Читать книгу Der liebe Augustin - Hanns Sassmann - Страница 12
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ОглавлениеDas Bad der Marquise de Valais war eine hohe silberne Grotte, in deren Tiefe eine grosse goldene Muschel stand. Sie empfing dort ihre intimsten Freunde; jedoch seit Tagen war auch diesen das Bad verschlossen. Auch heute sass Madame allein in dem grossen Raum in der Muschel, aus der es tiefrot leuchtete, als badete sie in Blut. Der Marquis wartete seiner Gattin galant auf, doch sie würdigte ihn keines Blickes. Seit einer Stunde sass sie in ihrer Muschel und wartete. Schon mehrmals musste das Bad mit heissem gewässertem Wein nachgefüllt werden. Da klopfte es endlich an die Tür. Sinzendorf trat oben auf die kleine Galerie und flüsterte hinab: „Seine Majestät!“
Der Marquis knickte zusammen. „Endlich!“ flüsterte er und zog sich eiligst zurück ...
Vor der Tür zum Bad blieb der Kaiser unschlüssig stehen. Dann nahm er dem Oberstkämmerer den kleine Packen ab, zögerte aber noch immer einzutreten. Mit devot gesenkten Häuptern standen seine Herren hinter ihm. Plötzlich ging, wie von Geisterhänden geöffnet, die Tür vor dem Kaiser auf, aber noch immer zögerte Majestät, nur einen kleinen, zaghaften Schritt tat sie auf die Tür zu, dann noch einen. Im gleichen Tempo zogen sich die Herren rücklings zurück, der Kaiser merkte es nicht, so tief dachte er über etwas nach. Als er endlich die Stille hinter sich verspürte und sich umsah, war er allein. Da schritt der Kaiser weiter und kam in den Vorraum zum Bade, den lange Doppelvorhänge aus tiefrotem Samt von der Grotte abschlossen. Er trat durch die Vorhänge und stand in einem zweiten schmalen Vorraum, der wieder von wallenden Portieren zur Grotte hin verhängt war. Wieder zögerte Seine Majestät. Da geschah etwas Ungeheuerliches. Durch den Spalt der ersten Portiere lugte ein übermütiges Bubengesicht, dann schob sich ein Fuss heraus und trat in die Rückseite, die sich vor ihm wölbte. Der Kaiser taumelte auf seinen schwachen Beinen nach vorn in die zweite Portiere und damit in die Badegrotte. Ehe er in diese verschwand, hatte er sich erschreckt umgesehen, aber niemand erblickt.
*
Aus dem Vorraum zum Bad lief der Page Luitpold von Hausenstein, lief zum offenen Fenster und sprang mit entsetzensweiten Augen durch dieses hinab in den Burggraben, in dessen grüner Flut er lautlos versank und nicht mehr auftauchte. Der kleine Page hatte den Kaiser im Halbdunkel mit dem von aller Welt verhöhnten Baron Zwiefel verwechselt, der des Kaisers erster lustiger Rat war. So schlang sich, angefangen mit dem armen Pferde Zenta, eine Kette von Unglücksfällen um diesen Tag, an dem man der kaiserlichen „deutschen Majestät“ zu Wien eine Maitresse en titre nach bestem Versailler Muster an den Hals gehängt hatte.
Als der Kaiser nach den ersten zehn Minuten nicht zurückgekommen war, wussten Trautensberg, Sinzendorf und ihr Anhang, dass das „grosse Werk“ gelungen war. Sie ergingen sich, entre nous in der ersten Antikamera in seufzenden Reden über die schwere Mühe, die es ihnen gemacht hatte, die schöne Valais überhaupt nur in die Nähe ihres bigotten Monarchen zu bringen, der bereits zwei Ehegattinnen mit mehr oder weniger Mühe die Treue gehalten hatte.
„Ja, ja, Messieurs!“ seufzte Sinzendorf, „es war eine Rossarbeit. Seine Majestät hatte den Gedanken an eine Maitresse en titre stets weit von sich gewiesen, und wenn der Kaiser nicht durch uns erfahren hätte, dass ihn sein mächtiger Rivale in Versailles nur „le pauvre Habsbourg“ zu nennen pflegte, der in seiner kalten Wiener Hofburg wie ein Eunuch lebt, so wäre es uns nie gelungen, die Valais zu lancieren!“