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Abb. 3: Krisenprozess aus unterschiedlichen Perspektiven in Anlehnung an Hauschildt[21]

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Aus der Wahrnehmungsperspektive unterscheidet Hauschildt zwei Krisenphasen, nämlich die Phasen „Latente Krise“ (vergleichbar mit den Phasen „Potenzielle Krise“ und „Latente Krise“ in Abb. 2) und „Manifeste Krise“ (vergleichbar mit den Phasen „Akute, beherrschbare Krise“ und „Akute, nicht (mehr) beherrschbare Krise“ in Abb. 2). Bereits vor der ersten Phase können einzelne ungünstige Ereignisse auftreten, die aber nicht unmittelbar mit einer Unternehmenskrise assoziiert werden. In der Phase der latenten Krise ist die Unternehmenskrise für Unternehmensexterne selten wahrnehmbar. Selbst von der Unternehmensleitung und von anderen Mitarbeitern wird sie nicht immer – vor allem nicht ohne Ermittlung der Überlebenswahrscheinlichkeit – als solche erkannt. Wenn Unternehmensexterne die Unternehmenskrise z.B. mit Hilfe von herkömmlichen oder modernen Jahresabschlussanalysen wahrnehmen, geht der Krisenprozess in die zweite Phase, die manifeste Krise, über.[22]

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Obwohl die finanz- und erfolgswirtschaftliche Perspektive als objektive Sicht bezeichnet wird, ist nur die letzte Phase, die Eröffnung des Insolvenzverfahrens und dessen Beendigung, zeitlich objektiv bestimmbar. In den ersten drei Phasen lässt sich die Existenzgefährdung nur durch Ermittlung sog. Ausfallwahrscheinlichkeiten (probabilities of default) mit Hilfe von empirisch-statistisch gestützten Jahresabschlussanalysen „objektivieren“.[23] Aus Sicht der finanz- und erfolgswirtschaftlichen Perspektive unterscheidet Hauschildt – ähnlich dem Ansatz von Müller – anhand des verbleibenden Handlungsspielraums zur Krisenbewältigung drei Phasen einer Unternehmenskrise:

1. Strategische Krise,
2. Operative Krise,
3. Finanz-/Illiquiditätskrise.

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Ad. 1. Die strategische Krise ist nicht eindeutig identifizierbar. Diese Phase zeichnet sich vor allem durch erfolgswirksame Belastungen aus; z.B. geringe oder negative Deckungsbeiträge bei einzelnen Produkten oder Segmenten. Bei steigender Verschuldung ist die Liquidität des Unternehmens noch nicht gefährdet. In dieser frühen Phase des Krisenprozesses bleibt dem Unternehmen noch ein strategischer Handlungsspielraum und Zeit, um die Krise zu bewältigen.

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Ad. 2. In der sich anschließenden operativen Krise werden die Verluste, vor allem im operativen Bereich, offensichtlich. Die Verschuldung steigt weiter. Kreditlinien werden ausgereizt. Das Eigenkapital bzw. der Eigenkapitalanteil wird stark vermindert. Die Handlungsmöglichkeiten des Unternehmens, den Verlauf der Krise zu beeinflussen, schwinden.

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Ad. 3. In der letzten Phase des Krisenprozesses, der Finanz- bzw. Illiquiditätskrise, reduziert sich der Handlungsspielraum auf ein Minimum: Lieferanten liefern nur noch gegen Vorkasse, Banken verlangen die Rückzahlung von Krediten etc. Dem Unternehmen droht die Überschuldung und/oder die Illiquidität. Der Fortbestand des Unternehmens ist extrem bedroht.[24]

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Im IDW S 6 werden die Stadien der Stakeholder-, Strategie-, Produkt- und Absatzkrise sowie der Erfolgs- und Liquiditätskrise und schließlich der Insolvenzreife unterschieden. Die Stakeholderkrise ist gekennzeichnet durch mangelnde Erkenntnis, Akzeptanz und Kommunikation von notwendigen Veränderungen des Unternehmens, z.B. hinsichtlich dessen Neuausrichtung. Häufig schwindet die Glaubwürdigkeit der handelnden Personen, gleichzeitig kommen bei den Stakeholdern Zweifel auf, ob die Unternehmensorgane den auf sie zukommenden Aufgaben gewachsen sind – das Vertrauen in die Organe schwindet.[25] Als Folge von Stakeholderkrisen ergeben sich häufig Strategiekrisen: infolge unzureichender Marktorientierung und unsystematischer Beobachtung der Wettbewerbsentwicklungserfolge, unangemessene oder ineffektive Innovationen und Investitionen, die zu strategischen Lücken (z.B. unzureichendes Produktprogramm) und strukturellen Defiziten (z.B. unangemessene Fertigungstiefe) führen.[26] In der Folge einer Strategiekrise kann sich eine Produkt- und Absatzkrise entwickeln, die dadurch gekennzeichnet ist, dass die Nachfrage nach den Hauptumsatz- und Haupterfolgsträgern nicht nur vorübergehend stark zurückgeht. Hieraus resultieren z.B. steigende Vorratsbestände, Unterauslastungen der Produktionskapazitäten können zu Ergebnisrückgängen führen.[27] Ohne wirksame Gegenmaßnahmen der Unternehmensleitung in der Stakeholder- und Strategiekrise bzw. in der Produkt- und Absatzkrise folgt zwangsläufig die Erfolgskrise: Der Renditeverfall wird vor allem dadurch sichtbar, dass die Eigenkapitalkosten nicht mehr verdient werden, das Eigenkapital wird infolge anhaltender Verluste u.U. vollständig aufgezehrt. Hierdurch wird die Aufnahme von neuem Fremd- oder Eigenkapital erschwert.[28] Dies führt dann in die Liquiditätskrise, in der der Fortbestand des Unternehmens erhöht gefährdet ist und die Insolvenz droht, wenn keine oder nur unzureichende Maßnahmen ergriffen werden.[29] Der Krisenprozess endet – sofern diese nicht abgewendet werden kann – in der Insolvenzreife.[30]

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Zusammenfassend lässt sich sagen: Bei Unternehmenskrisen handelt es sich um außergewöhnliche, von der Unternehmensleitung nicht absichtlich herbeigeführte Prozesse. Unter Rn. 7 wurden die Merkmale einer Unternehmenskrise beschrieben und der Begriff „Unternehmenskrise“ definiert. Unter Rn. 10 ff. wurden Perspektiven zur Krisenprozessanalyse erläutert und gezeigt, dass diese Perspektiven miteinander vereinbar sind und einander ergänzen. Zum einen wurde gezeigt, dass Krisen nach bestimmten Mustern ablaufen und zum anderen, dass Krisen zu Beginn häufig gar nicht als solche wahrgenommen werden. Indes ist es für die Unternehmensleitung enorm wichtig, jede Krise so früh wie möglich zu erkennen, um noch möglichst viele Handlungsalternativen in einer möglichst großen Zeitspanne einsetzen zu können, mit dem Ziel, die (potenziell) bestandsgefährdende Situation abzuwenden und die Krisenursachen zu bekämpfen.

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Im folgenden Abschnitt (Rn. 48) werden die Ursachen von Unternehmenskrisen beschrieben. Die Kenntnis der Ursachen ist wichtig, um Krisen einerseits frühzeitig an den Auslösern zu erkennen, andererseits, um diese Ursachen bekämpfen zu können. Hierzu werden die empirisch beobachteten Krisenursachen charakterisiert, die bei Befragungen oder empirisch-statistischen Auswertungen identifiziert worden sind.

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