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Heiratspläne

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Mit seinem Entschluss, nicht wieder ins Kloster zurückzukehren, sondern Helmi zu heiraten, glaubte Alfons, dem Herrgott nicht zu missfallen (Brief vom 5.3.1943). Er dachte aber auch an die dinglichen Vorteile, die eine Heirat mit sich bringen würde, z. B. eine höhere Besoldung, 18 Reichsmark (= RM) Zulage für Wohngeld, sowie 20 RM Zulage für ein Kind.

Alfons wollte Helmi so schnell wie möglich heiraten und drängte sie, die erforderlichen Dokumente umgehend zu besorgen. Nachdem der Plan einmal gefasst war, verfolgte er dieses Anliegen in jedem seiner Briefe mit Nachdruck, denn er wollte bereits im nächsten Heimaturlaub die Hochzeit feiern. Zu den benötigten Dokumenten zählten z. B. eine Eheunbedenklichkeitsbescheinigung, der Nachweis eines Bluttests auf Krankheitserreger, Helmis Geburtsurkunde, eine Urkunde, die ihre arische Abstammung nachweisen sollte, und Helmis Familiennachweis mit Angaben der Namen und Berufe der Familienangehörigen. Die Dokumente dienten dem Nachweis, dass hier eine Heirat »mit gleichem Blut« und »wertvollen Vorfahren« stattfand.9


Abb. 9: Das stolze Hochzeitspaar.

Außerdem belehrte er Helmi, dass vor der Hochzeit Brautunterricht und Generalbeichte unverzichtbar seien. Im Brief vom 15. April 1943 schreibt er:

»Doch nun bin ich müde, wenn auch liebesbedürftig. Ich schliesse und erinnere Dich nochmals an die Papiere. »Sofort!« Mache mir ja keine Streiche, sonst bin ich der Lackierte!«

Abgesehen von derlei belastenden Vorarbeiten herrschte jedoch eine positive Aufregung. Die folgenden Briefe belegen die Vorfreude des Paares über die bevorstehende Hochzeit sowie ihren Gedankenaustausch über die Vorschriften der katholischen Kirche zu Eheleben und Geschlechtsverkehr. In diesem Punkt waren die beiden übrigens unterschiedlicher Meinung, auch zum Thema Nachwuchs.

Helmi wollte noch keine Kinder haben und daher Kondome verwenden. Sie war wahrscheinlich der Ansicht, während des Krieges sollte man keinen Nachwuchs bekommen, sondern auf bessere Zeiten warten. Dies spiegelt einmal mehr den Ernst der Lage in der Heimat. Helmis Argumente in dieser Frage scheinen mir rational begründet und gut nachvollziehbar. Zudem positioniert sie sich wie auch andere Frauen in jener Zeit. So schrieb etwa Ruth Schier in ihrem Tagebuch, wie dankbar sie sei, unter solchen Umständen nicht auch noch die Verantwortung für ein Kind zu haben. Ihre Familie lebte teilweise im kalten, feuchten Keller und war ständig von Fliegerangriffen bedroht. Die Lebensverhältnisse während des Krieges waren unvorstellbar hart und die Menschen verunsichert, da die auch die Zukunft gänzlich ungewiss war. Und so schrieb Schier folgende Überlegung in ihr Tagebuch:

»Das Leben hier ist so schwer geworden, dass ich sehr froh bin, nur für mich allein die Verantwortung zu haben. Wie arm sind die kleinen Kinder, so nervös und oftmals auch erkrankt. Scharlach und Masern sind ausgebrochen.«10

Meine Großmutter schätzte ihre eigene Situation offensichtlich ähnlich wie Ruth Schier ein.

Alfons dagegen wünschte sich sofort Kinder. Kinder seien die Erfüllung sowohl einer Ehe als auch der Ehepartner und erst die Ehe mache einen Mann »ganz«. Alfons folgte hier weitgehend der Lehre der katholischen Kirche. Die ungünstigen Umstände und ähnlich ›praktische‹ Überlegungen scheinen ihn nicht interessiert zu haben. Auch hinsichtlich des patriarchalen Vorrangs des Ehegatten folgte er der katholischen Lehre. Heute mutet sein ›Herrschaftsanspruch‹ nach der Heirat äußerst befremdlich an. Wenn Alfons in einem Brief »Gott die Ehre« dafür gibt, dass Helmi ihm »geschenkt« worden sei, scheint mir dies auch vor allem ein weiterer, beredter Ausdruck dafür zu sein, wie sehr er in der Kirche verwurzelt war.


Abb. 10: Porträt von Helmi als junge Frau.

Solange ich schreibe, lebe ich!

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