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Kapitel 2 - Ein Nachtragender Gegner

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Am nächsten Morgen erwachte Ardik, das Pochen in seinem Kopf war verschwunden und ein Großteil der Wunden war verschorft. Die Sonnenstrahlen fielen durch das vor ihm liegende Fenster und wärmten ihn so sehr, dass er am liebsten gar nicht hätte aufstehen wollen. Doch er musste es. Nur mühsam erhob er sich aus seinem Bett und streckte sich erst einmal gemächlich. Er nahm seine Ausrüstung aus der Ecke, in die sie Borot gestern gelegt hatte und ging zur Tür hinüber. Als er sie gerade öffnen wollte, vernahm er ein Klopfen auf der anderen Seite, irritiert öffnete er die Tür. Ardik staunte nicht schlecht, als er dahinter vier schwer bewaffnete Soldaten vorfand, der Mann der an der Spitze des kleinen Trupps stand, sah aus wie der Truppführer von gestern, es war der Truppführer von gestern. Fragend schaute Ardik ihn an „Was ist hier los?“ „Na, diese Frage könnt ihr euch sicher selbst beantworten“ „Kann ich das?“ „Werdet jetzt nicht auch noch frech, Eron, ihr könnt euch sicher noch an ihn erinnern, hat euch beim kaiserlichen Hochgericht selbst angeklagt, ihr werdet morgen bei Gericht erscheinen“ sagte der Truppführer mit einem genauso gelangweilten Ton wie am vorherigen Tag „Wie? Was? Es war eine einfache Kneipenschlägerei“ „Bei dem aber Eron eins seiner Augen verloren hat, ihr könnt euch da nicht herauswinden. Wenn ihr morgen nicht zur Gerichtsverhandlung im Kaiserpalast erscheint, werden wir euch einfach so verhaften“ Sie ließen Ardik mit immer noch offenen Fragen in seiner Tür stehen und machten sich mit festem Schritt davon. Da hatte er sich ja wieder etwas eingebrockt, aber nichts was sich nicht lösen ließe, das glaubte er zumindest. Einige Sekunden schaute er den Soldaten noch hinterher, welche gerade dabei waren hinter einem Haus zu verschwinden. Nicht besonders beeindruckt von der Aussage des Offiziers und der ihm bevorstehenden Gerichtsverhandlung des morgigen Tages, schloss Ardik die Tür hinter sich. Weit, außerhalb der Stadtmauern konnte er die hohen Berge des Beonias Gebirges erkennen, deren schneebedeckte Spitzen anmutig in die Höhe ragten. Der Schmerz von gestern war hauptsächlich abgeklungen, nur noch eine von Ardiks Rippen stach, während er mit vorsichtigem Schritt zum Stadttor ging. Die Straßen waren im Gegensatz zu gestern Nacht wieder voll. An den Marktständen wurde wieder kräftig gefeilscht und aus den Gasthäusern erschallte Gelächter. Eigentlich konnte man Athir als die schönste Stadt Maladriens bezeichnen, wären da nicht diese schrecklich verarmten Außenbezirke, die Ardik gleich durchqueren musste. Es war schlammig und matschig dort, die Menschen waren in dreckige Lumpen gehüllt und ein beißender Gestank zog Ardik durch die Nase. Er war froh als er dieses Gebiet verlassen konnte und nun auf das riesige, mit Gold verzierte Stahltor zuging, welches in die meterdicken Steinmauern von Athir eingearbeitet war. Die ebenfalls gelangweilte Wache, welche vor der schweren Torwinde stand stützte sich müde auf ihren Speer. Als Ardik die Konturen des müden Gesichts genauer betrachtete, erkannte er die Gesichtszüge eines alten Freundes. War er es wirklich? Täuschten ihn seine Sinne nicht? Nein! Er erkannte die schmalen und hageren Gesichtszüge wieder, welche ihn für lange Zeit begleitet hatten. Doch es sah anders aus als früher, härter, ernster. Er musste wohl einiges im Norden durchgemacht haben. Noch war Ardik unsicher, ob sein alter Freund ihn wiedererkennen würde. Doch seine Sorgen verflogen, als seinem, noch zehn Meter von ihm entfernten Gegenüber ein Lächeln über die Lippen schoss. Dieses Lächeln kannte er nur zu gut, sein Gegenüber hatte nur selten gelächelt, auch bevor er in den Norden abkommandiert wurde. Das dies jetzt geschah, war sehr merkwürdig, vielleicht lag es aber auch nur daran, dass sie sich zum ersten Mal seit 14 Monaten wiedersahen. Ardiks Gegenüber trug auch einen Namen, einen Namen, den Ardik immer noch im Gedächtnis hatte, denn ihn konnte man so schnell nicht vergessen „Hadwin!“ stieß Ardik mit glücklicher Stimme aus. Es dauerte nicht lange, bis eine Antwort aus Hadwins Mund erschallte „Ardik, bist du es wirklich? Ich dachte wir sehen uns nie wieder“ Diese Worte klangen leicht verwirrt und doch froh. Ardik blieb einige Meter vor seinen alten Kameraden stehen und musterte ihn eine Zeit lang. Sein Körper sah gestählt und dennoch geschwächt aus, er hatte eine deutlich geradere Haltung als früher und sein Blick schien entschlossen und zielgerichtet. „Ich dachte du wärst tot“ „Du weißt ja gar nicht wie oft ich in Arkasnien knapp dem Tode entronnen bin“ antwortete Hadwin in einem nun ernsteren Tonfall „Nun, jetzt bist du ja hier, wie steht es im Norden? Borot konnte mir nicht besonders viel erzählen, nun ja, wann konnte er das denn jemals? Egal, wie steht es?“ Hadwins Miene verfinsterte sich nun ein weiteres Mal „Schlimmer, als es hier irgendjemand in der Hauptstadt erahnen kann. Die Aufständischen sind nicht das einzige Problem, es ist etwas größeres dort, etwas viel größeres. Und es verfügt über das Potenzial das gesamte Reich zu zerreißen. Wir werden in einen Krieg hineingeraten, über den wir keine Kontrolle haben, alles wird in Feuer und Tod enden“ Ardik verstand nicht ganz was Hadwin da faselte „Was meinst du damit?“ „Ihr werdet es alle noch am eigenen Leibe erfahren“ „Ist alles in Ordnung bei dir?“ „Ich habe mich nie besser gefühlt Ardik, leider wird dieser Zustand nicht lange anhalten“ Langsam fuhr ihm ein Schauer durch den ganzen Körper. Was meinte Hadwin damit? Hatte der Krieg, wenn man die Scharmützel in Arkasnien überhaupt so nennen konnte, so sehr an seinen Nerven gezehrt? Früher hatte er einen starken Geist, der sich nicht so schnell aus der Ruhe bringen ließ, aber das schien sich geändert zu haben. Sein Blick war kalt und starr. Ardik wusste, dass es nicht mehr der Hadwin war, wie er ihn vor 14 Monaten gekannt hatte „Würdest du das Tor öffnen?“ Brachte Ardik nur stotternd heraus. Hadwin hielt einen Moment inne und antwortete dann mit finsterer Stimme „Ja natürlich, aber sei vorsichtig, die Welt da draußen kann gefährlich sein“ Diese Aussage brachte Ardik noch ein heftigeres Schlottern in die Knie, doch er blieb gerade stehen, als sich das schwere Tor mit einem lauten, metallischen Quietschen öffnete. Als er hinausblickte, kam es ihm so vor, als würde er in eine völlig andere Welt schauen. Der Übergang zwischen der hektischen Stadt voller Gestank und Widerwärtigkeit zu einem riesigen, dichten, grünen Wald, welcher sich noch kilometerweit, bis zum hohen Beonias

Gebirge zu erstrecken schien. Von diesem Gebirge aus schoss der mächtige Varua Fluss in die Tiefe und mündete schließlich in der Westsee. Dieser Fluss war der Grund dafür, das Athir in den letzten 400 Jahren von keiner fremden Macht erobert wurde Er machte Athir zu einem mächtigen, wenn nicht sogar DEM mächtigsten Bollwerk des maladrischen Reiches. Ardik musste jedes Mal staunen, als er die dicken Steinmauern hinter sich ließ und in den mächtigen, vor ihm liegenden Laubwald eintrat. Das Vogelgezwitscher zwischen dem ganzen Geäst kam ihm jedes Mal aufs Neue fremd vor. Die hektische Stadt war das genaue Gegenteil zu diesem idyllischen Ort. Neue, hellgrüne Blätter prangten an den Ästen und Zweigen der nach dem Winter neu erblühten Bäume. Endlich brach der Frühling an, die Zeit, in der es hier nur so von Wild überquellen sollte. Doch Ardik sah weit und breit kein einziges Reh. Dies war ein merkwürdiger Frühling. Er musste heute etwas erlegen, das Fell würde ihm wenigstens ein bisschen Geld einbringen und das Fleisch konnte er selbst auch gut gebrauchen. Ardik musste beim Laufen im Wald unentwegt an Hadwins Worte denken. Was hatte er damit gemeint und noch viel wichtiger, was war ihm zugestoßen. Soviel er auch nachdachte, es ergab alles keinen Sinn, stand es im Norden des Reiches wirklich so schlecht? Nun, dieser Teil war der erste, welcher vor 40 Jahren vom Kaiser erobert worden war, das Volk dort hatte sich nie mit der Herrschaft Maladriens abgefunden, was man auch verstehen konnte. Aber waren die Rebellen dort wirklich so stark, dass sie ein echtes Problem für die kaiserlichen Truppen darstellen konnten? Ardik hatte Geschichten über den Silbernen Raben gehört. Sie sollten wahrlich mächtige und raue Krieger sein, und ausgezeichnet mit Schwert und Bogen umgehen können. Aber dass sie der maladrischen Armee ebenbürtig seien, war bis jetzt nicht zu ihm vorgedrungen. Vielleicht übertrieb Hadwin aber auch maßlos, aber so wie er aussah, mussten seine Aussagen richtig gewesen sein. Durch ein lautes Pfeifen, das aus einem der Büsche kam, wurde Ardik ruckartig aus seinen Gedanken gerissen "Borot, das bist du ja, wo hast du gesteckt?" rief er dem gerade zwischen zwei Bäumen hervorkommendem Mann zu. Er hatte einen dicken Eichenbogen um die Schulter geschnallt und betrachtete aufmerksam seine Umgebung "Ich hatte andere Probleme....." antwortete er mit abgelenkter Stimme "Schon irgendwas gefunden?" fragte Ardik während er über einen umgefallenen Baumstamm stieg "Nichts besonderes, nur ein paar Hasen, aber dafür lohnt es nicht einen Pfeil zu verschwenden" "Dann werden wir wohl weitersuchen müssen, dieser Frühling ist nun wirklich nicht der beste" Dem stimmte Borot mit einem zurückhaltendem Nicken zu. Die Stunden vergingen wie im Flug, während die beiden durchs Unterholz schlichen und nach lohnender Beute Ausschau hielten. Ardik fiel schnell auf, dass, je tiefer sie in den Wald hineingingen, die Vogelgesänge immer leiser wurden. Auch die Bäume wurden immer kahler, manche waren bereits schwarz und verdorrt, sie sahen wie verbrannte Hände aus, die sich hilfesuchend in den Himmel streckten. Ein unheimlicher Ort war dieser einst wildreiche und schöne Ort geworden "Was ist hier passiert?" fragte Ardik, während sie gerade durch ein ausgetrocknetes Bachbett stiegen. Borot drehte sich mit leicht verängstigtem Blick zu ihm und antwortete flüsternd "Wenn ich das wüsste, aber lange bleiben will ich hier nicht mehr, guck dir mal die Bäume an, ich glaube kaum dass wir hier noch irgendeinem Reh über den Weg laufen. Dieser Wald ist tot, ich habe das schon Mal erlebt" Er hielt einen Moment inne und lauschte "Vor vier Wochen" fuhr er fort "Wir waren bereits auf dem Rückweg, Ajunga Ir hatten wir hinter uns gelassen. Doch dann kamen wir in den Küstenwald von Ruga, es sah genauso aus wie hier, wir wollten ihn verlassen, doch es ging nicht, sieben von uns wurden getötet. Den Grund kannten wir nicht, sie lagen einfach eines Morgens tot vor dem Zeltlager. Wir glaubten die Rebellen hätten das angerichtet, aber wir fanden keinerlei Wunden an den Körpern unserer Kameraden" Ardik hörte gespannt zu "Und was war es dann?" fragte er neugierig "Wir wussten es nicht, sie waren einfach tot, einfach tot" Jetzt schoss es ihm wie ein Blitz durch den Kopf, war es das wovon Hadwin geredet hatte? Aber Flammen hatten auch Erwähnung in seiner Erzählung gefunden, davon hatte Borot gerade nichts erzählt "Gab es sonst noch irgendwelche Vorkommnisse?" "Kann sein, aber nach dieser Nacht haben ich und mein Trupp uns so schnell wie möglich nach Athir aufgemacht" Sie stoppten, als sie ein lautes Knacken unter ihren Füßen vernahmen. Ardik richtete seinen Kopf in Richtung des schwarzen, ausgetrockneten Waldbodens. Es sah aus wie Geäst, welches sich dort meterweit in alle Richtungen des Bodens erstreckte. Doch bei genauerer Betrachtung, erkannte er die Form von menschlichen Knochen. Ardik trat einen Schritt zurück, wobei er in den Brustkorb eines, noch blutigen und teilweise von Fleischfetzen bedeckten, abgenagten Skeletts trat. Ein Schaudern ergriff ihn und er musste sich zurückhalten, um nicht lauthals loszuschreien. Borot schien den blutigen Schlachtteppich nun auch bemerkt zu haben, denn er schaute verstört zu Ardik hinüber. Vorsichtig versuchte dieser seinen Stiefel aus den Rippen der halb aufgefressenen Leiche heraus zu ziehen "Das wird ja immer besser!" sagte Borot mit vor Ekel verzogenem Gesicht "Hast du das schon Mal erlebt?" Ohne eine Antwort abzuwarten drehte sich Ardik in die entgegengesetzte Richtung "Wir sollten hier weg" "Da stimme ich zu" Plötzlich ging Ardik ein merkwürdiges Rauschen durch Mark und Bein, sein Blick verschwamm und es fiel ihm schwer sich noch auf den Beinen zu halten. Borot schien es nicht anders zu ergehen, er stand wie festgefroren einige Meter neben ihm. Ardik versuchte krampfhaft einige Schritte nach vorne zu gehen, doch es gelang ihm nicht. Sein Körper war steif, jedoch nicht gelähmt. Eine grausige Angst packte ihn, würde mit ihm jetzt genau dasselbe wie mit diesen armen Kerlen, die überall verstreut auf dem mit Laub bedeckten Boden lagen geschehen? Er mochte gar nicht daran denken, denn selbst das Denken fiel ihm schwer. Fünf qualvolle Minuten voller Hilflosigkeit vergingen, bis sich der unsichtbare Griff, der die beiden gepackt hatte, endlich nachzulassen schien. Eine große Erleichterung fuhr Ardik übers Gesicht, als er merkte, dass er seine Finger allmählich wieder bewegen konnte. Doch anscheinend erging es seinen Beinen nicht so. Mit einem lauten Plumpsen fiel er zu Boden, wobei einige angenagte Knochen unter ihm zerbrachen und ihre Splitter in alle Richtungen des Waldes flogen. Es wurde still, kein Wind, kein Pfeifen, gar nichts, nur stechende Kälte, die sich langsam in Ardiks Körper ausbreitete. Vorsichtig versuchte er den Kopf zur Seite zu drehen. Borot lag ebenfalls auf dem blutverschmierten Laubboden und rührte sich nicht. Nach einigen Sekunden wurde die Stille durch ein dröhnendes Stapfen gebrochen, der Boden vibrierte so, dass Ardik es in seinem Schädel spüren konnte. Etwas näherte sich aus ungefähr 50 Metern Entfernung, Es hatte sie in seinen Fängen, was immer es auch war, es kam sicher nicht um ihnen zu helfen. Verzweifelt versuchte Ardik seine Arme zu bewegen, um an das Kurzschwert zu kommen, welches an seinem Gürtel steckte, aber es gelang ihm nicht. Das Stapfen kam immer näher, etwas beugte sich über ihn und schnupperte an seinem Kopf. Den Kopf konnte er nicht heben um zu sehen was es war, aber sein Hunger war förmlich zu fühlen. Ein Luftzug verkündete das baldige Zuschlagen einer Klaue, als auf einmal markerschütternder Schrei an ihm vorbeifegte "Nein!" Es war Borot, der es geschafft hatte sich zu befreien und nun mit gespanntem Bogen auf das Etwas zielte, welches gerade den Versuch unternommen hatte Ardik zu fressen. Ein Pfeil sauste durch die Luft, ein Schrei, ein weiterer Schrei, er war schrill und laut. Ein schnelles, sich entfernendes Stapfen und es war wieder totenstill. Nun kam wieder Bewegung in den Ardiks halbtoten Körper. Alles fühlte sich schwer und träge an, aber wenigstens konnte er sich wieder bewegen. Leicht schmerzerfüllt raffte er sich von den herumliegenden Gebeinen auf. Ein weiterer Schrecken überkam ihn, als er Borot aufgeschlitzt und stark blutend auf dem Boden liegen sah. Benommen stolperte Ardik zu ihm "Was, Was?" Erst jetzt bemerkte er, das Borot sich noch leicht wandte und mit schmerzerfülltem Gesicht zu ihm herauf schaute. Um nur nach ein paar Sekunden endgültig zu verstummen. Der Schock, der Ardik in diesem Moment ergriff, war unbeschreiblich. Doch er konnte nicht bleiben, er musste hier weg, dieses Vieh, das Borot das angetan hatte, würde sicherlich noch einmal zurückkehren, um den Leichnam seines toten Freundes zu verspeisen. Ohne nachzudenken begann Ardik zu rennen, in einer solchen Geschwindigkeit war er noch nie in seinem Leben gerannt. Über Stock und Stein, über umgefallene Bäume und durch dichtes Dornengestrüpp, welches seine Kleidung zerriss. Panik, Trauer, all diese Gefühle übermannten ihn. Was war das für ein Ding gewesen? Ardik hatte es nicht erkennen können, aber eines war klar, Borot hatte es in die Flucht geschlagen und ihm damit das Leben gerettet. Aber wo sollte er jetzt hin, am besten zurück nach Athir. Er musste es einem Offizier der kaiserlichen Truppen berichten, was hier im Wald geschehen war. Das Gebiet wurde wieder grüner, Ardik schien den finsteren Teil des Waldes hinter sich zu lassen. Seine Kräfte fanden ihr Ende, selbst vollgepumpt mit Adrenalin konnte er jetzt nicht mehr weiterlaufen. Entkräftet blieb er stehen, wäre fast hingefallen, konnte sich aber im letzten Moment an einen, mit Moos bewachsenen Baum stützen. Keuchend ließ er sich zu Boden sinken, Das Moos war weich und wirkte auf Ardik wie ein natürliches, dunkelgrünes Kissen. Diese kleine Pause brauchte er um seine Gedanken zu sammeln. Borot war tot, soviel war klar, aufgeschlitzt von irgendeiner Kreatur. Die Stadt musste gewarnt werden, sonst würden bald weitere ahnungslose Wanderer, die nichts ahnend hier durch spazierten ebenfalls als abgefressenes Skelett enden. Langsam zogen sich die Wolken am Himmel zu einer dichten, grauen Decke zusammen, die ersten Regentropfen ließen dementsprechend auch nicht lange auf sich warten. Bereits halb durchnässt richtete sich Ardik auf, es konnte nicht mehr weit bis zum Waldrand sein, er musste sich beeilen. Nach etwa 10 Minuten mühsamen Laufschrittes konnte er endlich die flaggenbesetzten Zinnen der Stadtmauer erkennen. Es war fast geschafft, nur noch wenige Meter trennten ihn und das Stadttor. Was sollte er berichten? Was sollte er sagen? Einen kurzen Moment schien es so, als würde sich der Boden unter ihm bewegen, doch schnell merkte Ardik, das es nicht der Boden war, sondern er selbst. Die Lähmung hatte anscheinend noch ihre Nachwirkungen. Unbeholfen ließ er sich auf seine Knie, in das weiche Gras des Waldrandes fallen. Sein Blick wurde dunkler, er sah nur noch einen kleinen Trupp Stadtwachen, der in bewappten Lederwämsern auf ihn zulief.........Nach einiger Zeit wurde sein Bewusstsein wieder klarer. Der Geruch von verbrannten Kohlen stieg ihm in die Nase, noch hatte er seine Augen nicht geöffnet, vielleicht wollte er ja gar nicht sehen wo er war. Aber die Neugier war zu groß, wie viel Zeit war vergangen? Genau wie bei seiner letzten Bewusstlosigkeit hatte er überhaupt kein Zeitgefühl. Vorsichtig öffnete er seine blaugrauen Augen und schaute sich verwundert im Raum um, in welchem er gerade auf einem harten und kalten Holzboden lag, die Arme von sich gestreckt. Es war ein kahler Raum. Ein kleines steinernes Waschbecken zierte als einziger Gegenstand die mit Spinnenweben überwucherte Ecke. Als er sich weiter umschaute erkannte er keine Tür, nur ein paar eiserne Stangen, welche der Ausgang aus diesem Raum zu seien schienen. Eiserne Stangen? Langsam dämmerte es ihm "Ich bin in einer Zelle" erkannte Ardik und versuchte seine müden Glieder vom kalten Holzboden zu erheben. Nur ein paar Fackeln, welche außerhalb der Zelle in einem kleinen Gang angebracht waren schenkten Ardik ein wenig Licht, so dass er nicht gegen eine Wand lief. Warum war er hier drin? Das war die Frage, die ihn in diesem Moment am meisten beschäftigte. Das Stapfen von Soldatenstiefeln brachte hoffentlich die Antwort. Kurz konnte er erkennen wie ein Gesicht durch die Gitterstäbe lugte. Ein Ruf erschallte "Er ist wach Kommandant!" Kurz darauf konnte man das Klappern eines schweren Plattenharnisches hören, der sich verhältnismäßig schnell näherte. Trotz seiner Benommenheit und des nur schwachen Lichts konnte Ardik sehen, wie sich die Gittertür mit einem lauten Ruck öffnete und hart gegen eine der Wände schlug. Er zuckte zusammen, als ein Mann in prunkvoller Stahlrüstung und einem Umhang aus roter Seide eintrat. Die Vorderseite des Harnisches zierte das Wappen der athirischen Stadtgarde, zwei gekreuzte, weiße Hellebarden auf rotem Grund. Der Mann selbst sah kräftig aus, seine langen schwarzen Haare hingen bis auf die Schultern hinab. Auf seinem Rücken trug er ein elegant geschmiedetes Breitschwert, das an einer braunen Lederschnur, die sich um seinen ganzen Körper schlang, befestigt war. Mit Argwohn blickte er zu Ardik, dieser versuchte immer noch zu realisieren was überhaupt los war "Da ist er also, der kleine schleimige Mörder, hätte dich mir größer vorgestellt" sagte der Kommandant mit eindeutiger Verachtung in seiner Stimme. Ardik begriff gar nichts "Was?" Des Kommandanten Blick wurde wütender "Schaut ihn euch an, jetzt tut er so als würde er sich an nichts erinnern" "Was meint ihr überhaupt?" "IHR seid des Mordes an Borot von Steinhelm angeklagt, versucht gar nicht erst euch da herauszuwinden" Ardik fuhr bei diesen Worten ein Zucken durch den Körper. Sie dachten also er hätte Borot umgebracht "Nein, so war das nicht" erwiderte er entschuldigend. Der zornige Blick des Kommandanten verwandelte sich in ein feistes Lächeln "Ach nein? Wie war es denn?" Als Ardik gerade eine Antwort auf diese Frage geben wollte fiel ihm der Kommandant in das nicht einmal begonnene Wort "Wartet! Ich will es gar nicht hören, erzählt eure Lügengeschichten dem Richter, er wird morgen euer Schicksal entscheiden" "Aber ich...." Ardiks Gegenüber machte einen schnellen Schritt nach vorne und sagte mit entnervtem und gleichzeitig wütendem Gesicht "Haltet jetzt besser eure Klappe wenn ihr eure Zähne behalten wollt!" Er gab Ardik einen heftigen Stoß, wodurch er zu Boden fiel und unsanft auf dem Kopf landete. Er konnte nur noch hören, wie der Kommandant unter dem schweren Geklapper seiner Rüstung die Zelle verließ und die Tür hinter sich schloss. Ardik schlug die Hände vors Gesicht. Nun dachten sie also ER hätte Borot getötet. Wer würde ihm schon glauben dass etwas, was er selbst nicht genau erkennen konnte seinen Freund aufgeschlitzt hatte? Niemand! Er musste sich bis morgen etwas einfallen lassen, sonst wäre ihm der Strick sicher.

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