Читать книгу Solange ich schreibe, lebe ich! - Hanan Al Obaidat - Страница 19

14. Januar 1943

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[…] Noch nie in meinem Leben war ich so glücklich als jetzt, wo ich Liebespost schreiben darf. Deine Allgewalt ist so mächtig, dass mich nicht tausend Pferde zu meinem alten Beruf zurückführen könnten. Und ich glaube ausserdem, dass es der Wille des Schöpfers ist, der ja die Herzen kennt, dass ich Dich liebe. Ich bin ja auch bereit und Du erst recht, ihm Kinder zu schenken und mich zu freuen an dem Geheimnis, das er in den Schoss seiner Kreaturen gelegt hat. – Dein heute eingelaufener Brief erfüllt mich wieder dermassen mit Freude und Glück, dass ich unsere Trennung nur sehr bedauern kann. Wenn ich lese, wie unendlich sich meine Braut über einen Brief von mir freut oder sogar über drei, von denen Dein Schreiben spricht, so ist mir dies eine Genugtuung so, als wenn man mich heute mit der höchsten Ehre auszeichnen würde. Na, endlich sind meine Weihnachtsbriefe in deine goldigen Hände gelangt! Wie tief Du sie empfindest und erlebst! Am meisten aber freut mich das schöne Wort, dass ich ein ganz lieber Mann bin. Im Herzen, liebe Helmi, denke ich in der Tat so innig, so ehrfurchtvoll und so voller Liebe an Dich, dass ich Dir es in Worten gar nicht auszudrücken vermag. […] Dann fahren wir also im Urlaub mal nach St. Ingbert, nicht wahr? Mensch, wird das schön, wenn wir dort bei Deiner Mutter noch sein können und mit ihr ins Café gehen und es uns so angenehm machen wie möglich! – Dass Du in meinen Briefen auf alles Rücksicht nehmen musst, habe ich Dir keineswegs zur Pflicht gemacht. Es ist ganz klar, dass man nicht auf jede Einzelheit eingehen kann. Jedoch tut es mir immer weh im Herzen, wenn es dem Ende Deiner Zeilen zugeht; am liebsten würde ich ellenlange Zeilen lesen. Selbst der heutige Brief war mir noch zu kurz mit seinen 6 Seiten! […] Mit den 8 Tagen Bravsein ist es mir ernst, Hummel! Ich bin nur mal gespannt, wer zuerst anfängt, nicht mehr brav bleiben zu können. Mir entlockt es jetzt schon Liebesseufzer! Freilich habe ich Dich durchschaut ! Eine sehr erfreuliche Conzession ist die, dass Du zugibst, dass ich Dich doch richtig behandele. Wie mir das schmeichelt! Ich konnte an das Gegenteil auch nie glauben! Dass Männer sich nicht so sehr gedulden können, wie z. B. beim Abwarten von Geschenken und Briefen, ist ihnen nicht als Untugend anzurechnen, weil sie ein viel stürmischeres Naturell haben. Aber Frauen pflegen nicht selten auch stürmisch zu sein im Erbrechen von Siegeln! […] Sonst hatte ich wenig zu tun. […] Neuigkeiten weiss ich leider keine. Bloss hänge ich an Dir, wie ein Baby an seiner Mutter. – Du, und wann hast du Geburtstag, ich habe für Daten ein sehr untreues Gedächtnis? Oder sagst du mir das nicht? Schenken kann ich Dir ausser mir selbst doch nichts. Oder hast Du trotzdem Hoffnungen, Hummelchen? Geh, lass Dich doch ganz innig küssen! Manchmal möchte mein Blut meine Pulse sprengen und mich zu Ungewohntem, nie Gewagtem drängen. Dann bin ich ungebärdig wie ein Fohlen, dem man noch nicht die Freiheit ganz gestohlen und such Gestaltung voller Kraft u. Wucht, denn alles Blühen will im Grund – die Frucht. An Dir hör ich die Ströme tiefen Lebens rauschen! […]

Solange ich schreibe, lebe ich!

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