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1.1 »Was ist Aufklärung?«

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Eine prägnante Beschreibung der Grundgedanken dieser Bewegung findet sich in der berühmten Schrift »Was ist Aufklärung?« von Immanuel Kant (1724–1804), der als einer der wichtigsten Vertreter aufklärerischen Denkens gilt. Dort heißt es:

»Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbst verschuldeten Unmündigkeit. Unmündigkeit ist das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Selbstverschuldet ist diese Unmündigkeit, wenn die Ursache derselben nicht am Mangel des Verstandes, sondern der Entschließung und des Mutes liegt, sich seiner ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Sapere aude! Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen! ist also der Wahlspruch der Aufklärung.« (Kant 1784/1983, S. 53)

Entscheidender Bezugspunkt für die Begründung individuellen wie kollektiven Handelns ist Kant zufolge also weder die Berufung auf Tradition und Sitte noch die Autorität politischer oder religiöser Obrigkeiten, sondern der menschliche Verstand, von dem jeder Einzelne selbstständig Gebrauch machen kann und soll. Den Gegensatz zu diesem selbstständigen Gebrauch markiert die »Leitung« durch andere, für die Kant im weiteren Verlauf seiner Schrift anschauliche Beispiele anführt. Da gibt es das Buch, dessen Lektüre an die Stelle der Benutzung des eigenen Verstandes tritt, den Seelsorger, der eigene Gewissensentscheidungen überflüssig macht, den Arzt, der Diätvorschriften erlässt, sowie ganz allgemein »Satzungen und Formeln«, die Kant als »Fußschellen einer immerwährenden Unmündigkeit« bezeichnet, weil sie den selbstständigen Gebrauch des Verstandes ver- oder behindern (Kant 1784/1983, S. 54).

Dafür, dass die Menschen solchen Vorschriften folgen, statt sich ihres eigenen Verstandes zu bedienen, führt Kant vor allem zwei Gründe an: einerseits die »Faulheit und Feigheit« (Kant 1784/1983, S. 54) derer, die sich von anderen leiten lassen, und andererseits Drohungen und Bevormundungen von Seiten der Obrigkeiten, die Leitung ausüben, indem sie die Freiheit ihrer Untertanen einschränken und Mündigkeit als etwas Gefährliches darstellen. Die entscheidende Bedingung von Aufklärung besteht für Kant daher in nichts anderem als in der Freiheit, »von seiner Vernunft in allen Stücken öffentlichen Gebrauch zu machen« (Kant 1784/1983, S. 55). Hier kommt eine wichtige politische Dimension aufklärerischen Denkens zum Ausdruck, die in der Forderung nach Freiheitsrechten für alle Bürger besteht – und d. h. hier in erster Linie in der Forderung nach dem Recht jedes Menschen, seine eigene Meinung in Wort und Schrift öffentlich kundzutun.1

Die Grundgedanken der Aufklärung haben auch für den Bereich der Erziehung Konsequenzen. Das lässt sich besonders gut am Beispiel von Kants Vorlesung »Über Pädagogik« verdeutlichen, die 1776/77 erstmals gehalten, aber erst 1803 veröffentlicht wurde. Zuvor freilich gilt es, den erziehungshistorischen Kontext von Kants pädagogischen Überlegungen zu skizzieren.

Grundbegriffe, Theorien und Methoden der Erziehungswissenschaft

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