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2..Kapitel

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Ein durchdringender Schmerz jagte durch meinen Kopf. Ich zog die Bettdecke bis über die Haarspitzen, um mich vor der störenden Außenwelt abzuschirmen. Das Blut pochte in meinen Schläfen und die Zunge klebte an meinem Gaumen.

Ein Schluck! Ich brauchte einen Schluck! Dann war er wieder da, der stechende Schmerz in meinem Kopf. Es klingelte und schmerzte. So stark hatte ich meinen Tinnitus noch nie wahrgenommen. Schon seit Jahren verfolgte er mich. Auf irgendeinem Rockkonzert hatte ich ihn eingefangen. Ich, der ich ein eingefleischter Fan der amerikanischen, inzwischen antiquierten Rockband „Toto“ bin, habe fast jedes Konzert der Truppe besucht, soweit es in Deutschland stattfand. Aber musikalische Lautstärke hat kaum etwas mit dem Alter der Musiker zu tun.

Wahrscheinlich hatte jeder von ihnen Tinnitus, denn erst seit rund zehn Jahren kann sich der musikalische Akteur durch so genannte Ear-Monitoring schützen. Mithilfe dieser Technik wird ihm nur so viel Lautstärke auf die Ohren gegeben, wie er tatsächlich braucht, um erstens die Qualität seines Schaffens zu kontrollieren und zweitens, dass es ihm nicht das Ohr zerreißt.

Anders dagegen geht es denen, die unterhalb der Bühne stehen und aus mir unbegreiflichen Gründen die Nähe der Boxen mit ihrem riesigen Wattvolumen suchen. Wenn Steve Lukather dann in den höchsten Tönen seine Gitarre quälte, konnte sich der kleine Ohr-pfeifer nicht mehr verstecken.

Er verließ sein Quartier im Mittelohr und stellte sich zum Kampf, den er in fast allen Fällen verlor. Auch mein kleiner Mann im Ohr hatte den Kampf verloren und so blieb ihm in Zukunft nichts Anderes übrig, als zurückzupfeifen, wenn ihm irgendwas an meiner körperlichen Verfassung nicht gefiel.

Doch dann erkannte ich die wahre Ursache des Klingelns: Das Telefon!

Mit verschleierten Augen sah ich auf die fluoreszierenden Zeiger des Reiseweckers, Marke Aldi, auf meinem Nachttisch. Fünf Uhr zehn in der Früh. Samstag und kein Ausschlafen. Ich riss meine Gedanken zusammen und rieb mir durch den harten Stoppelbart, der nun schon genau vier Tage alt war. Wahrscheinlich meine Dienststelle. Hatte ich Bereitschaft?

Langsam kam Ruhe in meinen Körper. Gestern Abend war es spät geworden, sehr spät. Der Stammtisch hatte sich nicht nur in die Nacht hinein verzögert, er hatte sich durch die Mengen Bier und Schnäpse fast durchgebogen.

Ich erinnerte mich. Stammtischbruder Adalbert Schaeflein, mit „ae“, darauf legt der Pastor der Gemeinde Forstenau großen Wert, war Fünfundfünfzig geworden. Eine schöne Feier! Eines Gemeindehirten würdig! Eines Freundes würdig! Es ging hoch her im Pfarrhaus, denn das „Hochwald-Stübchen“ hatte Ruhetag. Dass Schaeflein seinen Namen unbedingt mit „ae“ geschrieben wissen wollte, hatte einen Grund. Zumindest dachte ich mir das. Er ist der Hirte, nicht das Schäflein. Hätte er sich seinen Namen selbst aussuchen können, hieße er vielleicht Hüterli. Aber nein, wohl kaum. Eine einzige deutsche Vorsilbe vor seinem Namen würde ihn vor aller Welt zum Gespött gemacht haben. Außerdem, einen Namen mit Schweizer Endung, kaum auszudenken für einen echten Hunsrücker, geboren in der Nähe von Simmern.

Das Telefon ließ mir jedoch keine Zeit für meine philosophischen geistigen Ergüsse und klingelte aufdringlich weiter. Ich griff nach dem Hörer.

„Spürmann“, meldete ich mich. Meine Stimme klang rau. Die Zunge klebte immer noch am Gaumen. Ich hätte was trinken sollen. Die Stimme am anderen Ende der Leitung klang etwas unwirsch.

„Spürmann, was ist los, warum melden Sie sich nicht?“ fragte eine Stimme, die nüchtern nicht viel besser klang als die meine am heutigen Morgen.

Es war Willibald Wittenstein, Leiter aller Abteilungen und somit auch des Morddezernates bei der Trierer Kriminalpolizei. Dass er jetzt schon – ich schaute auf die Uhr - um fünf Uhr fünfzehn, auf den Beinen war, hatte nichts Gutes zu bedeuten.

„Spürmann, machen Sie sich fertig. Wir haben eine Leiche im Waldhausener Distrikt.“

„Was ist…?“

„Fragen Sie nicht lange! Sprechen Sie sich per Handy mit der Kriminaltechnik ab. Die können Ihnen den genauen Weg sagen. Die Leute sind schon vor Ort und warten bereits auf Sie.“

Dann wurde es still am Ende der anderen Leitung, oder besser gesagt, es folgten keine Worte. Dafür hörte ich aber das nach Luft ringende Atmen von Wittenstein. In seinem Alter sollte man langsamer sprechen. Ich konnte ihn mir am anderen Ende der Leitung genau vorstellen. In der linken Hand sah ich sein Taschentuch, mit dem er ständig den Schweiß unter seinen weißgrauen Haaren abtupfte. Wittenstein litt unter einer Allergie, welcher Art die aber war, das hatten die Ärzte bisher noch nicht herausfinden können. Bei Witten-stein wirkte sie sich dahingehend aus, dass er bei Erregung nur sehr schwer Luft bekam. Eine vorzeitige Pensionierung kam für ihn nicht in Frage und so lagen noch runde acht Jahre vor ihm.

„Sind Sie noch da?“ fragte ich mit einem leichten Grinsen im Gesicht.

„Dass Sie noch da sind, bereitet mir mehr Sorgen!“ keuchte Wittenstein. „Also auf, Herr Hauptkommissar, sputen Sie sich. Die Nacht ist doch sowieso fast `rum.“

Ich wollte gerade auflegen, da sagte er etwas, das mich mit einem Schlag munter werden ließ.

„Ich lasse Ihnen eine Kollegin zukommen, sie wird am Tatort zu Ihnen stoßen. Eine Neue, wurde uns gestern zugeteilt. Kümmern Sie sich um sie!“

„Aber ...“

Wittenstein hatte bereits aufgelegt und dieses Mal konnte ich mir das Grinsen in seinem Gesicht genau vorstellen.

Dass gerade ich zum Tatort gerufen wurde, hatte seinen guten Grund. Ich hatte Bereitschaft an diesem Wochenende, nach Dienstschluss, versteht sich, in meiner Wohnung, in Forstenau, oder dort, wo ich mich gerade befand und über Handy zu erreichen war. Üblicherweise wurden noch einige Kollegen zu einer Kommission abkommandiert, doch heute schien man sich das anders überlegt zu haben. Es hatte sicherlich damit zu tun, dass ich in der Nähe des Fundortes des Toten wohnte. Wo man auch nur einige Cent einsparen konnte, da tat man dies auch.

„Ich lasse Ihnen eine Kollegin zukommen… eine Neue“, hörte ich Wittensteins Stimme immer noch in meinem Kopf. „Das hat mir gerade noch gefehlt. Weiber an die Front. Wahrscheinlich so ein junges Ding, gerade von der Polizeischule. Und dann mit mir gemeinsam zu neuen Taten. So hat er sich das also vorgestellt.“

Ich seufzte und lenkte meine Gedanken wieder nach vorne. Der beschriebene Weg wurde holpriger. Mein alter Opel Astra Kombi, Baujahr 1991, ging sprichwörtlich in die Knie. Die Stoßdämpfer. Der nächste TÜV-Termin würde mich zur Reparatur auffordern oder mich zwingen, mich von ihm zu trennen. In der Ferne sah ich die Dächer von Waldhausen, einem der Nachbarorte von Forstenau.

Ein paar hundert Meter weiter bemerkte ich eine männliche Person, die mir gestikulierend zuwinkte. Es war ein Waldarbeiter, den man, wie ich später erfuhr, als Erkennungsposten für mich abgestellt hatte.

„Sie können hier nicht weiterfahren“, sagte der Mann, der einen arg strapazierten grünen Overall und eine verwaschene Jeanskappe trug, im Hochwälder Platt, was so viel hieß, dass ich meinen Wagen hier abstellen sollte. In der Hand hielt er einen großen Weidenstock.

„Wir müssen zu Fuß weiter.“

Nach dieser Information sah mich der Mann von oben bis unten an.

„Sind Sie der Kripomann?“

Ich nickte. Ich verstand den Dialekt des Mannes gut, denn ich war in diesem Teil des Hunsrücks, dem Osburger Hochwald, geboren und aufgewachsen. Hier kannte ich jeden Stein, die meisten Menschen und sprach demzufolge auch ihren Dialekt.

„So was hab‘ ich in meinem ganzen Lewen nicht gesiehn“, sprudelte es nun aus dem Mann heraus. „So etwas Schreckliches!“

Ich gab ihm keine Antwort und stellte auch keine Fragen. Das hatte Zeit bis später. Ich wollte einfach weiter und war gespannt, was mich erwartete.

„Noch weit?“ fragte ich nach einigen Minuten. Die Zweige schlugen mir ins Gesicht.

„Wir sind gleich. Eine Frau von der Kripo und noch zwei Männer sind auch schon da.“

Wer die „Frau“ war, konnte ich mir denken. Wenn es denn sein muss, nun gut, dann hinein ins Vergnügen, sagte ich mir und kämpfte mich hinter dem Waldarbeiter durch das Gestrüpp und gegen die zurückschlagenden Äste an.

Dann sah ich das, was mir in Zukunft einige schlaflose Nächte bereiten sollte. Auf einer kleinen Lichtung hatte sich eine Menschengruppe versammelt. Fünf Personen insgesamt, wenn man von den lebenden spricht. Da waren zwei Kollegen vom Erkennungsdienst, die sich in einem weißen Papier ähnlichen Overalls wie Schneehasen ausmachten, ein weiterer Mann in Arbeitskleidung, offensichtlich noch ein Waldarbeiter, eine junge Frau, die ich später noch zur Genüge kennen lernen sollte und der mir bekannte Förster Uwe Marek, der zusammengekauert auf einem Baumstamm saß, den Blick kaum in die Höhe wagend.

Mein Hinzukommen hatte die Gruppe gerade mal mit einem flüchtigen Blick registriert, außer Marek, der schien mich nicht zu bemerken.

Mein Blick glitt dorthin, wo alle hinschauten und ich muss sagen, ich erschrak, denn ein solcher Anblick ist mir bisher gottlob erspart geblieben.

Stellen Sie sich Jesus am Kreuz vor und tauschen Sie das Kreuz mit einer gerade gewachsenen Eiche. Zwei untere Äste bilden den Querbalken. Vergessen Sie die Nägel, denn die ersetzten einige Stücke Klebeband, und stellen Sie sich eine Rolle Gatterdraht vor.

Ich weiß, das klingt alles etwas wirr. Kein Wunder.

Irgendjemand hatte an dieser Eiche einen völlig entkleideten Mann, ich schätze ihn auf etwa vierzig bis fünfundvierzig Jahre, an den Handgelenken und den gestreckten Oberarmen mit Klebeband an den einzigen seitlichen Ästen links und rechts der Eiche festgezurrt. So war ein Abrutschen auf den Waldboden unmöglich geworden. Vor den Mann war ein etwa zwei Meter hoher grobmaschiger Gatterdraht, offensichtlich ein Abfallstück, das aufgrund der Waldarbeiten angefallen war, gespannt und ebenfalls mit Klebeband am Baum befestigt worden, so dass es den Anschein hatte, der Mann blicke aus einem Gefängnisfenster. Mit dem Unterschied: Der Mann konnte nicht mehr blicken. Der Mann war tot!

Jetzt wusste ich auch, was der Waldarbeiter sagte, als er meinte, so etwas Schreckliches habe er noch nie gesehen. Ich konnte ihn verstehen.

Der gesamte Oberkörper des Toten war mit breiten und tiefen Schnittwunden versehen, wie man sie aus alten Ritterfilmen kennt. Weit klaffend waren sie blutleer und man konnte teilweise die Rippen am Oberkörper und die Knochen an den betroffenen Armen sehen.

„Kollege Spürmann!“

Ich schüttelte kurz den Kopf, um wieder auf den Boden dieser Welt zu kommen. Neben mir stand Heinz Peters, Kollege von der Kriminaltechnik, mit dem ich schon viele Einsätze ‚gefahren’ hatte.

„Wir sind fertig mit der Spurensuche“, sagte Peters. „Ich gebe dir den Bericht rein. Die Kleidung des Toten scheint nicht hier zu sein, wir haben sie jedenfalls bislang nicht gefunden. Vielleicht vergraben, oder aber auf andere Art und Weise entsorgt. Vielleicht kann die Hundestaffel etwas finden. Ach ja, wir haben noch etwas gefunden. Hier, bitte sehr. Hoffentlich nützt es dir?“ Peters drückte mir einen kleinen Gegenstand in die Hand. „Hat direkt neben dem Toten gelegen. Kollege Müller 1 hat es gefunden.“ Im Weggehen drehte er sich noch einmal um.

„Müller 1 und Klaus Gehweiler von der Polizeiinspektion Hermeskeil waren als erste am Tatort und haben den ersten Angriff durchgeführt. Den Bericht wirst du im Laufe des Tages per Fax erhalten. Der Arzt hat den Toten schon untersucht. Er wird gleich kommen. Hat sich eben mal kurz in die Büsche geschlagen.“

Ich hatte jetzt keine Zeit, mich um den Fundgegenstand in meiner Hand zu kümmern und steckte ihn in meine Jackentasche. Der Doktor kam zwischen den Bäumen hervor und steuerte auf mich zu. Mein erster Eindruck war: Louis de Funès! Ein kleines Männchen mit schmalem Gesicht und kurzen Beinen steuerte auf mich zu. Ein bleiches Gesicht mit einer Halbglatze, die fast zu einem wurden, wären da nicht die Augenbrauen gewesen. Der rechts und links verbliebene Haaransatz war bis auf wenige Zentimeter gestutzt. In seinem Anorak verschwand der Oberkörper des Männchens fast gänzlich, um ab dem unteren Körperdrittel wieder in Form zweier dürrer Beinchen, die in einer Cordhose steckten, zu erscheinen.

„Sind Sie der zuständige Beamte?“ fragte das Männlein.

„Ja, bin ich“, sagte ich und überlegte, warum ich den Mann nicht kannte. Er schien meine Gedanken zu erraten.

„Kämmerlein, Dr. Julius Kämmerlein“, stellte sich das Männchen vor.

„Spürmann, Kriminalhauptkommissar Heiner Spür-mann“, hörte ich mich, den Mann nachäffend, sagen.

Dann versuchte ich, den der Situation entsprechenden Ernst walten zu lassen.

„Also Doktor, was können Sie mir verraten?“

Das Männchen zog einen kleinen Block mit Notizen aus seiner Jackentasche.

„Männlich, etwa 45 Jahre alt, 185 cm groß, muskulös…“

„Doktor!“ Ich wurde ungeduldig.

„Ja, Entschuldigung. Ich weiß, worauf Sie warten. Also, der Mann ist seit etwa 10 Stunden tot, vielleicht auch elf oder 12. Die Leichenflecke und die Absenkung des Blutes in seinen Unterkörper…“

„Schon gut, kann ich alles nachlesen“, unterbrach ich ihn. „Was ist die Todesursache? Ich gehe davon aus, dass er den zahlreichen Schnitten erlegen ist.“

So musste es sein. Wer derart viele Schnittwunden aufzuweisen hat, der kann die Verletzungen doch kaum ohne sofortige Hilfe überleben.

„Könnte durchaus sein, wenn…“

„Was, wenn?“

„Ja, wenn da nicht noch etwas Anderes wäre. Kommen Sie mal mit.“

Er näherte sich dem Toten und zeigte auf die Schnittwunden am Körper des Opfers.

„Sehen Sie“, begann er zu erklären. „Diese breiten Wunden auf der Brust und am rechten Arm sind offensichtlich durch Schlageinwirkungen mit einem mäßig scharfen Gegenstand, nennen wir diesen einmal Schwert, nur so zum Beispiel, herbeigeführt worden. Die Wunden am Arm sind wahrscheinlich auf die Abwehrbewegungen des Opfers zurückzuführen. Aber ich bezweifle, dass all diese Verletzungen für den Tod des Opfers verantwortlich sind. Sehen Sie hier!“

Dr. Kämmerlein, dessen Kompetenz sich in meinen Augen langsam steigerte, zeigte auf eine Verletzung an der rechten Körperseite des Mannes, in Höhe des Ellbogens, nicht einmal halb so breit wie die übrigen Verletzungen. Ein Einstich, das war unschwer zu erkennen.

„Die Obduktion wird es zeigen, aber meinen ersten Untersuchungen zufolge wurde hier der tödliche Stich gesetzt“, sagte Kämmerlein und nickte vor sich hin. Ein Zeichen für mich, dass er sich in seiner Meinung ziemlich sicher war.

„Eines dürfte allerdings feststehen“, sagte Kämmerlein. „Der Tod ist nicht hier am Fundort eingetreten. Der Mann war schon tot, als er an den Baum... na ja, Sie wissen schon.“

Kämmerlein nestelte an seiner bauschigen, arg strapazierten Arzttasche, die auch schon bessere Jahre gesehen hatte.

„Warum hat sich der Täter die Arbeit mit dem Gatter-draht gemacht, ist doch seltsam?“, fragte er ins Leere, denn ich war mit meinen eigenen Gedanken beschäftigt. „Ich habe den Totenschein mit dem Vermerk „unnatürlicher Tod“ ausgestellt“, sagte der Doktor und sah mich von der Seite an. „Alles Weitere haben Sie und der Staatsanwalt nun in der Hand. Wenn Sie mich brauchen, bitte sehr.“

Kämmerlein drückte mir die Unterlagen und seine Visitenkarte in die Hand, packte seine Medizinertasche und strebte von dannen. Jetzt war ich alleine und konnte meine Arbeit beginnen. Alleine?

„Ich bin Marlene Schiffmann“, ertönte eine weibliche Stimme neben mir. Ich zuckte zusammen.

„Kommissarin, frisch befördert. Auf gute Zusammenarbeit.“

„Ach ja, Sie sind die…“

„Ihre Mitarbeiterin, Sie können ruhig Leni zu mir sagen. Wir werden sicher ein gutes Team sein.“

Mir fiel im Moment überhaupt nichts mehr ein und ich musste wie ein Trottel ausgesehen haben. Leni! Und wie sie spricht. Verdammte Scheiße, fluchte ich innerlich. Dort ein Toter, ein Mord, den ich aufklären sollte. Mit Leni! Mit einer, weiß der Teufel, wo die herkommt!

Als hätte ich es laut gesagt. „Ich stamme eigentlich aus Adenau. Kennen Sie sicher. Nürburgring. Eifel. Autorennen. Aber jetzt wohne ich in Trier. Wie heißen Sie mit Vornamen?“, hörte ich sie neben mir sagen und sie dehnte das ‚ei’ in dem Wort „heißen“ mit einem melodischen Unterton.

Ich sah Leni an. Für eine Polizistin war sie attraktiv. Gute Figur, brünette Haare, grüne Augen, schmales und dennoch etwas kantiges Gesicht, slawischer Typ, würde ich sagen. Schlank auch die Figur und sie war kleiner als ich. Das war schon mal gut.

„Mein Name ist Heinz Spürmann, aber alle sagen Heiner zu mir. Und jetzt sollten wir uns besser um unsere Arbeit kümmern.“

„Ist gut, Heini.“

Ich spürte den Namen wie einen Schlag in meinem Nacken. „Nein!“, polterte es aus mir heraus. „Ich heiße Heiner, wenn es schon sein muss! Heiner! Nicht Heini! Nie Heini!“

Sie sah mich mit übergroßen Augen an. Ihre Mundwinkel zuckten. Ich hatte wohl überzogen und es tat mir bei diesem Anblick auf der Stelle leid.

„War nicht so gemeint“, sagte ich kleinlaut. Es ist immer dasselbe. Wenn den Frauen etwas nicht passt, drücken sie auf die Tränendrüse. Was soll‘s! Ich reichte ihr die Hand.

„Hallo Leni, ich heiße Heiner.“

Sie lächelte und mein Gewissen war wieder rein. Dass Leni für mich ein Glücksfall werden sollte, konnte ich heute noch nicht wissen.

Die beiden Waldarbeiter waren immer noch da und schauten aus einer gewissen Entfernung zu. Förster Uwe Marek stand bei ihnen und hatte uns den Rücken zugewandt. Der Anblick des Toten war immer noch zu viel für ihn.

„Könnt ihr uns helfen?“, rief ich der Gruppe zu. Die beiden Waldarbeiter nickten und kamen herüber, Marek nicht.

„Wir sehen uns in einer Stunde“, rief ich ihm zu. „Ich komme zu Ihnen nach Hause?“

Er nickte wortlos und ging davon.

Hinter den Büschen hörte ich Motorenlärm, danach das Schlagen von Türen. Der Leichenwagen war eingetroffen.

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