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Anmerkungen
ОглавлениеAuch für diesen zweiten Brief Moritz Hensoldts gilt das zu Beginn Gesagte: es wird nichts Besonderes erzählt. Soeben ist der junge Mann in Saalfeld angekommen und legt, wie im ersten Brief, seiner Sendung getragener Kleidung einen Brief bei, eine Methode, den Eltern Briefporto zu sparen, die damals vom Empfänger zu zahlen war.
Von der Reise, vemutlich als Beifahrer auf einem Fuhrwerk, ist ihm wieder garstig, also übel geworden, jetzt stört er sich an den Zuständen in der Werkstätte Wiskemanns, erzählt vom Erwerb einer Zuckerzange für die Mutter und teilt am nächsten Tag dem Vater mit, wieviel es kostet, das Rippelsche Familienwappen zu malen.
Bild 9: Gesamtansicht von Saalfeld, Anon. Kupferstich um 1800
Der junge Mann ist mittlerweile 18 Jahre alt und im dritten Lehrjahr. Zwischendurch, wie jetzt gerade, verbringt er auch etwas Zeit bei den Eltern im nahen Sonneberg. Weihnachten und Neujahr waren gewiss ein Anlass, vielleicht auch das Warten auf eine günstige Mitfahrgelegenheit, die ihn erst heute, an einem Sonntagnachmittag des 12. Januar 1840 in Saalfeld ¼ vor 2 ankommen lassen.
Die geringe Distanz zwischen Sonneberg und Saalfeld von etwa 23 km vermag auch zu erklären, warum aus diesen ersten Jahren nur zwei Briefe erhalten sind. Gewiss hat der Sohn die Strecke häufig zu Fuß oder mit Hilfe eines Fuhrwerks bewältigt, und wenn man sich sieht, muss man keine Briefe schreiben.
Wer von Sonneberg aus startet, hat hierzu das sogenannte Oberland am Rennsteig, danach das Thüringer Schiefergebirge mit Höhen zwischen 647 m bei Neufang und 835 m bei Lauscha in nördlicher Richtung zu „überwinden”, wobei die Strecke über Ortschaften wie Steinach, Lauscha, Neuhaus am Rennsteig, Lichte, Schmiedefeld und Reichmannsdorf führt, bis man, ganz plötzlich, das Saaletal mit Saalfeld als großartiges Panorama vor sich liegen sieht.
Ein Kupferstich aus dem späten 18. Jahrhundert zeigt das Panorama der Stadt mit der Saaleschleife im Vordergrund, so, wie es sich dem Reisenden noch zu Hensoldts Zeiten gezeigt haben wird.
Wieder befinden wir uns in den Unterkunfträumen der alten Münzstätte, wo Moritz seinen Brief verfasst. Herrn Dr. Henning verdanke ich die Information[17],dass die Saalfelder Münzstätte 1846 aufgelöst worden ist, was nahelegt, dass nach dem Tode Wiskemanns Ende 1843, s.u., Titel und Auftrag des Münzmechanicus nicht mehr vergeben worden sind[18].
Einiges spricht dafür, dass es in der Werkstatt seines Lehrherren „hoch herging”, wie anders soll man erklären, dass der von Moritz als liederlich bezeichnete Kaisers August gleich mit dem ihm vorher unbekannten Lehrherren, zumindest Vorgesetzten Wiskemann Brüderschaft getrunken hat?
Bild 10: Saalfeld, Schrifttafel am Alten Schloss
Hierfür ein weiteres Indiz ist zweifelsohne eine Notiz aus dem „Gemeinnützigen Wochen-und Anzeigeblatt für das Fürstenthum Saalfeld vom 29.03.1845“[19]:
„Edictalladung. Da der Altersvormund der Kinder des verstorbenen Münzmechanicus Georg Andreas Wiskemann allhier den überschuldeten Nachlaß desselben seinen Gläubigern abgetreten hat, so ist hierüber die Eröffnung des Konkursprozesses beschlossen [...]“.
Wiskemann ist am 29.10. 1843, also etwa 3 ½ Jahre nach diesem Brief, im Alter von 42 Jahren verstorben[20] und hat neben einem überschuldeten Nachlaß unmündige Kinder hinterlassen.
Im Übrigen muss „der liederliche Kaisers August“ dem Vater bekannt sein, bzw. der Sohn von diesem erzählt haben — Eigennamen nennt der Sohn in seinen Briefen höchst selten.
Wieso (und nach was!) man sich in Paulinzella nach dem Dienst umsehen konnte, war nicht zu ermitteln, die beiden hier genannten Dörfchen Wallendorf und Eyba liegen am Wege zwischen Sonneberg und Saalfeld, Wallendorf kurz nach Neuhaus, Eyba bei Volkmannsdorf, kurz vor Saalfeld[21].
Paulinzella hingegen liegt nordöstlich von Saalfeld und gehörte zu einem anderen Herzogtum, dem von Schwarzburg-Rudolstadt.
Fasst man die Fakten zusammen, spricht manches dafür, dass der Briefschreiber hier irrte und das Schwarzburgische Paulinzella mit dem Meiningenschen Probstzella verwechselte, das wenige Kilometer östlich von Wallendorf gelegen ist, dem gleichen Herrschaftsbereich wie Saalfeld und Sonneberg angehörte und auch ob seiner Größe eher in Frage kam als Paulinzella[22]. Einschreiben könnte bedeuten: für den „Militairdienst“ melden, worüber noch zu berichten sein wird.
Die Mutter hatte sich eine neue silberne Zuckerzange gewünscht. Um sie günstig zu erwerben, hatte der Sohn eine ältere Zange, nebst einigen Silberlöffeln in Zahlung gegeben — und lässt uns sogleich Einblick nehmen in das komplizierte Zahlungssystem vergangener Zeiten: die Ehefrau des Silberschmiedes Rupp hatte Moritz noch 8 Xer, also Kreuzer, oder 2 Silbergroschen darauf zahlen lassen, diese hat er am nächsten Tage von Herrn Rupp zurückbekommen, in Zeiten, in denen das Material mehr wert war, als menschliche Arbeit. Kosten sollte die Zange 2 rth[23] also 2 Reichstaler und 20 Silbergroschen. Welchen Wert dieses Geld hatte, kann man den damaligen Preisen für Nahrungsmittel entnehmen.
Eine entsprechende Umrechnungstabelle enthält das Buch des Vaters Hensoldts, Heinrich Christoph Hensoldts[24], darin sind auch Preise für Viktualien für das Jahr 1842 aufgeführt. (vgl. Anhang).
Heute ist es eher unüblich, sich an den Preisen für das Viertel Korn, Weizen oder Gerste zu orientieren. Jedoch hat man eine genauere Vorstellung davon, wieviel Schweine-oder Rindfleisch kostet. So habe ich eine Umrechnung auf Rind- oder Schweinefleischbasis angestellt und erstaunt festgestellt, dass seinerzeit Schweinefleisch deutlich teurer war als Rindfleisch (Ochsenfleisch), Kalbfleisch am niedrigsten, Rind- bzw. Ochsenfleisch hingegen damals wie heute ähnlich hoch bewertet wird. Rechnet man den Preis der Zuckerzange (2 rth, 20 Gr) auf 232,5 Kreuzer um und bewertet dann auf der damaligen "Ochsenfleischbasis" (18 Kreuzer das Kilo), hätte man knapp 13 kg Ochsenfleisch dafür kaufen können. Und rechnet man 10 Euro heutigen Geldes auf das Kilo Ochse, müsste man für diese Zuckerzange heute 130 Euro zahlen — Woran wir erkennen: das Fleisch ist teurer, das Silber etwas billiger geworden.
Eine Familie Rupp gibt es heute in Saalfeld nicht mehr. 1881 hat noch ein Goldarbeiter namens Wilhelm Rupp in Saalfeld gelebt, der fünf Jahre später als Arbeiter in einer Nähmaschinenfabrik genannt wird[25].
Den Preis für das Malen des Rippelschen Familienwappens gibt Moritz mit 1 rth 2 fl 2rth an — wobei mit großer Sicherheit, dies jedenfalls ist auch die Meinung des Mitlesenden dieser Zahlen- und Währungsangaben des Direktors der Saalfelder Museen, Dr. Dirk Henning, nach den 2 fl (die für Fl=Florin=rheinische Gulden stehen), ein „bis“ oder „oder“ stehen müßte[26]. Hier ist auch Herrn Hennings Mitteilung interessant, dass im Saalfelder Gebiet um diese Zeit Taler und Groschen als Kurantgeld, also im Umlauf befindliches Geld, der Gulden hingegen nur als Rechengröße dienten. Moritz Hensoldts Vater schreibt jedoch in seinem Buch über Sonneberg[27]:“[...].die hier gebräuchlichen Rechengeldsorten, von welchen aber nur die rheinischen Gulden, Kreuzer und die Kurrentpfennige, sowie die preussischen Thaler, wirklich vorhandene Münzen sind“. Was bedeutet, dass in Saalfeld der Gulden nur Rechengröße, im nahen Sonneberg hingegen auch Kurantgeld war, der Groschen wiederum in Saalfeld als Münze, in Sonneberg hingegen als bloße Rechengröße diente.
Angesichts dieses Wirrwarrs an Zahlungsmitteln, im Übrigen auch von Maß-und Gewichts-Einheiten, die zum Teil auch noch rein fiktiv waren und deren Anwendung von Fürstentum zu Fürstentum, ja häufig sogar von Städtchen zu Städtchen[28] wechselten, kann man im Zeitalter von — dezimal errechneten — Mark und Pfennigen und jetzt gar des Landesgrenzen überschreitenden Euro nur erleichtert aufatmen.
Hensoldts Geschichte zu den Ellen lautet:
„Wwenn man noch vor kurzem in einigen Rath- und Gemeindhäusern die zum Marktgebrauch bestimmten, mit den Stadtwappen gezierten Ellen, nebeneinander legte, erhielt man eine hübsche Reihe, die wie Orgelpfeifen in der Länge zu und abnahm.“
Dieser Brief trägt im Übrigen, wie einige der hier vorgestellten, väterliche Vermerke: bei diesem findet sich ein solcher auf dem Adressfeld und notiert, neben Moritz Namen und Saalfeld, wie im ersten Brief, das Datum des Absendens, nicht das des Empfangs (nämlich den 12.01.40). Gewiss ist der von anderer Hand erfolgte Eintrag auf der anderen Umschlagseite des Briefes, „An das ehrsame Flaschnerhandwerk in Altenburg“ nicht in einen Zusammenhang zu bringen mit dem Brief- und Kistcheninhalt.