Читать книгу Drakoria - Gwain Beisemann - Страница 6
Kapitel 4 – Vor Gericht
ОглавлениеEs war kalt, sehr kalt. Die Zelle bot Ardik gerade einmal 5 Meter um sich zu bewegen und nichts war da um ihm auch nur ein bisschen Wärme zu schenken. Er hatte die halbe Nacht wach gelegen und hatte über die heutige Gerichtsverhandlung nachgedacht. Er musste beweisen, dass er Borot nicht getötet hatte. Aber wie hatten sie seine Leiche überhaupt gefunden? Dafür hätten sie doch tief in den Wald hinein gemusst. Alles über das er momentan nachdachte erschien ihm wirr und unglaubwürdig. Der gesamte gestrige Tag war wirr und unglaubwürdig gewesen, Ardik wollte immer noch nicht glauben das Borot tot war, doch diese schmerzliche Wahrheit musste er letztendlich akzeptieren. Mit einem leisen Stöhnen drehte er sich auf die Seite, in Richtung der Zellentür. Seine gesamte Ausrüstung hatten sie genommen, sein Kurzschwert, seinen Bogen, sogar seine Kleidung, nur noch ein paar zerfetzte Leinenlumpen bedeckten seinen Körper. Er konnte nur schätzen ob es Nacht oder Tag war, denn seine Zelle besaß kein einziges Fenster. Es war hier anscheinend üblich den Gefangenen nur das Licht der Fackeln zu geben. Fackeln, die mit jeder Minute immer dunkler zu werden schienen, sie auszuwechseln war anscheinend auch nicht üblich. Wenn Ardik darüber nachdachte hatte er gestern alles verloren, Borot war sein einziger Freund im Inland des Reiches gewesen, dieser war nun tot und er saß auch noch im Gefängnis. Nichts war ihm mehr geblieben, keine Würde, keine Freunde, kein Besitz. All das war hinfort und noch mehr wenn diese Gerichtsverhandlung schief lief. Was hatte er mit seinem 19 jährigen Leben denn bis jetzt angefangen? Er hatte sich mit dem Jagen immer nur knapp über Wasser halten können. Nur ein Haus hatte ihm seine Schwester vererbt, als sie bereits in seinem fünften Lebensjahr gestorben war, getötet von Banditen hatte man ihm erzählt, aber diese Geschichte glaubte Ardik bis heute immer noch nicht. Was mit seinen Eltern geschehen war wusste er ebenfalls nicht, er hatte sie nie kennengelernt, bestimmt waren sie auch schon längst tot. Anscheinend war er der letzte seiner Familie. Wann kamen denn endlich die Wachen herein und schleppten ihn hinaus? Ewig wollte er in diesem nassen und dunklen Rattenloch auch nicht mehr liegen, entweder wurde er nach diesem Spektakel zum Henker geführt oder in die Freiheit entlassen und Ardik wollte endlich Gewissheit haben. Dieses Warten war unerträglich, er war ohnehin noch nie besonders geduldig gewesen, aber in dieser Situation waren seine Nerven wirklich zum Zerreißen gespannt. Das erlösende Geräusch von Soldatenstiefeln näherte sich endlich der Zelle. Nun merkte er auch den unsäglichen Hunger, den er verspürte, er hatte jetzt seit mehreren Tagen nichts Richtiges gegessen. Eine seiner Hoffnungen wurde zunichte gemacht, während sich eine erfüllte. Als zwei Wachen in leichten Kettenhemden mit gleichgültigem Blick eine kleine Holzschüssel, gefüllt mit einer Art Suppe und einen Krug Wasser hineintrugen. Ohne Ardik anzusehen stellten sie die beiden Sachen in eine Ecke der Zelle und verschwanden genauso desinteressiert wie sie gekommen waren. Ardik riskierte einen Blick über den Rand der Schüssel, es war Kartoffelsuppe, ein einfaches Gericht, aber sehr nahrhaft. Gierig schlürfte er sie in einem Zug hinunter. Ganz frisch schmeckte sie nicht mehr, jedoch war ihm das in seiner momentanen Situation ziemlich egal. Neue Energie strömte durch ihn, diese kleine Mahlzeit war nahrhafter als sie aussah. Mit einigen heftigen Schlucken spülte er das Wasser aus dem Tonkrug seine Kehle hinunter. Nun konnte er sich wieder, wenn auch etwas wackelig, auf seine aufgeschlagenen Beine stellen. Mit einem Seufzer vergrub er sein Gesicht in den Händen und atmete leise auf. Er dachte darüber nach was er vor Gericht sagen sollte, am besten das, was wirklich vorgefallen war. Aber war die Wahrheit wirklich das beste Mittel um da durch zu kommen. Minute um Minute verging, während Ardik immer noch unschlüssig war. Vielleicht ergab sich auch alles von alleine, wenn er erst einmal vor dem Richter stehen würde. Jetzt wartete er nur noch auf seine Abholung, das Gericht würde gleich über sein Schicksal entscheiden. Weitere schwere Schritte auf dem Flur kündigten es an. Es ging los, Ardik kannte diese Schritte noch „Nicht der Kerl....“ dachte er sich, Als die Zellentür mit einem schallenden Schlag aufgestoßen. Es war derselbe Mann wie gestern, der ihn dort mit erneut angewidertem Gesicht anstarrte. Mit einer Handbewegung holte er zwei Kerkerwachen hinein, welche Ardik grob an beiden Armen packten und aus der Zelle zerrten. Fast schon schleifend zogen sie ihn den langen Kerkergang entlang, vorbei an den anderen Zellen. Der Hauptteil von diesen war leer, doch in einigen saßen unglücklich aussehende Gestalten, ein paar von ihnen mit Peitschenhieben gezeichnet. Da war Ardik noch recht milde davongekommen. Ihm fiel auch noch auf, dass es erstaunlich wenig Soldaten hier gab. Jedenfalls eindeutig weniger, als zum Bewachen eines Gefängnisses von Nöten gewesen wären. Das ein oder andere Mal huschte eine Ratte auf dem kalten Steinboden hin und her, doch sonst regte sich nichts. Der Kerker war bis auf die paar Klageschreie wie ausgestorben. Wo waren die Wachen? Wo waren die Gefangenen? Im Norden lief es schlecht, aber das war kein Grund die Truppen aus den Kerkern abzuziehen, oder doch? Während Ardik darüber nachgrübelte, schleiften sie ihn ein lange Steintreppe hinauf, auf deren Stufen, die eine oder andere Blutpfütze klebte. Langsam wurde das Licht heller, es gab hier nun mehr Fackeln an den Wänden, sodass man wenigstens zehn Meter weit schauen konnte. Am Ende der Treppe war ein kleiner Vorraum, mit Karten an den Wänden und einem ziemlich marode aussehenden Holztisch, an dem ein kleiner dicker Mann saß und mit einer Gänsefeder, die er wenige Sekunden vorher in Tinte getaucht hatte, etwas auf ein Stück Papier kritzelte. Er schaute auf, als die beiden Soldaten mit Ardik auf ihn zukamen. Sie salutierten und sprachen „Gefangener Ardik, er soll heute zur Gerichtsverhandlung“ Der Mann an dem Tisch blätterte einige Momente in einem kleinen Notizbuch herum und antwortete dann „Ah ja, bringt ihn in Saal Eins. Richter Marbod wird in kurzer Zeit eintreffen“ Die Gerichtssäle mussten direkt an das Gefängnis angebaut worden sein. Dies war Ardik in all den Jahren, in denen er schon in dieser Stadt lebte kein einziges Mal aufgefallen. Mit einem weiteren festen Ruck, bei dem er fast den Halt verlor, wurde er weiter geschleift. Eine kleine, aber robust aussehende Stahltür trennte sie vom Ende des Gefängnisses. Ardiks Puls stieg, bald war es soweit. Die Stahltür wurde von drei weiteren Wachen geöffnet, die ihre Hellebarden entkreuzten und den Durchgang zu einer großen Treppenhalle freigaben. Treppen soweit das Auge reichte, die Marmorgebilde schlängelten sich in alle Himmelsrichtungen und schienen gar kein Ende mehr zu nehmen. Auf der anderen Seite der Halle ließ eine riesige mit Halbedelsteinen verzierte Glaswand jede Menge Licht hinein. Doch selbst hier tummelten sich nur recht wenige Personen. Eigentlich hätte man von so einem Ort erwartet, dass er prallgefüllt und laut seien würde. Doch nichts davon war der Fall, er war menschenleer und ruhig. Ein Runzeln fuhr Ardik über die Stirn. Warum war niemand hier? Es konnte doch nicht sein, dass ein so wichtiger Ort wie das oberste Stadtgericht kein bisschen gefüllt war „Vielleicht sind sie ja alle in den Sälen“ Diese von ihm kreierte Idee erschien Ardik einleuchtend. Obwohl das Denken im Griff von zwei schwerbewaffneten und finster dreinschauenden Kerkerwachen schwer fiel. Unsanft wurde er eine der großen Treppen hinaufgezogen, wobei die glänzenden Stufen so hart an seine Beine schlugen, dass sie aufrissen und begannen zu bluten. Die rote Flüssigkeit lief seine Beine hinunter und tropfte auf den Boden. Eine Riesensauerei auf dem teuren Stein. Gerichtssaal eins lag nun direkt vor ihnen, eine große zweiteilige Holztür. Dort hinter lag so zu sagen Ardiks Schicksal. Nun konnte man auch ein Geflüster von drinnen vernehmen, dort waren sie also alle. Schwerfällig öffnete sich das Holzkonstrukt und Ardik wurde schroff hineingeführt. Ein heller Saal, viele lange Sitzbänke zogen sich im hinteren Teil entlang. Ein kleiner Korridor zwischen den Sitzreihen führte zu einem großen Podest, auf welchem sich ein schräger Tisch befand. An der Vorderseite des Tisches war die maladrische Flagge befestigt worden. Der Richter, der an diesem Pult stand schaute fast schon grinsend auf Ardik herab. Sein pechschwarzer Mantel flatterte leicht durch den Wind, der durch eines des offenen Fenster zog. Warum lächelte er? Ardik wurde auf einen schmalen Stuhl kurz vor dem Pult gesetzt. Als er den Kopf kurz zur Seite drehte, bemerkte er, dass auf den Sitzreihen jede Menge Leute saßen. Einfache Bürger, Kaufleute, Handwerker und sogar einige Bauern hatten ihren Platz dort gefunden. Dies war also ein so genanntes Geschworenengericht. Das machte Ardik noch mehr Angst, konnten die Menschen die dort saßen denn wirklich objektiv urteilen? Wahrscheinlich nicht. Doch die Entscheidung über Leben und Tod lag nun in ihrer Hand. Zwei mit langen Eisenspeeren bewaffnete Wachen positionierten sich beim Ausgang.
Mit einem lauten „Ruhe“ beendete der Richter das laute Gemurmel auf den Sitzbänken „Ardik von Winterhelm. Sie sie sind des Mordes an Borot von Steinhelm angeklagt, Augenzeugen gibt es keine. Nur die zerfetzte Leiche ihres ehemaligen Jagdkameraden. Was haben sie zu ihrer Verteidigung zu sagen“ Ardik wusste, dass es genau jetzt darauf ankam das richtige zu sagen, wenn er das schaffte, dann könnte diese Verhandlung schnell ihr Ende finden. Sein Körper war geschwächt, doch sein Geist funktionierte immer noch einwandfrei „Wurde Blut an meinen Waffen gefunden?“ Dies sprang ihm förmlich aus dem Mund und er konnte sehen wie der Richter die Stirn runzelte „Nein.....“ „Und glauben sie, dass ein Mensch das hätte anrichten können?“ Damit hatte er ihn. Es ging nun ein extrem lautes Murmeln durch die Reihen der Geschworenen „Dann erzählt ihr eure Version der Geschichte“ Ardik schaute auf „Nun gut.......“ Er erzählte alles was am gestrigen Tage vorgefallen war, vom Gang in den Wald, bis zu dem Angriff der Kreatur und Borots Tod. Er konnte gar nicht mehr aufhören zu reden, so detailreich erklärte er die Ereignisse. So detailreich, dass er es sich unmöglich hätte ausdenken können. Als er fertig war, schaute der Richter mit einem verstörten Blick drein „Konntet ihr das Wesen denn erkennen?“ war seine Frage „Nein, ich war gelähmt und konnte meinen Kopf nicht nach oben richten. Die Lähmung fand erst ihr Ende, als die Kreatur von Borot abgelassen hatte“ Zu Ardiks Erstaunen erhob sich der Richter in diesem Moment und rief mit tiefer Stimme durch den gesamten Raum „Aufgrund der fehlenden Beweislast und der glaubwürdigen Geschichte, die uns der Angeklagte vermittelt hat, bleibt mir keine andere Wahl als Ardik von Winterheim von allen Anklagepunkten freizusprechen“ Während Ardik durch diese Worte vor Glück fast überschäumte, brach ein tosender Lärm auf den Geschworenensitzbänken aus „Erhängt den Mörder!“ erschallte es von einem der Plätze „Schneidet ihm den Kopf ab!“ Ardik schaute sich verzweifelt um, Selbstjustiz war in diesen Tagen wohl häufig. Wenn der Richter nicht schnell etwas tat, würde er gleich von einem wütenden Mob aufgespießt werden, und das lag sicherlich nicht in seinem Interesse. Die ersten Soldaten stürmten hinein und versuchten die rasende Menge, welche sich bereits von ihren Plätzen erhoben hatte und nun warnend mit den Fäusten drohten zu beruhigen. Ardik machte sich schon zur schnellen Flucht bereit und schaute dabei von einem Fenster zum anderen. Doch zum Glück war dies nicht nötig, nach wenigen Minuten nahm das Gegröle ab. Der Richter war allerdings verschwunden, er musste hinaus gebracht worden sein. Solche Ereignisse, so erkannte Ardik, waren in letzter Zeit an der Tagesordnung. Wenn er es nicht besser gewusst hätte, hätte er geglaubt das Reich würde langsam bröckeln, aber ein so kleiner Aufstand in einem Gericht war wohl kein großer Anlass zur Sorge. Obwohl es doch einigermaßen beunruhigend war, was gerade passierte. Ohne Vorwarnung packte ihm ein Soldat an die Hände und entfernte die schweren Eisenhandschellen, die man ihm vor der Abführung angelegt hatte. Während er das tat flüsterte er ihm leise zu „Es gibt da jemanden der euch gerne sehen möchte, das wäre eine große Chance. Geht heute Nachmittag zur großen Zitadelle, man wird euch einlassen, den Rest werdet ihr dort erfahren“ Ardik war recht verwirrt von dieser Nachricht. Wieso sollte er zur Zitadelle? Nun, er hatte ja sowieso alles verloren. Der Umstand dieser Heimlichtuerei machte ihn jedoch stutzig.