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I. Geschichte

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Die Entwicklung des modernen Bauplanungsrechts wird heute allgemein als eine Reaktion auf die städtebauliche Situation im Liberalismus des 19. Jahrhunderts betrachtet. Industrialisierung und – damit verbunden – hoher Siedlungsdruck führten zu einem schnellen Wachstum der Städte[1]. Die gleichzeitige Anerkennung einer weitgehenden Baufreiheit, die ihren wohl deutlichsten Ausdruck im Kreuzberg-Urteil des Preußischen Oberverwaltungsgerichts vom 14.6.1882[2] fand, führte zu einer städtebaulichen Situation, auf die mit dem zur Verfügung stehenden Instrumentarium des Polizeirechts nicht mehr angemessen reagiert werden konnte. In der Folge kam es zu ersten Regelungen der städtebaulichen Planungen[3], die als Ausgangspunkt der Entwicklung zum modernen Bauplanungsrecht betrachtet werden können[4]. Mit dieser Entwicklung war zugleich die Aufspaltung des öffentlichen Baurechts in das Bauordnungsrecht und das Bauplanungsrecht bedingt. Diese hat der Verfassungsgeber in die Regelung der Gesetzgebungskompetenzen des GG aufgenommen und das Bundesverfassungsgericht in seinem Baugutachten vom 16. Juni 1954[5] vorgefunden und bis heute verbindlich festgeschrieben. Allerdings ergeben sich zwischen Bauplanungs- und Bauordnungsrecht vielfältige Berührungspunkte und Überschneidungen. Dies rührt – auch – daher, dass viele Bereiche des heutigen Bauplanungsrechts historisch zunächst im Baupolizeirecht geregelt waren und erst nach der Herausbildung des Bauplanungsrechts als eigenständiger Rechtsbereich in diesen übernommen wurden[6].

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Die Entwicklung des Bauplanungsrechts gemäß der Kompetenzordnung des GG beginnt 1960 mit dem Erlass des Bundesbaugesetzes (BBauG), mit dem der Bundesgesetzgeber erstmals umfassend von seiner in Art. 74 Abs. 1 Nr. 18 GG („Bodenrecht“) enthaltenen Kompetenz zur Regelung der städtebaulichen Planung Gebrauch gemacht hat. Dabei weist diese Gesetzesmaterie seit ihrer Entstehung eine hohe, dem Gegenstand – vor dem Hintergrund der Langfristigkeit der zu treffenden Entscheidungen – auch angemessene Kontinuität auf. Wesentliche Strukturelemente wie die Bauleitplanung oder die Regelung der planungsrechtlichen Zulässigkeit von Vorhaben im beplanten und nicht beplanten Innen- sowie im Außenbereich sind im Kern unverändert geblieben. Neben das BBauG trat 1971 das Städtebauförderungsgesetz (StBauFG)[7] als Reaktion darauf, dass die bauplanungsrechtlichen Regelungen des BBauG für die Bewältigung der städtebaulichen Anforderungen nicht ausreichten[8]. 1987 wurden beide Gesetze durch das BauGB ersetzt, das nunmehr eine umfassende Regelung des Städtebaurechts enthielt.

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Aber nicht nur die formale Zusammenfassung zu einem umfassenden Recht des Städtebaus kennzeichnet die Entwicklung des BauGB. Zugleich erfolgte auch eine inhaltliche Ausweitung des Bauplanungsrechts, das sich in zunehmendem Maße mit nicht im Kern städtebaulichen, aber durch den Städtebau berührten Themenfeldern beschäftigt. Beispielhaft kann hier die Entwicklung des Umweltschutzes zu einem Ziel der Bauleitplanung hervorgehoben werden. Zwar lagen auch bereits dem BBauG von 1960 Erwägungen zugrunde, die dem Bereich des Umweltschutzes zuzuordnen waren. So stellen etwa der bereits in der BauNVO 1962 verkörperte Trennungsgrundsatz oder die weitgehende Freihaltung des Außenbereichs von Bebauung im Kern auch Antworten auf Fragen des Umweltschutzes dar. Explizit äußerte sich das Gesetz jedoch erst seit seiner Novellierung im Jahr 1976 zu diesem Thema. Seitdem hat sich die Bauleitplanung auch zu einem Instrument des Umweltschutzes entwickelt[9]. Dies kommt zum einen in entsprechenden inhaltlichen Vorgaben zum Ausdruck. So haben vier der sechs in § 1 Abs. 5 BauGB formulierten Planungsziele einen ausdrücklichen Umweltbezug und die Benennung von Umweltschutzbelangen als in der Abwägung zu berücksichtigende Interessen in §§ 1 Abs. 6, 1a BauGB hat erheblichen Umfang. Zum anderen ist das Bauleitplanverfahren insbesondere mit der Novellierung 2004 deutlich auf die Verwirklichung von Umweltschutzinteressen ausgerichtet worden.

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Das Bauplanungsrecht ist auch geprägt von städtebaulichen Leitbildern, die ihren Ausdruck insbesondere in der BauNVO finden. Die BauNVO war jedenfalls in ihrer ursprünglichen Fassung und ist überwiegend auch heute noch geprägt durch das Leitbild einer aufgelockerten, funktionsgetrennten Stadt, das zurückgeht auf die Charta von Athen von 1933[10]. Allerdings verfolgt der Gesetzgeber heute auch andere Entwicklungslinien, wie die Betonung der Innenentwicklung etwa in § 1 Abs. 5 S. 3 BauGB zeigt. Ein Beispiel aus jüngster Zeit ist die Einführung des urbanen Gebiets in § 6a BauNVO, das dem Leitbild der nutzungsgemischten Stadt der kurzen Wege folgt[11], das wiederum auf die Leipzig-Charta zur nachhaltigen europäischen Stadt zurückgeführt wird[12]. Allerdings ist nicht zu übersehen, dass sich diese Neuerung auf die Einführung eines neuen Gebietstyps in einer ansonsten in ihren Grundstrukturen unveränderten BauNVO beschränkt. Weiterhin ist zu konstatieren, dass der Gesetzgeber nicht einem städtebaulichen Leitbild konsequent folgt. Ansonsten wäre die Ausweitung des beschleunigten Verfahrens durch § 13b BauGB, der dem Ziel der Innenentwicklung (§ 1 Abs. 5 S. 3 BauGB) entgegenwirkt, nicht zu erklären.

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Eine besondere Rolle in der Entwicklung des Bauplanungsrechts spielen die sogenannten Flüchtlingsnovellen des BauGB aus den Jahren 2014[13] und 2015[14]. Mit diesen hat der Gesetzgeber umfangreiche Sonderregelungen für den Bau von Unterkünften für Flüchtlinge und Asylbegehrende geschaffen. Diese finden sich im Wesentlichen in § 246 Abs. 8 bis 17 BauGB und sind zeitlich befristet bis 2019. Trotz ihres sachlich und zeitlich beschränkten Anwendungsbereichs werfen diese Sonderregelungen Fragen auf, die die historisch gewachsene Struktur des Bauplanungsrechts adressieren. Unterstellt man die Notwendigkeit der Regelungen, muss davon ausgegangen werden, dass das Bauplanungsrecht bei der Schaffung der Voraussetzungen für den Bau von Unterkünften für Geflüchtete an nicht überwindbare Grenzen gestoßen ist. Die Gemeinden waren offenbar nicht in der Lage, der akuten Situation unter Einsatz des herkömmlichen Instrumentariums des BauGB, vor allem der Bauleitplanung, zu begegnen. In der Konsequenz sah sich der Gesetzgeber gezwungen, im äußersten Fall die Geltung des Bauplanungsrechts gemäß § 246 Abs. 14 BauGB zu suspendieren.

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