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5 Argumente gegen den Externalismus
ОглавлениеSicherlich besitzt der E. viele Vorzüge. Dennoch sieht sich auch diese Position mit etlichen ernsthaften Problemen konfrontiert. Die Haupteinwände gegen den E. beruhen auf tief verwurzelten internalistischen Intuitionen. Viele internalistische Kritiker legen den Akzent auf den Umstand, dass der E. einen signifikanten Bruch mit der modernen, von Descartes ausgehenden, erkenntnistheoretischen Tradition markiert – ja einen Bruch mit der gesamten altehrwürdigen sokratischen Tradition. Sie halten es für völlig unplausibel, dass Tatsachen oder Relationen, die außerhalb des kognitiven Horizonts einer Person liegen, eine wesentliche epistemische Rolle spielen können. Vor diesem Hintergrund machen die Widersacher des E. geltend, dass die Erfüllung rein externalistischer Bedingungen zu keiner befriedigenden Analyse von Wissen und Rechtfertigung führt.
Der erste Einwand gegen den E. versucht zu zeigen, dass Verlässlichkeit keine hinreichende Bedingung für Wissen ist. Stellen wir uns eine Situation vor, in der eine Person auf eine in hohem Maß verlässliche Weise Meinungen bildet, d.h., in der die erforderlichen externalistischen Bedingungen erfüllt sind, in der diese Person jedoch keinerlei Gründe hat, den Mechanismus ihrer Meinungsbildung für verlässlich zu halten, ja vielleicht sogar gute Gründe hat, ihn für unverlässlich zu halten. Nehmen wir z.B. an, dass es eine Person gibt, die die verlässliche kognitive Fähigkeit des Hellsehens besitzt und durch die Ausübung dieser paranormalen Fähigkeit Meinungen über entfernte Ereignisse bildet, die in der Regel wahr sind. Nehmen wir weiter an, dass diese Person keine Belege hat, zu glauben, dass sie über eine solche kognitive Fähigkeit verfügt, oder vielleicht sogar starke Belege, die gegen den Besitz einer solchen Fähigkeit sprechen. Der Internalismus macht geltend, dass, obwohl in diesem Fall die reliabilistischen Bedingungen klarerweise erfüllt sind, diese Person gleichwohl irrational, intellektuell unverantwortlich und daher epistemisch nicht gerechtfertigt wäre, ihre mittels ihrer hellseherischen Fähigkeiten gebildeten Meinungen zuversichtlich zu akzeptieren.
Während einige Externalisten derartige Intuitionen einfach als irreführend zurückgewiesen haben, ließen sich andere durch Fälle dieser Art davon überzeugen, dass eine weitere Verstärkung der grundlegenden reliabilistischen Anforderungen vonnöten ist. So haben einige Externalisten die Bedingung des Nichtunterminierens oder Nichtuntergrabens eingeführt, die Bedingung, dass, grob gesprochen, die betreffende Person weder glaubt noch adäquate Gründe hat, zu glauben, dass der zugrunde liegende kognitive Prozess nicht verlässlich ist. Wenn mithin die Person glaubt oder adäquate Gründe hat, zu glauben, dass sie ein verlässliches hellseherisches Vermögen nicht besitzt, dann wären die Meinungen, die sie auf diesem paranormalen Weg erwirbt, nach dieser modifizierten Version des Reliabilismus, nicht gerechtfertigt. Die neue Bedingung des Nichtunterminierens wäre nun verletzt.
Ein weiterer viel diskutierter Einwand richtet sich gegen den E. in der Theorie der Rechtfertigung. Er attackiert die Annahme, dass Verlässlichkeit eine notwendige Bedingung für Rechtfertigung ist, indem er Dämonenwelten Beachtung schenkt, Welten, die von einem bösartigen, allmächtigen Dämon kontrolliert werden, der in Bewohnern einer solchen Welt Muster sinnlicher Erfahrungen hervorruft, die unseren eigenen Erfahrungen genau ähneln, obwohl in ihrem Fall die resultierenden Wahrnehmungsüberzeugungen systematisch falsch sind. Trotz der Unverlässlichkeit der Prozesse, die ihre Meinungen erzeugen, behaupten Internalisten konsequent, dass die Personen in einer Dämonenwelt in ihren Meinungen gerechtfertigt wären – genauso gerechtfertigt, wie wir in unseren eigenen Meinungen sind. Schließlich haben sie dieselben Gründe für ihre Meinungen wie wir, und ihre ganze epistemische Situation mag von unserer eigenen Situation subjektiv ununterscheidbar sein. Die Schlussfolgerung lautet, dass Verlässlichkeit nicht notwendig für Rechtfertigung sein kann.
Einige Externalisten haben in ihrer Antwort einfach die Intuitionen zurückgewiesen, die ihre internalistischen Kritiker ins Feld geführt haben. Ihre harsche Diagnose lautet, dass diese Intuitionen irreführend sind, weil sie zu guter Letzt nur den hartnäckigen internalistischen Strang der erkenntnistheoretischen Tradition widerspiegeln. Die Externalisten sind in der Regel Anhänger der Wahrheitsförderlichkeitskonzeption der Rechtfertigung. Dieser Sichtweise zufolge steht die Rechtfertigung in einem wesentlichen Zusammenhang zu dem kognitiven Ziel der Wahrheit, dem Ziel, Wahrheit zu maximieren und Falschheit zu minimieren. Eine Person ist demnach gerechtfertigt, zu glauben, dass p, nur wenn sie in einer starken Position ist, die Wahrheit zu erreichen, nur wenn sie adäquate Gründe hat, zu glauben, dass p wahr ist. Ein adäquater Grund ist dieser Sichtweise zufolge eine Art Wahrheitsindikator, etwas, das es evidenziell wenigstens sehr wahrscheinlich macht, dass die Meinung, dass p, wahr ist. Wenn diese Sichtweise richtig ist, wenn Rechtfertigung tatsächlich eine wesentliche Beziehung auf das kognitive Ziel der Wahrheit hat, dann wären die Meinungen der Bewohner der Dämonenwelt eben nicht gerechtfertigt – obwohl sie ihr Bestes getan haben mögen, um ihr Meinungssystem in Ordnung zu bringen.
Andere Externalisten haben auf diesen Einwand jedoch anders geantwortet, nämlich indem sie ihre Theorien abgewandelt und verfeinert haben. Eine Art des R., der Normale-Welten-R., verwirft eine entscheidende Annahme, auf der das Gegenbeispiel beruht, die Annahme nämlich, dass die Verlässlichkeit eines kognitiven Prozesses gemäß seiner Leistung, d.h. seiner Wahrheitsquote, in der Welt zu bewerten ist, die die betreffende Person bewohnt. Stattdessen, so lautet der alternative Vorschlag, sollte die Verlässlichkeit in normalen möglichen Welten bewertet werden, d.h. in Welten, die mit unseren allgemeinen Überzeugungen über die wirkliche Welt, mit den Arten von Gegenständen und Ereignissen, die in ihr vorkommen, konsistent sind. Mittels des Begriffs einer Menge normaler Welten soll der gewöhnliche Begriff der Rechtfertigung gerettet werden. Demnach ist eine Überzeugung in einer Welt W genau dann gerechtfertigt, wenn der kognitive Prozess, der sie verursacht, in normalen Welten einen hohen Anteil wahrer Überzeugungen hervorbringt. Weil die kognitiven Prozesse, die die Opfer eines bösen Dämons benutzen, in normalen Welten anscheinend verlässlich wären, können die Verfechter der Verlässlichkeitstheorie nun zustimmen, dass der Gebrauch dieser Prozesse auch in einer Dämonenwelt gerechtfertigte Meinungen erzeugt. Somit erhalten wir das intuitiv richtige Resultat.