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In der grossen Hofküche drehten sich die Bratspiesse. An jedem der zwanzig Spiesse steckten fünf schöne gerundete Hühner, die Küchenjungen träufelten immer wieder das abtropfende Fett darüber. Wolfsgruber schritt von Spiess zu Spiess. Hinter ihm ging ein Hilfskoch, der einen Korb trug. Eine Anzahl gebratener Hühner lag bereits darin, sie hatten nicht die Gnade des Herrn Hofkochs gefunden. Jetzt musste das kaiserliche Huhn gewählt werden, es war höchste Zeit. Kritisch besah Wolfsgruber Stück um Stück der in fettem Glanz brutzelnden Hühner.

„Zu blass!“ rief er erbost. „Das da ist wieder nicht saftig genug! Weg damit! Das hier ist zu braun! Das da ist wieder ganz gelb! Nicht so langsam drehen! Mehr Fett aufgiessen! Nie könnt ihr die richtige Farbe herauskriegen!“ schimpfte er dabei. „Und es braucht doch nichts als ein bisserl Aufmerksamkeit und Liebe!“

In der Küche verbreitete sich jetzt grosse Nervosität. Die elfte Stunde, die Zeit des Mittagmahls der Kaiserlichen Majestät, rückte heran. Und noch immer hatte Herr Wolfsgruber nicht das richtige Huhn für den Kaiser gefunden. Er schwitzte Fett wie die Hühner an seinen zwanzig Spiessen.

„Alles nichts wert! Am Rücken muss es braun sein wie eine reife Haselnuss!“ rief er und suchte in seinen Taschen nach der Haselnuss, die er stets bei sich trug. Als er sie nicht gleich fand, rastete er seinen Körper ab und brüllte: „Wo hab’ ich denn diese vertrackte Nuss?“ Dann zog er sie aus der Hosentasche, in der sie sich verkrochen hatte. „Da ist sie ja! Her mit dem nächsten Spiess!“

Mit grosser Aufmerksamkeit verglich nun der Hofkoch seine Haselnuss mit der schönen braunen Färbung der vorgezeigten Hühner. Ein zweites Mal unterzog er die fettglänzenden Vögel einer allergenauesten Prüfung. Dann seufzte er befriedigt auf.

„Endlich! Da hier, das ist endlich, wie es sein soll und sein muss. Schnell herunter vom Spiess! Und gleich für die kaiserliche Tafel anrichten!“

Der Hofkoch wischte sich den Schweiss von der Stirne. Da kam Mariandl die Treppe herab. Wolfsgruber sah seiner Nichte freundlich entgegen.

„Hast leicht schon Feierabend, Mädel? Am hellichten Vormittag?“

„Madame badet!“ lachte das Mariandl. „Das müsst Ihr doch wissen, Herr Oheim!“

„Richtig“, erinnerte sich Herr Wolfsgruber. „Über diesen verfluchten Hühnern habe ich das ganz vergessen.“

„Isst denn der Kaiser sein Huhn jeden Tag?“ wunderte sich Mariandl.

„Weiss ich’s?“ erboste sich Wolfsgruber von neuem. „Auf den Tisch muss es jedenfalls kommen. Aber es ist höchste Zeit, dass es wirklich hinkommt.“ Er erhob sich und ging zum Serviertisch hinüber, auf dem das silberne Tablett mit dem Huhn des Kaisers stand. Das Mariandl folgte ihm.

Ein Küchenjunge, der dem Herrn Hofkoch ein Glas Wein brachte, hielt ihn auf. Es war das übliche Glas Bordeaux, das Herr Wolfsgruber jeden Tag nach der Fertigstellung des kaiserlichen Mahles zu sich zu nehmen pflegte. Es gab ihm einen Teil der verlorenen Lebensgeister wieder.

Während der Oheim sich dem Genuss seines Weins widmete, betrachtete Mariandl das Huhn auf der silbernen Platte. Dann sah sie sich vorsichtig um. Der Oheim trank langsam Schluck um Schluck, denn er war ein grosser Weinkenner, und der kaiserliche Keller barg edle Sorten. Rasch griff das Mariandl unter den Serviertisch und zog ein Körbchen hervor. Blitzschnell verschwand das mit so grosser Mühe ausgesuchte kaiserliche Huhn darin. Aus dem Korbe mit den von der allerhöchsten Tafel verbannten Hühnern griff Mariandl auf gut Glück eins heraus und legte es appetitlich auf der silbernen Platte zurecht. Dann rief sie fröhlich: „Auf Wiedersehen, Oheim!“ und enteilte über die Treppe.

Herr Wolfsgruber trank mit Genuss den letzten Schluck. „Antreten!“ rief er dann mit Donnerstimme durch sein Reich. Sofort sammelten sich alle Köche, Hilfsköche und Küchenjungen vor Wolfsgruber. Sie standen nach dem Grade ihrer Stellung gestaffelt, die Oberköche voran, dann die Unterköche, die Hilfsköche, ganz hinten stiessen sich die Küchenjungen. In vollster Würde sprach der Hofkoch: „Das Huhn für Seine Majestät ist glücklich ausgewählt. Die restlichen neunundneunzig Hühner bekommen heute die Kammerherren als Handsalbe, die Köpf’ und die Ingeweide kriegen die Stallburschen als Trinkgeld“, fuhr Wolfsgruber fort. „Die Haxen und die übrigen Knochen, die von der Hoftafel zurückkommen, kriegt der Weinkeller „Zum süssen Löchl“, die geben immer noch ein sehr feines Hühnersupperl für die armen Leut’. Ist alles klar?“

Alles war klar. Die grosse Arbeit des Tages war getan. Man konnte an den eigenen Magen denken. Herr Wolfsgruber zog sich mit einer zarten Taube in seine Kammer zurück.

Der liebe Augustin

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