Читать книгу Der liebe Augustin - Hanns Sassmann - Страница 7
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ОглавлениеDas Schlafgemach der Marquise Hélène de Valais war noch dunkel, der fahle Schein des Tages draussen lag auf den schweren Seidenhängen. Hélène de Valais war bereits wach, das schwache Pochen an der Tapetentür, mit dem ihre Kammerzofe Einlass begehrte, schien sie zu ärgern, denn sie überlegte eine kleine Weile, bevor sie ihr gereiztes „Entrez!“ rief. Hélène de Valais war heute nicht gut gelaunt. Es ärgerte sie, als sich die Tür öffnete und in dem helleren Licht, das vom Vorgemach her einfiel, Mariandl Wolfsgruber ihren fröhlichen „Guten Morgen“ knickste.
Träge öffnete die Marquise ihre Augen nun ganz dem Tageslicht. Was sie erblickte, ärgerte sie noch mehr. Die Zimmer, die ihr des Kaisers noch kühle Gnade angewiesen hatte, waren ein schwaches Abbild des Glanzes, den sie am Hofe Ludwigs XIV. verlassen hatte. Die Marquise seufzte leise, als sie die Gobelins betrachtete, hinter denen sie die kahlen Wände wusste; die schweren Moirévorhänge in zart rosa Farbe, die ihr Bett zierten, die Taburetts und Polstersessel, die umherstanden, das waren Geschenke der galanten Kavaliere am Versailler Hofe, Andenken, die ihr geholfen hatten, sich in der frostigen Wiener Hofburg einzuleben.
Das Mariandl brachte die Frühstücksschokolade ans Bett; an der Türe klopfte es zweimal kurz, das Zeichen des Marquis, der seine Gattin jeden Morgen zu besuchen pflegte. Zärtlich neigte er sich über die Hand seiner Gemahlin und erbat sich Verzeihung, dass das Lever des Kaisers ihn zu lange aufgehalten. Die Marquise winkte dem Mariandl. Die Kammerzofe kam heran und nahm das Tablett fort.
„Welche Toilette wünschen Frau Marquise heute?“ fragte sie und blieb stehen.
„Die neue Robe transparente, die Silberbrokat mit die schwarze Spitzen“, erwiderte die Marquise, und das Mariandl verschwand. Der Marquis zog ein Taburett an das Bett seiner Gemahlin und setzte sich. Wie jeden Morgen berichtete er von der Stimmung in den intimsten Gemächern des Kaisers, wer von den Herren des Hofstaats zu ihrer Partei übergegangen oder von dieser abgefallen war, denn das wechselte jeden Tag. Das sei der Grund, warum man nicht ans Ziel käme, meinte die Marquise und warf ihre berühmt schönen Beine über den Rand des breiten Bettes. Seit Monaten kämpfe man darum, am Wiener Hofe die Maitresse en titre zu werden, die Schuhe mit den roten Absätzen tragen zu dürfen. Warum hatte man das gleiche Ziel nicht am Hofe des Sonnenkönigs zu Versailles erreicht? So fragte unvorsichtig Marquis de Valais. Die Marquise fauchte gereizt zurück, sie habe keine Lust gehabt, sich von der Marquise de Montespan täglich am Leben bedroht zu sehen. Der Gemahl meinte, der kleine Versuch der Damen, einander durch Gift zu beseitigen, sei nicht der Rede wert gewesen. Solche Scherze seien allgemein üblich in Paris. Die berühmte Voisin habe dem ganzen Hofstaat von Versailles ihre erlesenen Gifte geliefert; wer den doppelten Preis bezahlte, hätte auch die Gegengifte dazubekommen.
Schaudernd sank die Marquise in ihre Kissen zurück. Sie erinnerte sich an die Nacht ihrer geheimnisvollen Erkrankung im Damenflügel von Versailles und fasste wie Schutz suchend nach der Hand ihres Gemahls. Dieser hatte sich auf den Rand des Bettes niedergelassen; in schöner Eintracht sassen die beiden Gatten beisammen und erwogen wie jeden Morgen ihre Aussichten am Wiener Hofe. Die Marquise war etwas traurig, der Marquis tröstete sie. Hier habe sie mit keiner anerkannten Mätresse, vor allem mit keiner Montespan zu kämpfen, denn der Kaiser sei bisher ein vorbildlicher Gatte gewesen. Aber gerade die fromme Treue des Kaisers, der anscheinend mit jeder Gedankensünde in den Beichtstuhl oder in die Busskammer flüchte, gerade diese Gattentreue sei eine grosse Chance. Aus treuen Ehemännern würden bekanntlich ebenso treue Liebhaber. Und wenn die Marquise es verstünde, den Kaiser immer zu beschäftigen, ihm keine Ruhe zu gönnen, wenn sie nicht aufhöre, ihn mit Wünschen zu verfolgen, dann würde alles gut gehen. Sie müsse darin sehr erfinderisch und kapriziös sein. Nun lachte die Marquise. Sie habe den Kaiser um ein Seidenhemd mit vielen Spitzen aus Mailand gebeten, das müsse mit einem Kurier heute früh gebracht werden. Sie wolle es nach dem Bade anziehen. Der Kurier müsse schon auf dem Wege nach Wien sein. Anerkennend äusserte sich der Marquis, solche Launen seien der sicherste Weg zur Macht über einen Mann.
„Sie sehen, mon cher, ich verstehe es schon, ihn mit den meinen zu beschäftigen“, lächelte die Marquise.
Ein leichtes Pochen an der Tür liess den Marquis aufstehen. Er küsste abermals die Hand seiner Gemahlin, versicherte ihr, dass sie nicht nur ein Engel an Schönheit, sondern auch eine Göttin an Weisheit sei. Dann zog er sich gegen die Tür zurück, durch die jetzt das Mariandl eintrat.
„Das Bad für Madame ist bereit“, meldete Mariandl und knickste vor dem Marquis, der sich höflich gegen sie verbeugte, denn das Mariandl war bildhübsch.