Читать книгу Bis ihr sie findet - Gytha Lodge - Страница 15
12. Aurora Freitag, 22. Juli 1983, 21:25 Uhr
ОглавлениеSie zitterte vor Kälte, als sie sich auf den Weg zurück zum Zeltplatz machte. Inzwischen war es fast vollkommen dunkel, und ihr Haar war vom Schwimmen noch nass. Nachdem sie sich umgezogen hatte, tropfte Wasser auf ihr Top und hinterließ durchsichtige Stellen auf dem Stoff. Sie hielt den Blick auf das Rot des Feuers gerichtet, das zwischen den Bäumen hindurchleuchtete. Sie hoffte, es würde warm genug sein, um sie zu trocknen.
Topaz, Benners und Brett standen zusammen davor. Noch bevor sie die Lichtung erreicht hatte, hörte sie Topaz’ schrille und aggressive Stimme.
»Das hätte sie ihr nicht einfach sagen dürfen! Verdammte Scheiße. Wahrscheinlich hat sie sich verirrt, nachdem sie den Fluss runter geschwommen ist.«
Aurora hätte sich am liebsten versteckt. Wenn ihre Schwester wütend war, zog Aurora sich häufig in sich selbst zurück.
Dann aber fragte sie sich in einem seltenen Moment der Rebellion, wieso Topaz glaubte, sie hätte das Recht dazu. Topaz war weggegangen und hatte sie mit Leuten zurückgelassen, die sie kaum kannte. Sie hatte sie eingeladen und sich dann so benommen, als wäre sie gar nicht da.
»Hast du nachgesehen, ob ihre Kleider am Ufer liegen?«, rief Jojo, die neben Connor hockte und einen der Zeltheringe tiefer in den Boden drückte.
»Nein, hab ich nicht«, sagte Topaz.
»Wir sollten sie suchen«, sagte Brett und blickte zu dem Weg, der zum Fluss hinunter führte. »Sie könnte im Wasser in Schwierigkeiten geraten sein.«
Aurora wollte nicht vortreten, aber sie wollte auch nicht, dass die anderen sie suchen kamen. »Alles in Ordnung. Ich bin hier.« Sie trat auf die Lichtung.
Topaz drehte sich zu ihr um. Im Lichtschein des Feuers sah sie aus, als würde sie vor Wut glühen. »Wo zum Teufel bist du gewesen?«
Aurora kam näher, hockte sich ans Feuer und ließ Jojos Rucksack neben sich fallen.
»Schwimmen«, sagte sie und hatte wieder dieses eigenartig rebellische Gefühl. Diesmal wollte sie sich nicht entschuldigen. Sie wollte ihre Schwester nicht besänftigen. Sie hatte nicht das Gefühl, irgendetwas tun zu müssen, außer am Feuer zu kauern und in die Flammen zu starren.
»Anderthalb Stunden?«, fragte Topaz. »Du warst eineinhalb Stunden schwimmen?«
»Ja«, sagte Aurora. »Genauso wie du anderthalb Stunden Brennholz gesucht hast.«
Danach entstand ein Schweigen, das nur vom Knacken und Knistern des Feuers untermalt wurde. So dicht an den Flammen war es sengend heiß, und Aurora genoss das Gefühl. Sie atmete die Hitze ein und ließ ihr Gesicht bis zur Schmerzgrenze warm werden.
»Absolut lächerlich«, hörte sie Topaz murmeln, bevor diese sich entfernte. Aurora konnte über das Feuer hinweg sehen, wie sie sich eingeschnappt neben Coralie setzte, die ihre Arme um sie legte und begann, ihr übers Haar zu streichen.
»Du musst was essen«, durchbrach Benners das Schweigen und ging zu den Campingkochern. »Ich wärm dir was auf.«
Sie spürte Brett neben sich, hielt den Blick jedoch in die Flammen gerichtet, wo gerade ein Scheit Feuer fing.
»Ist dir beim Schwimmen irgendwas passiert?«, fragte er leise.
»Nein, alles in Ordnung.« Als sie erkannte, dass ihre Antwort ein wenig knapp ausgefallen war, lächelte sie kurz. »Ich hab mich bloß ziemlich weit treiben lassen und musste dann zurückschwimmen.«
»Gut. Ich habe … Wir haben uns Sorgen um dich gemacht. Dann ist ja gut.«
Er legte seine Hand auf ihre Schulter und drückte sie, bevor er zu Benners ging.
Aurora beobachtete ihn unsicher. Sie hatte immer angenommen, jemand, der so mühelos beliebt war wie Brett, müsse egoistisch sein, ohne Mitgefühl für andere. Sie war überrascht, dass er sich Gedanken um sie machte, obwohl sie erst vierzehn war und am anderen Ende der Beliebtheitsskala stand.
Als sie den Blick von ihm abwandte, merkte sie, dass Topaz sie mit angespanntem Körper und zusammengebissenen Zähnen anstarrte. Topaz war oft sauer auf sie, aber dies war mehr als ein kleiner Ärger. Der Ausdruck in ihrem Gesicht war von so grimmigem Hass, dass es Aurora kalt überlief.