Читать книгу 1000 Tage an der Ostfront - Группа авторов - Страница 9

5. Stellungskrieg vor Leningrad

Оглавление

So langsam ging der Vormarsch in einen Stellungskrieg über. Die bespannten Einheiten trafen bereits ein und lösten uns ab. Wir waren froh darüber, denn hier an der Luga waren wir bereits 12 Tage und immer noch war die Lage nicht bereinigt.

Es war der 29. Juli, als wir abgelöst wurden. Wir bezogen weiter rückwärts eine Bereitschaftsstellung, in der wir bis zum 7. August blieben. Es war wunderschön! Wir lagen am Rande einer Ortschaft auf einer Wiese. Etwas Wald und Wasser war auch vorhanden.

Wenn wir nun aber dachten, wir könnten uns nach Herzenslust aalen, dann irrten wir uns gewaltig.

Es kam die Zeit der großen Appelle. Alle Sachen wurden in Ordnung gebracht, auch das Nachrichtengerät. Die Kanoniere arbeiteten an ihren Geschützen, die Kraftfahrer an ihren Fahrzeugen. Wir waren von früh bis spät auf Trapp. Trotzdem hatten wir noch genügend Zeit für alle möglichen Nebenarbeiten. Wir kochten, backten und brieten.

Sogar zum Erdbeerpflücken wurden alle verfügbaren Kräfte mobilisiert. Wir pflückten drei Munitionskästen voll und die Feldküche kochte eine schmackhafte Suppe daraus. Gebadet haben wir natürlich auch, aber nicht so oft und lange.

Des Nachts schliefen wir in Zelten, die wir ganz nach Vorschrift bauen mussten. Mehrere Posten gingen Tag und Nacht durch das Lager und sorgten für unsere Sicherheit.

Die Nachrichtenstaffel wurde nach dem Ausfall des einen B-Wagens neu eingeteilt. Mehrere Fernsprecher bekamen auf einem LKW einen Platz, sie blieben jedoch Fernsprecher.

Ich dagegen wurde Beifahrer auf einem Muni-LKW. Als Fernsprecher wurde ich abgelöst.

Zuerst stimmte mich diese Versetzung traurig, aber dann dachte ich, ist egal. Der Krieg ist noch lange nicht beendet. Verschlechtert hatte ich mich auf keinen Fall.

Am siebten August fuhren wir wieder in die alte Stellung zurück. Wir holten Munition aus einem Lager von weit zurück und brachten sie in die Feuerstellung. Wir luden immer dreißig Schuss mit dreißig Kartuschen. Insgesamt fuhren acht Wagen und holten Munition.

Als wir am zweiten Tage wieder dabei waren, Munition in der Feuerstellung abzuladen, schlugen einige russische Granaten in der Feuerstellung ein.

Wachtmeister Wohlert, bei dem wir immer unseren artilleristischen Unterricht hatten und der seit Beginn dieses Feldzuges Batterie Offizier war, bekam einen Splitter ab und musste in ein Lazarett. Der Richtkanonier wurde sogar tödlich verwundet.

Ab sofort war meine Tätigkeit als Beifahrer beendet. Ich wurde Kanonier. Immer nur ich, rief ich. Verdammt nochmal!

Die Batterie sollte wegen des starken Beschusses eine neue Stellung beziehen. Dafür war ich gerade gut genug. Es war Abend und es regnete. Wir machten die Geschütze marschbereit, verluden die Munition und die Zugmaschinen kamen. Sie zogen die Geschütze heraus. Aber das war wieder nicht so einfach, denn die Geschütze wurden zweilastig gefahren, da musste das Rohr vom Geschütz abgenommen werden und das wog immerhin mehr als eine Tonne.

Wir waren nass und von oben bis unten mit Lehm beschmiert. Unsere Decken waren ebenfalls nass und lagen irgendwo auf der Zugmaschine. Gern wären wir in den behelfsmäßigen Bunkern geblieben, aber der Batteriechef erkundete bereits eine neue Feuerstellung.

Wir standen auf der Straße und warteten auf den Abmarschbefehl. Plötzlich kam ein Kradmelder und brachte einen neuen Befehl. Oberleutnant Knoll ist beim Erkunden einer neuen Feuerstellung schwer verwundet worden. Er musste sofort in ein Lazarett gebracht werden. Wir bekamen einen neuen Batteriechef und rückten wieder in die alte Stellung ein. Die Geschütze wurden wieder an den alten Platz gestellt und wir legten uns auch wieder in die alten Bunker.

Das sagt sich so leicht hin, aber was damit für Arbeit verbunden ist, kann sich keiner vorstellen. Alles, was wir vorher gemacht hatten, musste jetzt wieder rückgängig gemacht werden. Es dauerte bei dem Mistwetter lange, bis wir wieder alles in Ordnung hatten.

Die ganze Erholung der letzten Tage war mit einem Schlage dahin.

Am nächsten Tag schien die Sonne. Die Muni-Kolonne fuhr unheimliche Mengen Munition in die Feuerstellung. Wir hoben Gräben aus, um sie zu lagern. Es kommt noch mehr, sagten die Fahrer, denn heute beginnt der Großangriff. Eine feindliche Bunkerlinie soll durchbrochen werden.

Gegen acht Uhr tauchten starke Fliegerverbände auf. Bomberstaffeln, die von Jägern begleitet wurden. Sie warfen ihre totbringenden Ladungen in die feindlichen Linien. Das Sirenengeheul der Stukas, das sie beim Herunterstürzen auslösten und das Detonieren der Bomben verursachten einen ohrenbetäubenden Lärm. Eine Serie folgte der anderen. Die Luft war erfüllt vom Motorengeräusch, sowie Detonieren der schweren Bomben. Die Erde erzitterte regelrecht.

Wir beobachteten den Vorgang, so gut wir konnten. Noch ehe die Bomberverbände abgeflogen waren, bekamen wir das erste Kommando.

Das zweite Geschütz schoss sich ein, es kamen noch einige Korrekturen und dann hieß es: Ganze Batterie! Wir schossen Trommelfeuer. Die Luft war jetzt erfüllt vom Knall der Abschüsse und von den Detonationen der Einschläge, die bis hierher zu hören waren.

Überall an der ganzen Front schoss die Artillerie auf die Bunkerlinie. Wir Ladekanoniere hatten die schwerste Arbeit, denn wir mussten die Munition heranholen und die Kartuschen fertig machen. Der Jupp, wie mein Kamerad mit Vornamen hieß, schob die Granate hinein und ich musste die fertig gemachte Kartusche hinterher schieben. Wenn meine Kartusche drin war, zog der K 3 sofort ab. Wir hatten den Eindruck, da kommt keine Maus mehr heraus.

Im Verlaufe dieses Bombardements wurde unser Feuer vorverlegt. Ein Zeichen, dass sich der Russe zurückzieht. Insgesamt schossen wir 300 Schuss.

Mit einem Schlage hörte das Artilleriefeuer auf. Nun mochte die Infanterie sich zum Angriff fertig machen. Sie war auch verstärkt worden. Außerdem standen Panzerverbände bereit, die auf ihren Einsatz warteten. Nun ging es wieder vorwärts. Wir warteten schon darauf. Gegen acht Uhr kam der Befehl zum Stellungswechsel.

Zunächst hatten wir alles aufgeräumt, die Kartuschen-Kästen auf einen Haufen gelegt und die Munitionskörbe ebenfalls. Die Muni- Kolonne musste ja das Leermaterial abholen. Wir waren noch nicht mit dem Abprotzen fertig, als die Zugmaschinen auch schon kamen.

Nun saß ich mit dem Jupp auf der Zugmaschine, als wir in die nächste Feuerstellung fuhren. Jetzt hatten wir ein wenig Zeit, um zu verschnaufen. Jetzt konnte ich mir auch die Männer von unserer Geschützbedienung ansehen und ein paar Worte mit ihnen wechseln. Sie wunderten sich immer wieder, dass ich als Fernsprecher jetzt an ihrem Geschütz war.

Wir fuhren nur 10 km und trotzdem dauerte es bis Mitternacht bis wir wieder feuerbereit waren. Wir schossen in dieser Nacht bis zum Morgen nur mäßig und wurden für den letzten Einsatz entschädigt.

Es ist erstaunlich, wie emotionslos das Durchbrechen der Bunkerlinie beschrieben wird. Das Bombardement wird eher als Luftschauspiel angesehen, denn als Kriegsmaßnahme. Offenbar trug die Tatsache, dass man keinerlei Feindberührung hatte und körperlich schwer am Geschütz arbeiten musste, dazu bei, ohne Emotionen nur an das Ende des Trommelfeuers zu denken und an ein Vorwärtsgehen.

Das Wetter war wieder schön geworden, so dass wir die meiste Zeit in der Sonne lagen, schreibt mein Vater kurz nach dem Großangriff auf die Frontlinie vor Leningrad.

Ich schrieb Briefe nach Hause, das taten auch einige andere Kameraden, oder wir brachten mal wieder unsere Sachen in Ordnung. Manche spielten Karten und andere rauchten gemütlich ihr Pfeifchen. Ja, das Leben als Kanonier hat auch seine Vorteile.

Plötzlich kam der Kradmelder in die Feuerstellung. Wo ist der Chef? rief er schon von Weitem. Herr Hauptmann! riefen wir, denn seit dem Ausscheiden unseres Chefs, war Hauptmann Hartmann, der bisher Chef der leichten Kolonne gewesen war, nun unser Chef geworden. Was ist los? fragte der Hauptmann.

Die Protzen Stellung ist überfallen worden, berichtete der Kradmelder. Er war ganz aufgeregt. Obergefreiter Holländer ist schwer verwundet. Wir horchten auf und einige tuschelten miteinander. Wie kam es denn dazu, wollte der Hauptmann wissen.

Aus ganz naher Entfernung wurden auf einmal Schüsse abgegeben aus MGs und Gewehren. Wir waren ganz überrascht und gingen zuerst sofort in Deckung. Später nahmen wir die Verteidigung auf und verfolgten die Angreifer. Das ist ja unglaublich! sagte der Hauptmann.

Der Hauptwachtmeister hat sofort alle notwendigen Sicherheitsvorkehrungen getroffen, berichtete der Melder weiter.

War es eine starke Gruppe? wollte der Hauptmann noch wissen. Das konnten wir nicht feststellen. Wir sahen nur durch die Büsche die Stahlhelme und die Uniformen schimmern. Besteht bei dem Kameraden Lebensgefahr? Das ist möglich. Bauchschuss! sagte der Melder dazu.

Der Herr Hauptmann machte ein sorgenvolles Gesicht. Er übergab das Kommando dem Wachtmeister Hellwig und ließ sich sofort in die Protzen Stellung fahren.

Die Unsicherheit machte sich auch in der Feuerstellung bemerkbar. Überall sprach man von versprengten Russen, die seit dem Durchbruch ihrer Befestigung den Anschluss an ihre Truppe verloren hatten. Sie operierten auf eigene Faust, drangen in unsere Stellungen ein, oder überfielen des Nachts unsere Kameraden. Überall wurden unsere Wachen verstärkt und die Posten scharf kontrolliert. In der Feuerstellung gingen nur noch Doppelposten.

Der Herr Hauptmann kam erst spät aus der Protzen Stellung zurück und gab hier sofort seine Anweisungen. Am nächsten Vormittag war sofort Stellungswechsel. Es ging wieder weiter und wir waren froh darüber.

Kaum waren wir angefahren, setzte eine starke feindliche Fliegertätigkeit ein. Sie flogen über uns hinweg, noch bevor wir unsere Geschütze getarnt hatten.

Es entstand nun ein wenig Verwirrung unter den Kanonieren und einige sagten: Nanu, das hätte ich den Russen gar nicht zugetraut. Nur ein wenig dichter heran müsst ihr noch kommen, aber das lernt ihr noch, oder wir holen euch mit unseren MGs herunter. Man veräppelte die russischen Flugzeuge, man nahm sie einfach nicht ernst.

Es dauerte nicht lange, da kam auch schon der Melder zurück und meldete: Bombenabwürfe in der Protzen-Stellung! Zwei Mann sind bereits verwundet.

Also auf die Protzen-Stellung haben sie es abgesehen. Soll der Spieß doch besser tarnen, dann kann doch gar nichts passieren, sagte Wachtmeister Hellwig, und der müsste es eigentlich wissen.

In der neuen Feuerstellung kamen wir vom Regen in die Traufe. Schon am Abend kam eine Meldung durch den Fernsprecher. Versprengte Russen überfallen die B-Stelle. Besatzung hat sich auf Nahkampf eingestellt Obergefreiter Holm, der gerade auf Wache stand, bekam einen Bajonettstich in den Bauch, an deren Folgen er bald darauf starb. Wachtmeister Krause, in seiner Eigenschaft als Beobachter; bekam ebenfalls einen Bajonettstich in die Brust, auch er starb daran. Leutnant Hitzegrad, ebenfalls auf der B-Stelle, schoss sich beim Hantieren mit der Pistole durch die Hand. Er war kampfunfähig.

Die Fernsprecher und Funker verteidigten sich heldenhaft. Es gelang ihnen auch die Angreifer zu verdrängen.

Am nächsten Tag ging es wieder weiter. Es geht zu einem neuen Frontabschnitt, hieß es nun. Wir fuhren insgesamt 10 Stunden, dann waren wir im Bereich der 8. Panzerdivision.

Hier ging der Vormarsch nicht so glatt und deshalb wurden wir als Verstärkung herangeholt.

Wir waren nun einmal Heeresartillerie und keiner Division direkt unterstellt. Gewiss gehörten wir zuerst der 6. Panzerdivision an, aber als schwere motorisierte Feldhaubitze waren wir nun einmal Heeresartillerie. Wir waren ja eine selbständig operierende Abteilung. Wir hatten immerhin 12 Geschütze.

Eine starke russische Kräftegruppe war hier eingekesselt und leistete erbitterten Widerstand. Diesen Kessel galt es zu säubern.

Wir bezogen Stellung und der B-Offizier schoss sich ein. Gerade hatten wir die Geschütze in Stellung gebracht, als sich das Wetter immer mehr verschlechterte. Es regnete und ein kalter Wind blies über die Felder. Wir froren und suchten unseren Bunker auf, um uns vor dem Wetter zu schützen.

Der Bunker erwies sich als unbrauchbar, da bauten wir Zelte und krochen hinein. Aber bald sammelte sich im Zelt das Wasser. Wir hoben eine Grube aus und spannten das Zelt darüber. Bald aber war die Grube voll Wasser. Da stellten wir Kartuschen Kästen hinein und legten unsere Decken drauf. Nun spannten wir ein Viererzelt darüber und waren im Trockenen.

Alles das bauten wir im Regen. Wir waren bereits nass, als wir mit dem Bau begannen Im Privatleben hätten wir sowas gar nicht machen können. Da hätten wir uns irgendeine Krankheit geholt, aber hier beim Militär ging eben alles. Da machte uns der Regen nichts aus und krank wurden wir auch nicht.

An Schlaf war in dieser Nacht auch nicht zu denken. Kurz nach Mitternacht kamen die ersten Feuerkommandos. Wir eilten hinaus an die Geschütze.

Die Nacht war dunkel und deshalb wirkten unsere Abschüsse gespenstisch. Der laute Knall betäubte unsere Ohren und der helle Schein des Mündungsfeuers blendete unsere Augen.

Kann denn der Beobachter die Einschläge überhaupt sehen? fragte mich der Jupp.

Der wird sie schon sehen können, denn beim Aufschlag gibt es doch eine Explosion. Ich glaube, er kann sie nicht sehen, denn auf der B-Stelle ist es doch genauso dunkel wie hier, erwiderte mir mein Kamerad. Er zweifelte sehr.

Ja, mein lieber Jupp, es werden eben viele Schüsse abgefeuert, die ihr Ziel nicht erreichen. Eine jede Kugel trifft ja nicht, so sagte man schon zu Zeiten Friedrichs des Großen. Denn träfe jede Kugel, das wäre ein Malheur, wo nähme denn der König die Soldaten her?

Jetzt konnte sich der Jupp das Lachen nicht mehr verkneifen. Im Zelt erzählte ich ihm vom Dienst auf der B-Stelle. Wenn du wüsstest, wie viele unfähige Köpfe mit der Batterie schießen und was für Unheil sie damit anrichten, du würdest staunen. Deshalb müsste immer der Chef auf der B-Stelle sein, sagte Jupp.

Unser jetziger Chef kann aber nicht schießen, denn er war ja Chef der leichten Kolonne.

Ja, sagte Jupp, Leutnant Liegner ist gefallen, unser Oberleutnant ist im Lazarett, zwei Wachtmeister sind ebenfalls weg. Wir bekommen immer schlechtere Leute.

Feuerkommando! rief der Fernsprecher.

Feuerkommando! sagte ich zu Jupp und wir lachten beide.

Ganze Batterie! rief der Fernsprecher. Wir eilten an die Geschütze.

Wer ist denn überhaupt auf der B-Stelle? fragte Jupp.

Wachtmeister Rahn, sagte ich. Ist das der Wachtmeister von der Kammer? wollte Jupp wissen. Ja, genau der ist es. Eben steckte er eine Granate hinein und ich schob die Kartusche hinterher. Der Siggi zog an der Abzugsleine und rief: Abgefeuert!

Wir setzten uns auf einen leeren Kartuschen-Kasten, denn es hatte aufgehört zu regnen.

Wo ist es denn besser? Bei den Fernsprechern oder hier am Geschütz? fragte Jupp.

Ach Jupp, es ist überall schön, wenn die Kameradschaft gut ist. Als Fernsprecher hat man mehr Verantwortung, da habe ich euren Dienst noch nicht gekannt. Es war mir ein wenig bange davor. Aber jetzt muss ich sagen: Es ist prima bei euch. Die Geschützbedienung war sich einig. Hier galt noch das Motto: Alle für einen und einer für alle!

Der Dienst als Fernsprecher ist nicht leicht, sagte ich. Da ist man immer auf sich selbst gestellt. Manchmal macht es keinen Spaß, aber im Großen und Ganzen bin ich zufrieden.

Es gibt auch als Fernsprecher schöne Zeiten, auf die man besonders stolz sein kann.

Wie mag es erst im Winter werden? fragte Jupp. Im Winter? Da wird der Krieg hoffentlich zu Ende sein.

Feuerpause! rief der Fernsprecher. Wir gingen in unser Zelt und legten uns auf unserem Lager lang. Der Regen hatte aufgehört, es war zwei Uhr in der Nacht. Für den Rest der Nacht hatten wir Ruhe.

Am Morgen kam die Feldküche und brachte warmen Kaffee. Der Spieß war selbst mitgekommen. Er wollte sich von der Stimmung hier in der Feuerstellung überzeugen und uns Mut machen, den wir nach den Anstrengungen der letzten Tage nötig gebrauchten.

Wenn jemand ein Anliegen hätte, so könne er sich vertrauensvoll an ihn wenden. So sagte es der Spieß. Wo er helfen könne, wolle er es auch tun. Wir dankten für seine Hilfsbereitschaft mit einem Lächeln.

An unserem Geschütz verwaltete ein Mann die ganze Verpflegung. Er legte alles in einen leeren Kartuschen-Kasten, und wenn Essenszeit war, machte er die ganzen Stullen und wir konnten essen, soviel wir wollten. Das war das Schöne! Wir brauchten uns um das Essen keine Sorgen zu machen.

Vierzehn Tage blieben wir bei der 8. Panzerdivision. Wir machten noch einige Male Stellungswechsel, bis der Kessel am 30. August aufgelöst war.

Lange Kolonnen Gefangener zogen die Straßen entlang. Sie gingen einem unbestimmten Ziel entgegen. Ihre Kleidung war verschmutzt, sie sahen müde und ausgehungert aus. Sie haben im Kessel sicherlich schwere Strapazen mitgemacht, ehe sich ihr oberster Führer zur Kapitulation entschloss.

Für sie ist der Krieg nun beendet. Sie fuhren nach Deutschland. Wir dagegen mussten weiter kämpfen bis zum endgültigen Sieg unserer Waffen.

Was war das nur für ein eigenartiges Spiel. Gestern wehrten sie sich noch hartnäckig, sie schossen auf uns und wir schossen auf sie. Wir waren erbitterte Feinde, hätten uns gegenseitig umgebracht. Heute nun ist es auf einmal anders. Sie gehen an uns vorbei und keiner tut ihnen was. Sind sie nun unsere Freunde?

Wenn das so einfach wäre. Warum streckt denn die eine Partei nicht an der ganzen Front die Waffen? Dann wäre der Krieg beendet. Im Augenblick wohl. Aber was kommt danach?

Darüber haben nicht wir zu entscheiden, sondern unsere und ihre oberste Führung.

Im Laufe des Zweiten Weltkriegs fielen der deutschen Wehrmacht 5,7 Millionen Russen in die Hände. 3,3 Millionen von ihnen starben in Gefangenschaf, überwiegend im ersten Kriegsjahr. Ihr Tod war vor allem dem Umstand zuzuschreiben, dass die Wehrmacht keine Vorkehrungen getroffen hatte, solche Menschenmassen zu verpflegen, unterzubringen und zu transportieren. Die Folge war ein Erstarken des feindlichen Widerstands, weil jeder Rotarmist die deutsche Gefangenschaft fürchtete.

Wir rückten jetzt von der 8. Panzerdivision ab und fuhren wieder zur 6. Panzerdivision zurück. Zwei volle Tage brauchten wir, bis wir wieder bei ihnen ankamen. Sie lag inzwischen im Raum von Kikerino in einer Bereitschaftsstellung.

Das erste Mal lagen wir in einem Haus. Unsere Geschützbedienung lag sogar geschlossen in einem Zimmer.

Jetzt begann wieder die Zeit der Appelle. Schon am nächsten Tag hatten wir Waffenappell, dann Appell in Lederzeug, Stiefel und Koppel, Am Schluss Appell in sämtlichen Ausrüstungsgegenständen. Dann kamen unsere Geschütze dran. Bei allem war höchste Eile geboten. Der Dienst begann am frühen Morgen und dauerte bis zum späten Abend.

Wir stopften auch noch die Strümpfe und wuschen unsere Wäsche. Zwischendurch brutzelten wir noch etwas zum Essen.

Ich kam natürlich wieder auf die Idee, Kartoffelpuffer zu backen. Eine Pfanne und eine Feuerstelle hatten wir im Keller entdeckt. Eine Reibe ebenfalls.

Von unserem Verpflegungsverwalter ließ ich mir eine Büchse Schmalz geben und dann ging es los. Als ich für jeden einen fertig hatte, brachte ich den ersten Teller nach oben.

Mit Begeisterung begrüßten mich die Kameraden und fingen sofort an zu essen. Immer her damit, sagte Jupp. Er wollte ein Dutzend essen. Ich esse 15 Stück, sagte Hannes. Er war Rheinländer und sprach Dialekt.

Der zweite Teller war schon etwas voller. Alle aßen mit Begeisterung und lobten meine Kunst. Ich freute mich ebenfalls und war ein wenig stolz.

Die Männer von den anderen Geschützen schielten zu uns rüber. Wenn sie gar zu interessiert dreinschauten, sagte ich: Los beteilige dich, dann kannst du mitessen. Sie waren einverstanden und brachten Kartoffeln und beteiligten sich beim Schälen. Sogar die Wachtmeister und Unteroffiziere kamen zu uns herüber, denn das ganze Haus duftete schon danach. Jeder sollte essen, soviel er wollte. Der Verpflegungsverwalter half jetzt beim Backen. Immer, wenn ich einen vollen Teller heraufbrachte, war der vorhergehende leer.

Als der letzte von der Pfanne war und wir alle verzehrt hatten, legten wir uns auf unser Strohlager und wälzten uns von einer Seite auf die andere.

Dieses war zugleich das Ende unserer Ruhepause und auch das Ende meiner Laufbahn als Kanonier. Es war der 5. September. Behüt euch Gott! rief ich meinen Kameraden zu.

Ich wurde jetzt wieder Beifahrer auf einem Muni-LKW. Wir holten Munition aus dem Lager und verluden sie auf die Zugmaschinen.

Die Abteilung wurde jetzt zur 36. Infanterie Division abkommandiert. Sie begab sich sofort zu dem befohlenen Abschnitt.

Am 8. September fuhren wir in die neue Feuerstellung und am nächsten Tag vormittags um neun Uhr begann der Angriff auf Leningrad. Stukas und Bombenflugzeuge flogen zur Front und luden dort ihre Bomben ab.

Ich hatte viel Zeit und konnte alles genau ansehen, denn ich war weder Kanonier noch Fernsprecher. Die Auffangstellung der Russen war bald durchbrochen. Es ging weiter in Richtung auf die Stadt.

Nach einer Woche, ja, so lange war ich auf dem LKW, reichten unsere Geschütze schon bis in die Stadt. Unsere Batterie bekämpfte jetzt Menschenansammlungen in den Straßen und militärische Ziele.

Am 15. September wurde ich plötzlich wieder Fernsprecher. Der Staffelführer hat mich in der Protzen-Stellung aufgesucht und es mir mitgeteilt. Sofort nahm er mich mit dem B-Stellen Fahrzeug mit zur B-Stelle, die in einem sehr zerstörten Gehöft untergebracht war.

Das Scherenfernrohr war auf dem Dachboden eines Hauses aufgestellt worden. Von hier konnte man die Stadt wunderbar einsehen. Ich schaute hindurch und konnte nicht nur die Menschenansammlungen in den Straßen sehen, sondern ich sah noch mehr. Ich konnte sogar die Geschäfte erkennen, die Schrift an den Häusern. Ich sah auch die Fahrzeuge, die durch die Straßen fuhren. Das erste Mal sah ich Leningrad und wunderte mich, dass wir schon so weit waren.

Als Beobachter war ein Wachtmeister hier, den ich nicht kannte. Leutnant Schmidt war auf einer B-Stelle verwundet worden und schied aus. Das war mir gar nicht bekannt. Nun waren alle drei Offiziere ausgefallen und wir hatten Ersatz dafür bekommen. Was sollte nur aus der Batterie werden?

Der Kampf ging jedoch weiter, als ob nichts geschehen wäre. Die Batterie hatte den Auftrag. Der einzelne Mann ist nichts, die Batterie alles.

Mein Kamerad, mit dem ich hier oben zusammen war, war der Obergefreite Helmut Lommel. Er gehörte zum Stamm und hatte den Frankreichfeldzug mitgemacht. Wir dagegen waren immer noch die Spunde. Aber so tief schaute man nicht mehr auf uns herab, denn nun hatten wir bewiesen, dass wir ihnen ebenbürtig waren. Wir waren das erste Mal gemeinsam auf einer B-Stelle.

Was Helmut, hier ist es anders als in Frankreich, nicht wahr? Fang ja nicht an zu flachsen, hilf mir lieber die Leitung zu verlegen, sagte er. Wir müssen die Leitung verlegen, sonst haben wir zu viel Ärger damit. Er trieb zur Eile an. Sie liegt zu dicht an der Straße.

Hier sind ja ganz schöne Trichter im Gelände. Von was sind die? Der Iwan schießt mit Schiffsgeschützen und auch mit der Artillerie, sagte er. Du musst vorsichtig sein. Die Dinger kommen ganz unverhofft.

Wir sollten sehr bald mit ihnen Bekanntschaft machen. Wir hatten gerade mit der Arbeit begonnen, da kam der erste Koffer schon angezischt. Er ging einen Kilometer von uns entfernt ins Gelände. Interessiert sahen wir zu dem Einschlag.

Wir mussten fast einen Kilometer Leitung verlegen, hielten es aber nicht für nötig, den Stahlhelm aufzusetzen.

Der zweite Koffer lag schon näher bei uns und wir spitzten die Ohren, bauten aber dennoch weiter, als könnte uns nichts passieren.

Der dritte Koffer lag so nahe, dass er die Leitung zerfetzte. Wir beeilten uns, denn jetzt kam uns die Sache schon ein wenig mulmig vor. Wir taten unsere Arbeit nur noch im Laufschritt.

Da geschah es plötzlich! Noch ein Koffer schlug bei uns ein. Ich warf mich sofort zu Boden und mein Kamerad tat dasselbe. Aber ihn hatte es doch erwischt.

Ich bin verwundet! rief er und drückte die Hand auf seine Mütze. Ich lief sofort zu ihm hin, denn ich war 20 Meter von ihm entfernt. Hier, sagte er, ich habe einen Splitter in den Kopf bekommen. Ich sah zwar Blut und schließlich entdeckte ich die kleine Schramme. Ist nur klein, sagte ich, brauchst nicht gleich ins Lazarett. Aber zum Arzt gehe ich doch, sagte er. Aber ein Heimatschuss ist es nicht, versicherte ich ihm. Hast einen Schutzengel gehabt, tröstete ich ihn. Ein paar Millimeter weiter und du wärst tatsächlich ins Lazarett gekommen oder auch nicht!

Das nächste Mal werden wir doch lieber den Stahlhelm aufsetzen, stellten wir übereinstimmend fest. Zunächst mussten wir jedoch die Leitung flicken und dann gingen wir deprimiert zur B-Stelle zurück.

Als Ersatzmann kam, es war nicht anders zu erwarten, Fritz Tofanke. Wir begrüßten uns herzlich und freuten uns, dass wir uns nach so langer Zeit wiedersahen.

Arbeit gab es hier oben nicht viel. Wir verlegten die Leitung weiter und bauten sie unseren Ansichten entsprechend um.

Das Gelände vor uns bis an den Stadtrand war bereits in deutscher Hand. Weiter konnten wir nicht vordringen. Das war Aufgabe anderer Truppenteile.

Wachtmeister Brandt schoss auf die Ansammlungen in den Straßen von Leningrad. Er hatte die Kommandos ausgerechnet und da war es nicht schwer.

Am 13. September, als General Schukow an der Nordwestfront eintraf, um die Verteidigungsmaßnahmen zu intensivieren, befanden sich die Deutschen bereits in den Randbezirken der alten Zarenhauptstadt. Zarskoje Selo, das russische Versailles, war am 10. September gefallen, seine wundervollen Prachtbauten wurden durch einen Großbrand zerstört. Leningrad war vom Rest Russlands praktisch abgeschnitten. Mit dem Landesinnern war die Stadt nur noch durch den Wasserweg über den Ladogasee verbunden.

Die Leningrader bekamen die Einschließung schon bald zu spüren und litten in der Folge unter einer schrecklichen Hungersnot, der etwa eine Million Menschen zum Opfer fielen, ehe die Belagerung im Frühjahr 1944 aufgehoben wurde.

Doch Schukows Erscheinen zeigte unmittelbare Wirkung. Unter seinem entschlossenen Kommando kamen Hoepners Panzerangriffe in den Gräben und Betonanlagen, die die Leningrader angelegt hatten, zum Stillstand. Das Stadtgebiet mit seinen drei Millionen Einwohnern blieb unangetastet. Deutsche Luftangriffe forderten täglich Tausende von Todesopfern, doch die Panzervorstöße erreichten das große Stadtgebiet der Kanäle und klassizistischen Paläste nicht.

Einmal machten wir noch Stellungswechsel, um von einer anderen Seite noch näher an die Stadt heranzukommen. Wir lagen jetzt auf einem Acker neben der Straße. Das Wetter war wieder unfreundlich geworden. Der Acker war aufgeweicht, denn es regnete viel. Oft war es kalt und ungemütlich. Unsere Leitung war oft gestört, so dass wir oft auf Störungssuche waren.

Die russische Artillerie und die Schiffsgeschütze belegten das Gelände weiterhin mit Granaten aller Kaliber. Schwere Brocken zischten durch die Luft und wühlten sich tief in die Erde. Oft sah man Trichter von 10 Metern Durchmesser und 5 Metern Tiefe.

Als wir am dritten Tag in dieser Stellung lagen, stellten wir fest, dass auf der Straße der Fahrzeugverkehr immer stärker geworden war.

Infanterie zu Fuß, bespannte Artillerie und technische Einheiten zogen in Gruppen nach vorn. Was hatte das wohl zu bedeuten?

Hitler hatte beschlossen, die Masse von Hoepners Panzergruppe 4 abzuziehen und der Operation „Taifun“ zur Einnahme Moskaus zuzuführen. Hauptziel des Unternehmens war es, die russischen Kräfte zu überwinden und zu vernichten, die den Zugang nach Moskau blockierten, und zwar in der bis zum Einbruch des Winterwetters verfügbaren befristeten Zeit.

Durch Tod, Verwundung und Krankheit hatte das deutsche Heer in den 10 Wochen, die der Russlandfeldzug andauerte, bereits eine halbe Million Mann verloren. Diese Ausfälle waren zwar nicht mit den fürchterlichen Verlusten der Roten Armee zu vergleichen, aber sie reichten aus, um die Moral der Frontsoldaten zu beeinträchtigen.

Schon am nächsten Tag erfuhren wir, dass wir abgelöst werden sollten. Wir freuten uns sehr und begannen sofort mit dem Aufnehmen der Leitungen. Es war noch sehr früh, als ich mit meinem Kameraden durch das Gelände ging und das Kabel auftrommelte.

Wir kamen in die Nähe der Feuerstellung der Nebelwerfer. Hier wurden gerade Feuerkommandos durchgegeben. Es war noch nicht ganz hell.

Ein Schauspiel von ungeheurem Ausmaß bot sich unseren Augen. Jedes Geschütz schoss eine Serie von acht Granaten ab, die wie Feuerbälle in Abständen durch die Luft flogen. Wir konnten sie mit unseren Augen verfolgen. Wir standen staunend mit offenem Mund und mit offenen Augen, bis das Schauspiel beendet war.

Inzwischen kamen die Fernsprecher von der Feuerstellung mit dem Kabel und wir gingen gemeinsam zur Ausgangsstellung. Alles wurde sofort verladen und wir belegten sofort unsere Plätze auf dem B-Wagen. Die Batterie fuhr zunächst 30 km zurück, wo sich die Abteilung sammelte.

Es dauerte zwei volle Tage, bis alle Fahrzeuge der Abteilung beisammen waren. Inzwischen kontrollierten wir das Material und brachten es in Ordnung. Die Kraftfahrer mussten alles genauestens überprüfen, denn wir hatten eine lange Fahrt vor uns.

1000 Tage an der Ostfront

Подняться наверх