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8. Verstümmelung weiblicher Genitalien (§ 226a StGB)

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237Nach dem Mitte 2013 eingeführten Straftatbestand des § 226a StGB wird mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr bestraft (Verbrechen!), wer die äußeren Genitalien einer weiblichen Person verstümmelt. Der Anwendungsbereich der Norm ist auf die äußeren Genitalien beschränkt[409], um medizinisch indizierte Eingriffe an inneren Organen wie der Gebärmutter oder den Eierstöcken von vornherein auszunehmen.[410] Durch die Verwendung des Begriffs der »weiblichen Person« sind sowohl Mädchen als auch erwachsene Frauen vom Schutzbereich der Norm umfasst. Systematisch handelt es sich um eine Qualifikation des § 223 StGB.[411]

238|105|Anlass für die Einführung des neuen Straftatbestandes ist die weltweit, vor allem in afrikanischen Ländern noch heute praktizierte Tradition, die äußeren Geschlechtsorgane von Mädchen und Frauen zu »beschneiden«. Durch Migrationsbewegungen aus den entsprechenden Ländern kommt es auch auf dem Gebiet der Bundesrepublik zu derartigen Eingriffen[412]. Belastbare Zahlen über dieses Phänomen existieren nicht, allerdings schätzt die Hilfsorganisation »Terre des Femmes«, dass 2012 knapp 6.000 Mädchen und junge Frauen in der Bundesrepublik von Genitalverstümmelung bedroht waren.[413] Die Einführung des § 226a StGB wurde zum Teil kritisiert, da angesichts der anwendbaren §§ 223ff. StGB keine Schutzlücke bestünde und es sich u.a. deshalb um rein symbolisches (und damit eigentlich überflüssiges) Strafrecht handele.[414]

239Die Weltgesundheitsorganisation unterscheidet vier Formen der Genitalverstümmelung: Die teilweise oder vollständige Entfernung des äußerlich sichtbaren Teils der Klitoris und /oder der Klitorisvorhaut; die teilweise oder vollständige Entfernung des äußerlich sichtbaren Teils der Klitoris und der inneren Schamlippen mit oder ohne Beschneidung der äußeren Schamlippen; die Verengung der Vagina mit Bildung eines deckenden Verschlusses, indem die inneren und /oder die äußeren Schamlippen aufgeschnitten und zusammengefügt werden sowie alle weiteren Verletzungen der weiblichen Genitalien, die nicht medizinisch begründet sind, z.B. das Einstechen, Durchbohren, Einschneiden oder Abschaben von Genitalgewebe und das Ausbrennen oder Verätzen der Klitoris.[415] Sämtliche dieser Erscheinungsformen fallen unter den Gesetzesbegriff des Verstümmelns.[416] Er wird definiert als das gewaltsame Kürzen, schwere Verletzen, Entstellen oder übel Zurichten der äußeren Genitalien.[417] Von vornherein nicht erfasst sein sollen hingegen Intim-Piercings oder Schönheitsoperationen an den äußeren Geschlechtsorganen.[418]

240Die Rechtswidrigkeit könnte bei der Genitalverstümmelung – wie bei allen Körperverletzungsdelikten – wegen der Einwilligung der betroffenen Person gem. § 228 StGB entfallen. Erziehungsberechtigte können aber nicht wirksam einwilligen, da die Verstümmelung gegen das Kindeswohl verstößt (vgl. § 1631 Abs. 2BGB).[419] Den Minderjährigen selbst fehlt es an der erforderlichen Einsichtsfähigkeit.[420] Bei volljährigen, freiwillig einwilligenden Frauen müsste hingegen ein Verstoß gegen die guten Sitten (§ 228 StGB) vorliegen, |106|um trotz Einwilligung die Rechtswidrigkeit zu bejahen. Der Gesetzgeber geht davon aus, dass Genitalverstümmelungen stets sittenwidrig sind, begründet dies aber nicht weiter.[421] Berücksichtigt man die herrschende Auslegung des § 228 StGB in anderen Zusammenhängen, überzeugt diese Position nicht. Zu Recht wird für die Beurteilung der Sittenwidrigkeit primär auf das objektivierbare Kriterium der (Lebens)Gefährlichkeit der Verletzungshandlung abgestellt. Eine Genitalverstümmelung ist aber – jedenfalls wenn sie von einem Arzt durchgeführt wird – regelmäßig nicht lebensgefährlich. In solchen Fällen lässt eine Einwilligung der Betroffenen daher die Strafbarkeit entfallen.[422]

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