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Kapitel 1 – Alte Freunde
ОглавлениеGwain Beisemann – Drakoria – Der Silberne Rabe
Vi drank ta reben Jâng, ar bi Ting mínas reb, fes bi Ëra da Juzth, lior reben lé Hurth!
Vi a il Ethan Koraki ar Ves, il reben Nok ar bi Mlé Nafähraak tes.
Don il Arknol, bi Ayog da Veg, i chötién Wirnd, vi drank ar a Nynng.
Kogaan til reben Arnnog zas Nok. Felles i afton lior tha Stryk, tha drok
End aak u Akvin al lándar ni, vi osuartha tias vesen gi.
Astéri det na i, ved Mutran, fes Drakon, tias as oru reba pa Juzth, reben Nok, veg urna fuon Akvin belja da!
Drakonok, Drakonok ditt Svortna ayog, ved Akvin ves Mutrân, mith arge veye, ark tharn baal gaan, vege Tarna, Drakonok, aye jog, dale Helkna!
Das Gedicht „Sonna Arkasnia´g“
Der Wind pfiff leise durch die prallgefüllten Straßen von Athir, nur schwer konnte Ardik sein Rauschen unter dem tosenden Lärm der Hauptstadt des Kaiserreich Maladriens vernehmen. Und doch war dieses Rauschen laut, lauter als jedes andere Windes Rauschen, das er zuvor in dieser Stadt vernommen hatte. War es ein Sturm? Nein, dafür war der Himmel zu klar und wies kaum Wolken auf. Die Banner des Reiches, welche an den weißen Steinmauern der Häuser hingen schlugen nur leicht hin und her, wie ein Eichenblatt, das vom Wind getragen wurde. Ardik hielt mit schnellem Schritt auf ein kleines Gasthaus am Rande des Stadtviertels zu, während er sich seinen Weg durch die Menschenmassen bahnte. Den Langbogen über seiner Schulter, das Kurzschwert an seinem Gürtel, aber ohne sonderlich großen Erfolg bei der letzten Jagd im Garuma Wald, nur ein paar Hasen hatte er mit seinen flinken Bogenschießkünsten erlegen können, sonst nichts. Kein einziges Reh hatte sich ihm auf dem Weg gezeigt, nicht einmal ein Wildschwein, das war merkwürdig, sonst war der Garuma Wald immer voller Wild gewesen, und da der Frühling bald anbrach hatte Ardik auch erwartet dort Tiere in Hülle und Fülle anzutreffen. Er stand nun direkt vor dem modrig riechenden Gasthaus und blickte auf das hölzerne Schild, das an einem dicken Holzstab getragen über der Tür baumelte. „Zum goldenen Bierkrug“ stand darauf in silbernen Buchstaben geschrieben. Ardik hatte Glück, dass er dies lesen konnte, viele hatten nicht das Glück im Lesen und Schreiben unterrichtet zu werden. Mit einem leichten Stoß ließ sich die Tür öffnen, aus dem Innern drang schallendes Gelächter. Ardik riskierte einen Blick hinein. Drinnen war es verraucht und laut. An den vielen kleinen Tischen saßen fette, grölende Männer und genehmigten sich einen Bierkrug nach dem anderen. In einem kleinen Ofen in der Ecke des Raumes brannten ein paar kleine Holzscheite und reicherten die Luft mit einem verbrannten Aroma an. Ardik schloss knarrend die Holztür hinter sich, was die Luft noch stickiger machte. Er musste laut keuchen, als er sich in dem Laden nach Borot umsah, an keinem der Tische schien er zu sitzen, ein Lächeln entfuhr Ardiks Lippen, als er einen in einen braunen Lederwams eingehüllten Mann am letzten der Tische in der Ecke sitzen sah. Dessen Blick war so tief in seinen Bierkrug versunken, dass man sein Gesicht nicht erkennen konnte, aber Ardik wusste genau um wen es sich handelte. Langsam schlängelte er sich zwischen den vielen dicht aneinander stehenden, runden Holztische hindurch. Als Borot seinen Kopf erhob und ihn sah, sprang er freudig auf und rief mit lauter Stimme „Na, wie geht es dem wahrscheinlich besten Jäger Maladriens heute?“ Überrascht von diesem Ruf antwortete Ardik mit einem genauso glücklichen Ton in der Stimme „Besser als noch vor einem Monat und dir, haben die langen Wanderschaften nicht zu sehr an deinen Kräften gezehrt?“ „Du kennst mich doch, ich bin nicht so leicht zu erschüttern“ Erst jetzt bemerkte Ardik wie sie die anderen Gäste anguckten und einige begannen sich über das lautstarke Gespräch zu beschweren. Lautlos setzte er sich auf die andere Seite des Tisches, an dem Borot saß. Vorsichtig beugte er sich zu ihm herüber, schaute ob ihn niemand hören konnte und sagte „Und? Irgendetwas Besonderes auf dieser Reise, das was ich hier im Kernland höre sind meistens nur Gerüchte, wie steht es um die äußeren Teile des Reiches?“ Borot kippte den Rest seines Bieres die Kehle hinunter und antwortete „Es sieht nicht gut aus, in den Provinzen Arkasnien und Ramm brechen regelmäßig Aufstände aus, die kaiserlichen Truppen haben es schwer die Ruhe dort zu bewahren, die meisten Aufstände wurden niedergeschlagen, aber es gibt dort immer noch Rebellen, die sich in den Wäldern und Bergen verstecken und von dort aus angreifen. Aber das ist nicht alles was ich dort gesehen habe, wirklich merkwürdige Dinge geschehen in diesen Provinzen, seltsame Lichter, Schreie, oft verschwinden des Nachts einfach Bewohner aus den Dörfern und Städten, die äußeren Teile sind nicht mehr so ungefährlich wie noch vor zwei Jahren“ Ardik schaute ihn verblüfft an „Hat man denn schon die Ursache dieser Probleme ausfindig machen können?“ „Eben nicht, das ist ja das Problem, Spione aus den anderen beiden Reichen können wir ausschließen, die haben viel zu viel Angst vor dem Kaiserreich, als das sie so etwas versuchen würden, die Rebellen können es auch nicht sein, es gibt sonst keine anderen Möglichkeiten“ Nachdenklich lehnte sich Borot in seinen Stuhle zurück „Aber ich will dich jetzt auch nicht mit so etwas belasten, Arkasnien und Ramm sind weit weg“ Noch bevor er diesen Satz vollenden konnte, erschallte ein Ruf durch die gesamte Schenke, die Stimme klang wütend und leicht angetrunken „He, das hier ist kein Laberhaus, trink was oder hau ab“ Ardik wusste sofort, dass er gemeint war und drehte sich in Richtung der Stimme um, es war der Wirt, ein speckiger Mann ohne auch nur ein Haar auf dem Kopf, der gerade dabei war einen Krug mit einem dreckigen Lappen abzuwischen. Ardik wusste wie man mit Wirten, die einem quer kamen umzugehen hatte, zumindest meinte er es zu wissen „Habt ihr mit mir gesprochen?“ rief er in einem barschen, nicht gerade freundlichen Ton zurück. Der Wirt legte den Lappen und den Krug zur Seite, hob den Kopf und antwortete „Hör mal Freundchen, das hier ist mein Laden, und wenn du hier drin bist, wirst du gefälligst auch was trinken“ Ardik kam ein Lachen über die Lippen „Du wagst es diese versiffte Bude als Laden zu bezeichnen?“ Der Wirt schlug mit Zornesröte im Gesicht, über diese freche Antwort auf den Tisch „Na warte Kleiner, jetzt kannst du was erleben“ Nun erkannte Ardik, das er vielleicht etwas zu weit gegangen war, aber ein kleines Kämpfchen konnte nie schaden, jedoch sollte er nur seine Fäuste einsetzen, die Stadtwachen sahen es nicht gerne wenn in einem Wirtshaus mit Waffen rumgefuchtelt wurde. Borot legte hinter ihm schon den Kopf in die Hände, er war solche Situationen schon gewohnt und sah gerne zu, wenn sich Ardik mal wieder mit jemandem anlegte. Der knapp zwei Meter große Wirt begab sich in Kampfstellung, Ardik tat es ihm gleich und ließ seinen schwarzen Leinenumhang zu Boden gleiten, um beweglicher zu sein. Sie musterten sich einige Minuten lang, dann machte der Wirt den ersten Schritt und sprang mit einem großen Satz auf einen der Tische, Ardik hätte ihm das bei seiner Masse gar nicht zugetraut und er scheute auch nicht davor zurück ihm das zu sagen „Fettsack, du bist beweglicher als ich dachte“ Dieser Satz brachte den Wirt noch mehr in Rage, so dass er nun mit einem lauten Krachen vom Tisch hinabsprang und gerade auf Ardik zuging. Jetzt wurde es ernst, Ardik machte einen schnellen Schritt zurück, um dem ersten schweren Faustschlag seines Gegners auszuweichen. Ermutigt über diesen Erfolg sprang er nun nach vorne, holte aus und schlug mit der ganzen Kraft seines Armes zu, ein leichtes knacken war zu hören, als seine Faust die Nase des Wirts traf, dieser schrie schmerzerfüllt auf und ging einige Schritte zurück, um zum Gegenschlag auszuholen. Die Wucht seines Schlages war so enorm, dass sich Ardik zwar die Arme vors Gesicht halten konnte, diese aber durch die Fäuste zurückflogen und er den Schlag mitten ins Gesicht bekam, Blut konnte er schmecken und sein Blick wurde leicht verschwommen, doch er wollte nicht aufgeben. Noch bevor er diesen Gedanken zu Ende fassen konnte prasselte eine schnell Schlagabfolge auf seinen Kopf nieder, er taumelte, kaum noch bei Sinnen, zurück und knallte mit voller Wucht auf einen der Tische, dieser zerbrach in der Mitte und Holzsplitter flogen durch die Gegend. Noch einen Schmerzensschrei konnte er vernehmen, dieser war jedoch nicht von ihm, doch bevor er hören konnte von wem er kam schwanden seine Sinne und er verlor das Bewusstsein. Für ihn vergingen nur einige Sekunden. Als er langsam wieder zu Bewusstsein kam, pochte sein Schädel, getrocknetes Blut klebte an seiner Stirn, unter seiner Nase und seinen Lippen. Er versuchte sich zu bewegen, wurde aber von den starken Schmerzen in seinem Brustkorb nicht gerade sanft daran gehindert. Sein Blick war immer noch verschwommen, als er sich ein wenig umschaute, erkannte er mehrere in Kettenhemden und mit Speeren bewaffnete Soldaten im Raum herumstehen, die mit einigen Personen, wahrscheinlich Gästen, redeten. Langsam ließ Ardik seinen leicht erhobenen Kopf wieder zu Boden sinken, er konnte Holzsplitter an seinem Hinterkopf spüren. Also lag er immer noch in dem zerborstenen Holztisch, welchen er bei seinem Sturz in der Mitte geteilt hatte. Eine Frage tat sich ihm auf „Wie lange liege ich hier schon?“ dachte er, diese Frage wurde schnell beantwortet, als Borot zu ihm kam und sich zu ihm herunterkniete „Ich habe es dir immer gesagt, leg dich nicht mit Kneipenwirten an, schlimm genug, dass du das überhaupt getan hast, der Kerl war auch noch Meister der Arena, kein Wunder, dass er dir einiges verpasst hat“ sagte er augenrollend. Ardik versuchte einen klaren Gedanken zu fassen und fragte mit heiserer und verwirrter Stimme „Wie lange liege ich schon hier?“ Ohne ein Wort zu sagen zeigte Borot auf das kleine Fenster, das direkt neben der Theke angebracht war, dieses Fenster hatte Ardik beim Hereinkommen gar nicht bemerkt. Der Mond prangte stolz am Himmel und ließ ein silbriges Licht in das Gasthaus fallen, damit war es klar, Ardik hatte mehrere Stunden hier gelegen „Komm, ich helfe dir hoch“ Borot packte Ardik an beiden Armen und zog auf die Beine, noch wackelig fragte dieser „Was machen eigentlich die ganzen Stadtwachen hier?“ „Nun, als du den Tisch in zwei Teile gebrochen hattest, flogen mehrere große Holzsplitter durch die Gegend, einer dieser Splitter hat den Wirt, Eron ist glaube ich sein Name ins Auge getroffen, der arme ist jetzt auf einem Auge blind, sie haben ihn aber schon ins Heilerhaus gebracht, die Soldaten untersuchen jetzt den Fall und befragen die anwesenden Gäste“ Wie auf Stichwort erschien einer der Soldaten, er trug einen schwarzen Schnurrbart und hatte eine bessere Rüstung als die anderen, sie hatte mehrere schwere Metallplatten an Schultern und Knien angebracht, das Kettenhemd war deutlich besser verarbeitet als das der anderen Soldaten, dies schien der Anführer des Trupps zu sein. Er zupfte gelangweilt an seinem Bart und fragte „Also, ihr seid dieser gewisse Ardik, nehme ich an, ich hätte auch gerne ihre Schilderung des Vorfalls“ Ardik schilderte ihm den Streit in aller Ausführlichkeit und ließ dabei natürlich keine Details aus, welche ihn entlasten konnten. Als er damit fertig war sagte der Truppführer mit gelangweilter Gelassenheit „Das klingt ganz anders als die Geschichte, die uns Eron erzählt hat, naja egal, geht am besten erst einmal zu einem Heiler, ihr seht ja schrecklich aus, kein Wunder, dass Eron der Meister der Arena ist“ Mit einer schnellen Drehung wendete er sich wieder seinen Soldaten zu, welche immer noch mit der Zeugenbefragung beschäftigt waren „Da bist du ja wieder in eine schöne Sache hineingeraten“ stellte Borot fest „Könnte schlimmer sein, wo ist eigentlich meine Ausrüstung?“ „Ich habe sie zu deinem Haus gebracht“ „Was? Du bist quer durch Athir gelaufen?“ „Durch meine ständigen Wanderschaften bin ich ziemlich abgehärtet, außerdem lagst du hier nur rum, ich weiß nicht, was ich sonst hätte machen sollen“ antwortete Borot grinsend „Geh jetzt am besten nach Hause, aber in deinem Zustand sollte ich dich besser begleiten, man weiß ja nie was des Nachts auf den Straßen der Hauptstadt lauert“ fügte er hinzu „Ja, das ist wahrscheinlich das Beste, mein Kopf und meine Rippen schmerzen immer noch.“ Zusammen verließen die beiden die stinkende Taverne. Die Straßen waren vollkommen leergefegt, jetzt konnte man perfekt die wunderschöne Architektur von Athir erkennen, die Häuser im Stadtkern waren alle aus schneeweißem Marmor und keines war kleiner als 20 Meter. Im Stadtrand, wo sie sich gerade befanden sah es ganz anders aus, die Häuser hier waren größtenteils aus Holz, viele von ihnen waren bereits morsch, oder wiesen andere Macken auf, nur wenige kleine Fackeln beleuchteten neben dem Mondlicht die Straßen. In der Ferne, im Zentrum der Stadt konnte man einen riesigen, marmorweißen Palast erkennen, dieser war hell beleuchtet, es war der stolze Kaiserpalast, von dem aus normalerweise der Kaiser von Maladrien regierte und der Senat tagte. Doch der Kaiser war nicht da, er war zu Verhandlungen mit dem Königreich Matharunien aufgebrochen und würde erst in einigen Wochen zurückkehren. Die beiden Großmächte lagen sich schon seit Jahren in den Haaren, seit das Kaiserreich das im Osten liegende Land Ramm erobert hatte, fühlte sich Matharunien bedroht, der Kaiser hatte zwar versichert, dass er nicht weiter expandieren wolle, aber dies hatte den matharunischen König nicht beruhigt. Die frische Luft hier draußen auf der Straße tat Ardik gut, er sog sie tief ein, endlich wurden seine Sinne wieder klarer, doch das Pochen in seinem Kopf hörte immer noch nicht auf, schmerzerfüllt ging er zusammen mit Borot die Straße hinunter und fasste sich dabei immer wieder vor Schmerzen an den Kopf „Alles in Ordnung? du siehst ziemlich bleich aus“ fragte Borot auf halber Strecke zu Ardiks Haus „Ah, mein Kopf, ich habe wohl zu viele Schläge abbekommen, aber ich glaube ich habe zuhause noch Heilsalbe, die hat mir Ikaria zum 19ten Geburtstag vor vier Monaten geschenkt“ Borot hörte seinen Worten besorgt zu und antwortete „Dann sollten wir uns ein bisschen beeilen, bevor du mir hier noch auf der Straße zusammenbrichst“ Mit zügigem Schritttempo gingen sie durch die ärmlichen Gassen des Außenbezirks von Athir. Hier war es fast komplett dunkel, keine Fackel beleuchtete den Weg und auch der Mond war inzwischen hinter den Wolken verschwunden. In der Ferne konnte man schon die Umrisse von Ardiks Haus am äußersten Stadtrand erkennen. Es war eine kleine, schlichte Holzhütte, aber sie erfüllte ihren Zweck. Kurz vor der Türschwelle hielten sie an „Also gute Nacht Ardik, du weißt ja, wo wir uns morgen treffen“ rief Borot zum Abschied „Wie könnte ich das vergessen, wir sehen uns morgen“ antwortete Ardik und wandte sich seiner Tür zu. Einen kleinen, rostigen Eisenschlüssel holte er aus seiner Tasche und steckte ihn in das Schloss, während sich Borot entfernte. Es klickte, als Ardik den Schlüssel umdrehte und sich der Türriegel zur Seite schob. Quietschend öffnete sich die Tür und Ardik trat ein. Alles war wie immer, sein kleiner Tisch, sein Kamin und sein Federbett, mehr brauchte er nicht. Borot hatte Wort gehalten, sein Bogen, sein Pfeilköcher, sein Kurzschwert und sein Umhang lagen in einer Ecke neben dem Bett. Erschöpft ließ er sich auf dieses fallen. Eine Welle der Entspannung kam über ihn, während er langsam einschlief.