Читать книгу Tripod – Das schwarze Kätzchen - Hanna Nolden, Lea Baumgart - Страница 12
Kapitel 9
ОглавлениеEndlich legte Ben dieses doofe Ding ab, das er die ganze Zeit auf dem Kopf getragen hatte. Ähnlich wie Tante Tanja schien Ben eine Menge Zeit vor seinem Computer zu verbringen. Allerdings redete er dabei. Mit wem er sprach, konnte ich nicht sagen, aber vielleicht war dieses Kopfding so etwas wie ein Telefon. Jetzt sah er mich an und obwohl er eben noch gelacht und Spaß gehabt hatte, schien er plötzlich schlechte Laune zu haben. Ich beobachtete ihn wachsam. Er mochte mich nicht. Er wollte nicht, dass ich hier war. Das machte mich traurig, aber ich ließ mich davon nicht entmutigen. Wir würden schon noch Freunde werden, davon war ich überzeugt. Und am besten ging das, indem ich ihm nicht von der Seite wich, bis er sich an mich gewöhnt hatte. Darum stapfte ich direkt hinter ihm her, als er ins Badezimmer ging. Das traf sich ganz gut. Ich musste sowieso aufs Klo. Während Ben mit einem laut vibrierenden Ding in seinem Mund herumfuhr, machte ich mein großes Geschäft und gab mir besonders viel Mühe beim Verscharren. Ben spuckte aus, drehte sich mit entsetztem Gesicht zu mir um und rief: „Alter, das stinkt!“
Ich starrte mindestens ebenso entsetzt zurück. Ben hatte Schaum vorm Mund! Einen Moment lang konnte ich mich vor Schreck nicht bewegen. Meine Mama … meine richtige Mama hatte mir davon erzählt. Von einer Krankheit, durch die man böse wurde. Trollwut! Ben hatte Trollwut! Deshalb war er so mies drauf. Das musste ich sofort Karin erzählen. Sie musste Ben zu einem Arzt bringen, sonst würde er sterben! Mit einem Satz war ich aus meinem Kistchen und rannte aus dem Badezimmer.
„Ja, hau bloß ab!“, rief Ben mir hinterher, aber ich ließ mich nicht mehr von seinen Gemeinheiten beeindrucken. Ich wusste ja jetzt, dass er nichts dafür konnte. Ich lief direkt in Karins Arbeitszimmer und sprang auf ihren Schoß und von da aus auf ihre Tastatur. Ich konnte nicht riskieren, dass sie mich nicht ernst nahm. Aufgeregt fing ich an zu maunzen. Ihre Augen waren glasig. Sie schob mich mit einem Arm von der Tastatur und tippte mit der anderen Hand weiter auf den Tasten.
„Nett von dir, dass du mir helfen willst, Flint, aber ich schreibe meine Bücher lieber allein. Lass mich eben speichern, dann kümmere ich mich um dich.“
Waaaas? Ihr Sohn hatte Trollwut und sie dachte nur an ihr blödes Buch? Mit etwas mehr Nachdruck hüpfte ich erneut auf die Tastatur. Endlich klarte ihr Blick auf und sie sah mich an.
„Was hast du denn?“, fragte sie und musterte mich mit gerunzelter Stirn an.
„Ben! Ben!“, maunzte ich, aber mir war klar, dass sie mich nicht verstehen konnte. Sie verstand nur Miau miau. Verdammt. Was sollte ich jetzt machen? Ben brauchte dringend einen Arzt. Ich betrachtete die Tastatur und überlegte, ob ich ihr schreiben konnte, was ich meinte, aber leider konnte ich nicht schreiben. Vielleicht konnte ich sie irgendwie dazu bringen, zu Ben zu gehen, damit sie selbst sah, dass er Schaum vor dem Mund hatte. Also sprang ich wieder vom Schreibtisch und lief zur Tür. Ich maunzte und sah sie herausfordernd an. Karin lachte.
„Was hast du denn, Kätzchen? Willst du mir etwas zeigen?
Ja! Ja! Ja! Zweifelnd drehte sie sich zurück zum Monitor. Offenbar überlegte sie, ob sie nicht doch lieber weiterschreiben sollte. Ich maunzte ein weiteres Mal, und sie blickte mich wieder an.
„Also gut“, sagte sie. „Ich könnte ohnehin eine Pause vertragen. Was willst du mir denn zeigen?“
Ich lief in den Flur und weiter zum Badezimmer. Da stand Ben mit freiem Oberkörper vor dem Spiegel und fuhr sich mit einem Stück Watte über das Gesicht. Er hatte keinen Schaum mehr vorm Mund und sah überhaupt ziemlich gesund aus.
„Oh“, machte Karin. „Flint wollte wohl, dass ich dir noch gute Nacht sage.“
Ben drehte sich zu uns um und betrachtete erst seine Mutter und dann mich.
„Er heißt Pod“, sagte er, und ich erschauderte innerlich. Ich wollte nicht Pod heißen! Noch etwas, das ich diesen dummen Menschen einfach nicht begreifbar machen konnte.
„Wie auch immer“, meinte Karin. „Schlaf gut, ja?“
„Mach ich“, brummelte Ben und warf das Stück Watte in den Mülleimer. Ohne ein weiteres Wort an seine Mutter oder mich ging er wieder in sein Zimmer. Diesmal war er aber so nett, die Tür für mich einen Spalt weit offen zu lassen. Ich huschte hinter ihm her und verkroch mich unter seinem Bett, um in Ruhe nachzudenken. Ben setzte sich auf das Bett und kurze Zeit später ließ er seine Hose zu Boden fallen. Erst jetzt sah ich, dass seine Beine komisch waren. Das eine war ein ganz normales Menschenbein. Das andere war viel dünner. Nur der Fuß sah echt aus, roch aber kein bisschen nach Mensch. Kurze Zeit später erkannte ich auch warum. Es war kein echtes Bein. Es war ein künstliches und Ben legte es zum Schlafen ab. Vorsichtig reckte ich meinen Kopf unter dem Bett heraus und sah ihn fragend an. Er nickte. Offenbar hatte er mich wenigstens einmal verstanden.
„Ja“, sagte er. „Ich habe auch ein Bein verloren. So wie du.“