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1. Begriff der Unternehmenskrise

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Die individuellen Ziele eines jeden erwerbswirtschaftlichen Unternehmens lassen sich auf die beiden zentralen finanziellen Unternehmensziele zurückführen, nämlich mit dem Unternehmen „Geld verdienen“ (Renditeziel) und das Unternehmen als „Verdienstquelle sichern“ (Risikoziel) zu wollen. Beide finanziellen Teilziele lassen sich zu dem langfristigen Oberziel „Sicherung des Fortbestands des Unternehmens“ zusammenfassen. Unternehmenskrisen sind den Fortbestand des Unternehmens gefährdende Situationen. Sie machen die Erreichung der beiden finanziellen Ziele unsicher. Um die beiden Ziele „Geld verdienen“ und „Verdienstquelle sichern“ aber dauerhaft verwirklichen zu können, muss ein Unternehmen ständig versuchen, Chancen zu ergreifen, z.B. eine erkannte Marktlücke für ein bestimmtes Produkt zu schließen. Mit jeder Chancen-Wahrnehmung, also mit jeder Gewinnmöglichkeit, geht das Unternehmen aber zugleich Risiken, d.h. Verlustgefahren ein, nämlich wenn sich das angebotene Produkt als „Flop“ herausstellen sollte. Solche Verluste können existenzbedrohende Unternehmenskrisen auslösen, wenn die akkumulierten Verluste das Eigenkapital aufzehren und damit ein Fortbestand der Verdienstquelle wegen der eintretenden Überschuldung nicht mehr möglich ist. Aufgabe der Unternehmensleitung ist es, Chancen und Risiken abzuwägen und zu entscheiden, welche Chancen ergriffen werden und welche nicht. Wird eine Chance, z.B. durch entsprechende Investitionen, ergriffen, dann ist es in der Folge die Aufgabe der Unternehmensleitung, die mit den ergriffenen Chancen verbundenen Risiken so zu managen, dass diese keine Unternehmenskrise auslösen.

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Der Begriff der „Krise“ stammt vom griechischen „krísis“ und bedeutet „Entscheidung“ oder „entscheidende Wendung“. Im allgemeinen Sprachgebrauch wird mit dem Begriff eine „schwierige Lage“, eine „Zeit der Gefährdung“ bzw. eine „Zeit, die den Höhe- und Wendepunkt einer gefährlichen Entwicklung darstellt“, bezeichnet.[6] Ursprünglich wurde der Begriff in der Medizin verwendet, wo er einen kritischen Wendepunkt (mit der Aussicht zur Besserung hin oder auch eines tödlichen Ausgangs) im Verlauf einer Krankheit beschreibt.[7]

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Der Krisenbegriff ist in seiner Bedeutung eng mit den Begriffen „Konflikt“, „Schwachstelle“, „Störung“ und „Katastrophe“ verbunden. Diese vier Begriffe sind allerdings mit dem Begriff der „Krise“ nicht synonym, sie beschreiben vielmehr Ereignisse, die zu einer Krise führen können, aber nicht müssen.

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Konflikte sind durch das Aufeinanderprallen widerstreitender Auffassungen oder Interessen von Einzelpersonen oder Gruppen entstandene schwierige Situationen, die zum Zerwürfnis zwischen Einzelpersonen oder Gruppen führen. Konflikte können die Ursache für eine Existenzgefährdung des Unternehmens sein. Indes führt nicht jeder Konflikt notwendigerweise zu einer Unternehmenskrise, vielmehr kann er nach seiner Lösung auch zu einem höherem Stabilitätsniveau führen als vor dem Auftreten der Konfliktsituation.

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Der Begriff „Schwachstelle“ bezeichnet einen für Störungen anfälligen Sachverhalt. Eine Störung wiederum ist ein Bruch im Betriebsablauf oder -aufbau. Schwachstellen, die im betrieblichen Ablauf zu Störungen führen, mindern die Effizienz des Unternehmens. Allerdings hat nicht jede Schwachstelle zwangsläufig eine Störung zur Folge. Des Weiteren löst nicht jede Störung automatisch eine Krise aus.

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Eine Katastrophe kann – ebenso wie Konflikte, Schwachstellen und Störungen – eine Unternehmenskrise auslösen. Bsp. für solche Katastrophen sind Erdbeben oder nicht versicherte Lagerbrände. Darüber hinaus kann eine Katastrophe, wenn sie begrifflich als eine „entscheidende Wendung zum Schlimmen“[8] verstanden wird, dazu führen, dass ein bereits bestandsgefährdetes Unternehmen nicht mehr fortgeführt werden kann und daher abzuwickeln ist.

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Die folgenden fünf Merkmale kennzeichnen eine Unternehmenskrise: [9]

1. Unternehmenskrisen sind bestandsgefährdend, sofern keine angemessenen Gegenmaßnahmen eingeleitet werden. Krisensituationen unterscheiden sich vom „normalen“ Geschäftsverlauf dadurch, dass der Fortbestand des Unternehmens oder einzelner Segmente des Unternehmens konkret gefährdet ist und das Unternehmen bzw. das Segment – sofern die Unternehmensleitung die Krise nicht durch geeignete Maßnahmen abwendet – im ungünstigsten Fall liquidiert werden muss. Krisen laufen in unterschiedlichen Stadien ab. Durch möglichst frühzeitige Gegenmaßnahmen kann eine Bestandsgefährdung abgewendet werden.
2. Unternehmenskrisen treten im Regelfall unbeabsichtigt und unerwartet auf. In diesen Fällen laufen Unternehmenskrisen den Planungen der betroffenen Unternehmensleitung zuwider und stellen daher eine unbeabsichtigte, außergewöhnliche Entwicklung des Unternehmens dar, weil es im Normalfall das Ziel der Unternehmensleitung ist, bestandsgefährdende Situationen zu vermeiden. Eine Krise beginnt mit dem Zeitpunkt, zu dem einzelne Konflikte und Störungen unerwartet kumulativ und möglicherweise einander verstärkend und ggf. bestandsgefährdend für das Unternehmen auftreten.
3. Unternehmenskrisenursachen sind in den meisten Fällen nicht eindeutig (ambivalent). Denn Unternehmenskrisen haben selten eine einzige Ursache. Ausnahmen sind durch Katastrophen, z.B. Naturkatastrophen, ausgelöste Krisen. Meist ist der Weg in die Krise ein schleichender und komplexer Prozess. In diesen Fällen werden die komplexen Krisenursachen von der betroffenen Unternehmensleitung oft nicht vollumfänglich und auch nicht klar erkannt. Selten lassen sich Ursachen-Komplexe einfach und prospektiv eindeutig als bestandsgefährdend erkennen. Daher ist es notwendig, Methoden zur Krisenfrüherkennung zu entwickeln bzw. einzusetzen.
4. Die Krisenbewältigung ist oft nur innerhalb einer begrenzten Zeitspanne möglich. Je sichtbarer die Krisensymptome erkennbar werden, desto dringlicher werden Gegenmaßnahmen der Unternehmensleitung erforderlich und desto weniger Zeit steht dieser in der Regel zur Verfügung, um die Krise abzuwenden bzw. die für das Unternehmen negativen Krisenauswirkungen zumindest zu vermindern.
5. Die Eingriffsmöglichkeiten der Unternehmensleitung nehmen im Krisenverlauf ab. Der Verlauf einer Krise hängt von internen und von externen Faktoren ab, die sich gegenseitig verstärken können. Die externen Faktoren lassen sich von der Unternehmensleitung weniger beeinflussen als die internen Faktoren. Zu Beginn der Krise kann die Unternehmensleitung in der Regel noch agieren. Gelingt es nicht, die Krise frühzeitig zu erkennen und zu bewältigen, ist das Unternehmen im weiteren Prozessverlauf mehr und mehr gezwungen, auf die Entwicklungen zu reagieren.

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Eine „Unternehmenskrise“ ist ein Abschnitt im Lebenszyklus eines Unternehmens, in dem die Existenz des Unternehmens gefährdet ist, sofern keine wirksamen Gegenmaßnahmen ergriffen werden.[10] Die Unternehmenskrise ist ein stetiger, aber endlicher Prozess: Sie endet positiv, wenn die Bestandsgefährdung abgewendet werden kann; sie endet negativ, wenn z.B. ein zwischenzeitlich eröffnetes Insolvenzverfahren mit der Abwicklung des Unternehmens abgeschlossen wird.[11] Die Prozessdauer, d.h., der Zeitraum zwischen den ersten krisenverursachenden Vorfällen und dem (positiven oder negativen) Ende der Unternehmenskrise, ist einzelfallabhängig und kann wenige Wochen oder mehrere Jahre dauern.

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Im folgenden Abschnitt (Rn. 23 ff.) wird die Dynamik von Unternehmenskrisen skizziert und gezeigt, dass Unternehmenskrisen in der Regel bestimmte Phasen durchlaufen. Für die Charakterisierung von Krisen werden zwei Perspektiven gewählt. Darauf aufbauend werden in den Abschnitten III und IV dieses Beitrags konkrete Determinanten von Unternehmenskrisen im Allgemeinen und der einzelnen Krisenphasen im Speziellen herausgearbeitet.

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