Читать книгу Maud und Aud - Gunstein Bakke - Страница 18

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SIE SIND MIT PAPIER UND STIFTEN zu den Mädchen gekommen, sie zeichnen gern, haben sie gehört. Die Papierbögen sind grauweiß und alles andere als leer. Die Fasern schlingen sich in- und umeinander, sie gleichen verfilzten Rücken, Beinen und Armen. Maud und Aud nehmen je einen Stift. Ihre Zeichnungen zeigen ein Haus mit großen, sprossenlosen Fenstern. Zwei Mädchen sitzen in Regenanzügen – es ist ein unfreundlicher Tag, mit Matsch und Niesel – in der aufgewühlten Brache am Hügel neben dem Haus. Hier wird vielleicht bald gebaut, vermutlich ein Geräteschuppen, oder entsteht hier Extravaganteres, ein Swimmingpool oder ein Außenkamin, etwas, das die Jahreszeiten und die Nestwärme ausdehnt? Auf der Kuppe über ihnen ist ein Wäscheständer in den Boden betoniert, er ächzt leise in vereinzelten Böen, und lauter, aber in anderem Ton, wenn man ihn dreht, so schnell man kann.

Das eine Mädchen sitzt auf einem Baumstrunk, der ausgerupft und mit gefächerten Wurzeln im Feld liegt wie ein altes Ungetüm. Das Mädchen hält sich die Ohren zu. Das andere kniet zwischen zwei Wurzeln, in einer Hand einen Stein, in der anderen eine Nadel. Es sticht die Nadel in den Stein. Das erste Mädchen schneidet eine Grimasse. Das zweite sticht noch einmal zu, und noch einmal. Atome sind so winzig klein. Es sticht und sticht. Es gilt, genau in die Mitte zu treffen. Das erste hat aufgegeben und nimmt die Hände runter.

Aud und Maud erinnern sich an all das, da ist ja das Haus, ganz nah bei ihnen. Dort gibt es bald Abendessen, warm, heute vielleicht Labskaus, hier draußen werden die Finger steif. Wenn sie so still sind wie jetzt, ist das Wasser im Boden deutlich zu hören, ein ständiges Rinnen, Blubbern und Gurgeln. Keine von beiden rührt sich, auch nicht als ein Nachbar parkt und sie im Hineingehen grüßt. Dass es nicht der Vater sein konnte, haben sie schon von weitem am Auto gehört. Das Brummen ihres Autos ertönt kurz darauf, das Dach gleitet über die Heckenkrone, bevor das Auto, nur halb sichtbar, am Ende der Einfahrt hält. Ihr Vater kommt aus dem halben Auto, sein Kopf zeitgleich mit dem Türenknallen, sein Rufen im Echo des Knalls und des Körpers: Was macht ihr da? Nichts, rufen sie zurück. Nichts ist etwas feucht, ein weißes Wort, es vibriert in der klammen Luft. Seiner Stimme folgen Schritte über seufzende Kieselsteine, die Haustür wird zugeschlagen, Luft in den Kanten, dann hören sie wieder die Erde. Das Blubbern der Erde ist ein kühles Gären, es wächst in ihren Hunger hinein. Vielleicht frischt der Wind auf. Sie frieren und brauchen etwas zu essen, könnten aber ewig so sitzen. Der Matsch, die Erde und die kaltgekochten Steine sind auch ein Labskaus, den sie sich von den Fingern schlecken könnten. Die Finger sind Gabeln. Der große Baumstrunk ist dunkel und morsch, auch den könnten sie essen wie Fleisch. Doch bald wird ihre Mutter auftauchen. Von der Küche her wird sie am Tisch vorbeigehen, an dem sie bald sitzen werden, durch den Geruch des Essens, das sie bald essen werden, und weiter durch die Diele mit Kleiderhaken und Hutablage voller Jacken, Mäntel, Handschuhe und Mützen, sie wird in die abgeschnittenen Gummistiefel steigen, die Haustüre öffnen und über die Schieferplatten im schmutzigen Gras gehen, vier lange, vertraute Schritte bis zur Hausecke, von wo aus sie die Mädchen sehen und hineinrufen wird. Sie hätte auch von der Tür aus rufen und sich das Stiefelanziehen sparen können, aber dann hätte sie lauter rufen müssen, ohne sie zu sehen, und das macht sie nicht. Das macht sie nie. Es gluckst. Sie warten.

Mädchen, Essen.

Das ist eine schöne Zeichnung, sagt Krankenschwester Berit Lund, geborene Hartmann. Was habt ihr dort gemacht, auf dem Hügel? Nichts, sagt Aud. Nichts, sagt Berit Lund und wird still. Dann geht sie hinaus zu den anderen.

Sie ist zurück, sie ist wieder da.

Frag nicht, wo sie gewesen ist.

Maud und Aud

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