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9. Leitentscheidungen

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241LG Berlin, BeckRS 2010, 02070[423]; Durchsetzung der Ordnungsmaßnahme einer Lehrerin durch Ergreifen des Schülers; Züchtigungsrecht; Erheblichkeitsschwelle des § 223 StGB: Eine Lehrkraft weist ihren Schüler an, wegen seines Fehlverhaltens den Raum zu verlassen. Nachdem der Schüler dem nicht nachkommt, packt sie ihn am Arm und führt ihn aus dem Klassenzimmer. Durch den Griff entstanden Hämatome und der Schüler erlitt Schmerzen. – Das LG Berlin lehnte die Eröffnung des Hauptverfahrens ab, da die Erheblichkeitsschwelle des § 223 StGB nicht überschritten sei. Zudem habe es sich nicht um eine Züchtigung gehandelt, sondern um die Durchsetzung einer Ordnungsmaßnahme.

242BayObLG, NJW 1999, 372; Sittenwidrigkeit einer Einwilligung in die Körperverletzung durch Dritte: Das Aufnahmeritual einer Jugendgang besteht darin, dass der Anwärter sich zwei Minuten lang von drei Gangmitgliedern schlagen und treten lassen muss. Der Bewerber darf sich wehren und jederzeit einen Abbruch des Rituals verlangen. Ein 15-jähriger unterzog sich dieser Behandlung freiwillig, um in die Gang aufgenommen zu werden, und erlitt erhebliche Verletzungen. Die Gangmitglieder hatten auch gegen den Kopf getreten und nicht mit den Attacken aufgehört, als der 15-jährige bereits am Boden lag. – Das BayObLG ging davon aus, dass die Tat sittenwidrig und damit gem. § 228 StGB nicht einwilligungsfähig war. Das Ritual sei insbesondere nicht vergleichbar mit einem sportlichen Wettkampf, da der 15-jährige den drei Tätern massiv unterlegen gewesen sei und es an Schutzvorrichtungen gefehlt habe.

243BGHSt 53, 55[424];Einwilligung in Todesgefahr hat keine rechtfertigende Wirkung: Vier junge Männer verabreden sich zu einem illegalen Autorennen auf einer vierspurigen Bundesstraße. Sie fahren mit zwei Autos, jeder ist abwechselnd Fahrer oder Beifahrer. Bei einem sehr riskanten Überholmanöver kommt es zu einem schweren Unfall, einer der Männer, der auf dem Beifahrersitz |107|saß, stirbt. – Der BGH bejahte eine fahrlässige Tötung. Er stellt zunächst fest, dass es sich nicht um eine eigenverantwortliche Selbstgefährdung handelte (dann entfiele die objektive Zurechenbarkeit des Taterfolgs), da der Verstorbene als Beifahrer nicht die Herrschaft über das Geschehen hatte. Auch eine Rechtfertigung gem. § 228 StGB komme nicht in Betracht, weil eine Einwilligung in eine Todesgefahr gegen die guten Sitten verstoße und unwirksam sei. Dafür sei es unerheblich, dass die Todesgefahr sich sogar realisiert hatte.

244BGH NStZ 2006, 506[425]; Stoffe des alltäglichen Bedarfs als andere gesundheitsschädliche Stoffe iSd. § 224 Abs. 1 Nr. 1 StGB: Ein vierjähriges Mädchen schüttet versehentlich Salz statt Zucker in seinen Pudding. Zu »erzieherischen Zwecken« zwingt seine Mutter es, den Pudding dennoch zu essen. Sie weiß nicht, dass Kochsalz bereits ab einer niedrigen Dosierung zum Tode führen kann. Das Mädchen stirbt an der Kochsalzvergiftung. – Das Landgericht hatte die Mutter lediglich wegen einfacher Körperverletzung verurteilt. Der BGH änderte den Schuldspruch und erkannte auf gefährliche Körperverletzung gem. § 224 Abs. 1 Nr. 1 Var. 2 StGB. Die Norm erfasse auch Stoffe des täglichen Bedarfs, wenn ihre Beibringung mit der konkreten Gefahr einer erheblichen Schädigung im Einzelfall verbunden ist. Dass die Mutter sich einer Todesgefahr nicht bewusst war, sei dafür unwesentlich, da sie jedenfalls eine vorübergehende gesundheitliche Schädigung des Kindes in Kauf genommen habe.

245LG Bonn, BeckRS 2012, 03545[426]; Gezieltes Anhauchen eines Anderen mit Zigarettenrauch stellt bereits körperliche Misshandlung und Gesundheitsschädigung iSd. § 223 Abs. 1 StGB dar: Der Angeklagte hatte einen Polizeibeamten, der vor seiner Haustür stand, den Rauch seiner Zigarette ins Gesicht geblasen, der mit »spürbar feuchter, d.h. mit Spuke-Partikeln [sic] versetzte[r] Atemluft« verbunden war. Der Beamte schlug den Mann daraufhin schmerzhaft ins Gesicht. – Das LG sprach den wegen Körperverletzung im Amt angeklagten Polizisten frei. Er habe in Notwehr gehandelt, da es sich bei dem »Anhauchen« um eine Körperverletzung gehandelt habe. Das Anblasen mit Zigarettenrauch und Spuckeanteilen gegen das Gesicht sei über die Grenze hinzunehmender Bagatellen hinaus geeignet, das körperliche Wohlbefinden und die Gesundheit zu beeinträchtigen. Die Gesundheitsbeeinträchtigung resultiere dabei sowohl aus den karzinogenen Anteilen des Zigarettenrauches als auch aus den potentiellen Viren und Bakterien in der Körperflüssigkeit »Spucke«.

Strafrecht Besonderer Teil

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