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Aufgabe des „neuen Bildes“ und das Argument der Antwort
ОглавлениеVogts „ Unsere Fragestellung“
Die Aufgabe stellt Joseph Vogt im Vorwort. Jürgen von Ungern-Sternberg vergleicht Rom und Karthago mit den anderen Bänden des Kriegseinsatzes der Deutschen Geisteswissenschaften, der „Aktion Ritterbusch“, und gelangt zu dem Fazit:17 „Deren Vorworte wie die Bände zeigen sich zwar bis hin zur Betonung der Rassenfrage sehr zeitgemäß, sie lassen aber nicht recht erkennen, was daran eigentlich ‚kriegswichtig‘ sein sollte.“18 Berve etwa stellt die Antike als wichtigstes Vorbild dar, sie sei in der Lage, „wie keine Epoche der Geschichte […] einer jeden Zeit auf ihre großen Lebensfragen Antwort zu geben“,19 man dürfe sie allerdings nicht „billig aktualisieren“.20 Angesichts der Eroberungsfeldzüge der deutschen Heere, die ganz Europa betreffen, wird die Neuordnung Europas als die aktuelle Aufgabe aufgerufen. Die Werte, die das Abendland stark gemacht haben, werden auch bei der Neuordnung Europas wieder einzusetzen sein: Deshalb hat die Altertumswissenschaft hier ihre Aufgabe:21
„Wünschenswert, ja geradezu notwendig schien es, in der Zeit des gewaltigen militärischen Ringens um eine neue Gestaltung des europäischen Kontinents Stand und Kraft der deutschen Altertumswissenschaft zu bekunden, die schon dank der abendländischen Bedeutung ihres Gegenstandes berufen sein wird, nach Beendigung des Krieges im europäischen Geistesleben als verbindendes Element eine wesentliche Rolle zu spielen.“22
Für die Einleitung zum Gemeinschaftswerk Rom und Karthago sieht Ungern-Sternberg noch weniger Aktualisierung:23 „Vogt machte es sich da einfacher. Seine Einleitung zu Rom und Karthago teilt zwar mit, daß das Werk im Rahmen des ‚Kriegseinsatzes der Altertumswissenschaft‘ entstanden sei. Von Deutschtum und Europa aber kein Wort; überhaupt nichts davon, was dies Tun in der Gegenwart der Jahre 1942–43 bedeuten sollte. Die Leitfrage nach der Bedeutung des Rassengegensatzes zwischen Römern und Karthagern ist aber im Kontext der Zeit fatal genug.“24 Darin steckt aber die Aufgabe, zu erkennen, worauf genau die Altertumswissenschaftler antworten, nicht mehr 1933, sondern auf dem vermeintlichen Höhepunkt deutscher Kriegseroberungen, in Wirklichkeit aber schon nach der Peripetie, auf dem Weg in die Katastrophe.25
Ich wende mich der programmatischen Einführung Josef Vogts zu, Unsere Fragestellung. Als das Buch 1970 bei L’Erma di Bretschneider nachgedruckt werden sollte, gab Vogt keine Erlaubnis, denn da „dessen Fragestellung sachlich begründet [sei], aber auch von der damaligen Politik beeinflußt war“, sei „das Buch im Zustand der Vergriffenheit zu belassen.“26 Anders als zu Taeger gibt es zu Joseph Vogt ausführliche wissenschaftsgeschichtliche Einordnungen.27
Rom und Karthago stehen als historische „Formeln für abgründigen Völkerhaß und Vernichtungskrieg“.28 Zwei rassefremde Völker, tief verschiedene Staaten kämpfen durch vier Generationen gegeneinander. Karthago – das sagt Vogt nicht – wird vernichtet, gleichzeitig gelingt Rom der Aufstieg zu Großmacht und Weltreich. Joseph Goebbels hatte am 24. Februar 1943 den totalen Krieg ausgerufen, unter frenetischem Beifall: Frankreich, die Sowjetunion, fast ganz Europa schienen bereits Teil der neuen Ordnung Europas unter deutschem Reich oder doch kurz davor. Die Juden Europas, die die Nationalsozialisten als geheime Akteure hinter Kommunismus und Kapitalismus vermuteten, wurden im Schatten des Krieges systematisch ermordet. Mit wenigen Worten war der Endkampf, die Entscheidungsschlacht, die im Jahre 1943 zu erwarten war, das Thema; eine Seite würde vernichtet zurückbleiben, die Juden in den Gaskammern der Vernichtungslager, die Nationen rings um das Deutsche Reich durch Bombardierung der Bevölkerung und die ‚V-Waffen‘, Codewort für Vergeltungswaffe. Was haben Althistoriker dazu zu sagen? Während Rom den Gegner zunächst leben ließ, wurde immer deutlicher, und der alte Cato wiederholte es mit Hartnäckigkeit: die Forderung nach der Zerstörung der feindlichen Macht, Karthaginem esse delendam. Friedensverträge nützen nichts, mit Carl Schmitt findet man hier den ‚Ausnahmezustand‘ und die Entscheidungs-Notwendigkeit zwischen Freund und Feind ausgerufen. „Das Semitentum wurde hier aus der Führung verdrängt, eine Entscheidung von größter Tragweite.“29 Freilich ändert sich das in einer aufgezwungenen Rechtsordnung, „der umfassende Rahmen des Reichsstaats […] konnte viele Völker und Rassen aufnehmen; der Friedensgedanke des Kaisertums vermochte die Erinnerung an die haßerfüllten Kämpfe mit Karthago zu entgiften.“30 Auch hier kann man das Konzept der „Katholizität“ von Carl Schmitt heraushören, das für das Aufzwingen des herrschenden Prinzips die Durchsetzung des Willens des Führers erfordert. Im Krieg geht es auf dem Höhepunkt der deutschen Eroberungen 1942 nicht mehr nur um Groß-Deutschland oder um Europa, sondern um nicht weniger als die Neuordnung der Welt durch die von Deutschen geführte Weltmacht Europa.31 Darum ist Rom als Imperium das einzige weltgeschichtliche Gegenstück für die Aufgabe der Gegenwart: Wie gelingt es – wie seinerzeit Rom – aus den militärischen Eroberungen ein stabiles Weltreich zu formen? Neu sei die Frage zu stellen, ob diese weltgeschichtliche Entscheidungssituation „durch das Blutserbe der Völker bestimmt gewesen“ sei.32 Vogt spricht von Puniertum; ob Hannibal echt semitisch gehandelt oder unvereinbar mit dem karthagischen Wesen, das sei zu untersuchen. Beruht die „Punische Treulosigkeit (auf) dem armenoiden, wüstenländischen oder hamitischen Rassenelement im punischen Volkstum?“ Da stehe man erst am Anfang der Forschung.
Taeger über Sizilien in der antiken Weltpolitik
Die Antwort, die Fritz Taeger in seinem Kapitel zu Sizilien gibt, gehe ich kurz durch in Form einer – dort nicht angegebenen – Gliederung des Aufsatzes, bevor ich im folgenden Abschnitt auf grundlegende Prinzipien seiner Geschichtskonzeption vor dem Hintergrund der politisch forcierten Vorgaben systematisch eingehe.
(0) Einleitend zögert Taeger, aus dem Gefüge der abendländischen Kulturentwicklung aus ihrem Geburtsraum Mittelmeer einen Teil herauszulösen. Aber da der politische Genius Roms dem Mittelmeerraum seine endgültige antike Ordnung aufprägte, kann man das rechtfertigen.
(1) Der geografische Raum: Italien als „gewaltiger Riegel“ teilt das Mittelmeer in nahezu zwei gleich große Teile, den Westen und den Osten. Sizilien als der natürliche Übergang von Nord nach Süd hin nach Kleinafrika und von Ost nach West wird von allen Seiten aus besiedelt und beansprucht.
(2) Geschichte der Völker und Rassen auf Sizilien:
2.1 Vor- und Frühgeschichte zwischen altmediterran-westischer Rasse und nordischer Besiedelung.
2.2 Kolonisation durch Phöniker, Etrusker und Griechen. Ausgelöst durch die Angriffe Assurs und die „Seevölker“ um 1200 auf die phönikischen Städte entscheiden die sich „in dieser Weltenstunde“ gegen imperialistische Machtpolitik und für einen Handelsstaat.
2.3 Kämpfe zwischen den dreien. Dabei wird Karthago zur „Reichsschöpferin“.33 Das Wort Reich schränkt Taeger aber sofort wieder ein. Dabei schließt Karthago mit dem neuen Akteur an dem raumpolitischen Knotenpunkt, den Römern, Verträge.
Vergleicht man den Ton mit dem grundlegenden Werk zur Geschichte Siziliens, das Taeger auch benutzte, so sieht man gleich die andere militaristisch-harte Sprache im Gemeinschaftswerk Rom und Karthago:
„Die orientalische Kolonisation der Insel Sicilien (brachte[n]) manche neue Bildungselemente zusammen und liess sie einen bedeutenden Schritt auf der Bahn der Civilisation vorwärts thun. Zu den einfachen, mit Ackerbau und Viehzucht beschäftigten Ureinwohnern waren Männer aus weiter Ferne gekommen, in mancherlei Künsten und Wissenschaften jenen weit überlegen […]. Von ihnen erhielten die Ureinwohner die Produkte einer entwickelten Industrie, von ihnen lernten sie die Fruchtbarkeit ihres Bodens und den Reichtum ihrer Meere besser benutzen, von ihnen empfingen sie den ersten Unterricht in mancherlei Künsten und nahmen einen Theil ihrer Religion an. Die verschiedenen Nationalitäten standen sich also auf Sicilien keineswegs feindlich gegenüber, aber sie vermischten sich auch nicht.34 Es hatte noch nicht den Anschein, als ob sich aus den Elementen, welche die Insel enthielt, ein neues Ganzes bilden sollte, wenigstens nicht ein solches, das für die Weltgeschichte von Bedeutung sein würde. Dies wurde erst durch die Einwanderung eines dritten Volksstammes herbeigeführt: des hellenischen.“35