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Im Fernseher kam wieder mal gar nichts. Natürlich kam etwas, aber alle Programme hatten heute nichts drauf, was auch nur annähernd in meine Richtung tendierte. Lisa war schon auf der Couch eingeschlafen, auch eine Folge des miserablen Fernsehprogramms. Ich beobachtete sie, wie sie mit angewinkelten Knien auf der Seite lag, die gefalteten Hände unter ihrer linken Gesichtshälfte eingeklemmt. Über ein Jahr waren Lisette Bauer und ich nun schon zusammen.

Ich muss gestehen, dass ich mich oft darüber wunderte, denn außer mit regelmäßiger und oft unerwarteter Abwesenheit konnte ich mit wenig bei ihr glänzen und ich fragte mich oft, was Lisa bei mir hielt. Aber verstehe einer die Frauen, dachte ich und vernahm ein leises Schnurren, das man durchaus als den Hauch eines Schnarchens hätte deuten können.

Aber Frauen schnarchen nicht, sie schnurren eben nur. Spricht man sie darauf an und unterstellt ein Schnarchen, hat man äußerst schlechte Karten. Tauscht man aber das Wort Schnarchen gegen das Wörtchen Schnurren aus, kann es sogar sein, dass Frau dies zugibt mit dem Hinweis, dass sie sich eben sehr wohl gefühlt habe.

Ich selbst fühlte mich nicht so richtig wohl. Müde war ich auch noch nicht. Also zog ich aus dem Regal mit meinen rund zweihundert DVD-Filmen die „Gratest Hits“ von TOTO, einem Live-Zusammenschnitt der Kult-Rockband aus dem Jahr 1995 heraus und legte sie in den Rekorder. Während Steve Lukather`s „I`ll be over you“ erklang, nippte ich an meinem Glas Rotwein, lehnte mich zurück und schloss die Augen. Derweil der Sänger seiner Angebeteten versprach, immer für sie da zu sein, machte ich mir schon fast Gewissensbisse wegen Lisa. Wie oft hatte ich ihr versprochen, gemeinsam mit ihr Dinge zu unternehmen, wegzufahren, ziel- und planlos über den Hunsrück, durch die Wälder, die Täler. Alleine mit ihr, ohne Telefon, ohne die ständigen Anrufe, die auch nicht vor meiner Freizeit Halt machten. „Der Polizeibeamte ist immer im Dienst, auch Sie, Hauptkommissar Heiner Spürmann“, hörte ich Willibald Wittenstein, meinen Chef, sagen. Er hatte Recht. Wie oft hatte ich das am eigenen Leib erfahren müssen.

Ich erschrak. Die Musik hatte gewechselt und war härter geworden. Ich drehte „Kingdom of Desire“ leiser und beobachtete Lisa. Doch sie schlief tief und fest.

Aber mit einem Schlag dann war plötzlich die friedliche, fast eheähnlich anmutende Idylle vorbei. „Du bist immer im Dienst!“ schien mir das Telefon zuzurufen und ich sah Wittenstein förmlich mit erhobenem Zeigefinger vor mir stehen. Das Telefon läutete weiter. Lisa rieb sich die Augen und setzte sich aufrecht.

„Musst du los?“ fragte sie und ich zuckte unwissend und erwartungsvoll mit den Achseln.

„Ja, Spürmann?“

Am anderen Ende der Leitung hörte ich Stimmen, die durcheinanderredeten. Mein Tinnitus, der sich immer dann meldete, wenn es begann stressig zu werden, versetzte mich auch dieses Mal nicht. Schließlich meldete sich Kollege Paul Mereien vom Kriminal-Dauerdienst.

„Hallo, Heiner, ich hoffe, du schläfst noch nicht!“

Ich schlug die Augen zum Himmel.

„Es tut mir leid, es wird sicherlich eine lange Nacht für dich. Wir haben einen toten Penner in Idar-Oberstein. Sieht nach Fremdverschulden aus. Aber warte, ich gebe dich weiter. Der Chef möchte dich sprechen.“

„Hallo, Spürmann, so ist das nun mal, wenn man Bereitschaft hat.“ Es war Kriminaldirektor Wittenstein, mein direkter Vorgesetzter. Er war nicht nur mein Chef, sondern hatte alle Kriminalinspektionen unter sich, so auch die Mordkommission.

„Aber Spaß beiseite (wo hier wohl der Spaßfaktor lag?). Der Tod dieses, ja, äh Landstreichers wurde von einem seiner Kumpanen gemeldet. Faselt etwas von vergifteter Milch und so. Also, Fremdverschulden ist zumindest nicht auszuschließen. Kümmern Sie sich bitte darum! Der Zeuge sitzt noch auf der Dienststelle in Idar-Oberstein. Er bleibt dort, bis Sie eintreffen. Also, beeilen Sie sich!“

„Ich werde also mit meinem Privatwagen fahren. Ist das o.k.? Ich meine, wegen der Spesen und so.“

„Ja, das geht in Ordnung, oder haben Sie irgendwann einmal Ihrem Geld nachlaufen müssen?“

Ich gab Wittenstein keine Antwort, was er sicher zu deuten wusste und wechselte das Thema.

„Ich möchte Leni mitnehmen. Kollegin Marlene Schiffmann!“

„Na, Sie sind mir ja einer!“ Ich sah förmlich das Grinsen im Gesicht Wittensteins. „Ich kann mich erinnern, da reagierten Sie auf mein Angebot mit einer Frau zusammen zu arbeiten doch eher allergisch!“

Ich wusste, was Wittenstein meinte. Er spielte auf den Fall im Waldhausener Forst an, auf den „gekreuzigten“ Zuhälter Rietmaier. Leni wurde mir damals frisch von der Polizeischule zur Seite gestellt und ich gebe zu, das war anfangs überhaupt nicht in meinem Sinne, um es gelinde auszudrücken. Doch Leni mauserte sich zu dem, was man einen richtigen Kumpel nennt und dienstlich harmonierten wir in der Folgezeit sehr gut.

„Ich möchte wieder mit Leni arbeiten“, sagte ich frech in die Leitung. „Ist das zu viel verlangt?“

„Nun werden Sie mal nicht anzüglich, junger Mann“, kam sofort das Echo aus der Leitung. „Sie sollen Ihren Willen haben. Aber auch nur deshalb, weil ich mir von Ihnen beiden eine gute Arbeit verspreche. Enttäuschen Sie mich also nicht! Ich gebe Ihnen noch mal Kollege Mereien, der wird Sie mit den Einzelheiten vertraut machen.“

„Paul, verständige bitte Leni“, bat ich Mereien. Ich warte in Forstenau, in meiner Wohnung, auf sie. Von dort aus kann sie mit mir weiterfahren.“

Es dauerte eine knappe Dreiviertelstunde, da fuhr Leni vor.

„So, Heiner, da bin isch“, sagte sie in ihrem unverwechselbaren Adenauer-Dialekt. „Hallo, Lisa, isch muss deinen Mann leider entführen.“ Als sie dabei das „e" der Worte „deinen“ und „leider“ in der ihr eigenen Art in die Breite zog, konnten Lisa und ich uns ein Grinsen nicht verkneifen.

„Passt auf euch auf und kommt gut an!“ rief Lisa uns nach und ich schickte ein Stoßgebet zum Himmel, dass mein alter Opel Astra uns dabei unterstützen möge.

Weißes Gift

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