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Um halb elf am gleichen Morgen war Mr. Barnstaple mit seinem Auto die Hauptstraße durch Slough entlanggefahren, und jetzt um halb zwei flog er durch Wunderland und hatte seine eigene Welt schon halb vergessen.

»Herrlich«, wiederholte er immerfort, »herrlich! Ich wußte ja, daß ich angenehme Ferien haben würde, aber dies, dies …!«

Er war außerordentlich glücklich, erfüllt von dem klaren wolkenlosen Glück eines herrlichen Traums. Niemals hatte er früher die Freuden eines Entdeckers von Neuland gekostet, und nie zuvor hatte er gehofft, diese Freuden je kennenzulernen.

Erst vor einigen Wochen hatte er einen Artikel für den Liberal geschrieben, worin er das ›Ende des Zeitalters der Entdeckungen‹ beklagte, einen Artikel, so deprimierend und völlig sinnlos, daß er Mr. Peeve ganz besonders gefallen hatte. Die Erinnerung an diese Tat weckte nun bei Mr. Barnstaple leichte Gewissensbisse.

Das Häuflein Erdlinge war auf vier kleine Flugzeuge verteilt worden, und als Mr. Barnstaple mit seinem Gefährten, Pater Amerton, in die Luft aufstieg, blickte er zurück und sah, wie die Autos und das Gepäck mit erstaunlicher Leichtigkeit auf zwei leichtgebaute Loren verladen wurden. Jede Lore streckte ein Paar glitzernde Arme aus und hob ihr Auto hoch wie eine Amme ein Baby. Nach zeitgemäßen irdischen Sicherheitsbegriffen flog Mr. Barnstaples Flugzeug sehr niedrig. Es gab Augenblicke, da er eher zwischen den Bäumen als über ihnen dahinflog, und wenn dies auch zuerst etwas beunruhigend war, so gestattete es doch, die Landschaft genau zu betrachten. Im ersten Teil der Reise sah man gartenähnliches Weideland mit grasendem cremefarbenem Vieh und Flecken prächtig gefärbter Vegetation, deren Art Mr. Barnstaple nicht kannte. Durch diese Kulturen zogen sich schmale Wegspuren, die Fuß- oder Radspuren sein konnten. Hier und dort verlief eine von Blumen gesäumte und von Obstbäumen beschattete Straße.

Es gab wenig Häuser und gar keine Städte oder Dörfer. Die Größe der Häuser wechselte sehr stark, von kleinen einzelstehenden Bauten, die Mr. Barnstaple für vornehme Sommer-Villen oder kleine Tempel hielt, bis zu Gruppen von Dächern und Türmchen, die ihn an ländliche Herrensitze erinnerten oder den Eindruck von ausgedehnten landwirtschaftlichen oder Meierei-Anlagen machten. Hier und da arbeiteten Leute auf den Feldern oder bewegten sich hin und her zu Fuß oder auf Maschinen; aber der Gesamteindruck war der eines sehr dünn besiedelten Landes.

Augenscheinlich waren sie im Begriffe, die Kette der Schneeberge zu überqueren, die so plötzlich das von weitem sichtbare Windsor Castle aus dem Landschaftsbild ausgelöscht hatten.

Als sie sich den Bergen näherten, traten anstelle des Grüns der Weideplätze breite Streifen goldenen Getreidelandes, und dann wurden die Pflanzungen abwechslungsreicher. Barnstaple bemerkte unverkennbare Weingärten auf sonnigen Hängen, und die Zahl der Arbeiter, die er sah, sowie der Wohnstätten vervielfältigte sich. Das kleine Flugzeuggeschwader flog ein breites Tal aufwärts, einem Paß zu, so daß Mr. Barnstaple die Gebirgslandschaft genau betrachten konnte. Es kamen Kastanienwälder und zuletzt Nadelholz. Zyklopische Turbinen quer über den Gebirgsströmen und lange niedrige Gebäude mit vielen Fenstern, die anscheinend industriellen Zwecken dienten, waren zu sehen. Eine geschickt gebaute Straße stieg mit kühnen, leichten und schönen Viadukten den Paß hinan. Im Hochland, dachte er, gibt es mehr Leute als in der Ebene unten, wenn auch immer noch bedeutend weniger, als er in irgendeinem mit diesem vergleichbaren Landstrich auf Erden je gesehen hatte.

Es kamen noch zehn Minuten felsiger Einöde mit den Schneefeldern eines großen Gletschers auf der einen Seite, bevor sie in das Hochtal zum Versammlungsplatz niederstiegen, wo sie nach kurzer Zeit landeten. Dort bildete das Gebirge eine Mulde, die durch Mauerwerk terrassenförmig abgestuft worden war; so kühn war dieser Bau, daß er ein Teil des Berggesteins selber zu sein schien. Der Platz war gegen einen weiten, künstlichen See zu offen, der durch einen mächtigen Damm vor dem Unterlauf im Tale zurückgehalten wurde. Den Damm entlang standen in Zwischenräumen große Steinpfeiler, die vage an sitzende Gestalten erinnerten. Mr. Barnstaple erblickte jenseits eine weite Fläche, die ihn an die Po-Ebene erinnerte; doch dann, als sich das Flugzeug herabsenkte, verbarg die vor ihm aufsteigende gerade Linie des Dammes den weiteren Ausblick.

Auf diesen Terrassen, und besonders auf den tieferliegenden, standen dichte Gruppen von Gebäuden, die wie Blumen aussahen, und Fußwege, Stufen und Teiche erweckten den Eindruck, als ob der ganze Platz ein Garten sei.

Die Flugzeuge landeten glatt auf einer rasigen Fläche. In nächster Nähe war ein reizender Pavillon, der von den Gestaden des Sees ins Wasser hinausragte und einer kleinen buntfarbigen Flotte Gelegenheit zum Festmachen bot …

Es war Pater Amerton, der Mr. Barnstaple auf das Fehlen von Ortschaften aufmerksam gemacht hatte. Er bemerkte jetzt, daß keine Kirche zu sehen sei und daß sie nirgends Kirchtürme oder Glockentürme wahrgenommen hätten. Aber Mr. Barnstaple hielt einige kleinere Gebäude für Tempel oder heilige Stätten. »Die Religion dürfte hier andere Formen angenommen haben«, sagte er.

»Und wie wenig Säuglinge oder kleine Kinder zu sehen sind«, bemerkte Pater Amerton. »Ich habe nirgends eine Mutter mit ihrem Kind entdeckt.«

»Auf der anderen Seite des Gebirges war ein Platz, der aussah wie der Spielplatz einer großen Schule. Dort gab es Kinder und ein oder zwei ältere in Weiß gekleidete Leute.«

»Ich sah ihn, aber ich dachte an Säuglinge. Vergleichen Sie das mit dem, was man in Italien sehen würde.«

»Die schönsten und begehrenswertesten jungen Frauen«, ergänzte der geistliche Herr, »höchst begehrenswerte – und kein Zeichen von Mutterschaft!«

Ihr Flieger, ein sonnengebräunter Blonder mit sehr blauen Augen, half ihnen aus seiner Maschine, und sie beobachteten nun den Abstieg der anderen Mitglieder ihrer Gesellschaft. Mr. Barnstaple war erstaunt, wie ungeheuer schnell er sich an Farben und Harmonie dieser neuen Welt gewöhnt hatte; die merkwürdigsten Erscheinungen in dem ganzen Schauspiel waren für ihn nun die Gestalten und die Kleidung seiner Genossen. Mr. Rupert Catskill mit seinem berühmten grauen Zylinder, Mr. Mush mit seinem abgeschmackten Monokel, die seltsame hagere Länge von Mr. Burleigh und die vierschrötige Gestalt seines in braunes Leder gekleideten Chauffeurs erschienen Barnstaple noch viel unglaubwürdiger als die anmutigen Formen Utopias rings um ihn.

Das Interesse und die belustigte Miene des Fliegers verstärkten in Mr. Barnstaple den Eindruck von dem seltsamen Aussehen seiner Gefährten. Dann aber fühlte er tiefen Zweifel in sich aufsteigen.

»Ich nehme an, das ist wirklich real«, sagte er zu Pater Amerton.

»Wirklich real! Was sollte es denn sonst sein?«

»Ich meine, das alles ist kein Traum.«

»Ist es wahrscheinlich, daß Ihre Träume und die meinigen übereinstimmen?«

»ja, aber es gibt da ganz unmögliche Sachen – absolut unmögliche Sachen!«

»Zum Beispiel?«

»Nun, wie kommt es, daß diese Leute Englisch mit uns sprechen – modernes Englisch?«

»Daran habe ich noch gar nicht gedacht. Es ist tatsächlich eher unglaublich. Sie sprachen doch nicht Englisch untereinander.«

Mr. Barnstaple starrte Pater Amerton mit großen erstaunten Augen an, betroffen durch eine noch viel unglaublichere Tatsache, die ihm eben jetzt erst zu Bewußtsein kam.

»Sie sprechen in überhaupt keiner Sprache miteinander«, sagte er. »Und wir haben das bis zu diesem Augenblick gar nicht bemerkt.«

Menschen, Göttern gleich (Roman)

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