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Monsieur Nebenstaub Die böse Konkurrenz
ОглавлениеLeider ist es gar nichts neues, daß sich, wenn Straßen-Räubereien, Mord und Todschlag entstehen, man die Thäter bekömmt und sie nach den Gesetzen von dem Leben zu dem Tode gebracht werden, daß sich einer oder der andere im Publico findet, welcher nicht nur die Mord-Geschichten drucken läßt sondern auch solche Sachelchen auf das Tapet bringt, aus welcher keine Seele klug werden kann. Berlin hat jetzt eben dasselbe Schicksal. Der berüchtigte Schlächter-Knecht, Straßen-Räuber und Mörder Christian Lenz gab dazu die erwünschteste Gelegenheit.
Kaum war er in Verwahrung, so erschien seine Gefangennehmung und Lebensbeschreibung nebst Bildnisse in dem Drucke. Nicht das ich so etwas mißbillige, nur bin ich der Meinung, daß ein solches fliegendes Blatt in einer guten fließenden Schreibart dem Volke vorgelegt und mit einer guten Morale geschlossen werden soll. Geschieht dieses nicht, so wird der Haupt-Endzweck verfehlt. Außer mehreren Wischen, welche diese Zeit her mit vielen Geburts-Schmerzen des Tageslicht erblickten, kam vor etlichen Wochen vorzüglich eine heraus, welche sondergestalt betitelt war:
„Schauderndes Selbst-Bekenntniß und warnendes Gespräch des mit schweren Raube und Blute befleckten Standes Christian Lenz, gegen seinen um ihn herum und vorüber wandernden Nebenstaube, wie er in Fesseln und Banden durch Seelen müsse und Zeitraum in eine stille Selbstbetrachtung gerathen.“ - ein gemeinnütziges Blatt. Herausgegeben von dem Verfasser der Gefangennehmung und Lebensbeschreibung. Berlin 1789.
Jeder, welcher einen hohen Gedanken von Berlin und das mit allem Rechte hat, und nur den Titel dieser Broschüre lieset, wird in der That ganz sonderbare Begriffe bekommen. Überwindet er sich, gar sie zu lesen, so ist es ihm nicht zu verdenken, wenn er ausruft:
»O, Jerusalem! O, Jerusalem! - O, Berlin! O, Berlin!«
Ich habe in meinem Leben viel elendes Geschmier gelesen, aber wirklich noch kein elenderes als eben dieses schaudernde Selbst-Bekenntniß:
»Nebenstaub! Erbebe! - Erstaune! - Erzittre!«
Ein fieberhaftes Krampfen und Schauer durchwalle deine Adern und durchzucke deine Nerven, da dich ein Lenz anredet - So beginnt der Verfasser seine Schrift. In solchem Tone fährt sie fort, und wechselt mit Versen ab. Erbärmliche Prose, noch erbärmlichere Verse! Ein wahres Gemengsel von Unsinne! Wahrlich muß der Verfasser sein Selbst-Bekenntniß in einem Anfalle von hitzigen Fieber niedergekleckset haben. Denn ein Mensch mit gesunder Vernunft kann unmöglich solche Tollheiten träumen, noch weit weniger niederschreiben.
Dessen ungeachtet gab es einige und zwar solche, welche sogar auch gelehrt seyn wollen, und fanden das Selbst-Bekenntniß recht erbaulich und wunderschön:
Ubi est judicium? (lat., im Sinne - Wo ist das Bekenntniß?)
O, heilige Vernunft behaupte doch deine Rechte! Lasse nicht deine Fackel erlöschen, damit wir nicht wieder so in Finsterniß herumtappen müssen, wie wir vor Jahrhunderten herumgetappt haben! Amen! -
Ob ich denn gar nichts vom Lenz schreiben werde? — Ich hab ja schon etwas geschrieben. — Freilich wohl, aber habe ich nicht doch noch mehr versprochen und bis jetzt nichts weiter geliefert. Nur Geduld, lieben Bürger? Ich soll euch alles erklären. So bald eine solche scheußliche Mord-Geschichte vorfällt, so muß sie allerdings in dem Volksblatte, (es versteht sich von selbst, daß während dieser Zeit eines geschrieben wird) berührt werden. Des Volks-Schreibers, also meine Pflicht aber ist, daß ich nichts als wirkliche wahrheitsvolle Begebenheiten aufzeichne. Weiter vorn wurde über Lenz dasjenige geschrieben, was damahls mit Gewißheit angegeben werden konnte. Ich versprach zwar mehr von dieser Catastrophe anzuzeigen. Es unterblieb, nicht das Publicum vergeblich aufmerksam gemacht zu haben, sondern erst abzuwarten, ob ich auch wirkelich etwas, welches sich nur auf die reinste Wahrheit gründet, mittheilen kann.