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Kapitel 5 – Die Kondor

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Die letzten Sonnenstrahlen des Tages warfen ihren Schein vom Horizont hinaus auf das dadurch glitzernde Hafenbeckenwasser. In diesem Hafenbecken lag der ganze Stolz der maladrischen Flotte vor Anker. Das Kriegsschiff Kondor, zwei mächtige Reihen Unterdeckkanonen stachen direkt aus dem robusten Rumpf ins Auge. Dicke Masten trugen mächtige, weiße Leinensegel, welche eingeholt wie dicke Tuchrollen wirkten. Johann stand voller Stolz in der Brust vor dieser schwimmenden Festung. Erst vor wenigen Tagen hatte er seine Offiziersausbildung abgeschlossen und bekleidete nun den Rang eines Fähnrichs. Er war dazu bestimmt einige Monate auf der Kondor zu dienen. Eine Brise pfiff durch den Hafen von Ajunga Ir und verursachte kleine Wellen auf der Meeresoberfläche. Das Kreischen der Möwen löste in Johann ein Gefühl der Vertrautheit mit dieser Stadt aus. Den Säbel fest am Gürtel betrat er langsam den Steg, der aufs Schiff führte. Er war ein wenig aufgeregt, schließlich war dies sein erster Dienst, in dem er einen Offiziersrang bekleidete und die damit verbundene Verantwortung konnte er nicht umgehen. Und das wollte er auch nicht, er wollte sich endlich beweisen. Seine Nervosität stieg noch weiter an, als er das Schiffsdeck betrat, auf dem ein geschäftiges Treiben herrschte. Hektische Matrosen sprangen hin und her, Offiziere brüllten ihre Befehle durch die Gegend und vor Johann stand ein Mann, großgewachsen, grauhaarig und ein wenig beleibt. Er trug eine dunkelrote Kapitänsuniform mit Abzeichen und Orden, ein langes, mit Edelsteinen und Einkerbungen verziertes Florett baumelte an einem Klingenhalter von seinem schwarzen Ledergürtel hinunter. Dies musste Kapitän Alvergo sein, unter dessen Befehl Johann nun stand. Mit Ehrfurcht salutierte dieser und sprach mit stottriger Stimme „Ka Kapitän, Fähnrich Johann Weißenberg me me meldet sich zum Dienst“ Der Kapitän schaute ihn an „Ah Fähnrich Weißenberg, ich habe sie bereits erwartet“ Johann war froh das Alvergo so freundlich sprach, das nahm ihm die Aufgeregtheit für einen Moment „Dann werde ich euch einmal das Schiff zeigen, ich garantiere euch, es wird nicht langweilig“ Auf diesen Satze hin brachte Johann nur ein verlegenes Lächeln hervor „Vielen Dank Herr Kapitän“

Nur trottend und mit kleinen Schritten folgte er Alvergo, welcher selber mit schwerem Schritt über das Deck stampfte. Die hohen Masten ragten so weit in den Himmel, dass man sie aus der Ferne für Bäume hätte halten können. Möwen hatten sich bereits kleine Nester auf ihren Spitzen gebaut und würden sich sicherlich wundern, wenn sich dieser Ort ihres Nestes schon sehr bald auf hoher See befand. Die Abendsonne versank langsam hinterm Horizont und das Licht schwand. Die beiden traten durch eine kleine, nicht einmal 1.70 Meter hohe Tür ins Schiffsinnere hinein, Johann und der Kapitän musste sich bücken um nicht mit dem Kopf gegen den Türrahmen zu schlagen. Eine führte eine schmale, knarrende Treppe hinunter aufs erste Kanonendeck. Johann betrachte die schweren 24.Pfünder mit Bewunderung. Nicht viele Schiffe der Flotte hatten eine solche Bewaffnung erhalten. 40 Stück waren es an der Zahl, 16 auf diesem Deck, 16 auf dem zweiten Kanonendeck unter ihnen und noch einmal acht auf dem Oberdeck „Das sind unsere kleinen Eisenschleudern“ Johann zuckte leicht erschreckt zusammen als Alvergo begann zu erklären „Die Kondor ist eines von nur fünf Schiffen der maladrischen Flotte, die diese kleinen Wunderwerke der Technik besitzt“ fuhr er fort und strich dabei mit der Hand über eine der Kanonen, deren Rohr bedrohlich durch eine Kanonenluke auf die See gerichtet war „Der Umgang mit ihnen ist nicht sonderlich schwer, man muss nur wissen was man tun muss“ Johann wusste, dass jetzt der Teil kommen würde, wo einem Offizier das erklärt wurde, was er eigentlich nicht wissen musste, aber aus Gründen der Höflichkeit ließ er diesen Vortrag über sich ergehen „Es ist eigentlich nur eine Kugel, ein bisschen Schwarzpulver und drei bis vier Matrosen von Nöten um dieses Ding abzufeuern......“ Der Kapitän erkläre das Laden und Abfeuern des Geschützes, das wieder Zurückrollen, und dass man von diesem metallenen Monster sehr leicht überrollt werden konnte, wenn man sich beim Feuern falsch positionierte. Nach etwa 10 Minuten unermüdlichen Zuhörens ging der Rundgang weiter. Zwei Decks unter ihnen lagen die Mannschaftsquartiere. Es waren schlichte Hängematten, nichts wirklich bequemes, aber man durfte auf dem Meer nicht wählerisch sein. Schließlich zeigte er Johann die Kajüten der Offiziere, es waren fünf Vierbetträume, die im Heck des Schiffes lagen. Hier gab es nicht gerade sauberere, aber wenigstens weichere Betten, einige Schränke und Truhen. In einem dieser Zimmer würde Johann schlafen, in welchem wusste er jedoch noch nicht. Weiter ging es auf das unterste Deck der Kondor, den Frachtraum. Hier war es dunkel und stickig, Johann fand es gefährlich, dass die Pulverfässer so nah an den Lampen standen, aber die, die dies getan hatten, würden schon wissen was sie taten. Alvergo begann mit einem weiteren Vortrag, während sich Johann erschöpft gegen ein Eichenfass lehnte „Wir haben Proviant für fünf Monate an Bord. Darunter: Pökelfleisch, Zwieback, Sardinen, Bohnen, getrocknete Früchte, Wasser, Wein und Rum. Letzteres ist natürlich am beliebtesten und wird bei besonderen Anlässen an die gesamte Mannschaft ausgeschenkt. Die Offiziere bekommen einen Extrakrug jeden Tag, also macht euch keine Sorgen“ Bei diesem Satz fuhr Johann ein verschmitztes Grinsen über die Lippen. Als sie wieder auf dem Weg nach oben waren, kam ihnen ein Mann entgegen, dessen Uniform der des Kapitäns ähnelte, die jedoch nicht ganz so prunkvoll geschmückt war „Ah darf ich vorstellen“ sagte Avergo „Das ist Fähnrich Weißenberg, er wird für einige Monate hier auf der Kondor bleiben“ Nun wandte sich Avergo ihm zu „Fähnrich Weißenberg, das ist Oberleutnant Baro, mein erster Offizier“ Johann und Baro gaben sich freundlich die Hände „Neue Offiziere können wir immer gut gebrauchen, besonders wenn sie ihre Ausbildung so vortrefflich gemeistert haben wie ihr“ sagte Baro noch während des Händeschüttelns „Danke Herr Oberleutnant“ antwortete Johann „Auf welcher Marineakademie wart ihr“ Johann musste über diese Frage kurz nachdenken, wie konnte er das nur vergessen? „Ich war auf der Akademie in Seran“ fiel ihm wieder ein „Tatsächlich? Dort war ich auch. Nun ja, ich sollte euch aber nicht weiter aufhalten, Kapitän Avergo ist bestimmt schon ganz versessen darauf euch den Rest den Schiffes zu zeigen, einen schönen Abend noch“ Die drei verabschiedeten sich wieder. Und Avergo führte seinen Rundgang fort „Hier haben wir die Essräume“ erklärte er als sie in einem großen, mit Tischen und Hockern befüllten Schiffsteil kamen. Der Geruch der Kombüse drang bis hierhin und trug den Geruch von Bohnensuppe mit sich. Niemand war hier, anscheinend befand sich der Rest der Mannschaft auf dem Oberdeck, kein Wunder, in einer halben Stunde würde die Kondor den Hafen verlassen und Richtung offenes Meer segeln, was das eigentliche Ziel dieser Reise war, hatte man Johann immer noch nicht gesagt, wie wahrscheinlich den meisten der Mannschaftsmitgliedern nicht. Das Flottenkommando hielt sich sowieso immer sehr verschlossen, wenn es um Fahrten von großen Kriegsschiffen ging. Aber vielleicht fand Johann ja noch etwas heraus. Möglicherweise war es ein Blick in die Karten des Kapitäns, doch dies war ein großes Risiko, zumal er in seiner Kajüte eigentlich nichts zu suchen hatte.......Diese Nacht war kalt, sehr kalt, Johann konnte sich mit seinem kleinen Quartier im tiefen Innenraum des Schiffes kaum zufriedengeben. Morgen würden sie los segeln. Er konnte kaum ein Auge zu machen, bei dem Gedanken wohin sie segeln würden. Vielleicht auf Nurm Inseln: Iormina, Ukar Aiar und Parana. Wobei Parana als einzige der drei Inseln nicht zum Maladrischen Reich gehörte, sie war bereits seit 19 Jahren Teil des Garmarischen Sultanats, welches sie damals vom Großherzogtum Ramm erobert hatte. Es war ein kurzer und blutiger Krieg, die Rammen konnten die große Seefestung, welche die Insel vor feindlichen Angriffen schützte nur zwei Tage halten. Bis die garmarischen Galeeren anlandeten und das Eiland in nur weiteren neun Tagen besetzten. Nach der Eroberung Ramms durch Maladrien fiel Parana vollständig an das Sultanat. Johann konnte sich noch zu gut an die weiten Heiden und grünen Steppen Paranas erinnern, goldgelber Weizen blühte dort jeden Herbst aufs neue, von dort bezog das Großherzogtum einen Großteil seines Getreides. Mächtige Laubwälder an den Küsten der Insel, welche sich gegen Jahresende in ein rot-gelbes Blättermeer verwandelten. Doch nicht nur schöne Erinnerungen hatte er von dort mitnehmen können, nachdem er und seine Familie von den Garmarern fünf Jahre nach der Eroberung Paranas von dort vertrieben wurden liefen sie direkt in den Krieg zwischen Maladrien und Arkasnien hinein, bei einer Dorfplünderung kamen seine Eltern ums Leben. Er und seine Schwester streiften Monatelang durch die Wildnis, bis sie von einem Trupp der maladrischen Armee aufgenommen wurden. Und nun? Nun war er hier, Fähnrich auf dem Flaggschiff der maladrischen Flotte, Offizier mit 23 Jahren. Er war fest entschlossen eines Tages in seine Heimat zurückzukehren und Rache am Sultanat zu üben. Die Sonne war nun vollständig untergegangen, jedoch fiel auch kein Mondschein auf das Meerwasser. Der Himmel war höchstwahrscheinlich von dicken, grauen Wolken bedeckt, welche man jedoch nachts nicht besonders gut erkennen konnte. Wenn sie Pech hatten würden sie morgen bei ihrer Abfahrt direkt in einen schweren Sturm hinein segeln. Und so etwas war nicht zu unterschätzen. Fester wickelte sich Johann in seine leicht muffig riechende Leinendecke ein und versuchte somit die klirrende Kälte abzuhalten, die in seinen Körper drang. Doch es half nur wenig, dieser lächerliche Fetzen Stoff, der sich Decke nannte, war nicht mehr als ein aus Schafsfell zusammengeflickter Lappen. Vielleicht sollte Johann morgen versuchen sich etwas Besseres zu beschaffen, aber dies würde kaum möglich sein, zumal nicht einmal der Kapitän etwas Besseres zu besitzen schien, ein einziges Armutszeugnis war dies, dem Kaiserreich ging anscheinend langsam das Geld aus. Sie hatten zu schnell expandiert und konnten die hohen Kosten für die eroberten Provinzen, allen voran Arkasnien, nicht mehr lange tragen. Dörfer mussten wieder neu aufgebaut, Straßen und Städte repariert, die Rebellen abgehalten werden. Als dies verursachte enorme Kosten, welche die Reichsschatzkammer Tag für Tag leerten. Johanns Geist wurde langsam schwächer und das Denken fiel ihm schwerer, als ihn der Schlaf zu sich holte und ihn in eisiger Kälte verstummen ließ.

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