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3. Krieg mit Russland

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Schon ein paar Tage später, am 17. Juni, musste sich die Batterie auf der Dorfstraße aufstellen und zum Abmarsch fertig machen.

Nun fuhren wir vier Nächte ununterbrochen in Richtung Osten und tagsüber wurde ausgeruht. Am Morgen des vierten Tages waren wir im äußersten Osten von Ostpreußen angelangt. Am Abend dieses vierten Tages ließ der Batteriechef antreten und enthüllte endlich das große Geheimnis.

Ihr werdet es kaum glauben, denn bis vor kurzem habe ich es selbst noch nicht geglaubt. Aber jetzt weiß ich es: Es gibt Krieg mit Russland. Das Unglaubliche ist eingetreten und zu diesem Zweck sind wir hier!

Wir starrten uns gegenseitig an und dann sahen wir den Oberleutnant an. Wir konnten und wollten es einfach nicht glauben. Aber die Worte waren gefallen, bzw. sie waren uns verkündet worden. Jetzt mussten wir daran glauben. Das war der Sinn und der Zweck unserer Ausbildung und deshalb waren wir hier, sind vier Nächte gefahren, haben uns die Köpfe zerbrochen und Rätsel geraten und haben gestritten. Und haben die ganze Zeit nicht gewusst, was diese Fahrt bedeutet. Eine ganze Division ist getäuscht worden.

Ja hat es denn der Führer nur allein gewusst? Sonst wäre es doch durchgesickert. So dachten nicht nur wir, so dachten all die vielen, die jetzt am Vorabend ihre Ausgangsstellungen bezogen hatten.

Es ist natürlich nicht so ein Krieg, wie ihr ihn euch vorstellt, fuhr der Oberleutnant fort. Es wird genau so ein Blitzkrieg werden, wie wir ihn von Polen und Frankreich her kennen.

Es gibt in Russland zwei Parteien. Die Partei Molotows, die sich sofort auf unsere Seite stellen wird. Die behandelt wie eure Freunde und die Partei Stalins, das sind eure Feinde. Mit denen seid vorsichtig.

Außerdem wird in Russland sofort eine Revolution ausbrechen, wenn sie sehen, dass wir kommen. Also seid vorsichtig beim Betreten dieses Landes. Wir kommen nicht als Feinde des russischen Volkes, sondern als ihre Befreier.

Die Geschütze fahren um 12 Uhr in ihre erste Feuerstellung. Die Fernsprecher legen ihre Leitungen dazu. Um drei Uhr beginnt der Großangriff auf der ganzen Linie.

Es war der 22. Juni 1941 früh drei Uhr. Pünktlich um die festgesetzte Zeit setzte das Trommelfeuer ein. Geschütze aller Kaliber schossen ihre todbringenden Ladungen über die Grenze in die Sowjetunion.

Als ich die vorstehenden Passagen das erste Mal las, konnte ich diese Naivität nicht nachvollziehen. Waren die Dialoge bewusst falsch dargestellt, um sich als ahnungslos und damit schuldlos darzustellen, oder konnte man sich wirklich keinen Krieg gegen Russland vorstellen?

Konnte es denn der Wahrheit entsprechen, dass die ganze Batterie erst am Vorabend des Angriffs auf Russland über den Angriffsplan informiert worden war?

Heute wissen wir natürlich mehr und es erscheint uns alles sehr unwahrscheinlich. Aber selbst Stalin ist von dem Angriff überrascht worden.

Tatsache ist, dass Hitler schon am 14. August, als er seine neu ernannten Feldmarschälle in der Reichskanzlei empfing, von der aufkommenden Notwendigkeit eines Krieges gegen die Sowjetunion sprach.

Am 6. September genehmigte Hitler die Verlegung von Bocks Heeresgruppe B aus dem Westen in den Osten, wo nun 35 Divisionen, darunter sechs Panzerdivisionen, bereitstanden. Zwar erklärte er Anfang November gegenüber Bock, dem Oberbefehlshaber seiner in Polen stehenden Heeresgruppe, was im Osten geschehe sei noch nicht endgültig entschieden, aber es blieb bei der Verlegung von West nach Ost.

Nach dem Besuch Molotows, bei dem keine Einigung im Sinne Hitlers erzielt werden konnte, war er bereit, seinen schon immer geplanten Kampf gegen den Bolschewismus durchzuführen.

Seit Juni war das Oberkommando der Wehrmacht (OKW), seit August auch das Oberkommando des Heeres (OKH) damit befasst, Pläne für einen Russlandfeldzug auszuarbeiten. Am 5. Dezember 1940 waren beide Entwürfe in der Reichskanzlei erörtert worden.

Seit 1812, als Napoleon seine Große Armee von Moskau wieder zurückführen musste, was mit dem Untergang der Armee geendet hatte, beherrschte die Gefahr von den endlosen Weiten des inneren Russland verschlungen zu werden, das Denken des deutschen Generalstabs. Daher stellte man sich eine Art Kesselschlacht vor. Man wollte mit einem Panzervorstoß durch und hinter die Grenzstellungen gelangen, um dort Kessel zu bilden, in denen die Kampfverbände der Roten Armee sich in eine hilflose Masse verwandeln würden.

Die drei Heeresgruppen Nord, Mitte und Süd sollten sich gegen Leningrad, Moskau und Kiew wenden, dabei jedoch mit ihren jeweiligen Panzerspitzen die Rote Armee in drei Kesseln umfassen, welche dann die nachfolgende Infanterie besiegen sollte.

Der endgültige Plan für das Russland-Unternehmen mit dem Decknamen „Barbarossa“ sah vor, dass ein Angriff auf Moskau so lange aufzuschieben sei, bis die Heeresgruppe Nord in ihrem Frontabschnitt die Russen an der Ostsee eingeschlossen und die Heeresgruppe Süd in der Ukraine einen großen Kessel gebildet hätte.

Die Heeresgruppe Mitte sollte Panzerkräfte zur Heeresgruppe Nord abkommandieren, um ihr dabei zu helfen, die russischen Armeen im Ostseeraum einzuschließen. Erst nach Sicherstellung dieser vordringlichsten Aufgabe, welche die Besetzung Leningrads einschloss, sollten die Angriffe gegen Moskau fortgeführt werden.

Der Beginn des Unternehmens „Barbarossa“ war für Juni 1941 geplant.

Mein Vater gehörte also der Heeresgruppe Nord an. Pünktlich um 3 Uhr nachts setzte das Trommelfeuer ein.

Als das Trommelfeuer unserer Artillerie aufhörte und das MG-Feuer deutlicher wurde, da wusste ich, jetzt setzen die Infanterie und Panzerverbände über die Grenze. Unsere Jungs von der Artillerie und die Fernsprecher haben ihre Schuldigkeit getan, sie haben jetzt Feuerpause. Wie mag ihnen wohl zu Mute sein? Ob sie wohl damit einverstanden sind, was sie machen, oder ob sie dieses Vorgehen verabscheuen. Genau so wie es viele der Soldaten tun werden, die hier im Osten an der Grenze stehen.

Ich war bei diesem ersten Einsatz nicht dabei, genauso wie die gesamte Besatzung des B-Wagens, dem ich angehörte. Für den ersten Leitungsbau hatte der Staffelführer seine alten Fernsprecher genommen. Wir waren die Reserve für den nächsten Bau.

Gegen 8 Uhr war es dann so weit; das Gepäck wurde verladen und die Fahrzeuge wurden fahrbereit gemacht. Kurz darauf ging es dann los. Wir ließen uns fahren. Unser B-Wagen reihte sich ein und fuhr der Kolonne nach. Es ging unentwegt nach Osten, durch einen Wald auf schmalen Schneisen. Der Wagen holperte und wir mussten uns ganz schön festhalten. Es ging von einem Schlagloch ins andere. Nach einer Weile sahen wir unsere Geschütze. Der Wagen musste halte, denn es berieten sich unsere Offiziere mit den Wachtmeistern.

Dann ging es weiter Richtung Osten. Zuerst fuhr der Batterietrupp, dem sich auch unser B-Wagen anschloss. Die Tross-Fahrzeuge blieben vorerst noch stehen. Loser Sand und Steigungen erschwerten die Fahrt. Die Zugmaschinen und die schweren LKWs hatten den Waldboden zermahlen. Wir mussten oft längere Zeit halten, denn unsere Zugmaschinen mussten die schweren LKWs herausziehen. Allerhand Kraft war erforderlich, denn es gab ja keine Wege. Diese schmalen Schneisen hatten unsere Pioniere vorher geschlagen, sonst wäre ein Durchkommen nicht möglich gewesen.

Plötzlich standen wir an der Grenze. Ein breiter, abgeholzter Streifen teilte den Wald in zwei Hälften. Die Mitte des Niemandslandes war durch einen Drahtverhau gekennzeichnet. Dieser war bereits an mehreren Stellen weggeräumt worden. Tiefe Fahrspuren verrieten, dass hier schon viele Fahrzeuge hindurch gefahren waren. Wir fuhren jetzt ebenso auf sowjetischen Boden. Die Bevölkerung sah uns teilweise sehr neugierig an, teilweise ließ sie uns gleichgültig vorbeiziehen.

Am 23. Juni bezogen wir unsere zweite Feuerstellung. Der Batterietrupp und die Nachrichtenstaffel waren beisammen. Dagegen waren der Tross und die Küche weit zurückgeblieben. Die Batterie bezog Stellung und wir Fernsprecher legten Leitung. Leutnant Liegner war mit seinem PKW mit 2 Funkern und dem Fahrer weit vorausgefahren, um sich einen geeigneten Platz als vorgeschobener Beobachter, VB, auszusuchen. Der Oberleutnant war schon ungeduldig, als er sich nach einer Stunde immer noch nicht meldete. Ebenso fehlte von der Küche jede Benachrichtigung.

Der Kradfahrer, der die Küche suchen sollte, kam ohne Ergebnis wieder zurück. Zum Teufel nochmal! fluchte der Batteriechef, was ist denn da bloß los?

Schnell wurde eine provisorische Beobachtungsstelle eingerichtet und wir legten Leitung. Rund um die Feuerstellung standen alle verfügbaren Leute die ganze Nacht Posten.

Am 24. Juni bekamen wir das erste Mal Feindberührung. Am Vormittag kam der zweite Koch ganz aufgeregt in die Feuerstellung gelaufen. Er hatte die Mütze verloren und sein Haar hing ihm wild ins Gesicht. Er hatte weder Koppel, noch Gewehr, noch Stahlhelm und war völlig verwirrt. Stockend berichtete er dem Batteriechef: Die Küche sei auf dem Weg durch den Wald überfallen worden. Der Fahrer sei tot und der Koch sei schwer verwundet worden. Der Küchenwagen stehe noch im Wald.

Sofort musste ein Fahrer mit einer Zugmaschine und zehn Mann losfahren, um den Küchenwagen abzuschleppen. Kaum war diese Abordnung mit dem Küchenwagen eingetroffen, da tauchten auf einmal sowjetische Panzer in der Feuerstellung auf. Die Kanoniere erschraken und waren völlig kopflos. Die Fahrer, die gerade Munition abgeladen hatten, wollten blitzschnell die Feuerstellung verlassen. Ein Teil der Kanoniere rannte hinterher und wollte auf die Fahrzeuge klettern.

Zwei junge Geschützführer waren jedoch geistesgegenwärtig; sie hielten ihre Bedienungen zusammen. Sie schossen im direkten Beschuss auf die Panzer und machten einen davon bewegungsunfähig. Sofort kamen neue Panzer. Die Geschützführer nahmen sie aufs Korn und schossen einen davon ab. Das andere Geschütz traf nicht, der Panzer kam näher. Schießen war nicht mehr möglich. Die Bedienung musste sich in Sicherheit bringen. Sie suchten volle Deckung.

Der Panzer, aus dem nicht ein Schuss abgegeben wurde, kam immer näher auf das Geschütz zu. Er fuhr über die Holme, blieb stecken, drehte und fuhr nochmal an. Er schien sich vollkommen festgefahren zu haben. Auch die Männer des ersten Geschützes waren in Deckung gegangen. Es gelang dem Panzer aber doch noch, loszukommen und er verließ die Feuerstellung. Es entstand eine kleine Pause und die Kanoniere sahen sich den Schaden an.

Da tauchten nacheinander zwei weitere Panzer auf. In fieberhafter Eile rannten die Kanoniere an das andere Geschütz. Richten, laden und feuern, alles ging jetzt sehr schnell. Ehe man sich versah, war der erste Panzer kampfunfähig. Der andere war von dem ersten Geschütz aufs Korn genommen worden, mit gutem Erfolg. Auch er lag kampfunfähig in der Feuerstellung. Das war die Bilanz eines einzigen Tages:

Vier sowjetische Panzer lagen kampfunfähig in der Feuerstellung. Ihre Besatzungen waren die ersten Gefangenen, die die Batterie machte. Was mit ihnen geschah? Keine Ahnung!

Überall sprach man von der Dreistigkeit sowjetischer Panzer. Jetzt traf auch der Kradmelder ein, der bisher nach dem vermissten Fahrzeug des Leutnants gesucht hatte. Völlig niedergeschlagen überbrachte er dem Batteriechef die Meldung. Er berichtete dem Chef nur stockend: Wagen von Herrn Leutnant Liegner gefunden. Weiter kam er zunächst nicht. Und weiter! befahl der Batteriechef. Alle vier sind tot.

Wie ist das möglich? wollte der Chef wissen. Der Wagen ist ausgebrannt, der Fahrer sitzt noch am Steuer. Der Batteriechef wurde immer nervöser. Erzählen Sie doch weiter. Der Herr Leutnant und die beiden Funker haben das Fahrzeug noch verlassen können, sind aber nicht weit gekommen. Sie sind von Kugeln getroffen worden. Fahren Sie mich sofort dorthin! befahl der Chef. Ein leichter LKW wurde fertiggemacht und ein Kommando fuhr mit dem Chef dorthin, um die ersten Gefallenen zur Batterie zurückzuholen.

Das war ein gewaltiger Schlag. Fünf Tote und einen Schwerverwundeten an einem Tage und das so kurz nach dem Beginn des Feldzuges. Dazu noch die Panzer in der Feuerstellung. Was hatte das zu bedeuten? Sicher war das kein gutes Omen.

Zu den Gefallenen konnte man sagen: Besser, wer am ersten Tage fällt, als am letzten. Denen ist vieles erspart geblieben.

1000 Tage an der Ostfront

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