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2. Grundausbildung in der Bülow Kaserne in Frankfurt

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Der Dienst begann in der Früh um 6 Uhr und endete abends um 10 Uhr. Ein lauter Pfiff aus der Trillerpfeife des UvD (Unteroffizier vom Dienst) ließ uns frühmorgens sofort alle Müdigkeit vergessen. Wir fuhren hoch, wie von der Tarantel gestochen. Was dann kam, haben wir nicht im Entferntesten geahnt.

Alles ging ja so schnell und eine Tätigkeit folgte der anderen. So schnell hatte ich mich noch nie angezogen und gewaschen und rasiert und gefrühstückt.

Ehe wir uns versahen, hatten wir auch das Revier gereinigt und standen in Reih und Glied auf dem Appel Platz angetreten.

Der Hauptwachtmeister sprach einige Worte und gab den Dienst bekannt. Er holte sein dickes Buch heraus, denn da stand alles drin. Der dienstälteste Wachtmeister rückte mit uns ab. Es ging zum Geschützschuppen zum Geschützexerzieren, so wie alle Tage. Hinter dem Geschützschuppen jagte er uns manchmal über das Gelände.

Die eigentlichen Schleifer aber waren die untergeordneten Dienstgrade. Wir mussten antreten und wegtreten und laufen und uns hinlegen und wieder aufstehen und wieder laufen und antreten. Allmählich kamen wir ins Schwitzen, obwohl es Dezember war und die Temperatur einige Grade unter null lag. Wenn uns unsere Frauen gesehen hätten, die würden sagen: Siehst Du, ich hab‘s ja gleich gesagt. Nimm die Sache nicht auf die leichte Schulter.

Und wie uns die Ausbilder kritisierten: Wenn ich volle Deckung sage, dann legt sich alles blitzschnell hin. Ihr legt euch ja hin, als wenn ihr abends ins Bett geht. Lasst es euch mal von eurer Großmutter erklären, was Hinlegen heißt. Die kann es euch erklären.

Er rief einem zu, der sich nach einem trockenen Plätzchen umsah: Immer rinn in die Suppe! Sonst ist der Krieg ja vorbei, noch ehe sie richtig liegen. Wir grinsten über so viel Spott.

Ein Pfiff und wir standen wie angewurzelt da. Dieses Aufstehen galt aber nur einer kleinen Belehrung. Wenn ich marsch, marsch befehle, so unser Ausbilder, will ich nichts als Stiefelabsätze sehen. Verstanden? Wir riefen: Jawohl, Herr Wachtmeister.

Immer wieder jagte er uns über das Gelände. Immer wieder rief er: Volle Deckung!

Nach einer Weile ließ er uns antreten und wir durften marschieren.

Der Herr Oberwachtmeister übernahm wieder das Kommando. Ein Lied! befahl er.

Westerwald, rief jemand und wir stimmten an. Von einem Gesang konnte keine Rede sein, deshalb rief der Oberwachtmeister: Lauter singen!

Er marschierte mit uns kreuz und quer durch das Gelände, bis doch noch ein Gesang daraus wurde.

Wir waren munter wie nie zuvor und durchtrainiert. Alle Müdigkeit war weggeblasen, nun konnte der weitere Dienst folgen. So ging das fast alle Tage. Allmählich gewöhnten wir uns daran.

Heute folgte nach diesem Fußdienst ein Unterricht. Wir saßen im Unterrichtsraum wie in einem Kino, hintereinander und nebeneinander.

Ein anderer Wachtmeister stand nun am Rednerpult. Soldaten! Warum wir uns jetzt hier versammelt haben, soll euch bald klar werden. Ihr müsst nicht nur auf dem Kasernenhof und an den Geschützen ausgebildet werden, sondern genauso wichtig wie der praktische Dienst ist auch der theoretische Unterricht.

Ihr müsst ja die Rangabzeichen, die Waffengattungen und überhaupt den gesamten Aufbau der deutschen Wehrmacht kennenlernen. Ihr müsst wissen, welches die Aufgaben einer Gruppe sind, und welches die Aufgabe einer Armee ist.

Ihr müsst wissen, was alles zur Artillerie gehört. Wie sich eine Batterie im Gelände bewegt. Welches die Aufgabe der Kanoniere ist, und welches die Aufgabe der Fernsprecher und der Fahrer ist.

Wie ihr seht, ist das Wissen enorm, das ihr euch aneignen müsst. Hier heißt es aufpassen, seinen Kopf anstrengen und bei der Sache sein. Schlafmützen können wir nicht gebrauchen.

In den ersten sechs Wochen gibt es keinen Ausgang, weil ihr euch noch nicht als Soldaten benehmen könnt. Ihr würdet die deutsche Wehrmacht lächerlich machen. Jeder, der sich eines Vergehens schuldig macht, kann nicht nur, er muss sogar von einem Vorgesetzten verhaftet werden, der ihn dann sofort abführt, zur Kaserne bringt und eine Aburteilung beantragt. Das Überschreiten der Ausgehzeit wird ebenfalls mit Arrest bestraft.

In diesem Sinne sprach der Wachtmeister noch eine ganze Weile. Uns brummte schon der Kopf, vor lauter Belehrungen und Zurechtweisungen. Hier war es vorbei mit der Freiheit, hier herrschte der militärische Drill und der Zwang.

Wenn wir auch vorher dachten: Na, zu uns sollen sie erst mal kommen, wir sind doch keine neunzehn mehr. Nun wurde es uns erst bewusst, was es heißt, Soldat zu sein.

Der Wachtmeister sah nun auf die Uhr und sagte: Alles Aufstehen! Zum Mittagessen weggetreten! Wir gingen zunächst auf unsere Stuben und holten unser Essbesteck. Bald darauf tönte im Flur die Trillerpfeife des UvD. Alles stürmte hinaus auf den Korridor und es erfolgte ein zwangloses Antreten. Rechts um, ohne Tritt marsch! Kommandierte der UvD.

Es gab Kartoffeln, Soße, Gemüse und ein Stück Fleisch von einem Schweinebraten. Gut, dachte ich, damit kann man zufrieden sein.

Hier in der Kantine konnte man sich auch ein Glas Bier oder einen Sprudel kaufen. Es gab aber auch Rauchwaren, Kekse, Bonbons, Schokolade und noch vieles mehr.

Nach dem Essen ging jeder auf die Stube und legte sich auf sein Bett. Es war Mittagsruhe bis 13.30 Uhr. Wir hatten nun Gelegenheit miteinander zu sprechen.

Übereinstimmend stellten wir fest, dass es doch ein wenig anders war, als wir es uns vorgestellt hatten. Nicht ärgern, nur wundern, sagte ich. Alles hat seinen Anfang und sein Ende. Ich glaube, wir können uns noch auf allerhand gefasst machen, erwiderte darauf mein Nachbar. Er rauchte gemütlich eine Zigarette, was ich auch tat.

Ob wir alt sind oder jung, mischte sich ein anderer in unser Gespräch ein, wir sind alle auf Gnade oder Ungnade unseren Ausbildern ausgeliefert.

Alle anderen pflichteten ihm bei. Was die sagen, muss gemacht werden. Ob es uns nun passt oder nicht.

Na ja, dies ist nur der Anfang, mit der Zeit gewöhnt man sich dran. Ich sagte das nur so vor mich hin, aber mein Kamerad über mir hörte es doch und fühlte sich beleidigt.

An Ungerechtigkeiten werde ich mich nie gewöhnen, sagte er in einem sehr lauten Ton.

Warum ungerecht, fragte ihn ein anderer. Du brauchst doch nur zu denken, das ist gerecht. Gerechtigkeit beim Barras, das ich nicht lache.

Ihr müsst die Sache von der sportlichen Seite sehen, sagte ich und wollte ihn beruhigen, dann ist es halb so schwer. Na klar, sagte nun einer aus der Ecke. Du kannst doch nicht gegen den Strom schwimmen. Alles horchte nun gespannt. Mit dir machen sie doch, was sie wollen, oder denkst du, du kannst Widerstand leisten? Bist ein Querulant! rief darauf einer.

Die Diskussion endete erst, als der UvD zum Antreten heraus pfiff.

Nun standen wir wieder auf dem Appelplatz. Nun war der Spieß gekommen und er nahm die Meldung vom diensthabenden Wachtmeister entgegen.

Danke! sagte der Spieß, nicht bevor er den Männern ins Gesicht sah. Er musterte sie alle, sein Blick wanderte von einem zum anderen. Erst dann sagte er: Rührt euch!

Erst jetzt nahm er sein Buch heraus, das bisher in seiner Feldbluse zwischen dem ersten und dem dritten Knopf steckte. Er schlug es auf. Es war seine Gedächtnisstütze.

Alles, was er uns mitzuteilen hatte, stand in diesem Buch. Nicht nur der gesamte Dienstplan, sondern auch Beschwerden, Wünsche, Anregungen.

Ob der Kanonier Meyer mit ungeputzten Stiefeln aufgefallen war, oder ob ein anderer mit dem Gewehr antraben musste. Jede Rüge oder jede Belobigung wurde hier vor versammelter Mannschaft bekanntgegeben. Erst dann strich der Spieß den Vorfall selbst.

Der ganze Ersatz, sagte der Spieß jetzt, als er mit der Durchgabe seiner Meldungen fertig war, Geschützdienst! Aufteilen in Züge und Gruppen, so dass jeder Ausbilder fünf Mann hat.

Oberwachtmeister Wohlert, rücken sie ab!

Der Oberwachtmeister ließ die Unterführer an dem rechten Flügel eintreten und rückte mit uns ab, zum Geschützschuppen.

Erst jetzt bildete er zwei Züge und ließ die vier Geschütze herausziehen. Nun standen wir vor ihnen, mit denen wir uns jetzt beschäftigen sollten. Sofort wurden vier Geschützbedienungen gebildet und die Geschützführer erklärten den Männern die Tätigkeiten der einzelnen Kanoniere. Die Geschütze wurden feuerbereit gemacht und wieder fertig gemacht zum Abmarsch. Immer wieder erklärten es die Geschützführer und ließen es von den Umstehenden wiederholen.

Noch war alles für uns ein wenig unbekannt und geheimnisvoll, aber bald werden wir es auch beherrschen, so wie es unsere Vorgänger auch beherrscht haben.

Die Wachtmeister ergriffen zuweilen das Wort und alles horchte gespannt auf ihre Ausführungen.

Das hier, diese vier Geschütze, sind eine Batterie, so begann der Wachtmeister seine Ausführungen. Es sind leichte Feldhaubitzen und sie haben ein Kaliber von 10,5 cm.

Zu jedem Geschütz gehört eine Protze, an die das Geschütz gehängt wird. Das ganze wird dann von Pferden gezogen, wie ihr wohl schon gemerkt habt. Zu jedem Geschütz gehören vier Pferde. Alles bis hierher verstanden? Jawohl! riefen wir von allen Seiten.

Über weite Entfernungen werden die Geschütze von Pferden gezogen, in der Feuerstellung bewegen sie die Kanoniere selbst. Auch das leuchtete uns ein.

Wie ihr seht, ruht das Geschütz auf zwei Rädern, es wird von fünf Mann bedient. Jeder Kanonier hat seine bestimmte Tätigkeit, die er aus dem FF beherrschen muss.

Er teilte nun fünf Ausbilder ein, die die Funktion der fünf Kanoniere einnahmen. Dann erklärte er die Funktion jedes einzelnen.

Zuerst wird das Geschütz von der Protze abgehoben. Die Fahrer verschwinden mit den Pferden an einen sicheren Ort, eben in die Protzenstellung.

Wir sahen gespannt zu und machten uns unsere Gedanken.

Die Geschützbedienung entriegelt die Holme, spreizt sie und setzt die Erdsporne ein. Dann wird das Geschütz waagerecht gestellt und ins Ziel gebracht.

Das zweite Geschütz ist das Grundgeschütz, es wird auf den Grundrichtungspunkt eingerichtet. Die anderen drei Geschütze werden mit diesem parallel gestellt.

Wieder fragte der Wachtmeister, ob das alles klar ist.

Wir beantworteten seine Frage mit: Jawohl, Herr Wachtmeister!

Er sah uns der Reihe nach an, als ob er sich davon überzeugen wollte, dass wir das auch wirklich verstanden hatten.

Nun kommt die Technik! Der K I, der Richtkanonier hat eine wichtige Aufgabe. Von ihm hängt es ab, ob der Schuss ins Ziel geht oder daneben. Geschossen wird nach der Karte mit einem großen Maßstab 1:100 000. Warum? Weil auf dieser Karte alle Symbole eingezeichnet sind.

Der Beobachter, ein Offizier oder ein Wachtmeister, es kann aber auch ein anderer sein, Hauptsache er ist zum Schießenden ausgebildet, schaut durch das Scherenfernrohr und erkundet das Gelände. Zuerst zeichnet er seinen eigenen Standpunkt ein, dann den Standpunkt der Batterie und dann den Teil der Front, den er mit Artilleriefeuer belegen will.

Er errechnet das Kommando, das er jetzt den Fernsprechern zuruft. Der Fernsprecher gibt es an die Feuerstellung durch, das die Richtkanoniere an den Geschützen einstellen.

Wieder fragte er, ob das bis dahin alles klar ist. Nun antworteten wir nur zögernd, jawohl!

Es kommt schon noch, fuhr der Wachtmeister fort. Man kann das alles nicht an einem Tag lernen, sonst könnte man euch ja schon sofort an die Front schicken.

Auf welche Entfernungen denn geschossen wird, wollte jemand wissen. Der Wachtmeister erklärte auch das.

Es kommt immer darauf an, welche Ziele wir bekämpfen, sagte er. Sind es Punktziele oder belegen wir einen Abschnitt mit Sperr- oder Störungsfeuer. Ob wir einen eigenen Angriff vorbereiten, oder ob wir einen Angriff des Feindes stoppen wollen. Ihr seht, es gibt viele Möglichkeiten. Dann kommt es immer auf das Gelände an.

Wir müssen uns so aufstellen, dass wir vom Feind nicht gesehen werden. Wir dürfen dem Feind kein Ziel bieten, sonst belegt er uns mit Artilleriefeuer.

Was machen wir dann? fragte der Wachtmeister, und sah uns fragend an. Wir machen Stellungswechsel, sagte einer und er lag damit gerade richtig.

Jawohl, sagte der Wachtmeister. Wir suchen uns eine günstigere Stellung und dann fängt alles wieder von vorn an. Aufstellen der Geschütze, einrichten und die Kommandos ausrechnen. Ebenso wie wir, hat auch der Feind seine Beobachter im Gelände.

Schießen können wir auf verschiedene Entfernungen. Je größer die Entfernung, desto unwahrscheinlicher ist die Treffsicherheit.

Zuerst müssen wir so nahe wie möglich an die Front heran. Die Entfernung wird dann von selbst größer, wenn wir den Feind schlagen. Es kann aber auch mal umgekehrt sein, dass er uns schlägt. Dann heißt es schleunigst ausweichen. Wir versuchen dann den Feind von der einen oder anderen Seite zu bekämpfen.

Unsere Geschütze schießen sowohl in der mittleren als auch in der oberen Winkelgruppe.

Das heißt: Je tiefer wir das Rohr stellen, desto kürzer ist die Entfernung und je höher wir das Rohr stellen, desto weiter ist die Entfernung, desto weiter geht der Schuss. Die Entfernung kann bis zu einem und zehn Kilometer sein. Es kann aber auch im direkten Beschuss Verwendung finden. Ihr seht, unsere Geschütze sind vielseitig.

Wenn plötzlich feindliche Panzer in der Feuerstellung auftauchen, dann heißt es: Jetzt oder nie! Dann kommt es ganz besonders auf die Geistesgegenwart der Kanoniere an, auf die Schnelligkeit und auf die absolute Beherrschung der Tätigkeiten eines jeden Mannes.

Die Ausbilder übernehmen jetzt ihre Gruppen, befahl der Spieß. Nun bekamen wir die Geschütze das erste Mal richtig erklärt. Erst bei Einbruch der Dunkelheit beendeten die Wachtmeister den Dienst.

Wir wurden nun auf die Stuben entlassen. Nach dem Essen sollte uns der Stubenälteste Unterricht über den Karabiner erteilen. Wir saßen alle um den Tisch herum und hatten das Gewehr vor uns.

Der Herr Oberkanonier ließ uns zuerst alle das Schloss herausnehmen. Das war gar nicht so einfach. Man musste den Trick zuerst einmal kennen. Dann übten wir das Laden und Sichern mit Übungsmunition. Es war ein Hantieren und Poltern und Klappern, denn jeder wollte es so schnell und so gründlich lernen, wie nur möglich.

Welche Teile könnt ihr am Gewehr erkennen? fragte nun der Oberkanonier. Wir hielten inne und sahen uns fragend an. Na, aus wie vielen Hauptteilen besteht das Gewehr? Nun reden sie doch schon, drängte der Stubenälteste einen Mann von uns, der schon etwas über das Gewehr wusste.

Sie wollen wissen, in wie viele Teile das Gewehr zerfällt, fragte er lächelnd. Es kommt darauf an, wie man es hinschmeißt. Wir brachen in schallendes Gelächter aus. Der Oberkanonier war der alleinige Blamierte.

Sehr witzig! sagte er. Den Mann will ich mir merken. Wie heißen Sie? Kanonier Wittig, Herr Oberkanonier. Sie heißen ab heute Witzig! Verstanden? Jawohl Herr Oberkanonier, antwortete der Kamerad Wittig.

Also Spaß beiseite! sagte der Oberkanonier. Nennen Sie die Hauptteile. Kamerad Wittig schüttelte die Antwort nur so aus dem Ärmel, wir konnten gar nicht folgen. So geht das natürlich nicht, schaltete sich der Oberkanonier ein. Er begann nun selbst das Gewehr zu erklären.

Als er eine Pause machte und das Zimmer verließ, nutzten wir die Gelegenheit und unterhielten uns recht angeregt. Wir wollten uns doch näher kennenlernen.

 Da war zunächst der Hannes. Er fiel sofort auf, denn er war 1,85 m groß und kräftig und hatte eine derbe Aussprache. Er war von Beruf Waldarbeiter und wohnte in Nauen bei Berlin.

 Der zweite war Lauterbach, der mir durch seine Freundlichkeit aufgefallen war. Durch seine schnellen Antworten erregte er oft Heiterkeit. Er war Bäckermeister und hatte in Berlin-Charlottenburg eine Bäckerei.

 Neben ihm saß Erich Schubert. Ein kleiner ernster, aber sehr korrekter Mann. Im Zivilberuf war er bei der Tobis Klangfilm. Ein Mann, auf den man sich verlassen konnte. Seine Antworten kamen wohlüberlegt und er traf fast immer das Richtige.

 Daneben saß Karl Weiß, ein gemütlicher Kamerad, mittelgroß und ein bisschen hager. Er war Buchhalter in einer Holzgroßhandlung in Velten. Statt zu antworten, schwieg er lieber, obwohl er die richtige Antwort stets parat hatte.

 Der nächste war Kurt Both. Er war Rohrleger von Beruf und immer zu Späßen aufgelegt. Seine Heimat war Berlin.

 Jetzt kam unser Kleiner, Herbert Helmfritz. Er war zehn Jahre jünger als wir, deshalb nannten wir ihn Kleiner, aber er war beileibe nicht klein, sondern einen Kopf größer als mach ein anderer. Er war stets vergnügt und hatte immer ein Lied auf den Lippen.

 Der nächste war Eduard. Er war Händler in der Ackerhalle von Berlin. Seine Antworten waren meist zweideutig und erregten oft Heiterkeit

 Kamerad Wittig nicht zu vergessen. Er war im Unterricht aufgefallen und er war auch auf der Stube die Hauptperson. Er kam aus dem Bezirk Kreuzberg. Er war ein offener und ehrlicher Charakter, half jedem, der an ihn herantrat. Wahrscheinlich fühlte er sich durch seine zehnjährige Tätigkeit in der SA uns ein wenig überlegen.

 Die Nummer neun im Bunde war ich selbst. Ich kam ebenfalls aus Berlin, vom Bezirk Prenzlauer Berg. Von Beruf kaufmännischer Angestellter in einer hohen Behörde. Ich versuchte mich immer in der Mitte zu halten. Antwortete nur, wenn ich von der Richtigkeit meiner Antwort überzeugt war.

Das war die Belegschaft der Stube 23. Ein Oberkanonier und neun Mann. Jeder eine Persönlichkeit, die hier unter einen Hut gebracht werden sollte.

Hannes stand der Tür am nächsten und rief mit seiner lauten Stimme: Achtung! als der Oberkanonier eintrat.

Wir sprangen auf, schon wie alte Soldaten, nahmen stramme Haltung an und sahen den Oberkanonier an. Abendessen beenden! Der Dienst geht weiter. Wir staunten nicht schlecht.

Zuerst die Gewehre reinigen, dann Stiefel, Koppel und Patronentaschen putzen, befahl der Stubenälteste. Jeder, der da glaubt, mit seiner Sache fertig zu sein, zeigt sie mir vor.

Darf dabei geraucht werden? fragte Kurt Both. Ausnahmsweise, ja, erwiderte der Stubenälteste. Am Schluss wird die Stube geputzt und Staub gewischt.

Nun nahm jeder sein Reinigungszeug und es begann ein Klappern mit der Kette, mit der wir den Lauf durchzogen. Am Ende der Kette wurden eine Anzahl Dochte befestigt, die mit Öl angefeuchtet wurden. Aber es wurde ja nicht nur der Lauf gereinigt, sondern das ganze Äußere durfte dabei nicht vergessen werden.

Als erster sprach Kamerad Wittig den Oberkanonier an. Na dann zeigen Sie doch mal ihr Gewehr her, sagte er zu ihm. Kamerad Wittig übergab es ihm in strammer Haltung. Der Oberkanonier betrachtete es von allen Seiten und sah auch durch den Lauf. Er drehte und wendete es, klappte die Visierklappe hoch und fragte: Gehört das auch zum Gewehr? Dabei zeigte er auf einen Rostfleck. Wittig bekam einen roten Kopf. Nein, Herr Oberkanonier! Er schlug dabei die Hacken zusammen, dass es krachte. Dann lassen Sie ihn verschwinden, weiterputzen!

Nun sah sich der Oberkanonier das Gewehr nochmals an. Hier am Schloss ist zu viel Öl, sauber abwischen! Der Lauf ist auch nicht ganz sauber, am Stock ist noch Rost und sehen Sie sich das Kolbenblech einmal an.

Er sah Kamerad Wittig scharf an und sagte: Kanonier Wittig, so geht das wirklich nicht. Wittig stand da, mit den Händen an der Hosennaht.

Der Oberkanonier gab ihm sein Gewehr zurück und er ging an seinen Platz und putzte weiter.

Uns allen war das Herz in die Hose gerutscht, nur Lauterbach lachte. Dann geben Sie ihres mal her, sagte der Oberkanonier. Lauterbach übergab sein Gewehr in strammer Haltung und trat an seine Seite. Glauben Sie, dass ich zaubern kann, fragte der Oberkanonier, oder dass ich andere Augen habe als Sie?

Als nächstes war mein Gewehr an der Reihe. Zuerst besah er es von außen, drehte und wendete es und besah es nochmals von allen Seiten. Soweit alles gut, sagte er. Nun sah er durch den Lauf und legte das Gewehr sofort wieder auf die Seite. Mit so einem Rostfleck im Lauf zeigen Sie mir das Gewehr? fragte der Oberkanonier. Sehen Sie sich das bloß an! Der Rost geht nicht weg, der war schon drin, als ich das Gewehr bekam, sagte ich. Ach, das geht alles weg! sagte der Oberkanonier und gab mir das Gewehr zurück. Auch ich putzte weiter.

Wir waren alle froh, als er sagte: Gewehre wegstellen!

Wir begannen jetzt mit dem Lederzeug. Wie die Schusterjungen saßen wir jetzt da und putzten. In der Stube roch es nach Schuhcreme.

Jetzt müsste man ein Bier haben, sagte Kurt Both. Brauchst es ja nur zu holen, gab ihm Hannes zur Antwort, die Kantine ist ja offen. Los! rief Kurt Both freudestrahlend, kommst du mit? Sie gingen also und kamen mit einem ganzen Arm voller Flaschen bald wieder zurück.

Jetzt wurde es erst richtig gemütlich. Wir stießen miteinander an und sagten: Auf gute Kameradschaft!

Um halb zehn kam der Stubenälteste. Ach, ihr habt es euch gemütlich gemacht. So ist es auch richtig, denn wer arbeitet, muss sich auch was leisten. Wir waren froh, dass er es so humorvoll aufnahm und fühlten uns in unserem Verhalten gestärkt.

Also jetzt die Stube saubermachen und Staub wischen, damit wieder Ordnung in den Laden kommt. Heute macht ihr es noch gemeinsam und ab morgen wird ein Stubendienst eingeteilt.

Jetzt schnell in den Waschraum, denn der UvD könnte sich die Hände oder die Füße zeigen lassen. Bitte beeilen, um zehn liegt alles in den Betten, ihr habt noch fünf Minuten Zeit.

Wir sahen uns an und verulkten uns gegenseitig. Das ist doch die Höhe! brachten wir im Waschraum unsere Entrüstung zum Ausdruck. Wir sind hier doch nicht in einem Mädchenpensionat. Zuerst die Händchen vorzeigen und dann die Füßchen und dann husch, husch ins Bettchen, ulkte Lauterbach am meisten.

Ja heißt es denn hier immer nur Maul halten und durchhalten und unterordnen, fragte Eduard und meldete sich auch einmal zu Wort.

Pünktlich um 10 Uhr lag alles in den Betten. Der Stubenälteste saß am Tisch, er hatte die Feldmütze aufgesetzt. Auf dem Korridor hörte man Schritte, der UvD trat ein. Er hatte den Stahlhelm auf und die Pistole am Koppel.

Der Oberkanonier stand auf, nahm stramme Haltung an und meldete: Stube 23 belegt mit einem Oberkanonier und neun Mann. Alles ordnungsgemäß in den Betten!

Nun ging auch der Stubenälteste zu Bett. Er löschte das Licht und es trat Ruhe ein.

Am nächsten Morgen vernahm ich dieselben Schritte wie am Abend vorher. Die Tür wurde aufgemacht und der UvD stand in unserer Stube. Laut und deutlich rief er: Aufstehen! Kaum war er alle Stuben durchgegangen, ertönte auf dem Korridor seine Trillerpfeife und er rief: Kaffeeholer raustreten! Es trat ein wenig Verwirrrung ein, weil wir uns nicht einig waren, wer den Kaffee holen sollte. Da griff der Stubenälteste ein, indem er sagte: Wittig holen Sie den Kaffee. Wittig schnappte sich die Kanne und verließ die Stube. Wir anderen eilten in den Waschraum. Einige begannen, sich zu rasieren. Es war ein ganz schöner Andrang, nicht jeder bekam sofort einen Platz. Ich war einer von den letzten, die fertig wurden, denn ich musste mich auch rasieren.

Als Wittig mit dem Kaffee kam, begannen wir zu frühstücken.

Wir waren noch gar nicht ganz fertig, da rief schon wieder eine Stimme: Raustreten zum Revier reinigen! Der Korridor wurde gefegt und es wurde Staub gewischt. Einige wurden eingeteilt, die Waschräume und die Toiletten zu säubern. Es war ein emsiges Treiben, wobei der UvD die Aufsicht und die Stubenältesten das Kommando hatten. Sie trieben die Leute an, schnauzten sie an und brüllten oft, dass sich die Balken bogen.

Nach diesem Zirkus war Antreten auf dem Appellplatz.

Der UvD meldete dem dienstältesten Wachtmeister und dieser meldete den Haufen dem Spieß. Nachdem der Spieß die Meldung entgegengenommen hatte, befahl er: Rührt Euch!

Nun konnten wir wieder bequem stehen.

Der Spieß nahm sein dickes Buch heraus und begann, sich mit uns zu unterhalten. Er ermahnte uns, Disziplin zu üben, uns an die Richtlinien zu halten und die Befehle gewissenhaft auszuführen und zwar sofort. Die Ausbilder sind Eure Vorgesetzten und ihre Befehle sind unverzüglich auszuführen, Befehlsverweigerung wird mit Arrest bestraft, erklärte er.

Wenn einer durchaus nicht will, es gibt Mittel und Wege genug, um den Widerstand eines Querulanten zu brechen. Das ist die eine Seite, sagte der Spieß. Wer seinen Dienst mit Freuden macht und sich nichts zuschulden kommen lässt, wer immer und überall seinen Mann steht und daran denkt, der Dienst mit der Waffe ist ein Ehrendienst, für den werden wir stets ein offenes Ohr haben..

In diesem Sinne sprach er noch eine Weile, bis er auf den eigentlichen Zweck des heutigen Tages zu sprechen kam.

Im Anschluss an diesen Frühappell ist Fußdienst für alle. Wir hatten es ja gewusst und so kam es für uns nicht von ungefähr.

Ich lasse jetzt wegtreten und in fünf Minuten ist alles wieder mit Gewehr und Stahlhelm hier auf dem Appellplatz. Will doch mal sehen, wer der Erste ist.

Wir brüllten: Jawohl! und rannten los. Alles rannte wie vom Teufel besessen die Treppen hoch auf die Stuben, den Stahlhelm auf den Kopf, das Gewehr gegriffen und dann ging es wieder auf den Appellplatz. Es mochten keine drei Minuten vergangen sein, als wir uns wieder auf dem Appellplatz einordneten.

Einer stand bereits vor der Front neben dem Spieß. Seht ihn euch an, sagte der Spieß, er war der Erste. Wie heißen Sie und wie alt sind Sie?

Der Kamerad antwortete: Kanonier Jäger, Herr Hauptwachtmeister, 33 Jahre alt.

Gut gemacht, Kamerad Jäger, treten Sie ein! Kanonier Jäger suchte sich seinen Platz.

Wachtmeister Wohlert, rücken Sie ab! befahl der Hauptwachtmeister. Wachtmeister Wohlert trat vor die Front. Sein erstes Kommando war: Ausbilder eintreten! Die Herren Ausbilder traten an den rechten Flügel. Dann sagte er ohne viel Aufhebens: Gewehr umhängen! Dann erst kam das Kommando: Stillgestanden!

Nun korrigierte er die Kameraden. Riemen anziehen! befahl er. Das Gewehr muss gerade hängen. Auf das Kommando: Richt euch! Gab es zunächst mal ein Schubsen und Drängeln, aber dann kam Ordnung in den Haufen. Der Wachtmeister stand am rechten Flügel und sah sich die Front an. Er korrigierte diejenigen, die ihren Bauch zu weit vorgeschoben hatten.

Augen gerade aus! Rechts um, im Gleichschritt Marsch! Kommandierte der Wachtmeister und der Zug kam in Bewegung.

Hinter dem Geschützschuppen, wo der Boden einigermaßen gerade ist, ließ er halten.

Ausbilder raustreten! befahl er. Alles andere nach vorn weggetreten! Dann ertönte seine Trillerpfeife. Sofort nahmen wir stramme Haltung ein und standen mit der Front zum Wachtmeister.

Wenn dieses Ding ertönt, steht alles wie angewurzelt im Stillgestanden. Verstanden? Wir brüllten: Jawohl, Herr Wachtmeister!

In Linie angetreten! War sein nächstes Kommando. Alle rannten durcheinander. Es gab wieder ein Schubsen und ein Schieben, weil der Flügelmann sich nicht vor ihm aufbaute. Erst als er das tat, konnte sich alles nach ihm ausrichten.

Nun nahm ein anderer Wachtmeister das Kommando. Marschieren und Singen, lautete die Devise des heutigen Dienstes, deshalb befahl der Wachtmeister: Rechts um, im Gleichschritt, Marsch! Nach kurzer Zeit rief er: Ein Lied!

Westerwald wurde vorgeschlagen. Und schon rief er: Drei, vier und es erklang das Lied, das wir schon einmal gesungen hatten. Als wir das Lied beendet hatten, stimmten wir ein neues an und so lernten wir Lieder, die vorher nur ein Teil von uns kannte. Dieser Dienst machte sicherlich allen Spaß.

Nach kurzer Zeit übernahm ein Unteroffizier das Kommando. Nach kurzer Zeit rief er: Abteilung Halt! Das klappt ja überhaupt nicht! rief er empört.

Nun ließ er anmarschieren und gleich darauf halten. Immer wieder übte er mit uns das Halten, aber es wollte nicht klappen. Er brachte ein wenig Verwirrung in den Haufen.

Wachtmeister Wohlert ließ den Unteroffizier ablösen und dieser atmete sichtlich erleichtert auf. Unser Stubenältester übernahm jetzt das Kommando. Er trat vor die Front, nahm Haltung an und es folgte das Kommando: Stillgestanden! Richt euch! Wir taten wie befohlen.

Nun trat er an den rechten Flügel und fragte: Das nennt ihr eine Richtung? Ein Sauhaufen ist das. Steht doch nicht so verkrampft da, stellt euch doch locker hin. Er ging nun von Mann zu Mann und stellte jeden richtig hin. Nehmen Sie den Kopf hoch, sagte er zu dem einen, halten Sie die Schultern gerade, zu einem anderen. Und Sie schauen einmal auf ihre Füße, Sie ziehen einmal den Bauch ein und die Brust raus. Er ging weiter und sagte: Sie verstecken sich ja vor ihrem Nebenmann, kommen Sie doch weiter vor, das Gewehr gerade halten, an die Fußspitze stellen. Sie recken ja den Hals so weit vor, kommen Sie doch selbst einen halben Schritt nach vorn.

Nun stellte sich der Oberkanonier vor die Front und zeigte, was Stillgestanden bedeutet.

Bei Stillgestanden! nimmt man die Hacken zusammen, die Stiefel bilden einen Winkel von nicht ganz 90 Grad. Der Körper wird aufgerichtet, die Mittelfinger der Hände berühren die Hosennaht, die Arme sind leicht angewinkelt. Der Bauch wird eingezogen, wobei die Brust sich von selbst heraushebt. Den Kopf hält man aufrecht und die Augen schauen gerade aus.

Bei Rührt euch! Wird der linke Fuß einen halben Schritt vor gestellt und der Körper nimmt eine lockere Haltung an.

Ist das jetzt jedem klar? fragte er. Wir riefen, wie aus einem Mund: Jawohl, Herr Oberkanonier.

Nun kommandierte er: Links um! Mein Nebenmann hatte bei der Wendung mich beinahe umgeworfen. Wie heißen Sie, fragte der Oberkanonier.

Meyer, sagte der Kamerad. Was für ein Meyer, fragte der Oberkanonier. Meyer mit Ypsilon, sagte der Kamerad. Will ich doch gar nicht wissen, schrie der Oberkanonier. Na, Sie haben mich doch gefragt, wie ich heiße, erwiderte mein Nebenmann ganz trocken und naiv.

Nun fragte der Oberkanonier einen anderen: Wie heißen Sie? Und wie aus der Pistole geschossen kam die Antwort: Kanonier Hellwig, Herr Oberkanonier.

Jawohl, so lautet die Antwort. Haben Sie das verstanden, Herr Meyer mit Ypsilon. Jawohl, sagte Kamerad Meyer. Und wie heißen Sie nun wirklich? Kanonier Meyer, Herr Oberkanonier.

Er lernt es, er lernt es, er hat es schon gelernt, rief der Oberkanonier freudestrahlend.

Selbst die anderen Ausbilder und die Wachtmeister konnten sich das Lachen nicht verkneifen.

In den Unterrichtsraum abrücken! befahl Wachtmeister Wohlert.

Diesmal trat der andere Wachtmeister an das Rednerpult. Er sprach vom Aufbau der Wehrmacht, an deren Spitze der Führer stand. Er erläuterte die drei Wehrmachtsteile: Heer, Marine und Luftwaffe.

Dann erläuterte er den Aufbau des Heeres. Er sprach von der Gruppe, dem Zug, der Kompanie, dem Bataillon und dem Regiment.

Bei uns ist die Geschützbedienung die kleinste Einheit. Sie besteht aus dem Geschützführer und der Bedienung von fünf Mann. Weiter gibt es bei uns die Fernsprecher und die Fahrer.

Ein Zug sind jeweils zwei Geschütze mit den dazu gehörenden Männern. Dann kommt die Batterie, sie gleicht der Kompanie.

Allerdings sieht bei uns die Batterie ein wenig anders aus, weil wir mehr Fahrzeuge haben und weil unsere Fahrzeuge ein wenig anders aussehen, als die der Infanterie.

Denn zum einen müssen wir die Geschütze befördern und zum andern haben wir eine Menge Spezialfahrzeuge für Munition, für den I-Trupp, für den Sattler und für die anderen Handwerker. Außerdem gehören zu einer Batterie eine Menge Reitpferde und für die Geschütze eine Menge Zugpferde. Vom Unteroffizier aufwärts steht jedem ein Reitpferd zu.

Ihr könnt euch wohl jetzt vorstellen, wie eine Batterie auf dem Marsch aussieht.

Die nächste Einheit ist die Abteilung, sie gleicht dem Bataillon. Abteilungen sind meistens selbständige Einheiten, sie operieren selbständig.

Ein Artillerieregiment besteht aus zwei Abteilungen leichter und einer Abteilung schwerer Artillerie. Die schwere Artillerie ist motorisiert, weil sie als bespannte zu schwer ist.

Zu einer Division gehören außerdem Pioniere, eine Nachrichtenabteilung, Versorgungsbetriebe, Panzerabwehr, Sanitätspersonal, Kolonnen für den Nachschub, der Quartiermacher und der Führungsstab. Ihr seht also, recht umfangreich.

Jede Einheit hat ihren Führer und jeder ist dem nächst Höheren unterstellt. So geht das hinauf, bis zur obersten Spitze, dem OKH (Oberkommando des Heeres) und dem OKW (Oberkommando der Wehrmacht), an deren Spitze der Führer steht. Der Wachtmeister sprach sehr eindringlich und überzeugend.

Wir sind die zweite Batterie der ersten Ersatzabteilung des Regiments 257. Hier werden nur Kanoniere ausgebildet. Unsere Abteilung ist die leichte Artillerie. Die Geschütze sind die leichten Feldhaubitzen 10,5 cm. Es gibt auch schwere Feldhaubitzen, Kaliber 15 cm. Sie werden von Zugmaschinen gezogen und ihre Bedienung besteht aus acht Mann.

Dieser Dienst wurde kurz vor 12 Uhr beendet. Wir wurden auf die Stuben entlassen und machten uns für das Mittagessen fertig. Nach dem Essen auf der Stube hatten wir ein wenig Zeit, die Ereignisse zu reflektieren.

Ein Pfiff aus der Trillerpfeife schreckte uns aus unserem Nachdenken auf. Auf dem Appellplatz erfuhren wir den Dienst für den Nachmittag, der wieder aus Geschützdienst bestand. Alle vier Geschütze wurden herausgezogen und wir wurden gleichmäßig auf die Geschütze verteilt.

Zunächst einmal wurden die Funktionen der einzelnen Kanoniere im Einsatz erklärt. Immer wieder wurde die Funktion des KI besprochen. Wir mussten durch den Richtkreis sehen, sahen das Fadenkreuz und die Einteilung und dabei wurden dann allerhand Fragen gestellt.

Unteroffizier Eckert, bei dem ich eingeteilt war, und der den Frankreichfeldzug mitgemacht hatte, erzählte von seinen Erfahrungen. Mein erster Einsatz war die Beschießung Antwerpens, erzählte er, da sind wir zur rechten Zeit herangekommen. Ich war als Obergefreiter und Richtkanonier am zweiten Geschütz. Wir standen so dicht an der Stadt, die zur Festung erklärt worden war, dass wir mit der vierten Ladung geschossen haben. Zuerst schossen wir 15 Schuss, das war um die Mittagszeit. Am Nachmittag schossen wir hintereinander nochmals mehrere Salven hinein und dann schossen wir Störungsfeuer die ganze Nacht. Das war ermüdend, denn wir hatten keinen Schlaf.

Bekamen Sie denn keinen Beschuss aus der Stadt heraus oder aus der Luft? Wollte jemand wissen. Stellt euch das nicht so einfach vor, sagte der Unteroffizier Eckert. Wir bekamen schon einige Treffer in die Feuerstellung, dabei wurden zwei Mann verwundet. Aber deshalb durften wir nicht die Nerven verlieren. Wir hatten Tag und Nacht den Stahlhelm auf. Später, als unsere Truppen in die Stadt eindrangen und wir Ruhe hatten, da wurde es gemütlich. Was haben wir da alles getrunken und gefressen. Wenn ich daran denke, wird mir heute noch übel.

Uns machte dieser Dienst Spaß. Man sah doch gleich, ein Vorgesetzter, der etwas mitgemacht hatte, war viel kameradschaftlicher, als einer, der noch nicht draußen gewesen war.

Den Unterricht vergaß der Unteroffizier keineswegs. Während des Gesprächs nahm er den Verschluss heraus und besprach die einzelnen Teile mit uns.

Er lachte und scherzte mit uns, sprach den einen oder anderen mit Du an und steckte sich sogar eine Zigarette an. Darf geraucht werden? fragte sofort ein Kamerad. Bitte, wenn es euch Spaß macht, ich habe nichts dagegen. Also steckten sich fast alle Kameraden Zigaretten an. Als das die andern Gruppen sahen, rauchten sie auch.

Herr Unteroffizier Eckert, fragte ich, wie ist es eigentlich im Krieg? Sind die Strapazen eigentlich groß, ist das Leben oft in Gefahr? Ich meine, Sie haben doch den Frankreichfeldzug mitgemacht.

Also hört einmal her, begann der Unteroffizier seine Ausführungen, ihr müsst zuerst einmal ausgebildet werden. Ihr müsst euch von dem bequemen Leben lossagen. Ihr braucht nicht jede Nacht ein Bett, ihr könnt auch mal unbequem schlafen. Ihr müsst sportlich durchtrainiert sein. Der Dienst in der Kaserne ist nicht umsonst hart, er muss hart sein. Der Krieg ist nichts für laue und weiche Männer. Deshalb nehmt die Sache ernst mit der Ausbildung. Schmeißt euch lieber einmal öfter in den Dreck als einmal zu wenig. Gewiss ist das Leben manchmal in Gefahr, die besteht überall, aber man denkt nicht immer daran, denn das könnte euer Verhängnis sein.

Man bewegt sich draußen genau so, wie hier in der Kaserne. Man denkt nicht dauernd, mir könnte etwas passieren. Wir sind doch nicht die ersten, die in ein Gebiet vorstoßen, in dem noch bis vor kurzem der Feind saß oder noch sitzt, sondern das Gebiet, in das wir in Feuerstellung gehen, ist ja feindfrei. Vor uns liegt ja die Infanterie, wir schießen über sie hinweg. Mit Spannung hörten die Kameraden den Ausführungen des Unteroffiziers zu. Seine Ausführungen stimmten mich und wie es schien viele Kameraden optimistisch.

Feuerkommando! ruft der Fernsprecher und wir eilen an die Geschütze. Es klang fast ein wenig sportlich. Ja was haben sie denn vorher gemacht? fragte ich deshalb. Vorher, ja was haben wir da gemacht? Wir waren alle gespannt. Ach ja, vorher haben wir Karten gespielt. Was sollten wir denn sonst machen, wenn keine Feuerkommandos kommen. Es war ein richtiges Zigeunerleben. Wir brauchten keine Quartiere, sondern wir schliefen auf den Fahrzeugen oder daneben auf der Erde. Oder im Deckungsloch in der Feuerstellung neben den Geschützen. An Gefahren dachte man einfach nicht. Wenn keine Feuerkommandos kamen, hatten wir Pause.

Haben denn die Fernsprecher immer Leitung gelegt von ihrer Beobachtung zur Feuerstellung? fragte ein Kamerad. Wer ist denn da vorne und rechnet die Kommandos aus? Und wo liegt denn der Beobachter.

Das sind ja so viele Fragen auf einmal. Also zuerst einmal: Die Fernsprecher sind nicht immer im Einsatz, denn bei dem ständigen Vormarsch lohnt es sich nicht, eine Leitung zu legen. Dann schießen wir mit Funk. Zweitens: Die Beobachtung liegt meist bei der Infanterie oder kurz dahinter. Der Vorgeschobene Beobachter geht mit der Infanterie vor und unterstützt den Vormarsch mit der Artillerie. So soll es sein, rein theoretisch.

Drittens: Es wird nach der Karte geschossen, das macht der Beobachtungs-Offizier. Er muss errechnen, wie groß die Entfernung ist und um wie viel das Ziel von der Grundrichtung abweicht.

Alles nur für den Stellungskrieg. Beim Vormarsch fällt das natürlich weg. Denn wir müssten zuerst mit unseren Geschützen in Stellung gehen und so viel Zeit haben wir nicht.

Wir sahen uns einander an und wussten selbst nicht, was wir dazu sagen sollten.

Außerdem, sagte der Unteroffizier, ein jeder soll sich nur um seine Aufgaben kümmern. Was die anderen tun, geht ihn nichts an. Wir Kanoniere gehören zu den Geschützen, die Fernsprecher zu ihren Leitungen und der B-Offizier hat seine speziellen Aufgaben.

Wie ich schon sagte, wenn ein Feuerkommando kommt, eilen wir an die Geschütze und sonst haben wir Feuerpause.

Wir hatten Gesprächsstoff genug und diskutierten in der freien Zeit, wenn wir in der Stube in den Betten lagen.

So vergingen die Tage, einer nach dem andern. Mal war der Dienst streng, mal war er erträglich. Abwechslung hatten wir genug, zwischen dem Wecken und dem Zubettgehen. Wir hatten uns allmählich an das Leben gewöhnt und lernten uns näher kennen.

Vor allem die Ausbilder lernten wir kennen. Wir wussten, vor wem wir uns besonders vorsehen mussten und wer freundlich zu uns war.

An den Sonntagen machten wir einen Marsch von zwei Stunden außerhalb der Kaserne. Wir gingen durch den verschneiten Winterwald und mussten singen. Oft kam auch der Hauptmann mit, dann war es besonders eindrucksvoll. Ja, solche Märsche waren schon gut.

Anders war es dagegen, wenn wir beim Fußdienst schwitzten. Unsere Ausbilder konnten uns das Leben ganz schön zur Hölle machen. Manchmal lagen wir dabei mehr im Dreck als alles andere. Das Schlimme war dabei, dass wir unsere Sachen wieder selbst saubermachen mussten.

Hier herrschte die Devise: DER UNTEROFFIZIER HAT IMMER RECHT!

Danach zu handeln war zuerst nicht leicht, aber mit der Zeit gewöhnten wir uns auch daran.

Es wurde Weihnachten. Wir waren aber noch nicht so weit, dass wir uns außerhalb der Kaserne frei bewegen konnten. Das hieß: Wir hatten keinen Ausgang.

Aber dafür durften uns unsere Frauen besuchen, die davon auch regen Gebrauch machten. Sie waren auf unserer Stube und der Stubenälteste verzichtete sogar darauf, mit dabei zu sein. Es war wunderbar, nicht nur die Kameraden zu kennen, sondern jetzt kannten wir auch deren Frauen. Mittags aßen wir gemeinsam mit ihnen in der Kantine.

An den Nachmittagen und an den Abenden war hier Musik und Tanz. Es herrschte ein regelrechter Hochbetrieb.

Meine Frau war eine der Glücklichen, die in der Nähe der Kaserne ein Quartier bekommen hatte. So konnte sie an den beiden Feiertagen bei mir sein. Die kleine Waltraud, die gerade zwei Jahre alt war, hatte sie natürlich mitgebracht. Sie gewann bald die Herzen aller Kameraden.


Mai 1941, meine Mutter mit Waltraud

Mitte Januar war unsere Grundausbildung beendet und es kam die Vereidigung. Hierbei ging es nochmals streng militärisch zu. Wir wurden verpflichtet, jederzeit für diesen Eid das Leben einzusetzen. Erst jetzt waren wir die Waffenträger der Nation!

Wir empfingen jetzt eine Ausgehuniform und eine Schirmmütze. Wir sahen aus wie die Sonntagssoldaten und hatten ab sofort Ausgang. War das herrlich! Jetzt durften wir uns frei bewegen.

Lauterbach, Schubert und ich, wir schlossen uns zusammen und gingen schon am ersten Sonntag in die Stadt.

Zuerst gingen wir in ein Kino und anschließend in ein Café. Lange genug hatten wir die Freiheit entbehrt, jetzt wollten wir es ausnutzen.

Am 1. Februar, als die neuen Rekruten kamen, war unsere Ausbildung nun wirklich beendet.

Abstellung nach Frankreich

Ich war gar nicht besonders überrascht, als ich am 13. 2. 41 mit zwei anderen Kameraden zur schweren Artillerie abgestellt wurde. Wir wurden neu eingekleidet und mit noch sechs anderen, aus den beiden anderen Batterien, in Marsch gesetzt.

Ein Wachtmeister brachte uns zum Bahnhof und übergab uns einem Leutnant. Zunächst wartete er mit uns, denn es sollten noch mehr kommen. Wir waren jetzt 40 Mann. In der Zwischenzeit unterhielten wir uns und machten uns bekannt. Ich stand mit Kurt Both aus meiner Stube und Fritz Tofanke zusammen, der im Zivilberuf Vertreter für Knöpfe war.

Wir stiegen in einen leeren Wagen und fuhren zunächst einmal. Wohin es ging, das wussten wir nicht. Immer mehr Kameraden stießen zu uns, so dass ein weiterer Wagen angehängt werden musste. Auf manchen Bahnhöfen rangierten wir lange und wir wurden zu einem ganzen Zug zusammengestellt.

Wir waren längst an Berlin vorbei und rollten unentwegt nach Westen. Wir fuhren Tag und Nacht. So fuhren wir am dritten Tag über die Grenze nach Frankreich. Was sollte man dazu sagen? In Lille war unsere Fahrt beendet. Wir waren ganz überrascht, als es auf einmal hieß: Alles aussteigen!

Es war dunkel, als wir ausstiegen. Die Bahnhöfe waren nur spärlich beleuchtet, wegen der Fliegertätigkeit, denn wir befanden uns ja in Feindesland. Das erschwerte die Sache beträchtlich. Kommandos ertönten durch die Dunkelheit, mit denen wir jedoch wenig anfangen konnten. Schließlich wurden wir doch noch zu bereitstehenden Autos gebracht, die mit uns weiterfuhren.

Bezeichneten wir die Fahrt mit der Bahn schon als unbequem, so war diese Rüttelei ungeheuerlich. Jeder saß auf seinem Gepäck, das bei der Fahrerei uns unterm Hintern wegrutschte. Wir stießen mit den Köpfen zusammen, einer hielt sich an dem andern fest und fluchte, wenn er einen Stoß bekam. Ein Viehtransport konnte nicht schlimmer sein.

Weit über eine Stunde dauerte diese Fahrerei. Als die LKWs anhielten, sprangen wir runter und standen bis an die Knöchel in einer zähen, klebrigen Masse, die uns am Gehen hinderte. Die ersten hatten ihr Gepäck hinuntergeworfen und sie hatten nun die Bescherung.

Eilig traten wir ins Haus ein und sahen an uns hinunter. Die Stiefel waren richtige Dreckklumpen und ein Teil des Gepäcks war ebenfalls lehmverschmiert. So hatten wir uns Frankreich nicht vorgestellt.

Es herrschte ein unfreundlicher und barscher Ton. Wir wurden in die Stuben verteilt, immer 30 Mann in einen Raum. Hier standen selbstgezimmerte Betten, teils dreifach übereinander. Als Matratze diente ein Strohsack und als Kopfkissen ebenfalls ein kleiner Strohsack. Ich beeilte mich, um ein Bett in der untersten Etage zu bekommen. Wir empfingen Bettzeug und begannen mit dem Bettenbau. Beeilung, Beeilung, hörte man den UvD rufen. Aber es dauerte noch eine Weile, bis endlich Ruhe eintrat.

Am nächsten Morgen war um sieben Uhr Antreten! Der Stamm stand rechts und wir, die Neuen, standen auf dem linken Flügel. Der Spieß musterte uns mit kritischem Blick. Er war jung und sah gut aus, sein Käppi hatte er etwas schräg aufgesetzt. Er trug das EK II. Auch die anderen, Wachtmeister und Unteroffiziere und die Obergefreiten, die vor der Front standen, hatten durchweg Auszeichnungen.

Der Spieß verkündete für uns: Fußdienst! Der Stamm dagegen hatte Innendienst.

Nun ging es wieder von vorn los. Antreten und Wendungen, Marschieren und Halten. Dabei sparten die Ausbilder nicht mit derben Ausdrücken. Bei der geringsten Kleinigkeit ließen sie uns hinlegen. Dann riefen sie: Fliegerdeckung! Wenn wir uns einfach fallen ließen, brüllten sie: Das nennt ihr Fliegerdeckung? Da steht keiner mehr auf, wenn euch ein Flugzeug mit einem MG beschießt. Bei Fliegerdeckung sucht sich jeder eine Deckung, damit er nicht gesehen wird.

Weiter ging es: Im Laufschritt, Marsch - Marsch! Wir liefen in der Formation. Dann kommandierte er: Kehrt, Marsch - Marsch! und ein paarmal: Hinlegen! und wieder Auf, Marsch-Marsch! Uns wurde auch ohne Mäntel ganz schön warm.

Ihr werdet noch ganz schön laufen, wenn es erst kracht. Man sah richtig die Schadenfreude im Gesicht der Ausbilder.

Nach zwei Stunden dieses grausamen Spiels, ließ der Wachtmeister zunächst 10 Minuten Pause machen. Wir saßen da und waren sogar zu müde, um zu rauchen oder ein Gespräch anzufangen. Die Trillerpfeife scheuchte uns wieder auf. Alles in Linie angetreten, Marsch! lautete das Kommando.

Wir marschierten nun und sangen dabei. Der Wachtmeister übte mit uns hauptsächlich das Halten. Wenn es gar nicht klappen wollte, jagte er uns einfach über den Acker.

Kurz vor zwölf marschierten wir in unsere Unterkunft. Wegtreten und Essen empfangen! lautete das Kommando.

Auch hier gab es eine Mittagspause, die wir zum Teil nutzten, um unsere Uniform zu bürsten und die Stiefel zu putzen. Alles sah grauenhaft aus, denn der Fußdienst heute Vormittag war nicht von Pappe. Um 14 Uhr war Antreten in sauberen Sachen.

Beim Appell um 14 Uhr fiel mehr als die Hälfte auf. Wie konnte es auch anders sein, irgendetwas fanden sie bei jedem von uns.

Nachmittags war Geschützexerzieren in sauberem, weißem Drillichzeug. Wir ahnten schon, was das für uns bedeutet. Für uns, die wir von der leichten bespannten Artillerie kamen, waren das ganz schöne Strapazen. Das erste Mal zeigte man uns die Tätigkeiten und dann wurde auf Tempo gedrückt. Dazu kam dann der aufgeweichte Boden, die Wasserpfützen. Wir sahen bald aus wie die Schweine.

Alles was wir bisher gelernt hatten, war für die Katz. Hier begannen wir wieder von vorn.

Hier gehörten zu einer Geschützbedienung acht Mann. Hier musste das Rohr vorgezogen werden, denn die Geschütze wurden zweilastig gefahren, sie mussten erst zusammengesetzt werden. Die Endsporne waren lose und die Holme, waren die schwer! Zu – gleich! Das war das Kommando der Artillerie und so erklang auch die Stimme des Leutnants, der das Geschützexerzieren leitete.

Mussten die Geschütze bewegt werden und wollte es gar nicht gehen, befahl er: Kanoniere in die Räder! Dann ging es auf Biegen oder Brechen. Entweder das Geschütz kam aus dem Dreck oder die schweren Eisenräder zerbrachen. Musste das Geschütz im Ganzen vorgezogen werden, befahl er: Langtaue einhängen!

Der Leutnant trieb uns zu immer größerer Eile an. Alle vier Geschütze standen auf dem Hof. An zwei Geschützen standen die Besatzungen vom Stamm und an den andern beiden standen wir, die Neuen. Der Leutnant hatte die Stoppuhr in der Hand. Und auf einen Pfiff ging es los. Jeder wollte als erster fertig werden.

Die Bedienung, die als letzte fertig wurde, jagte er extra durch die Pfützen und sie mussten sich ein paarmal in den Dreck werfen. Es war aber kaum ein Unterschied festzustellen, wir waren alle von oben bis unten mit Lehm verschmiert.

Wir mussten mit dem Geschütz in Stellung gehen, dazu gehört das Abprotzen, das Rohr vorziehen, die Holme spreizen, die Erdsporne einsetzen und das Geschütz feuerbereit machen. Immer war dabei volle Kraftanstrengung notwendig. Immer mussten wir voll bei der Sache sein. Und als wir dann fertig waren, kam das Kommando: Abprotzen! Alles wurde dann in Windeseile abgebaut. Das Rohr wurde wieder an die Zugmaschine gehängt und abmarschbereit gemacht. Das ging bis zur völligen Erschöpfung.

Am Abend war dann Geschütz reinigen und nach Dienstschluss wuschen wir unser schönes weißes Drillichzeug und putzten die Stiefel.

Todmüde sanken wir dann auf unser Lager, aber auch hier hatten wir oft keine Ruhe, denn unsere Stubenältesten, die ja unsere Ausbilder waren, holten die Männer aus den Betten, wenn sie Sachen herumliegen sahen. Ordnung muss sein, sagten sie, und wer sie nicht kennt, der lernt sie noch kennen.

Am nächsten Morgen war dann Antreten in sauberen Sachen. Wir hatten keine ruhige Minute. Wir putzten bis zum Schlafengehen und fingen am frühen Morgen wieder an.

Aber als eine Woche vorbei war, als es Sonnabend war, da hielt es uns nicht in der Unterkunft, denn da wollten wir das Leben in Frankreich kennen lernen.

In kleinen Gruppen machten wir uns auf den Weg. Wir hatten fast eine halbe Stunde zu tippeln, bis wir in Arras ankamen. Wir gingen in eine Wirtschaft, wo es besonders laut und lustig war. Wir wollten die Strapazen vergessen, wollten einmal so tun, als ob es das Militär gar nicht gibt. Und wenn es die ganze Löhnung kostet, jetzt wurde getrunken, gejubelt und auf gute Kameradschaft angestoßen.

Wir tranken französischen Wein, französischen Kognak, rauchten französische Zigaretten und scherzten dabei mit französischen Mädchen. Immer wieder stimmten wir ganz unmilitärische Lieder an. Der Wirt ermunterte uns dabei und wir zogen auch ihn durch den Kakao. Es war ja so lustig und gar nicht teuer.

Wir sangen noch immer, als wir um halb zehn aufbrachen. Beim Zapfenstreich um zehn Uhr wollten wir aber unbedingt in den Betten liegen.

Am nächsten Tag, einem Sonntag, gingen wir wieder nach Arras. Wir wollten uns diesmal die Stadt ansehen. Es war eine schöne Stadt. Verschnörkelungen an den Häusern und um die Fenster, Balkone und Türmchen, Säulen und sonstiger Zierrat, machten die Stadt zu einem architektonischen Anziehungspunkt. Besonders schön war der Markt, der von einem Säulengang umgeben war.

Wir gingen auch heute noch in eine Wirtschaft und anschließend noch in eine andere und auch noch in eine dritte, aber solche Stimmung wie am Vortage wollte einfach nicht aufkommen. Macht nichts, dachten wir, wir können es ja nachholen. Aber leider kommt es immer anders als man denkt.

Unser Aufenthalt hier in Frankreich war leider nur begrenzt. Schon am Abend des nächsten Tages hieß es kurz entschlossen: Wir machen Stellungswechsel!

Ich wünschte mir im Stillen, wir würden unseren Standort innerhalb Frankreichs wechseln.

Am Dienstag begannen wir bereits mit dem Packen und Verladen unseres Gepäcks. Abends wurden die Geschütze und Fahrzeuge verladen und am Mittwoch früh war die Batterie marschbereit. Jeder Mann hatte seinen Platz und jeder Fahrer wusste, was er zu tun hatte. Der große Organisator war der Spieß.

Ich saß auf einer der Zugmaschinen, an die ein Geschütz gehängt war. Es war schon ein stolzer Anblick, als wir durch Arras fuhren. Wir fuhren direkt zum Bahnhof, wo alles sofort verladen wurde. Kurz vor zwölf setzte sich der Zug in Bewegung. Es war dieselbe Fahrt, die wir erst vor ein paar Tagen gemacht hatten, nur in umgekehrter Richtung. Es ging nach Osten.

Abfahrt nach Kunzendorf in Westpreußen

Wir fuhren über Hannover, Hamburg, Güstrow und Stettin nach Danzig und weiter bis nach Dirschau. Hier war endlich Endstation. Vier Tage und Nächte lang waren wir gefahren.

Die Batterie wurde marschbereit aufgestellt und dann ging es zunächst einmal aus der Stadt hinaus, bis nach Kunzendorf, einem großen westpreußischen Bauerndorf. Aber hier war auch noch nicht Endstation. Zwei Kilometer vom Dorf entfernt, in einem leer stehenden Arbeitsdienst-Lager bezogen wir Quartier. Das Lager lag an einem hohen Damm entlang der Weichselwiesen, der sie vor Überschwemmungen schützen sollte. Hier, inmitten der Felder, von aller Welt abgeschnitten, sollten wir Quartier beziehen.

Der Boden war sehr aufgeweicht, denn hier fing es gerade an zu tauen. In Frankreich dagegen wurde es bereits Frühling. Hier lagen noch überall Reste vom letzten Schnee. Die Flüsse und Bäche waren noch zugefroren und auf den Feldern, die des Nachts froren und am Tage auftauten, blieb man beim Gehen im weichen Boden stecken.

Das Geschützexerzieren war hier genau wie in Frankreich. Wir blieben auch hier im weichen Lehm stecken.

Früh um fünf Uhr war hier Wecken. Nach dem Ankleiden und dem Frühstück hatten wir zunächst Fußdienst auf den Weichselwiesen. Im Laufschritt ging es auf den Damm und wieder hinunter. Bis wir vor Erschöpfung glaubten, wir können nicht mehr.

Der Schorsch, der mit mir aus Frankfurt gekommen war, allerdings aus einer anderen Batterie, und mit dem ich mich des Öfteren unterhielt, sagte einmal, als er der Verzweiflung nahe war: Hätte ich das gewusst, wäre ich doch lieber in Frankfurt geblieben.

Mein lieber Schorsch, sagte ich, hätte ich das gewusst, wäre ich niemals Soldat geworden. Aber nun sitzen wir drin in der Tinte. Glaubst du, lieber Schorsch, dass das schon das Schlimmste ist oder ob es noch schlimmer kommt? Ach, sagte Schorsch, ich hab die Schnauze so voll! Dies ist ja nur das Vorspiel für den Ernstfall, sagte ich. Später, wenn es erst um dein Leben geht, dann bist du froh, dass du dies alles gelernt hast. Das glaub ich nicht, sagte Schorsch. Im Einsatz haben wir ein ruhigeres Leben.

Was meinst du, wo wir zum Einsatz kommen? Er machte ein nachdenkliches Gesicht und sagte: Das sieht verdammt nach Russland aus. O Gott, o Gott, wenn das wahr wäre, dann hätten wir aber eine verdammt harte Nuss zu knacken. Ich war dabei aber nicht ganz sicher, ob Schorsch recht hatte und sagte: Ich wünschte, du hättest nicht recht. Schau, wir haben doch mit Russland einen Nichtangriffspakt, was besagt denn der? Otto, Otto, sagte Schorsch, ich möchte gar nicht daran denken!

Wann werden wir die Heimat wieder sehen? fragte ich mich nach diesem Gespräch.

Tatsächlich trat für uns beide eine Besserung ein. Ich wurde Fernsprecher und Schorsch wurde Kraftfahrer. Wenn die Kanoniere jetzt auf dem Hof Geschützexerzieren hatten, saß ich im Quartier am Tisch und schaute durchs Fenster. Fußdienst hatten wir jedoch alle zusammen, daran konnten wir nichts ändern. Ebenso den artilleristischen Unterricht.

Mit der Zeit wurde es uns zur Gewohnheit. Wir sollten durchtrainiert werden, dazu diente der Fußdienst und wir sollten geistig nicht verkümmern, dazu diente der Unterricht.

Allmählich begann der Außendienst als Fernsprecher. Wir gingen ins Gelände und legten Leitungen aus. Fritz Tofanke hatte sich auch zu den Fernsprechern gemeldet. Wir lernten uns dabei näher kennen. Er stammte auch aus Berlin und zwar aus Konradshöhe. Kurt Both dagegen blieb bei den Kanonieren, er hatte sich damit abgefunden.

Bis zu sechs Kilometer lang war manchmal die Leitung. Das ganze Kabel musste getragen werden. Wenn wir beim Bau Fehler machten, wurden die Unteroffiziere böse und jagten uns extra über das Gelände, wobei wir uns mehrere Male hinlegen mussten und das mit der Rückentrage auf dem Rücken. Das Aufnehmen der Leitung war bedeutend schwerer als das Auslegen, denn nun hatten wir die Rückentrage auf dem Bauch und trommelten auf. Wir mussten die Kurbel drehen.

Aber nicht nur glatte Leitungen legten wir aus, bald kamen auch die anderen Bauarten dazu: der Hochbau, der Stangenbau und der gemischte Bau, das Überqueren von Straßen, von Eisenbahnen, Flüssen und Seen.

Die Unteroffiziere, von denen wir drei hatten, machten uns das Leben absichtlich schwer. Ich gehörte dem Trupp von Unteroffizier Hinz an. Geistig war er überhaupt kein Licht, aber er verschaffte sich durch Brüllen Geltung. Folgende Begebenheit kennzeichnet so richtig seinen Charakter: Er brauchte eine Kombizange und wollte sie einer Bautasche entnehmen. Aber in dieser Bautasche war keine Zange. Wer hat die Bautasche zuletzt gehabt? fragte er. Keiner meldete sich. Er sah mich dabei an und fragte: Haben sie die Bautasche zuletzt gehabt? Ich antwortete: Nein, Herr Unteroffizier! Doch, sie haben die Bautasche zuletzt gehabt. Ich antwortete noch einmal: Nein, Herr Unteroffizier! Da brüllte er: Hinlegen! Auf!

Er fragte wieder: Haben sie die Bautasche zuletzt gehabt? Ich dachte: Leck mich doch! Nun antwortete ich: Jawohl, Herr Unteroffizier! Warum haben sie das nicht gleich gesagt? fragte er. Diese Antwort blieb ich ihm jedoch schuldig.

Einen Monat dauerte diese Schinderei, dann hieß es Stellungswechsel. Wir waren alle sehr erstaunt, sagten aber: Gott sei Dank! Diese Schinderei ist beendet.

Frühmorgens begannen wir mit dem Packen und Verladen und am Nachmittag setzte sich die Batterie in Bewegung. Der Marsch dauerte aber nur einige Stunden, da waren wir schon in der neuen Unterkunft.

Litschen war ein großes Bauerndorf. Es lag in der Nähe von Marienwerder, also südlich von Dirschau. Diesmal hielten wir mitten im Dorf. Die Häuser standen dicht nebeneinander und machten einen guten Eindruck.

Zum Ort gehörte auch ein Gutshof mit einem großen Park. Hier hinein wurden die Fahrzeuge gestellt. In einem der Gebäude richtete sich die Feldküche ein und das Verpflegungslager. Der größte Teil der Kanoniere wurde auch hier untergebracht. Unsere Ausbilder lagen bei den Bauern im Privatquartier. Fast die gesamte Nachrichtenstaffel lag auch im Dorf bei den Unteroffizieren.

Jetzt wurde es auch hier Frühling und das erste Grün war schon überall sichtbar. Die Frauen arbeiteten in den Gärten und auf den Feldern war man eifrig bei der Frühjahrsarbeit.

Der Außendienst war für uns Fernsprecher manchmal ganz gemütlich, wenn er im Park durchgeführt wurde. Wir legten einen Kilometer Kabel aus und an jedem Ende war eine Sprechstelle. Wir übten die Durchsage von Feuerkommandos oder sonstigen Meldungen. In der Hauptsache kam es auf das schnelle Mitschreiben an. Wir lernten dabei die Kommandosprache und die Feuerkommandos. So ein Dienst war gemütlich und machte auch Spaß. Wir sprachen hin und her und verulkten uns gegenseitig. Aber die Unteroffiziere griffen sofort ein und verbaten sich das und wir wurden verlegen.

Fritz Tofanke erwies sich als guter Kamerad, aber er war stets reserviert. Ihm war an einem guten Verhältnis zu den Unteroffizieren gelegen, deshalb stand er oft auf ihrer Seite.

Im Grunde suchten die Unteroffiziere geradezu nach einem Anlass, uns über den Acker zu jagen. Das machten sie zu gern, um ein wenig Abwechslung in das Einerlei der Durchgabe von Meldungen zu bringen. Sogar beim Auslegen von Leitungen mit der Rückentrage und einer vollen Kabeltrommel darin, jagten sie uns über den Sturzacker und befahlen dann: Hinlegen und Auf, Marsch, Marsch!

Manchmal hatten wir drei Kilometer Kabel ausgelegt, den Apparat angeschlossen und die Herstellung der Verbindung gemeldet, da befahlen sie ohne mit der Wimper zu zucken: Abbauen! Wir kochten vor Wut. Hatten wir doch mit der größten Geschwindigkeit die Leitung gebaut, so mussten wir nun mit genau derselben Geschwindigkeit die Leitung wieder abbauen. Meist trommelten wir die Leitung im Laufschritt auf, um eine gute Zeit herauszuholen. An der Anfangsstelle stand dann der Unteroffizier mit der Stoppuhr und grinste schadenfroh.

Manchmal legten wir bis zu 10 Kilometer aus, quer über das Feld. Das ganze Kabel musste getragen werden. Dabei wurden alle Fernsprecher aufgeboten. Wenn die Rückentragen nicht ausreichten, wurden die Trommeln auf die Schultern genommen. Manchmal trugen die Männer sogar 2 Trommeln. Eine Trommel wog immerhin 15 kg. Es ging immer im Laufschritt, wobei die Unteroffiziere ein Stück hinter uns liefen und uns zur Eile antrieben.

Waren wir endlich am Ziel, hatten den letzten Kilometer ausgelegt und Leitungsprobe gemacht, befahl der Unteroffizier: Abbauen! Nichts war mit einer Ruhepause, weiter ging es. Es wurde geflucht, geschimpft und geschwitzt.

Kam der Sonntag heran und wir hatten den Frühappell hinter uns, dann gingen wir frohgelaunt in unsere Quartiere. Nun hatten wir dienstfrei und kein Unteroffizier störte uns. Jetzt unternahmen wir ausgedehnte Spaziergänge in den Wald. Wir wanderten auf einsamen Wegen und entdeckten die Schönheiten der westpreußischen Heimat. An besonders schönen Stellen rasteten wir im weichen Moos und lauschten dem Gesang der Vögel und dem Waldesrauschen.

Auf diesen Wanderungen trafen wir oft keinen Menschen, außer wir kamen in die Nähe eines Dorfes. Hier trafen wir dann Landser aus anderen Batterien unserer Abteilung. Alle umliegenden Dörfer waren ja mit Truppen belegt. Wir machten uns anfangs keine Gedanken darüber, warum hier so viele Truppen lagen. Wir wurden hier ausgebildet, das war alles, was wir wussten.

Aber manchmal trafen wir Landser, die nicht zu unserer Abteilung gehörten Was hatte das zu bedeuten, dass man hier so viele Truppen zusammengezogen hatte? Wir wussten dafür keine Erklärung, weil keiner an einen Krieg dachte und wir hatten auch keine Zeit und Lust, uns darüber den Kopf zu zerbrechen. Der Dienst war ohnehin schon schwer genug.

Zackig sah es schon aus, wenn wir frühmorgens nach dem Antreten mit blankgeputzten Stiefeln und hell glänzenden Gewehren und im sauberen Dienstanzug im Gleichschritt die Asphaltstraße entlang marschierten.

Dann sangen wir: Frühmorgens, wenn die Hähne krähn, ziehn wir zum Tor hinaus und mit verliebten Augen schaun die Mädchen nach uns aus.

Es war ein Anblick, der die Herzen einfach höher schlagen ließ und uns mit Stolz erfüllte. Aber wie weggeblasen war der Stolz und die gute Laune, wenn wir das Waldgebiet erreicht hatten. Nun mussten wir auf die Kommandos hören, die aus den heiseren Kehlen unserer Gruppenführer kamen: Hinlegen und Auf Marsch, Marsch! In Linie angetreten! So und ähnlich vertrieben sie uns und sich selbst die Zeit.

Da gab es kein langes Überlegen. Jeder Befehl war unverzüglich und korrekt auszuführen. Aushalten, durchhalten und Maul halten, das war die Devise. Es gab kein langes Überlegen, Zähne zusammenbeißen und immer daran denken, auch dieser Fußdienst geht irgendwann zu Ende. Und unsere Dienstzeit auch und dann können sie uns alle.

Schwerer hatten es die sogenannten schwarzen Schafe. Sie wurden extra in einer Gruppe zusammengefasst und von einem Unteroffizier geschliffen. Bei ihnen blieb kein Fetzen trocken. Er ließ sie hinlegen und aufstehen und laufen, bis zur völligen Erschöpfung.

Wenn sie nicht schnell genug aufstanden, fragte er: Können sie nicht, oder wollen sie nicht mehr? Immer wieder ließ er sie laufen und kehrt machen und robben und kriechen und hüpfen. Ja, er ließ sie in die Rückenlage gehen und befahl ihnen: Radfahren! Nun lagen sie auf dem Rücken und strampelten mit den Beinen in der Luft.

Als es der Unteroffizier zu bunt trieb, griff der diensthabende Leutnant ein und befahl: Unteroffizier, lassen Sie die Leute wieder eintreten.

Auf dem Rückmarsch ließen einige den Kopf hängen, so dass der Gesang nicht klappen wollte. Aber da gab es auch wieder ein Mittel, um den Haufen aufzuwecken. Der Leutnant befahl: Fliegerdeckung! Alles verschwand links und rechts im Straßengraben. Als die Trillerpfeife dann wieder ertönte und alles wieder in Reih und Glied marschierte, war auch die Müdigkeit weg und der Gesang war viel besser geworden. Lieber doch marschieren und singen, als volle Deckung im Straßengraben suchen.

Am Nachmittag war artilleristischer Unterricht angesagt. Uns Fernsprechern wurde kurz mitgeteilt, dass heute eine Nachtübung stattfindet. Antreten sollte um 22 Uhr sein, vor der Nachrichtenkammer.

Beim Unterricht war die ganze Batterie versammelt. Rechts saß der Stamm und links saßen wir, die Spunde, wie wir immer noch genannt wurden. Wachtmeister Wohlert, der den Unterricht leitete, strahlte wie immer über das ganze Gesicht, als er den Saal betrat. Was mochte er sich für heute ausgedacht haben, dachte ich. Vielleicht dachte er noch an den Fußdienst von heute Vormittag.

Aber er ließ sich nicht beirren und begann sofort mit den Fragen. Er fragte geschickt und schnell, so dass wir gar nicht so schnell antworten konnten.

Aber da hatte er auch schon einen, der sich mit der Antwort zu lange zurückgehalten hatte. Kommen Sie her, kommen Sie her! 500 Sachen! Der arme Kerl begann zu pumpen und zu zählen. Als er den nächsten erwischte, sagte er nur: Zählen Sie weiter und Sie setzen sich hin! Manchmal verlangte er Kniebeugen und manchmal sogar Liegestütze. Wehe, wenn einer lachte, der musste sofort nach vorn kommen und sich daneben stellen und mitmachen.

Manche waren vom Pech verfolgt, so zum Beispiel unser Flügelmann, 19 Jahre alt, hieß Peter und war Student im ersten Semester. Er stand immer vorn und pumpte. Sein Unteroffizier beobachtete ihn. Hatte er die 200 überschritten, wurde er langsamer. Nanu? fragte Wachtmeister Wohlert. Sie werden ja so langsam, sind Sie müde? Nein, Herr Wachtmeister! antwortete Peter gehorsam. Na dann pumpen Sie doch schneller, sagte der Wachtmeister. Peter beschleunigte darauf sein Tempo.

Jemand lachte. Wer war das? fragte der Wachtmeister. Es war Heinz, der Bäcker aus Höxter. Kommen Sie her und stellen Sie sich daneben. Pumpen Sie mit!

Es war schon ein grausames Spiel, das der Wachtmeister während des Unterrichts trieb. Schade, dass kein Leutnant dabei war.

Als der Fragenkomplex erschöpft war, ließ er die beiden eintreten und dann befahl er: Ein Lied! Wir sangen das Lied vom Edelweiß, denn das klappte immer. So wurde der Dienst beendet. Wir empfingen Verpflegung für den nächsten Tag und gingen in unsere Quartiere.

Um 22 Uhr versammelten wir Fernsprecher uns vor der Nachrichtenkammer. Bald kamen die Unteroffiziere. Sie wurden sofort dienstlich und erteilten Befehle: Drei Kilometer Kabel herausstellen, zwei Apparate, eine Rückentrage, Erdstecker, Bautaschen, Drahtgabeln, Pflöcke, Hammer und zwei Spaten.

Für die Ausgangsstelle wurden die beiden Obergefreiten Lommel und Walter eingeteilt. Alle anderen mussten bauen. Wir waren zwölf Mann, jeder hatte etwas zu tragen.

Wir traten in Marschordnung an. Nachrichtenstaffel, im Gleichschritt, Marsch! befahl der Staffelführer. Der Bautrupp marschierte. Verbissen verlief der erste Teil des Weges. Man hörte nur den Tritt der Marschierer. Alles dachte an die Quartiere und an den Schlaf. Da befahl der Staffelführer: Ein Lied!

Es ist so schön, Soldat zu sein, rief jemand und schon begannen wir mit dem Gesang. Wir wollten mit dem Gesang das Gegenteil zum Ausdruck bringen.

Es ist so schön, Soldat zu sein, Rosemarie! Nicht jeder Tag bringt Sonnenschein, Rosemarie! Im Refrain sangen wir: Wir brauchen keinen Urlaubsschein, auf Urlaub fährt der Spieß allein! Wir sangen alle drei Strophen zu Ende, dann ließ der Staffelführer halten.

Die beiden Obergefreiten banden das Kabel an einen Baum und schlossen das Ende an den Apparat an. Nun begannen wir mit dem Auslegen, der Mann mit der Rückentrage ließ das Kabel ablaufen, genauso, wie wir es schon ein Dutzend Mal gemacht hatten. Zunächst bauten wir an der Straße entlang.

Hochbau! befahl nun der Staffelführer. Der Mann mit der Drahtgabel legte nun das Kabel in die Äste der Bäume. Ein Mann ging hinter der Rückentrage und zog das Kabel an, er band es auch an, damit es nicht von alleine herunterfiel.

Jetzt kam eine Stelle, wo die Bäume fehlten. Hier musste eine Stange gesetzt werden. Ich trug gerade zwei Baustangen, setzte sie zusammen und befestigte das Kabel am oberen Ende. Nun wartete ich, bis der Mann mit der Drahtgabel es in den nächsten Baum gelegt hatte und es angezogen war. Ich hob nun die Stange mit dem Kabel hoch und setzte sie so, dass sie nicht umfallen konnte. Gut so! sagte der Staffelführer zu mir.

Nun bogen wir in einen Feldweg ein. Im Tiefbau weiterbauen! befahl der Staffelführer. Der Feldweg wird überquert! Sofort begannen zwei Mann mit dem Spaten eine Rinne zu schaufeln. Sie legten das Kabel hinein und deckten es mit Erde zu. Rechts und links schlugen sie einen Pfahl in die Erde und banden das Kabel an. Andere traten die Stelle fest, in der das Kabel lag. Dann ging es im Tiefbau weiter. Der erste Kilometer war zu Ende. Wir machten Leitungsprobe.

Alles klappte und wir banden den zweiten Kilometer an. Ein anderer nahm nun die Rückentrage. Wir wollten im Straßengraben weiterbauen, aber Unteroffizier Hinz trieb uns weiter aufs Feld. Wir stolperten in der Dunkelheit über die Furchen, die den Acker durchzogen. Nach 500 Metern kamen wir an einen Bach mit einer Brücke, die wir nicht benutzen durften. Im Ernstfall wäre sie ja kaputt, sagte Unteroffizier Hinz.

Wir suchten nach Bäumen oder Stangen, mit deren Hilfe wir den Bach hätten überqueren können. Er hatte eine Breite von sechs Metern. Wir maßen seine Tiefe mit der Drahtgabel, der Grund schien sumpfig zu sein. Schon die Uferböschung war gefährlich, man konnte leicht abrutschen. Da kamen zwei Mann mit einem provisorischen Kahn. Na, ob der wohl hält? dachte ich.

Egal, der Mann mit der Rückentrage stieg hinein, ein anderer stieß ihn ab und er landete heil am jenseitigen Ufer. Er stieß den Kahn, der sich mit Wasser fast gefüllt hatte, wieder zurück. Zuerst entleerten wir das Wasser und dann stieg ich hinein, ein Mann folgte mir. Wir stießen uns mit Stangen ab. Das Wasser strömte nur so hinein, aber mit ein wenig Glück landeten auch wir am anderen Ufer. Während der Rest der Männer übersetzte, bauten wir die Leitung weiter.

500 Meter hinter dem Bach kamen wir an ein Bahngleis. Der Bahndamm wird überquert! rief der Staffelführer. Wir überlegten zuerst, wie wir das wohl am besten machen sollten. Unter den Schienen durchziehen! befahl der Staffelführer. Wir schnitten das Kabel durch und zogen es von der anderen Seite unter den Schienen hindurch. Ein Mann band das Kabel wieder zusammen und isolierte die Flickstelle.

Wir bauten inzwischen weiter. Der zweite Kilometer war zu Ende. Wieder machten wir Leitungsprobe und banden den dritten Kilometer an. Ein anderer Mann nahm jetzt die Rückentrage und ging weiter über das Feld, er ließ das Kabel ablaufen. Uns war verdammt warm geworden. Bis jetzt hatten wir alle Schwierigkeiten überwunden. Die Unteroffiziere brauchten kaum einzugreifen.

Der Mond schimmerte durch die hellen Wolken, es war kurz vor 24 Uhr. Wir stampften über den Acker, während die drei Unteroffiziere den Weg entlang gingen.

Auf einmal befahl der Staffelführer: Halt! Das Ziel war erreicht. Wir nahmen Verbindung auf und die Gegenstelle meldete sich sofort.

Der Staffelführer nahm den Hörer selbst in die Hand und verkündete der Gegenstelle: Wir bauen ab! Sie, die Gegenstelle sollte den ersten Kilometer Kabel aufnehmen. Er war auf einmal freundlich geworden, was uns wunderte.

Nun hieß es, Kabel aufnehmen. Alles wurde jetzt zum Auftrommeln fertig gemacht, jeder achtete auf das Gerät, damit nichts liegen blieb. Dann ging es los. Ich nahm den ersten Kilometer auf. Als ich mit dem ersten Kilometer fertig war, nahm ich die Trommel heraus und ein anderer nahm den zweiten Kilometer auf. Ich nahm die volle Trommel auf die Schulter.

Wir kamen an den Bahnübergang. Das Kabel wurde wieder auseinander genommen und zurückgezogen und provisorisch zusammengebunden. Ordentlich flicken wollten wir es zu Hause. Nun kamen wir an den Bach, auch hier wussten wir uns zu helfen, der Kahn war ja noch da. Die Unteroffiziere ließen uns jedoch über die Brücke gehen. Da ging es bedeutend schneller. Nun noch ein kurzes Stück und wir waren am Ende des zweiten Kilometers. Wieder nahmen wir das Kabel aus der Erde und banden es von den Pflöcken los.

Den letzten Kilometer hatten ja die beiden Obergefreiten aufgenommen. Sie warteten auf uns an der Ausgangsstelle. Wir traten zwanglos an und marschierten zur Nachrichtenkammer zurück. Gesungen wurde in dieser Nacht nicht mehr. Es war bereits ein Uhr vorbei, als wir vom Staffelführer entlassen wurden. Mit Grauen dachte ich an den nächsten Tag. Die Stiefel und die ganze Uniform waren verdreckt.

Am nächsten Morgen war Fußdienst. Wir mussten genauso früh antreten wie die anderen.

Im Anschluss an das Mittagessen besprachen wir in der Nachrichtenkammer die gestrige Übung. Im Großen und Ganzen waren unsere Unteroffiziere mit uns zufrieden, aber trotzdem bemängelten sie den Bau von Anfang bis Ende. Alles hatte ihnen zu lange gedauert. Unsere Hilflosigkeit bei der Überwindung von Hindernissen hatte sie sehr enttäuscht.

Ja, wenn die gesamte Nachrichtenstaffel beisammen ist, weiß immer einer, was zu tun ist, sagte der Staffelführer, aber nehmen wir mal an, die Leitung sollte von zwei Mann gebaut werden und er nannte zwei Mann. Hätte das auch geklappt?

Natürlich wird man im Ernstfall die Trupps so zusammenstellen, dass sie sich gegenseitig ergänzen. Aber weiß man, was alles kommt? Oft fallen die besten Leute aus. Er sah mich dabei ganz besonders an.

Jeder Mann muss jederzeit auch mit den schwierigsten Situationen fertig werden. Jeder Fernsprecher muss flink und wendig sein. Er ist meist auf sich allein gestellt. Sein Dienst erfordert viel Geschicklichkeit. Wir müssen das bereits Gelernte oft wiederholen. Solange, bis es auch dem letzten Mann in Fleisch und Blut übergegangen ist.

Das war die Lehre, die wir aus der Nachtübung ziehen konnten. Lernen und üben und nochmals lernen und üben!

Mittlerweile war es Juni geworden, die schönste Zeit des Jahres. In den Gärten blühten die Rosen und der Flieder war bereits verblüht, jetzt blühte bereits der Jasmin. Die Bäume und Sträucher hatten ebenfalls ausgeblüht und es bildete sich bereits die Frucht. Auf den Feldern stand das Korn bereits einen Meter hoch. Auf den Wiesen und Weiden grasten die Kühe. Die Natur hatte ihr schönstes Kleid angelegt.

Der Wald war jetzt am schönsten. Die Blätter des Waldes bildeten ein Dach, unter dem es sich wunderbar wandern ließ. Wieder einmal war Sonntag und ich hatte mich gerade entschlossen, mich den Kameraden anzuschließen, die im Begriff waren, in den Wald zu gehen.

Wartet noch ein wenig, ich hole schnell meinen Fotoapparat, denn wir wollen doch einige Aufnahmen machen. Sie warteten, denn auch sie wollten ein Andenken an diese Zeit. Mit blankgeputzten Stiefeln marschierten wir dem Walde zu.

Was haben wir heute nur für ein schönes Wetter, sagte Hannes, der ein richtiger Naturfreund war. Ja, Hannes, sagte ich, viel zu schade, um hier herumzuliegen und Soldat zu spielen. Was meinst du, warum wir eigentlich hier sind? Ich weiß es nicht, Hannes, darüber nachzudenken wäre nur Zeitverschwendung, sagte ich. Hast du die Truppenbewegungen auch gesehen, hier sind doch allerhand Fahrzeuge durchgekommen, fragte er mich. Meinst du die mit den beiden gelben Kreuzen? Ja, sagte er, die meine ich. Das ist die 6. Panzerdivision, zu der gehören wir auch.

Einen Sinn muss die ganze Sache doch haben, sonst wären wir nicht hier und dann würde nicht alles so organisiert werden. Ich meine, es liegt doch eine ganze Division hier, bemerkte ich. Das alles ist doch Tarnung, sagte Heinz, der Bäcker aus Höxter. Wir sollen hier in Ruhe ausgebildet werden, in Frankreich ist zu oft Fliegeralarm und dann ist die Spionage zu groß. Wir sind für England vorgesehen, und dass wir hier sind, hat auch einen Grund. Der Tommy soll getäuscht werden. Uns ging allen ein Licht auf. Also nach England sollen wir fahren, nach England? An England glaube ich nicht, eher an Russland, sagte Fritz. So leid es mir tut. An Russland glaub ich wieder nicht, erwiderte Heinz. Ob wir es glauben oder nicht, ist im Augenblick egal. Jedenfalls nichts Genaues wissen wir nicht!

Die 6. Panzerdivision wird hier neu aufgestellt. Wenn alles beisammen ist, rücken wir ab.

Wohin werden wir wohl abrücken? fragte Kurt, der bisher geschwiegen hatte.

Das kann doch nicht Russland sein, denn mit Russland haben wir doch einen Vertrag, griff ich wieder in die Debatte ein. Dann werden wir wohl zum Balkan fahren, denn da ist noch längst nicht alles in Ordnung, sagte Hannes, der wollte es genau wissen.

Von Westpreußen nach Jugoslawien, das ist ein ganz schön weiter Weg, wandte ich ein. Spielt doch heute keine Rolle, meinte Hannes. Ob er wohl selbst davon überzeugt war? Wir machten uns alle unsere Gedanken, waren aber alle verschiedener Meinung.

1000 Tage an der Ostfront

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