Читать книгу Wer auf dich wartet - Gytha Lodge - Страница 11

7.

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»Ich nehme an, Sie sind von der Polizei?«

Felix stand in der Tür. Juliette registrierte den hellgrauen Anzug und das offene Hemd, das perfekt frisierte Haar und den sauber gestutzten Bart. Er sah aus, als wäre er gerade von der Arbeit heimgekommen oder hätte sich für einen gediegenen Abend außer Haus extra umgezogen.

Juliette lächelte ihn an. »Woher wissen Sie das?«

»Es ist einfach Ihre Art«, sagte Felix und grinste. »Und vielleicht die Streifenwagen vor der Tür. Aus meinem Küchenfenster kann ich die Straße überblicken.«

Als Juliette den Mund aufmachte, um vorzuschlagen, drinnen weiter zu reden, sagte er: »Sie sehen aus, als wollten Sie mir ein paar heikle Fragen stellen. Kommen Sie doch rein. Wenn ich meine Nachbarn verpfeife, würde ich es lieber vertraulich tun.«

Er trat einen Schritt zurück, um Juliette hereinzulassen. Der Grundriss der Wohnung war eine Spiegelung von Zoes, wie sie erkannte. Wahrscheinlich war die Wohnung genauso groß, aber vollständig möbliert wirkte sie kleiner. In der Mitte des Raumes stand ein großes Sofa, und eine Wand wurde komplett von einem spießigen Bücherregal beherrscht, in dem ordentlich aufgereiht oben Taschenbücher und unten gebundene Bücher standen. Ein paar Bilder gab es auch, Seestücke an zwei Wänden sowie mehrere gerahmte Urkunden und ein paar kleinere Fotos auf einem zweiten Regal. Auf einem TV-Regal stand ein riesiger Plasmabildschirm, darunter eine akkurate Reihe DVDs.

Während in Zoes Wohnung alle Ablageflächen vollgestellt gewesen waren, war bei Felix alles aufgeräumt und blitzsauber, der Wischlappen über dem Spülbecken und das Handtuch an der Ofentür waren exakt mittig ausgerichtet und sahen aus, als wären sie gebügelt worden.

»Bitte«, sagte er, holte sich einen Stuhl aus der Küche und wies auf das Sofa, »nehmen Sie Platz.«

»Danke«, sagte Juliette und setzte sich vorsichtig. »Meines Wissens sind Sie Zoe Swardadines Vermieter. Ist das korrekt?«

Felix erstarrte kurz, bevor er Platz nahm, als wäre nichts gewesen.

»Ja«, antwortete er. »Ist dies … Geht es ihr gut?«

»Zoe ist in ihrer Wohnung tot aufgefunden worden«, sagte Juliette sanft. »Es tut mir leid, Ihnen diese Nachricht überbringen zu müssen.«

»Ist das … ist das Ihr Ernst?« Der Ausdruck in den Augen des Mannes wirkte beinahe gehetzt. »Ich habe gestern noch mit ihr gesprochen.«

»Ein Freund von ihr hat sich Sorgen um sie gemacht hat und uns angerufen.« Juliette wählte ihre Worte mit Bedacht. »Als wir in die Wohnung kamen, war sie bereits tot.«

»Mein Gott«, sagte Felix und dann noch einmal: »Mein Gott.« Er stand auf und stützte sich auf die Arbeitsplatte. »Hat sie … hat sie es selbst getan?«

Hanson fand die Frage merkwürdig. »Es ist noch zu früh, um das mit Bestimmtheit zu sagen«, antwortete sie. »Haben Sie Grund zu der Annahme, dass sie selbstmordgefährdet war?«

»Nein, natürlich nicht«, sagte Felix und fügte hinzu: »Dann hätte ich … Ich hätte etwas getan …«

Es entstand ein Schweigen, und Juliette hatte den Eindruck, dass er tief in eine Erinnerung versunken war.

»Soweit ich weiß, besitzen Sie einen Schlüssel zu ihrer Wohnung«, sagte sie schließlich.

»Ja, selbstverständlich. Ich muss Zugang haben, damit ich Dinge reparieren oder Handwerker hereinlassen kann.« Juliette wunderte sich über seinen defensiven Tonfall. Felix blickte zu einer Reihe von Haken neben der Wohnungstür. »Brauchen Sie ihn …? Ich könnte ihn raussuchen. Aber ich habe nur den einen …«

»Ich frage den Chef«, erwiderte Juliette. »Es wäre wahrscheinlich nützlich, ihn griffbereit zu haben. Sie haben gesagt, Sie hätten gestern mit ihr gesprochen. Wann genau war das?«

»Am Vormittag«, sagte er rasch. »Nur ein kurzer Plausch.«

Juliette lächelte. »Sprechen Sie häufig mit Ihren Mietern?«

»O nein. Ich habe nur diese eine Wohnung, die ich vermiete, und Zoe war mehr eine Freundin als nur eine Mieterin. Ich kannte sie aus dem Café, bevor sie eingezogen ist. Mein Gott.« Er ließ beide Arme hängen und wirkte plötzlich kraftlos.

»Wie ging es ihr, als Sie mit ihr gesprochen haben?«, fragte Juliette.

Felix zuckte die Schultern. »Schwer zu sagen. Sie wirkte beschäftigt, nehme ich an. Sie schien nicht so viel Zeit zu haben wie üblich.«

»Und nach diesem Gespräch haben Sie sie nicht mehr gesehen?«, bohrte Hanson weiter.

»Nun … gesehen habe ich sie schon. Als sie nach Hause gekommen ist.«

»Sie haben sie gesehen …?«

»Unten«, sagte er und wies mit dem Kopf auf das Küchenfenster, von dem aus man auf die Straße blicken konnte. Juliette stand auf und trat an das Fenster. Sie probierte aus, ob man auch die Haustür beobachten konnte. Aber selbst wenn sie ganz rechts stand, sah sie nur den Bürgersteig direkt davor. Trotzdem konnte man problemlos verfolgen, wer das Haus betrat und verließ.

»Um wie viel Uhr war das?« Sie wandte sich zu Felix um.

»So gegen acht, würde ich sagen.« Er zuckte erneut die Achseln. »Es war dunkel. Ich habe nicht auf die Uhr gesehen, doch es war schon eine Weile dunkel.«

Juliette notierte das in ihrem Block und schob ihn zusammen mit dem Stift zurück in ihre Tasche.

»Vielen Dank«, sagte sie. »Das ist wirklich hilfreich. Der Chef möchte bestimmt, dass Sie diese Aussage noch einmal auf dem Kommissariat zu Protokoll geben. Ist das in Ordnung? Haben Sie … eine Beschäftigung?«

Nach einer kurzen Pause antwortete Felix: »Nein. Nein, das ist kein Problem. Ich kann mir die Zeit nehmen.«

Er brachte Juliette zur Tür, und sie trat nachdenklich in den Flur. Auf halbem Treppenabsatz blieb sie stehen und schickte dem Chef per SMS eine kurze Zusammenfassung ihres Gesprächs mit Zoes Vermieter, bevor sie sich auf die Suche nach Überwachungskameras machte.

O’Malley kehrte ins Kommissariat zurück, bevor Aidan Poole und Zoes Eltern eingetroffen waren, und gab Jonah einen knappen Abriss dessen, was er von Victor Varos und Maeve Silver in dem Café erfahren hatte.

»Es gibt offenbar starke Gefühle«, fasste er seinen Eindruck zusammen. »Vor allem bei Victor. Ich würde vermuten, dass er sie vergeblich angeschmachtet hat. Ich denke, mit beiden sollten wir uns noch einmal gründlicher unterhalten.«

Jonah hatte zugestimmt und O’Malley gebeten, sich darum zu kümmern, bevor er sich noch einmal die Abschrift von Aidans erstem Anruf vorgenommen und sie mit der Verbrechensmeldung verglichen hatte, die er am darauffolgenden Vormittag online gemacht hatte. Die schreiend offensichtliche Frage lautete, warum Aidan die Polizei gerufen hatte, statt selbst zu Zoe zu eilen. Zwischen den beiden Meldungen waren zwölf Stunden vergangen, und Aidan Poole hatte danach offenbar nicht mehr über das Wohlbefinden seiner Freundin gewusst als zu Beginn.

Dafür waren Jonah mehrere mögliche Erklärungen eingefallen. Die erste war, dass Aidan und Zoe wegen irgendetwas gestritten hatten und sie nicht auf seine Anrufe und Besuche reagiert hatte. Ein solcher Streit wäre für Aidan natürlich ein weiterer Grund gewesen, sich Sorgen um sie zu machen. Diese Theorie ging davon aus, dass die vorgebliche Beobachtung eines Mordes reine Fiktion gewesen war, um die Polizei dazu zu zwingen, nach ihr zu sehen.

Sein zweiter Gedanke war, dass Aidan ganz genau wusste, dass Zoe tot war, weil er sie selbst umgebracht hatte. Weil er geglaubt hatte, verdächtig zu wirken, wenn er derjenige war, der ihre Leiche fand, und um den Verdacht in eine andere Richtung zu lenken, hatte er die Polizei angerufen und gehofft, dass sie unverzüglich anrücken würde. Als nichts passierte, hatte er es noch einmal versucht.

Was Jonah als Drittes einfiel, war viel unkomplizierter und passte zu der Tatsache, dass Aidan als Tatort »Southampton« angegeben hatte. Die dritte Theorie lautete, dass Aidan nicht selbst vorbeigefahren war, weil er gar nicht wusste, wo Zoe wohnte. Und obwohl das die einfachste Erklärung war, warf sie genauso viele Fragen auf wie die beiden anderen. Wenn Zoe schon seit fünf oder sechs Monaten dort lebte, wie konnte er ihre Adresse nicht gekannt haben?

Am Ende traf Aidan vor den Eltern ein, worüber Jonah erleichtert war. Es gab eine Menge Fragen, auf die er eine Antwort wollte, ehe er mit Mr and Mrs Swardadine sprach.

Leibhaftig wirkte Dr. Aidan Poole deutlich weniger weltgewandt als auf seinem Foto, doch Jonah war bereit einzuräumen, dass das den Umständen geschuldet sein konnte. Sein Jackett und die Jeans waren durchaus ordentlich, doch seine Haut glänzte unvorteilhaft, und der eigentlich gesunde Teint wirkte blass und ebenso kränklich wie die glasigen, blutunterlaufenen Augen. Alles Spuren der Trauer, die das perfekte Porträt verschrammt und verschmiert hatten, bis es schäbig und unattraktiv wirkte.

»Ich hätte meinen Namen angeben sollen, als ich angerufen habe«, erklärte der Dozent, sobald das Aufnahmegerät lief. »Es tut mir furchtbar leid. Hat es … hat die Verzögerung einen Unterschied gemacht?«

Jonah blickte von der Abschrift auf, die er mitgebracht hatte. »Schwer zu sagen«, erwiderte er neutral. »Es hätte vielleicht einen kleinen Unterschied machen können.«

Aidans Kiefer verspannten sich, als er sich nickend abwandte.

»Zoe war also Ihre Freundin?«, fragte Jonah, als Aidan stumm blieb. Der Dozent nickte, und Jonah fuhr fort: »Sie müssen mir erzählen, was Sie gesehen haben. So genau wie möglich.«

»Ja«, sagte Aidan. Sein Kinn blieb angespannt, und Jonah konnte förmlich spüren, wie er die Zähne aufeinanderbiss.

Aidan erzählte alles noch einmal, wobei sein Tonfall vor Nervosität zwischendurch immer wieder schrill wurde. Der Skype-Anruf. Der Eindringling, den er gehört hatte. Die Geräusche eines Kampfes.

Für Jonah klang seine Schilderung nicht einstudiert. Immer wieder entstanden Pausen, in denen Aidan seine Worte genau wählte. Und die waren es, die Jonah tatsächlich am meisten interessierten.

»Deshalb haben Sie die Polizei angerufen?«

»Ja.« Er sah Jonah ein wenig verzweifelt an. »Aber ich habe es nicht besonders gut hingekriegt zu erklären, was sie tun mussten, und das … das bereue ich wirklich.«

Seine Stimme verlor sich. Jonah beobachtete ihn genau, dann sagte er: »Sie wissen, dass es sich um eine Mordermittlung handelt. Deshalb sind andere Erwägungen weniger wichtig als sonst.«

Aidan wich instinktiv vor ihm zurück.

»Ich muss wissen, was Sie mir verschweigen«, fuhr Jonah fort.

Aidan schüttelte den Kopf. »Sie ist … Studentin.« Er verzog das Gesicht. »Ich bin Dozent. Wir haben unsere Beziehung geheim gehalten, weil es sie eigentlich nicht hätte geben dürfen. Die Universität würde es ohne Frage missbilligen, und wenn ihr etwas zugestoßen ist und ich darin verwickelt bin …«

Jonah sah ihn lange fest an. Aidan erwiderte den Blick kurz und wandte sich dann wieder ab.

»Haben Sie Grund zu der Vermutung, dass jemand Zoe etwas antun wollte?«, fragte Jonah leise.

»Ich weiß nicht«, antwortete er. »Aber ich frage mich immer wieder, ob sie jemanden kennengelernt hatte, wissen Sie? Ob es einen anderen gab und das der Grund war, warum sie nicht zu erreichen war … Vielleicht wollte sie es mir an dem Abend sagen. Könnte er sie umgebracht haben? Wenn es einen anderen gab? Jemanden, dem sie den Schlüssel gegeben hatte.«

»Sie hat nie etwas in der Richtung angedeutet?«

Aidan schüttelte den Kopf und fügte dann zögernd hinzu: »Aber es gab, Sie wissen schon … Interessenten. Vor allem einen. Ihr Kumpel Victor, der mit ihr in dem Café gearbeitet hat.«

»Wie kommen Sie darauf, dass er in sie verliebt war?«

»Das konnte jeder Blinde sehen«, sagte Aidan, und seine Stimme klang wieder ein wenig kräftiger. »Als ihm klar wurde, dass wir zusammen waren, wollte er auf mich losgehen, und dann hat er meinen Laptop ruiniert. Man hätte ihn verdammt noch mal feuern sollen. Danach hat er zwei Monate lang nicht mehr mit uns gesprochen, und er hat mich ganz offensichtlich gehasst.«

Jonah sah Aidan nachdenklich an und fragte: »Kennen Sie Zoes Adresse?«

Er bemerkte, dass Aidan leicht errötete.

»Nicht ihre neue«, sagte er.

»Wann ist sie dorthin gezogen?«

»Ich … vor etwa vier Monaten vielleicht.«

Jonah sah ihn einfach weiter an, und Aidan ließ den Blick wieder sinken.

»Ich weiß, es klingt ein bisschen seltsam. Als wir uns vor einer Weile getrennt hatten, ist sie weggezogen, weil sie neu anfangen wollte. Aber als es dann wieder losging mit uns, haben wir es so gemacht wie ganz am Anfang. Wir haben uns verabredet und sind jedes Mal in meinem Hotel gelandet …« Er schloss kurz die Augen. »So … so hört sich das wirklich schrecklich an. Aber das war es nicht. Es war … wunderbar.«

Der schimmernde Glanz in seinen Augen quoll über, und Aidan wischte sich verlegen die Tränen weg. Jonah beschloss, es fürs Erste dabei zu belassen. Er hatte das starke Gefühl, dass Aidan Poole eine Menge zurückhielt, doch er war sich auch bewusst, wie es sich auf der Aufnahme anhören würde, wenn er einen offensichtlich trauernden Zeugen drangsalierte. Und falls es zum Prozess kam, wurde jedes Wort von ihm auf die Waagschale gelegt.

»Das ist für den Augenblick alles«, sagte er. »Aber wir müssen noch Ihre Fingerabdrücke nehmen. Ich schaue nach, ob gerade jemand Zeit hat.«

»Warum?«, fragte Aidan, und wieder spürte Jonah seine Anspannung. »Sie wissen, dass ich es nicht war.«

»Das müssen wir mit Sicherheit ausschließen. Selbst wenn Sie nie in der Wohnung waren, werden Sie Dinge berührt haben, die Zoe gehörten.«

»Oh«, sagte Aidan. »Natürlich. Tut mir leid.«

Jonah stand auf. »Ich bringe Sie nach unten.«

Juliettes Suche nach Überwachungskameras hatte zwei Treffer ergeben. Auf dem Parkplatz hinter dem Wohnblock gab es eine Kamera, die auf das Tor gerichtet war und durch den Torbogen unter dem Gebäude die Straße im Blick hatte. Der Eingang zu den meisten Wohnungen befand sich direkt neben dem Torbogen, sodass eine gute Chance bestand, dass die Kamera jeden erfasst hatte, der aus Richtung Innenstadt gekommen oder gegangen war.

Am unteren Ende der Latterworth Road auf dem Weg in die Stadt gab es eine weitere Kamera an einem Laternenmast mit Blick auf den aus der City kommenden Verkehr. Das andere Ende der Straße war leider gar nicht abgedeckt. Nur wer aus südlicher Richtung gekommen war, konnte von den Kameras erfasst worden sein.

Natürlich hatte es während ihrer gesamten Erkundungsmission geregnet. Nur durch Kopftuch und ihre Jacke geschützt, war Juliette völlig durchnässt, als sie wieder zu ihrem Wagen kam. Sie stieg ein und drehte die Heizung auf, sodass ihre Kleidung zumindest wieder halbwegs trocken war, als sie das Kommissariat erreichte.

DI Walker, einer der Detectives für East Hampshire, lächelte mitfühlend, als sie hereinkam. »Von Tür zu Tür gelaufen?«

»So ähnlich«, antwortete sie. »Überwachungskameras suchen.«

»Ich hab immer eine Regenhose im Wagen«, vertraute er ihr leise an. »Die sehen beschissen aus, aber …« Er zuckte die Schultern. »Besser, als sich den ganzen Tag den Arsch abzufrieren.«

»Guter Tipp«, sagte Juliette. Sie erzählte ihm nicht, dass sie wochenlang wasserdichte Kleidung im Wagen gehabt hatte, in einer gepackten Reisetasche, die zur Sicherheit immer im Kofferraum gestanden hatte, damit sie jederzeit Reißaus nehmen konnte vor ihrem gewalttätigen Freund, mit dem sie zusammengelebt hatte. Die Tasche herauszunehmen, nachdem sie sich endlich von ihm befreit hatte, war psychologisch ein wichtiger Schritt gewesen. Pech bloß, dass es praktisch gesehen ziemlich dumm gewesen war.

Sie fuhr den Computer auf ihrem Schreibtisch hoch und ging noch einmal die Tatortfotos durch. Bei einem der Fotos aus der Küche, auf dem zwei Futternäpfe zu sehen waren, hielt sie inne. Sie hatte die Katze vergessen.

Das wollte sie gerade dem DCI erzählen, als sie ihn mit einem dunkelhaarigen, leicht verstimmt wirkenden Mann Ende dreißig aus dem Vernehmungszimmer kommen sah. Sein verzweifelter Gesichtsausdruck verbarg eine attraktive Erscheinung, dachte sie, einen launischen Künstlertyp, so wie sie sich Lord Byron immer vorgestellt hatte.

Sie begriff, dass das der Freund sein musste. Der den Tod seiner Freundin angeblich online verfolgt hatte. Verdeckt von ihrem Bildschirm musterte sie ihn eingehend, um zu sehen, ob seine Trauer echt war und ob er die Wahrheit gesagt hatte. Aber er schien ziemlich schwer zu durchschauen.

Jonah begleitete Aidan zum Fahrstuhl, anstatt mit ihm die Treppe hinunterzugehen, eine instinktive Vorsichtsmaßnahme. Der Dozent schien sich vor Jonahs Augen aufzulösen, sein Blick war in weite Ferne gerichtet, seine Schultern hingen mutlos herunter.

Aidans Blick blieb unfokussiert, bis sich die Fahrstuhltür im Erdgeschoss öffnete. Dann war es, als würde sein gesamter Körper von einem Stromschlag durchzuckt.

»O Gott«, sagte er sehr leise.

Er löste seinerseits eine ebenso starke Reaktion bei dem Paar aus, das vor dem Aufzug stand. Jonah erkannte Martin Swardadine sofort und nahm an, dass die attraktive, elegant gekleidete schwarze Frau neben ihm seine Ehefrau war. Aus dem Blick, mit dem beide Aidan ansahen, sprach blankes Entsetzen.

Jonah seufzte leise. Er hätte es vorgezogen, wenn Aidan Poole und Zoes Eltern sich zu diesem Zeitpunkt noch nicht begegnet wären, obwohl die Heftigkeit der jeweiligen Reaktion unbestreitbar interessant war.

Jonah trat vor Aidan aus dem Fahrstuhl und streckte den Swardadines eine Hand entgegen.

»Ich bin DCI Sheens. Ich bin sofort bei Ihnen. Ich muss nur noch Mr Poole hinausbegleiten.«

Zoes Mutter nickte knapp, während ihr Blick zu Aidan zuckte. Es war kein freundlicher Blick.

Während er Aidan zur Tür brachte, nahm Jonah sich vor, im Besprechungszimmer so taktvoll wie möglich danach zu fragen, was dieser Blick zu bedeuten hatte, doch so lange musste er nicht warten. Sobald er zu dem Paar zurückkehrte, fragte Zoes Mutter mit leiser, angespannter Stimme: »Was macht der hier?«

Jonah entschied, dass der Empfangsbereich nicht der geeignete Ort für diese Unterhaltung war, und sagte nur: »Mr Poole war derjenige, der uns alarmiert hat.«

Zoes Mutter warf ihrem Mann einen seltsamen Blick zu. Voller Wut und Schmerz.

»Vielleicht reden wir besser oben«, sagte Jonah so besänftigend, wie er konnte.

Wer auf dich wartet

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