Читать книгу Das Geheimnis der schwarzen Schatulle - Hanna Holthausen - Страница 7

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Auf dem Weg in die Bibliothek überlegt er es sich kurzfristig anders und geht zurück in die Küche.

„Besser, wenn ich den Kram sofort wegräume.“

In zwei Tagen, wenn Felicitas wiederkommt, soll es auf keinen Fall wieder so aussehen wie zuletzt. Schnell spült er das soeben benutzte Geschirr und Besteck mit der Hand ab und räumt es an seinen Platz. Noch ein paar kleine Handgriffe, und dann endlich geht er hinüber in die Bibliothek. Die beiden Architekturbände flankieren das abgegriffene Lederbuch wie zwei Wachposten. Pierre greift nach dem Zeugnis einer Zeit, die noch nicht so lange vergangen ist, dass es keine Menschen mehr gäbe, die davon erzählen könnten. Kaum zu glauben, dass das, was dort geschrieben steht, noch so greifbar und gleichzeitig doch so weit von ihm entfernt ist. Langsam schlägt er das Buch auf und blättert an die Stelle, an der er es hat zuschlagen müssen. Mit jedem Wort taucht er weiter ein in die Welt des Mädchens, das seine Geschwister verloren und um sein eigenes Überleben gekämpft hatte.

Tag x

Noch immer habe ich kaum Kraft. Bin dürr wie ein Knochengestell und übersät mit Eiterkrusten. Aber ich muss das Bett verlassen, wenn mir mein Leben lieb ist. Meine Schreibstelle bin ich los. Ich arbeite als Putzfrau. Erfreulich daran ist einzig, dass ich nicht hinaus muss in die Eiseskälte. Aber auch alles andere kann mich nicht mehr erschüttern – Gestank, Widerlichkeit, Elend, Leiden, Sterben und Tod begleiten mich hier wie in den Blocks oder bei jeder Arbeit. Oft genug ist der Tod die reine Barmherzigkeit.

Tag x

Inzwischen weiß ich, dass Amra das Buch aufbewahrt hat, solange ich es nicht bewachen konnte. Sie war eine der Pflegerinnen auf der Typhusstation und hat sich sehr um mich gekümmert – oft hat sie damit den Ärger der Stationsleitung auf sich gezogen. Jetzt ist sie selbst erkrankt, und ich möchte sie gern besuchen. Aber ich weiß nicht, wo sie liegt.

Tag x

Als ich gestern das Erbrochene einer Kranken aufwischte, gingen wieder zwei Häftlingsärzte mit Listen an den Kojen entlang. Selektion. Wenn sie Nummern durchstreichen, ist der Tod der Kranken beschlossene Sache – sie kommen in die Gaskammer.

Ich entdeckte sie, als sie stöhnte und einer der Ärzte ihre Nummer durchstrich: Amra. Sie hatte mich gerettet. Als ich versuchte, den Arzt zu überzeugen, dass sie es schaffen kann, fragte er nur, ob ich statt ihrer gehen will. Selbst, wenn ich wollte, könnte ich sie nicht retten. Sie würden uns beide vergasen. So wertvoll, dass ich mein Leben gegen das eines anderen eintauschen kann, bin ich nicht. Nichts bin ich - das ist, was man mich wissen lässt.

Tag x

Mein Versuch, Amra zu retten, ist fehlgeschlagen. Wie konnte ich nur glauben, dass wir dasselbe Glück haben könnten, wie die beiden Frauen, die vor zwei Wochen eine Kranke in eine Matratze eingenäht hatten, um sie vor dem Gas zu retten? Eine der Pflegerinnen und ich versuchten, es nachzumachen und wurden entdeckt. Ich erwartete, zusammen mit Amra auf den Lastwagen zu kommen, der uns zu den Gaskammern fahren würde. Aber meine Strafe war viel schlimmer. Man zwang mich, eigenhändig meine Retterin auf die Ladefläche zu heben. Meine Kraft reichte kaum aus, ihren bewegungslosen Körper zu bewegen. Aber die Schläge und Fußtritte der Wachmänner zwangen mich, Amra in den Tod zu schicken, um selbst am Leben zu bleiben.

Ihr Blick hat sich auf ewig in mein Gedächtnis gebrannt – kein Vorwurf hat darin gelegen, Dankbarkeit fast, dass endlich bald alles vorbei sein würde. Nur für mich und tausende andere ist nichts vorbei. Stattdessen muss ich auf mich hinunterblicken, die sich an einem Elend von Lebensfädchen festklammert, statt sich tottreten zu lassen. Einzig dieses Buch hält mich davon zurück, einfach in den Zaun zu gehen.

Tag x

Verzweifelte Schreie, meist sind sie stumm, irren ziellos durch die Gassen zwischen den Baracken. Ziele gibt es hier nicht. Keine wirklichen. Die lauten Schreie hören wir kaum noch, die stummen kann man nicht hören. Man sieht sie mit den Augen der Seele. Man sieht sie, wenn man Seele hat. Sie, die sich zu Herren über Leben und Tod machen, sprechen uns ab, was sie selbst nicht zu besitzen scheinen – Seele. Sprechen uns ab, mit dessen Austreibung sie uns gleichzeitig drohen. Aber es bleibt beim Versuch, denn Seelen lassen sich weder fortlügen noch vertreiben oder gar ermorden. Womit wollen sie all das jemals rechtfertigen? Sie werden es müssen. Eines Tages werden sie es müssen.

Tag x

Lange konnte ich nicht schreiben. Nach Amras Abtransport brach ich zusammen und war kurz davor, zur Leeren zu werden, zu einer dieser Menschenhüllen ohne Blick und Leben. Wieder wurde das Buch auf wunderbare Weise von Frauen beschützt, bis es mir gestern von einer Unbekannten ausgehändigt wurde, die sagte, dass sie es nicht länger bewachen kann und es Zeit wäre, weiter zu schreiben.

Kurz darauf erschien eine Lagerälteste und fragte, wer bereit sei, die neue Nachtschicht für das Effektenkommando zu übernehmen. Gerüchte über dieses Kommando sprachen von gewissem Überfluss, von Luxus sogar. Obwohl Worte wie Überfluss und Luxus hier im Lager eher Misstrauen wecken, meldete ich mich. Morgen wird also meine erste Nacht im Kanadakommando sein.

Tag x im Jahr 1944

Frühling. Der Auszug aus dem Frauenlager erfolgte mit Orchestermusik. Wir marschierten an Lagerzäunen und Baracken entlang bis wir aus dem Hauptlager an ein Feld gelangten, auf dem Grün und sogar Wiesenblumen zu erkennen waren. Eine Weile später kamen wir in einen wunderschönen kleinen Birkenwald – daher der Name des Lagers. Birkenau. An der Seite des Waldes breitet sich das Lager mit niedrigen roten Gebäuden aus Ziegelstein mit auffallend großen Kaminen aus. Hinter dem Saunagebäude befinden sich Beete mit Gemüsepflanzen, Rasen und Blumenbeete und ein weißes Haus. Von der Hauptlagerstraße führt eine kleinere Straße zu den Blocks, die sogar eigene Toiletten haben. Direkt hinter dem anschließenden Drahtzaun erhebt sich eines der Backsteingebäude mit Schornsteinen, weitere ganz in der Nähe.

Tag x

Unsere Baracken sind beinahe komfortabel und haben sogar Fenster. Durch eines dieser Fenster habe ich es gesehen. Das, von dem wir gerüchteweise gehört hatten, habe ich mit eigenen Augen gesehen. Eine lange Schlange Menschen, hunderte, gingen in eine niedrige Halle. Als niemand mehr hineinpasste, wurde sie verschlossen. Dann stieg ein Mann die Leiter hinauf, die sich am Gebäude befindet, und legte eine Gasmaske und Handschuhe an. Etwas, das aussah wie weißes Pulver, schüttete er in eine Luke auf dem Dach und eilte, so schnell er konnte, die Leiter wieder hinunter. Und dann hörten wir die Schreie, verzweifelte Schreie. Sie drangen durch die Barackenbretter, durch den Boden, die Fenster und Türen, durch meine Hände in meine Ohren und Augen, in jede einzelne meiner Poren. Die Schreie qualvoll erstickender Menschen. Wie lange schon bin ich im Lager? Wie viele Menschen standen bereits in der Schlange? Tausende. Abertausende.

Tag x

Die erste Nacht war schlaflos. Keine der Frauen in meiner Baracke konnte ein Auge schließen. Wir arbeiten für eine Todesfabrik. Es ist eine Frage der Zeit, wann wir selbst in dieser Schlange stehen, die sich langsam in die Halle bewegt. Die Arbeit, die hier verrichtet werden muss, ist mit dem Schleppen schwerer Eisenteile und mit dem Ausgraben großer Steine aus gefrorener Erde nicht zu vergleichen. Wir wünschen uns die Erfrierungen und Verletzungen, die eitrigen Wunden und hungrigen Tage zurück, wenn wir die Männer des Sonderkommandos sehen. Ihre Aufgabe ist es, die Toten und Halbtoten aus den Gaskammern in die Krematorien zu transportieren. Berge von Leichen müssen sie in Öfen stapeln und verbrennen. Tag für Tag. Und immer quellen dicke, stinkende schwarze Wolken aus den großen Kaminen, die mir das Würgen in den Hals treiben.

Tag x

Unsere Arbeit besteht aus dem Sortieren der Sachen, die die Menschen zurücklassen müssen, bevor sie die Gaskammer betreten. Haufen von Koffern und Taschen mit Kleidung und Wertgegenständen. Ein Hohn, dass wir einiges davon schmuggeln und behalten können. Zu frieren bräuchte hier im Winter niemand von uns. Aber es ist Frühling. Nach Tod stinkender Frühling.

Tag x

Ich habe ihn wieder gesehen. An der Seite von Obersturmbannführer Eichinger kontrollierte er gestern den Gang der „Eliminierung unerwünschter Kreaturen“. Unerwünschte Kreaturen nennt man uns hier. Gustav Langhagen - er muss vom Rapportführer zu etwas Höherem aufgestiegen sein. Als er den Leichenberg vor einem der Öfen begutachtete, konnte ich wieder in seinem Gesicht lesen. Sein Blick war so kalt, dass mich trotz milder Temperaturen fror. Nach einer Aufforderung Eichingers trieb er in barschem Ton die Häftlinge zu mehr Tempo an. Die Toten sollen schneller verbrannt werden. Mich schaudert, wenn ich an Eichinger und Langhagen denke.

Tag x

Heute ist etwas Entsetzliches geschehen. Einer der Arbeiter an den Öfen schrie plötzlich wie von Sinnen und konnte von niemandem mehr beruhigt werden. Einer der Aufseher erschoss ihn. Später erfuhr ich, dass der verzweifelte Mann unter den Toten seine Frau erkannt hat. Er hätte seine eigene, zuvor am Giftgas gestorbene Frau in den Brennofen stecken müssen. Der Wahnsinn muss ihm augenblicklich den Verstand geraubt haben, und hätte man ihn nicht erschossen, wäre er aus Verzweiflung gestorben.

Tag x

Es geht uns gut. Bei diesem Satz wird der schale Geschmack im Mund noch ranziger, denn ich weiß inzwischen, dass der Preis für diesen Luxus sehr hoch sein wird. Niemand hat jemals jemanden aus dem Kanadakommando zurückkehren sehen. Wir werden alle im Gas enden, denn keine von uns soll von dem, was sie hier sieht, berichten können. Zeugenvernichtung, Judenvernichtung, Menschenvernichtung. Vernichtung.

Tag x

Ich weiß nicht, wie viele Schubkarren Kleidung und Habseligkeiten ich während der Nächte nun schon sortiert habe, und auch die Nächte selbst kann ich nicht mehr zählen. Die Angst davor, dass jederzeit unsere Gruppe ausgewechselt werden könnte, wächst. Die hübschen Kleider aus den Bergen, die wir hier tragen, werden wir ebenso wie ihre Vorbesitzerinnen ablegen müssen. Wir werden ins Gas gehen, und die Kleider werden weiterleben, weiter getragen, wieder abgelegt und wieder getragen.

Als das Telefon klingelt, braucht Pierre einen Augenblick, um in seine Welt zurückzukehren.

„Pierre Lagrange.“

„Sag mal, was ist mit dir los? Wir dachten schon, du seist verschollen. Wieso antwortest du auf keine SMS? Und deine Mailbox ist auch schon komplett verstopft …“

Max klingt richtig sauer.

„Merde! Dich hab ich ganz vergessen!“, stöhnt Pierre. „Sorry, Mann. Wie spät ist es denn?“ Er sieht auf die Uhr.

„Zu spät“, antwortet Max trocken. Das ganze Wochenende über hat er versucht, seinen Freund zu erreichen, denn so langsam wird es eng für die Plakate zum Bandauftritt.

So ein Mist! Pierre hat die Verabredung mit Max vergessen. Die SMS wird sein Freund an das versteckte Handy gesendet haben. Dieses verfluchte Ding!

„Also, für mich ist es nicht zu spät. Von mir aus können wir uns noch für eine Stunde zusammensetzen und checken, was zu tun ist. Wenn du Lust hast, kannst du zu mir kommen. Kriegst auch ein leckeres Essen.“

Damit kann man Max immer locken. Die Rechnung scheint aufzugehen.

„Okay. Ich mache mich sofort auf den Weg. In einer Viertelstunde bin ich bei dir.“

Geschafft. Das Mittagessen für morgen wird er zwar opfern müssen, aber das ist es Pierre wert. Einen weiteren Cornflakes-Tag wird er locker verkraften. Beim Blick in den Kühlschrank klingelt es bereits.

„Hi. Hast du die Zeit genutzt und die Nachrichten auf deinem Handy gecheckt? Ich bin nämlich nicht er Einzige, der versucht hat, dich zu erreichen.“

Max steht schon in der Küche, als Pierre noch die Haustür in der Hand hält.

„Komm doch rein“, murmelt er leise zu sich selbst und schließt die Tür.

In der Küche fällt sein Blick auf das lederne Buch auf dem Tisch. Max ist im Begriff danach zu greifen. Pierre ist schneller und nimmt das Buch weg.

„Setz dich doch“, lädt er Max ein und stellt ihm eine Flasche Cola und ein Glas hin. Dann geht er schnell in die Bibliothek und schiebt das Buch wieder zwischen die Architekturbände.

„Was war das denn für ein oller Schinken?“, fragt Max grinsend.

Ohne auf die Frage einzugehen, holt Pierre den Teller mit seinem Mittagessen für den nächsten Tag aus dem Kühlschrank und stellt ihn in die Mikrowelle.

„Mein Handy ist weg“, sagt er stattdessen. „Ich suche das Ding jetzt seit drei Tagen, aber es hat sich in Luft aufgelöst.“

Natürlich kann er seinem Schulkameraden unmöglich erklären, dass sein Vater das Handy konfisziert hat. Wie stünde er da?

„Ich habe zwar ein anderes, aber mit neuer Nummer“, ergänzt Pierre, notiert die Nummer des Ersatzgerätes auf einen Zettel und schiebt ihn über den Tisch.

„Okay“, meint Max, „das erklärt einiges, aber soviel ich weiß, hast du auch einige Mails erhalten. Hat sich dein Computer auch in Luft aufgelöst?“, fragt er und schielt auf die Mikrowelle.

Pierre gibt sich geschlagen.

„Nein, hat er nicht. Aber ich hab ihn nicht hochgefahren und deshalb keine Mails abgerufen.“

Beim Klingelgeräusch der Mikrowelle holt Pierre den Teller mit den dampfenden Kartoffelplätzchen und dem Gulasch heraus und stellt ihn vor Max auf den Tisch. Das Besteck, das er seinem Besucher reicht, wird ihm beinahe aus der Hand gerissen. Pierre schaut erstaunt zu, in welcher Geschwindigkeit sich sein Freund das Essen einverleibt. Als der letzte Bissen in dessen Mund verschwindet, fragt er kauend:

„Und du isst nichts?“

„Nein, ich habe gerade erst“, versichert Pierre und stellt den leer gekratzten Teller samt Besteck in die Spüle.

„Wie weit bist du denn mit der Plakatgeschichte?“, will Max wissen und trifft damit genau ins Schwarze.

„So weit wie bisher. Ich konnte noch nichts unternehmen, weil alles, was ich dazu brauche, auf dem verdammten Handy ist. Die Fotos vom letzten Dark Raven-Konzert sind drauf, und ich muss sie unbedingt auf meinen PC laden, um sie als Grundlage für Plakate zur Druckerei schicken zu können.“

„Na klasse.“ Max Begeisterung hält sich stark in Grenzen. „Und jetzt? Malen wir jetzt eins mit Fingerfarbe oder wird das noch was?“

Er sieht nicht gerade aus, als traue er Pierre zu, die Sache noch in den Griff zu kriegen.

In einer anderen Situation wäre Pierre selbstbewusst in die Verteidigung gegangen. Angesichts der blöden Idee seines Vaters, das Handy einzukassieren, und allem, was damit ausgelöst wurde, ist er einigermaßen kleinlaut und sowieso nicht wirklich mit dem Kopf bei der Sache.

„Also, zur Not können wir immer noch auf Archivfotos zurückgreifen. Das fällt wahrscheinlich sowieso niemandem auf“, versucht er zu retten, was zu retten ist.

„Darf ich dich daran erinnern, dass du derjenige warst, der große Töne gespuckt hat von Superfotos, die Eins-A-Werbematerial hergeben?“, wirft Max ein und sieht Pierre geringschätzig an.

Der wird langsam sauer.

„Ist wenigstens klar, dass Dark Raven zur Fete kommen? Oder haben die womöglich noch keinen Schimmer von ihrem Auftritt bei uns?“, fragt Max sicherheitshalber noch mal nach.

„Die kommen. Das ist so sicher wie deine Fünf in Mathe“, erwidert Pierre grinsend Max’ Stänkerei.

Der grinst zurück.

„Na, dann ist ja alles fit.“

Pierre möchte ihn so schnell wie möglich wieder loswerden, um endlich in dem abgegriffenen Buch weiter lesen zu können.

„Gibt’s noch Fragen?“ Er sieht Max an.

„Ja. Was gibt’s zum Dessert?“, will der wissen. Pierre lacht.

„Sag mal, kriegst du zu Hause nichts zu essen?“

„Na ja, du hast mir etwas Gutes zu Essen versprochen und …“

„… und kein Dreigangmenü“, unterbricht Pierre den in der ganzen Schule bekannten Nimmersatt.

„Schon gut, war nur ein Scherz“, lacht jetzt auch Max und kommt zurück zur Sache. „Was ich noch brauche, ist eine Liste der Ausrüstung, die die Band hier vor Ort braucht, damit wir nachher nicht dastehen wie Idioten, weil uns ein Kabel fehlt.“

„Ich werde später noch eine Mail an Dominic in Los Angeles schicken und die Antwort an dich weiterleiten. Dann weißt, du, was du organisieren musst“, verspricht Pierre und steht auf, um Max klar zu machen, dass er noch zu tun hat.

„Was macht dieser Dominic eigentlich in Los Angeles?“, fragt der Mitschüler.

„Seinen Vater besuchen. Der ist vor zwei Jahren dorthin ausgewandert und Dom besucht ihn regelmäßig. Diesmal ist er übrigens mit der ganzen Band dort und macht im Studio seines Vaters ein paar Aufnahmen.“

„Wow! Das ist ja cool! Dann kommen die ja bald richtig groß raus“, schwärmt Max.

„Na ja, mal abwarten.“

Pierre geht zur Spüle und dreht den Wasserhahn auf.

„Die Musik, die uns gefällt, müssen die Amis noch lange nicht gut finden. Trotzdem glaube ich auch, dass Dom mit seinen Jungs gute Chancen hat.“

Das Hantieren im Spülbecken ist endlich ungemütlich genug, dass auch Max aufsteht. Bevor Pierre auf die Idee kommt, ihn zum Spülen einzuplanen, verabschiedet er sich.

„Dann warte ich auf die Mail. Wir haben ja noch vier Wochen. Wann treffen wir uns wieder?“, fragt er beim Hinausgehen.

„Lass uns telefonieren, ja?“, antwortet Pierre. „Aber denk dran: Bis zum nächsten Wochenende bin ich nur über die neue Handynummer erreichbar.“

„Hä? Wieso bis zum Wochenende?“ Max dreht sich verwirrt um.

Pierre schießt das Blut in den Kopf.

„Ach … ähm … - na ja, bis zum Wochenende werde ich mein altes Handy wohl wieder gefunden haben“, stammelt er.

Max zieht die Stirn kraus.

„Na, wenn du meinst“, murmelt er, als er die Küche verlässt.

Kurz darauf fällt die Haustür ins Schloss. Pierre atmet erlöst auf.

„Glück gehabt. Ich bin aber auch ein Hornochse. Um ein Haar hätte ich mich verraten, und die Sache wäre richtig peinlich geworden.“

Er wirft das Küchenhandtuch auf den Tisch. In der Bibliothek holt er das Buch aus dem Regal und lümmelt sich in den Lesesessel seines Vaters, wo er vorsichtig in den ramponierten Seiten blättert.

Das Geheimnis der schwarzen Schatulle

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