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8. Alma

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Gestern war nichts mehr mit mir anzufangen. Es war auch nichts mehr geplant, aber wenn, dann wäre nach dem Treffen mit meinem Amor nichts mehr gegangen. Das war schon alles sehr merkwürdig und schwer zu fassen. Da hatten wir alle also ein Helferlein bei unseren Liebesangelegenheiten. Also konnte man davon ausgehen, dass so gut wie alles, was uns in der Liebe passierte, von jemand anderen eingefädelt wurde. Auch die schlimmsten Enttäuschungen sollten passieren? Nur bei mir nicht. Bei mir musste mal wieder etwas schieflaufen. Mir musste mein persönlicher Amor durchdrehen und alles durcheinander bringen. Natürlich nicht absichtlich, denn sonst könnte ich ja böse auf ihn sein! Aber so…? So nicht wirklich. Ich bin schon böse und schockiert… Aber, irgendwie... Er dachte ja, es würde nichts passieren. Aber da es sich um meine Beziehung handelte, musste es natürlich Auswirkungen haben. Ich wollte nicht weiter darüber nachdenken. Was sollte das auch bringen?

Ich sollte jetzt ohnehin aufstehen und mich fertig machen. Ich würde meine alten Schulfreunde plus Partner zum Brunchen treffen. Das machten wir mindestens einmal im Monat. Früher musste Casper mit mir aus Hamburg zu den Treffen kommen. Diese Treffen waren eine Institution, deshalb konnte ich nicht wirklich absagen, auch wenn ich nicht übel Lust dazu hatte. Einen weiteren Tag einfach vor dem Fernseher zu verbringen, das war jetzt eher mein Bedürfnis, als zu socializen. Augen zu und durch! Also ab unter die Dusche, ein bisschen Farbe ins Gesicht und ich musste los. Ich hatte nicht mal Zeit, mir die Haare zu föhnen, da ich schon zu lange getrödelt hatte. Zum Glück war es wieder einer dieser extremen Sommertage, da musste ich keine Angst haben, mich zu erkälten. Nasse Haare waren schon um zwölf Uhr mittags eine angenehme Abkühlung. Ich machte mich also in meinem Maxirock, Sandalen und einem T-Shirt auf den Weg zu unserem Stammcafé. Ich merkte, wie ich immer langsamer wurde. Jana und Anton würden von ihrer verrückten, tollen, unglaublichen Reise erzählen, von der sie erst vor zwei Wochen wiedergekommen waren. Fast einen ganzen Monat waren sie in Asien und Indien unterwegs gewesen. Hoffentlich mussten wir uns nicht eine halbe Stunde die Fotos anschauen, die sie gemacht hatten. Obwohl, wenn ich recht überlege, hoffentlich mussten wir uns eine halbe Stunde die Fotos anschauen! Das würde weniger reden bedeuten. Carla und Tom waren außen vor, die würden sicher berichten, wie verrückt es war, schwanger zu sein. Darüber redeten Sie immer, wenn wir mal telefonierten. Das war wohl einfach gerade ihr Thema. Naja, Phoebe und Max, da war, glaube ich, gerade nichts Dramatisches passiert. Ich würde es ja gleich herausbekommen. Noch zweimal Abbiegen und ich würde schon da sein. Jetzt wäre es fast praktisch zu rauchen, dann hätte ich einen Grund noch ein bisschen länger vor der Tür stehen zu bleiben. Ich betrat das „BilderBücherCafé“ und ging zu dem Tisch, an dem wir immer saßen. Die anderen waren schon da, außer Carla. Aber zumindest ihre Tasche stand dort auf dem Tisch, auch wenn von ihr sonst keine Spur war.

„Hallo ihr Lieben, schön euch zu sehen.“

Ich zauberte ein Lächeln auf mein Gesicht. Da ich von Beruf Anwältin und nicht Hexe war, klappte das mit dem Zaubern nur bedingt.

„Ach! Da bist du ja! Ich wollte dich gerade anrufen und fragen, ob du verschlafen hast.“

Phoebe gab unserer Kellnerin das Zeichen, dass sie mir einen Kaffee bringen sollte und unsere Standard-Frühstücksplatte, die wir jedes Mal bestellten. Ich schaute auf die Uhr, war ich denn so spät?

„Aber es ist doch erst viertel nach, so viel bin ich doch gar nicht zu spät.“

„Nein, nein… So war das nicht gemeint. Aber Alma, du bist sonst immer fünf Minuten zu früh da. Wenn du gekommen bist, warst du immer die Erste. Ich hab mich einfach gewundert, das war alles. War nur eine Feststellung. Ist sonst alles gut bei dir? Wie läuft es auf der Arbeit? Immer noch alles gut? Oder langweilen dich die Verträge schon und vermisst du den Kick vor Gericht?“

Ja, das war für alle schwer zu begreifen, aber bei meinem jetzigen Job war ich wirklich zufrieden und glücklich. Es waren spannende Themen und es fühlte sich wirklich so an, als ob ich genau für diese Position gemacht worden wäre.

„Alles noch immer prima. Nächste Woche stehen wieder ein paar knifflige Verhandlungen mit Kunden an, für die ich mich gestern vorbereitet habe. Ich bin richtig gespannt, wie es ausgeht. Und Phoebe bei dir? Was gibt es Neues? Bei dir alles wieder gut im Büro?“

Ich hatte mich auf den freien Platz neben sie gesetzt. Carla war auch wieder aufgetaucht. Sie war auf der Toilette gewesen. Das hätte ich mir auch denken können. Seit einigen Wochen musste sie, aufgrund ihrer Schwangerschaft, ständig um die Ecke. Sie sagte, der kleine Wurm würde ihr auf der Blase liegen. Ich schaute wieder zu Phoebe und wartete auf ihre Antwort. Sie schaute sich um, schaute zu ihrem Max. Irgendetwas würde jetzt kommen.

„Jetzt, wo wir euch alle beisammen haben, möchten wir etwas sagen“, sie hielt kurz inne, um die Spannung noch zu steigern, holte tief Luft für die dramatische Pause und sagte dann: „Max und ich haben uns verlobt. Er hat mich gestern bei unserem Lieblingsitaliener gefragt und ich habe ja gesagt!“

Ihre Ankündigung unterstrich sie, indem sie währenddessen stolz mit dem Ringfinger ihrer rechten Hand umherwedelte. Im Grunde freute ich mich ja für sie, aber irgendwie… Ach… Ich wusste auch nicht. Ich war halt gerade an einem ganz anderen Punkt in meinem Leben. Wenn sie meinte, sie müsste jetzt heiraten, dann sollte sie es doch tun. Aber letztendlich war es ja sowieso nicht ihre Entscheidung oder die von Max, sondern die von ihrem Amor. Da ich genau neben ihr saß, war ich die Erste, die ihr gratulieren musste. Wir fielen uns in die Arme, ich drückte sie, wünschte ihr viel Glück und gratulierte anschließend auch brav dem zukünftigen Bräutigam. Als die Kellnerin meinen Kaffee brachte, bestellten wir eine Runde Prosecco für uns und einen Orangensaft für Carla zum Anstoßen. Die Stimmung war ausgelassen und wir durften uns den Hergang des Antrags in aller Ausführlichkeit anhören. Gerade, als sie alle Ausführungen und Missgeschicken, die passiert waren, berichtet hatten, kam endlich die Frühstücksplatte. Ich hoffte auf einen kurzen Moment Ruhe, ohne verzücktes Kreischen und Schnutenziehen, weil das ja alles ach so herzergreifend war. Und Tatsache, ich sollte ein paar Minuten Erholung bekommen. Für knapp zehn Minuten wurden Teller hin und her gereicht und sich über den Geschmack der Aufschnitt-Auswahl unterhalten. Ich entspannte und genoss mein Essen. So hätte es die nächsten zwei Stunden weiter gehen können. Ein kurzer Plausch über das Wetter, ein unbedeutender Vortrag über die Anbaumethoden von Tomaten und ihre Auswirkungen. Ich war zufrieden. Leider kam Carla auf die Idee, Jana und Anton nach den Frühstücksgewohnheiten in Indien zu fragen. Sie hatten zu meiner Erleichterung zwar keine Fotos dabei, aber sie hatten viele Geschichten zu erzählen. Allerdings, auch wenn ich normalerweise ein absoluter Fan von Reiseberichten war, und es im Grunde eine gute Gelegenheit war, mit den Gedanken abzudriften, heute klappte es nicht. Heute wurde mir diese glückliche Zweisamkeit, die mich umgab, zu viel. Wie schön es doch war, gemeinsam diese ganzen Eindrücke teilen zu können. Wie sie es sogar organisiert hatten, dass sie sich in einer indischen, oder wohl eher buddhistischen, Zeremonie ihre Liebe erneut geschworen hatten. Es hörte sich alles so aufregend und romantisch an, und ich wollte nur weg. Ich hätte heute vielleicht doch lieber zu Hause bleiben sollen. Plötzlich schoss mir eine Frage in den Kopf. Wo waren eigentlich die ganzen Amors? Konnte man sie eigentlich sehen oder konnten nur sie uns sehen? Sie mussten uns ja sehen können. Vielleicht waren sie hier im Raum? Ich fing an, mich unauffällig umzuschauen. Aber mir fiel niemand ungewöhnliches auf. War denn eigentlich immer ein Amor für ein Paar zuständig? Wechselte man im Leben seinen Amor oder hatte man immer den Gleichen? Lebten die Amors unter uns, war das ein normaler Job, wie jeder andere auch? Wenn dieser Hans Herzlich sich verliebt hatte und nun auch Liebeskummer hatte, dann musste doch auch er einen Amor haben? Das war alles ganz schön merkwürdig. Aber auch spannend. Eigentlich hatte ich nicht vorgehabt, mich bei diesem Typen zu melden. Ich war gestern so froh gewesen, als er endlich gegangen war. Aber jetzt, jetzt fing das Thema irgendwie an, spannend zu werden. Ich musste einfach darüber nachdenken. Ob das also hieß, dass jeder sich verliebte? Wirklich jeder? Also auch jeder Macho? Wie bekam man wohl einen Macho dazu, sich auf die Liebe einzulassen? Bisher war ich meist der Meinung, dass diese Supermachos sich aus Bequemlichkeit eine Freundin nahmen, eine die ihnen den Haushalt schmiss, so wie vorher die Mutti.

„Alma? Alma, bist du noch bei uns?“

Carlas Stimme riss mich aus meinen Gedanken. Ich hatte für einen kleinen Augenblick vergessen, wo ich war. Ich sollte Hans all diese Fragen stellen. Er war es mir schuldig, mir alles zu beantworten, was ich wissen wollte. Das war das Mindeste was er tun konnte, um seinen Fehler wiedergutzumachen. Ich schaute in die Runde und sah, dass alle sechs Augenpaare auf mich gerichtet waren.

„Was? Entschuldige Carla, was hast du gesagt?“

„Ist alles okay bei dir? Du scheinst so abwesend zu sein. Ist alles bei dir in Ordnung? Auf der Arbeit? Hast du da Probleme?“

„Nein, das hab ich doch vorhin schon erzählt. Da ist wirklich alles super.“

„Oh nein! Hat dieser Doofmann von sich hören lassen? Wenn der sich wieder total daneben benommen hat, dann sag mir Bescheid, ich fahre hin und verprügle ihn. Mit einer Schwangeren werden sie sicher milde umgehen. Ich kann alles auf die Hormone schieben.“

Ich sah, wie sie sich aufregte. Da wollte ich lieber gar nicht erst von der Fotokiste und dem Scheidungstermin berichten. Tja, und von meiner merkwürdigen Begegnung mit Hans Herzlich, das konnte ich noch viel weniger mit ihnen teilen. Es sollte ein nettes Treffen werden, alles war so harmonisch, da wollte ich mit meinen Miesepeterthemen nicht allen den Sonntag verderben. Obwohl ich schon gerne die Reaktion der anderen sehen würde, wenn sie herausfanden, dass es einen Amor gab. Aber wahrscheinlich würden sie mir sowieso nicht glauben. Es fiel mir ja auch schwer, bis zu dem Moment mit der Akte.

„Carla du bist lieb, aber nein. Es ist nichts passiert. Ich konnte aus irgendeinem Grund nur letzte Nacht nicht so gut schlafen. Ich denke, ich bin einfach ein wenig müde. Das ist alles.“

Ich unterstrich meinen letzten Satz mit einem müden Lächeln und war mir sicher, dass das Thema damit vorbei war. Ich hatte ja nicht mal gelogen. Gut – ich wusste den Grund, warum ich nicht schlafen konnte. Aber es war nicht gelogen. Wie ich vermutet hatte, wurde schnell ein neues Thema gefunden. Jana fing an, von ihrer Reise zu berichten:

„In Indien haben wir an einem Tag einen Meditationskurs besucht. Anton hat es gehasst. Es fiel ihm total schwer, einfach ruhig dazusitzen, vor allem fand er es total albern, diese Sprüche vor sich hinzusagen. Aber mir half es, den Kopf freizubekommen. Uns wurde gesagt, dass Meditation gut ist, um Stress abzubauen. Wusstet ihr, was Stress alles für Auswirkungen haben kann? Fast alle unsere westlichen Krankheiten gibt es in Indien nicht. Erstens haben die dort eine ganz andere Ernährung und Zweitens leben sie mit viel weniger Stress. Auch wenn man das bei dem Straßenverkehr gar nicht glauben kann.“

Jana war voll in ihrem Element, immer wieder schaute sie nach Unterstützung suchend zu ihrem Liebsten. Sie waren wirklich ein Team. Ein Team aus sehr unterschiedlichen Menschen, aber es passte perfekt zusammen. Jana war aber noch nicht fertig mit ihren Ausführungen.

„Alma, vielleicht solltest du mal Meditation ausprobieren, oder Yoga? Ich wollte sowieso versuchen, hier in Berlin ein tolles Yoga Studio zu finden. Dann könnten wir zusammen anfangen. Das wäre doch super! Das würde dir mit Sicherheit gut tun. Du hättest einen Ausgleich zu deinem stressigen Job, du hättest die Chance, zu dir zu finden, die Ruhe in dir zu finden und dann lösen sich deine Schlafprobleme in Luft auf. Was sagst du?“

Sie war so euphorisch in ihren ganzen Ausführungen. Aber das konnte nicht ihr ernst sein. Gerne würde ich etwas mit Bewegung machen, aber meditieren? Yoga? Das war verrückt. Diese komischen Menschen dort und dann das lange still Sitzen. Nein, wirklich nicht. Danke.

„Jana, das ist nett, aber ich habe keine generellen Schlafprobleme. Ich konnte nur gestern Nacht nicht so gut schlafen. Ich brauche das alles nicht. Aber es freut mich, wenn du etwas gefunden hast, für das du brennst. Mach das!“

Plötzlich prustete Janas Mann Anton laut los.

„Alma, du würdest es hassen! Ich kann mir das genau vorstellen! Du würdest nach kurzer Zeit versuchen, mit der Person neben dir eine Diskussion darüber anzufangen, warum das mit der Entspannung nicht funktionieren kann, weil dir der Po weh tut und andere Sachen, die keinen Sinn machen. Mit Sicherheit würdest du erstmal fragen, was die Mantras überhaupt bedeuten, die du da vor dich hin beten sollst. Wenn du doch gehst, sag mir Bescheid. Um das zu sehen, würde ich diese Tortur glatt nochmal durchleben!“

Ich hatte mich schon immer gut mit Anton verstanden. Er war auch Anwalt, hatte allerdings einen anderen Weg eingeschlagen als ich. Er ging in Richtung Strafverteidigung, wenn man so wollte. Er war unter anderem Pflichtverteidiger für Menschen, die sich eine Verteidigung nicht leisten können. Der Trip nach Indien hatte ihn schon lange gereizt, aber eher weil er Land, Leute und Kultur so interessant fand, als aus den esoterischen Gründen, aus denen viele Deutsche nach Indien fuhren. Er war offen für alles und bildete sich erst eine Meinung über Dinge, wenn er sie ausprobiert hatte. Aber für bestimmte Sachen war auch er einfach nicht gemacht. Stiller Gehorsam lag ihm fern und etwas wiederholen, was ihm sinnlos erschien, das konnte ich mir bei ihm nicht vorstellen. Und er hatte Recht, ich konnte es mir beim besten Willen auch für mich nicht vorstellen. Das war nicht meine Art mich zu entspannen oder runterzukommen. Meditation gehörte einfach nicht zu meiner Kultur und das mit dem religiösen Touch war auch nicht so meins.

„Ach Anton, du bist doof. So würde sich Alma doch gar nicht verhalten! Und Alma, ich weiß, es hört sich merkwürdig und fremd an, aber wenn du es vielleicht doch mal versuchen möchtest, ich wäre für dich da. Ich will dir nichts aufschwatzen, ich denke nur, es könnte gut für dich sein.“

Und schon wandte Jana sich Carla zu und versuchte sie zum Yoga für Schwangere zu überreden. Sie hatte mal wieder etwas Neues für sich entdeckt und wollte all ihre Lieben daran teilhaben lassen. So war sie immer gewesen. So kannten wir sie! Auch wenn es einem auf die Nerven gehen konnte, wenn das Thema einen selbst nicht interessierte. Aber sie tat es immer aus der Intention heraus, dass uns die Sachen doch genauso berühren und beflügeln mussten, wie sie. Sie wollte allen von ihren tollen Entdeckungen etwas abgeben. Die beste Strategie war es, sie hinzuhalten. Damit verletzte man sie nicht und vielleicht hatte sie in ein paar Monaten schon etwas Neues, was einem besser gefiel. Mit ihr wurde es nie langweilig. Immer wieder fand sie neue Dinge, mit denen wir uns dann auch auseinander setzten „durften“. So zwang sie uns auf ihre liebenswürdige Art, unseren Horizont zu erweitern. Aber gerade heute hatte sie damit bei mir einfach kein Glück. Mir war gestern mein Horizont um einiges erweitert worden, was ich weder ganz verarbeitet noch begriffen hatte. Da war ich noch weniger dazu bereit, mich in den Schneidersitz zu setzen und still in mich hineinzuschauen. Ich wusste, was ich finden würde: Verwirrung! Phoebe, die sowieso auf Wolke sieben schwebte, war mehr als gewillt sich Jana anzunehmen.

„Jana, ich würde mit dir mit zum Yoga kommen. Ich habe eine Kollegin, die schwärmt schon seit Monaten davon, wie sie durch Yoga und Pilates total fit geworden ist. Das würde ich auch gerne mal versuchen. Wenn ich es dadurch auch noch schaffen würde, auf den Hochzeitsfotos toll auszusehen, umso besser!“

Jana war begeistert und die Gefahr für mich erstmal gebannt. Ich freute mich, dass für Phoebe und Max jetzt alles so gut zu laufen schien. Das war nicht immer so. Ob da ihr Amor auch versagt hatte? Max hatte längere Zeit in den USA gelebt. Er hatte dort studiert und wurde danach von einer Firma übernommen. Die beiden kannten sich zwar irgendwie schon ewig, aber so richtig gefunkt hatte es während einem seiner Deutschland-Aufenthalte in den Semesterferien. Sprich, sie hatten ihre Beziehung als Fernbeziehung begonnen. Das ganze Kennenlernen, Vertrauen und Auseinandersetzen miteinander passierte hauptsächlich über das Internet. Meist nach seinem langen Arbeits- oder Studientag und früh vor ihrem Arbeitstag. Das bedeutete, ein Parallelleben neben dem eigentlichen Leben zu führen. Und viele Möglichkeiten, um sich misszuverstehen und das Gefühl zu bekommen, nicht genug wertgeschätzt zu werden. Phoebe war oft der Meinung, dass Max sie nicht verstehen würde und dass er nicht wusste, was sein Verhalten bei ihr auslösen würde. Sie war oft den Tränen nah oder ihnen sogar erlegen. Max hingegen versuchte sein Bestes, aber hatte natürlich immer das Gefühl, nicht genug zu tun. In den Momenten, in denen man sich einfach in den Arm nimmt, wodurch ein doofer, unnötiger Streit beendet oder ein blöder Spruch vergessen war, diese Möglichkeit gab es für die beiden nicht, weil Google das noch nicht erfunden hatte. Noch konnte man sich über Skype „nur“ sehen. Und war dann zu allem Übel noch die Verbindung nicht so gut, tat diese ihr Übriges, um die Stimmung noch mehr in den Keller zu bringen. Den großen Unterschied machte die Zeit, in der sie sich sahen. Da war nach kurzer Gewöhnungszeit alles anders. Sie waren ein Herz und eine Seele, sie gehörten zusammen, ohne Frage. Aber sie waren leider am Anfang mehr getrennt, als gemeinsam an einem Ort. Besonders problematisch wurde es, wenn man tausende von Kilometern voneinander entfernt war, sich gerade wieder angebrüllt hatte und dann kam jemand anderes auf dich zu und himmelte dich an, dann konnte passieren, was auch passierte. Wenn der eine dachte, dass der andere es schon nicht herausbekommen würde und man selbst lieber nicht darüber sprach, weil es sehr unangenehm war, dann war die große Explosion vorprogrammiert. Was auch immer sich deren Amor dabei gedacht hatte – es klappte. Die vielen Dramen und Diskussionen hatten Früchte getragen, sie hatten sich beide entwickelt. Ich kann von meinem Standpunkt aus sagen, dass beide zu erfüllteren und reiferen Menschen geworden waren. Es gab eine Redensart, nach der die Menschen nur durch Fehler lernten und nicht durch das, was sie richtig machten. Ich konnte das nur bestätigen! Wir erinnerten uns erst an etwas, wenn es nicht so lief, wie wir es geplant hatten und dann waren wir auch gewillt, es zu ändern. Bei Phoebe und Max traf das vollkommen zu. Ihr Amor hatte mit Sicherheit Überstunden gemacht und am Ende hatte alles geklappt. Auf mich bezogen passte das allerdings hinten und vorne nicht. So war das eben. Da der Fehler scheinbar weder bei mir noch bei Casper gelegen hatte, konnten wir nichts daraus lernen. Aber es ging ja auch nicht immer um mich! Zusammenfassend kam ich also aus diesem Treffen mit einer Verlobung, einem Paar in freudiger Erwartung Eltern zu werden, was sie noch mehr aneinander band, und mit einem verrückten Paar, das gemeinsam die Welt bereiste und sich dadurch immer näher kam. Ach ja, und einer bald geschiedenen, verwirrten jungen Frau, die alleine war und die Welt nicht mehr verstand. War doch alles super! Da ich keine Lust mehr hatte, mich nur mit mir selbst zu unterhalten – das war zu deprimierend – dachte ich mir, ich würde einfach eine Unterhaltung über die Schwangerschaft mit Carla beginnen. Sie hatte sicher viel zu sagen und ich konnte einfach zuhören. Mit diesem Plan überlebte ich die Zeit, bis wir uns trennten, alle zu zweit nach Hause gingen und nur ich mich wieder alleine auf den Weg in meine leere Wohnung machte. Ich musste unbedingt diesen Hans kontaktieren. Er sollte mir meine Fragen beantworten!


Darf ich vorstellen: Amor

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