zu behaupten, zu vermehren, sich durchzusetzen im Kampf ums Dasein. Das Leben verfließt nicht einfach, es versucht, sich festzusetzen. Es setzt sich an einen Herd.
RUDOLF VIRCHOW verabschiedet die alte Säftelehre: Das Leben sitzt in der Zelle. Sie ist der „Herd“ und Baustein des Lebens.83 Der Herd im Herd ist der Zellkern. Die Zelle hat eine monadische Struktur. In ihrem Kern spiegelt sie sich wider. Das Leben baut sich auf, indem seine Zellen sich teilen und mitteilen. Im Innersten des Kerns findet man heute den genetischen Code, einen verschlüsselten Text, eine Geheimschrift, die gelesen, kopiert und übersetzt werden muß, damit neue Zellen sich bilden und aufbauen können.84 Wer hat den Text verfaßt? Die Stimme ist verstummt. Die Schrift hat sie ersetzt. Das Leben sitzt in Zellen fest, die es sich selbst gebaut hat. Omnis cellula a cellula.85 Kein Entkommen. Das Leben hat sich zugebaut, „verhaust“.86 Keiner tritt ein und ruft mich heraus. Die Welt zerfällt in Umwelten, in denen die Lebewesen eingeschlossen sind. Da beansprucht die Philosophie für den Menschen eine „Sonderstellung“87: Er ist unangepaßt, geht anders als Pflanzen und Tiere in keiner Umwelt auf. „Weltoffen“88 muß er sich seine Umwelt erst nachträglich bauen. Weil er weltoffen ist, will er nach draußen, denn drinnen fühlt er sich beengt. Aber immer findet er sich in einem weiteren Gehäuse wieder, das er selbst gebaut hat. Denn unvermeidlich ist sein Tun und Machen ein Konstruieren und Sicheinrichten. Und immer hat er zu sparsam, zu minimalistisch gebaut, zu eng.89
Frische Luft,90 offener Himmel, Bewegungsfreiheit, nach draußen! Die Menschen stoßen sich an den Wänden ihrer Zellen. Sie durchbrechen Wände und stoßen auf weitere. Sie glauben, sich darin von den anderen Lebewesen zu unterscheiden, daß sie an Grenzen stoßen und so Grenzen erkennen. Sie bewirtschaften die Grenzen, die Zäune und nicht das Eingezäunte. Sie reflektieren: Sie brechen die Konstruktion, die Struktur ihrer Welt, ohne daß sie zusammenbricht. Das ist „Dekonstruktion“. Das Leben hat an Transparenz verloren. Ein Kunstwort des Bauens ersetzt den Begriff der Optik. „Die Bewegungen dieser Dekonstruktion rühren nicht von außen an den Strukturen. Sie sind nur möglich und wirksam, indem sie diese Strukturen bewohnen. […] Die Dekonstruktion hat notwendigerweise von innen her zu operieren, sich aller subversiven, strategischen und ökonomischen Mittel der alten Struktur zu bedienen, das heißt, ohne Atome und Elemente von ihr absondern zu können.“91 Wie die Reflexion, die Kritik, Ironie und Aporie verweigert sich die Dekonstruktion dem Durchbruch, denn sie sieht, daß es keinen Weg nach draußen gibt, höchstens Spuren. Die Zellen bauen sich immer wieder auf. Die unvermeidliche Konstruktivität des Denkens kann man nicht destruieren, nur dekonstruieren.
Das Leben hat sich häuslich festgesetzt. Es sitzt in einem Bau. Seine Konstruktion und Einrichtung sind historisch. Es war eine Illusion der Neubaumeister, man könne abreißen und neu bauen. Wir sitzen in „Gehäusen“ und „Gestellen“,92 die „unzerbrechlich“93 sind. Der Rationalität, der Bürokratie, der Technik entrinnen wir nicht, so MAX WEBER und Heidegger. Wir selbst sind rationell, technisch und bürokratisch geworden.
Angenommen, der Mythos des Dädalus hätte Recht, dann wäre der Bau ein Chor, ein Tanzplatz, ein Ort, eingerichtet für den Übergang94 und Austausch zwischen Erde und Himmel, Welt und Unterwelt, Tod und Leben, Endlichkeit und Unendlichkeit, Verborgenheit und Offenheit, zwischen Gefangenschaft und Freiheit, zwischen Mühsal und Spiel. Der Bau wäre ein Ort, wo der Erdenkloß leicht und graziös werden kann. Der Übergang ist die Schwelle,95 der Grundbalken, die Grenze zwischen drinnen und draußen, zwischen diesseits und jenseits. Philosophie und Religion bewirtschaften diese Grenze. In ihrem Nomos betont die Philosophie eher das Setzen, die Religion mehr das Nehmen. Auch der Bauer baut den Übergang: etwas wird ins Erdreich gesteckt, damit es herauswächst, reif wird und geerntet werden kann.
Doch wie alles Machwerk ist der Schwellenbau, das Setzen eines Grundbalkens, unvollkommen. Deshalb will man immer weiterbauen, anbauen und ausbauen, abreißen und neu bauen. So wird aus der Architektur des Übergangs eine geschlossene Welt, ein Gefängnis, aus dem der Architekt fliehen muß. Benommen vom Äther der Aufklärung, denkt er nicht mehr an Übergangsarchitektur, an das Helldunkel unserer Natur, sondern nur an die lichte neue Welt, die es zu errichten gilt, und findet sich am Ende in den Gehäusen, Gestellen und Lagern der Neuzeit96 eingeschlossen.
Gesetzt, Heidegger hätte Recht, daß Bauen eigentlich Wohnen sei. Dann ginge es darum, eine Wohnung zu nehmen, zu nehmen, was da ist und wie es kommt, um sich in den unvermeidlichen Gestellen mit Gewohnheiten einzurichten, die einem Tanzboden gleichkommen, viereckig oder chorisch rund. Der Schwellenbau hat sich nach innen verlagert, ist Inneneinrichtung geworden. Doch was macht das schon aus? Irgendwo steckt man immer drin, kommt nicht heraus und sucht nach einem Übergang. So ist es nie verkehrt, Unterbrechungen einzubauen, den Baubetrieb gelegentlich ruhen zu lassen und aufzuhören, um nicht aus Versehen alles zu vermauern.