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5. Ein Dienstag ohne Arbeit?

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Am nächsten Morgen ging Anna ins Speditionsbüro, während der kleine Teufel bei ihr zu Hause blieb. Ganz wohl war ihr dabei nicht zumute. »Wer weiß«, dachte sie, »was er da alles anstellt?«

Doch was würde sie schon dagegen tun können? Und eigentlich war es ihr auch gleichgültig. Immerhin konnte er ja zaubern. Also würde er das irgendwie wieder hinbiegen, wenn etwas zu Bruch ging. Falls er Lust dazu hatte.

Weil an diesem Tag viel Schnee gefallen war, hatte Anna ihr Fahrrad zu Hause gelassen. Zuerst wollte sie zu Fuß gehen, dann aber zog sie es vor, den Bus zu nehmen.

Anna lächelte vor sich hin, während sie aus dem Busfenster sah. Gestern Nacht hatte sie noch eine ganze Weile mit dem kleinen Teufel geredet. Und es war schon Dienstag früh, als sie sich endlich hinlegte, um noch ein paar Stunden zu schlafen.

Sie hatte aber keine Ruhe gefunden und war bis zum Weckerklingeln wach geblieben. Als sie dann aufstand, fühlte sie sich überhaupt nicht müde.

Der kleine Teufel lag zusammengekauert in ihrem Sessel und schlief.

Wenn er schläft, dachte sie belustigt, wirkt er eher wie ein Engel.

Zuerst wollte sie ihn gar nicht wecken. Doch bevor sie ging, schubste sie ihn ein paarmal leicht an der Schulter. Bis er sich langsam zu räkeln begann.

»Ich muss jetzt los«, sagte sie. Der kleine Teufel nickte verschlafen und sagte: »Ich weiß.« Dann schloss er die Augen und schlief wieder ein.

Inzwischen hielt der Bus an der Stelle, an der Anna aussteigen musste. Als sie sich dem hellgrau gestrichenen Haus näherte, in dem sie arbeitete, stutzte sie. Irgendetwas war dort heute anders.

Mehrere Arbeitskollegen kamen ihr entgegen und hatten verstörte Gesichter. »Was ist los?« fragte Anna.

»Bei uns ist eingebrochen worden. Und fast wurde ein Wachmann getötet«, klärte sie ein Kollege auf.

Als sie in die Spedition kam, stand dort Gottfried Möller, ihr Chef. Er kam auf sie zu. »Gehen Sie für heute nach Hause. Es ist zu viel passiert. Kommen Sie morgen wieder.« Auch er war sichtlich betroffen.

Anna nickte. Verwirrt machte sie kehrt. Nach Hause wollte sie jetzt noch nicht. Also ging sie in die Altstadt. Setzte sich dort in ein Café und bestellte einen Cappuccino.

Seltsamerweise kam ihr der Gedanke, dass vielleicht der kleine Teufel etwas damit zu tun haben könnte, was im Büro geschehen war. Sie wusste selbst nicht, wie sie ausgerechnet darauf kam. Aber immerhin war der kleine Kerl bei ihr zu Hause doch ein echter Teufel. Und von diesen Wesen hieß es, dass sie allerlei im Schilde führen. Teufeleien eben.

Und wenn dieser kleine Kerl Lust hatte, etwas anzustellen, würde er es sicher tun. Aber alles traute ihm Anna nun wirklich nicht zu. Ganz offensichtlich konnte er zwar wunderliche Dinge und hatte übermenschliche Fähigkeiten. Aber würde er einfach einen Raub und einen Mordversuch begehen?

Sie schüttelte den Kopf. Das war Unsinn! Wie konnte sie nur auf die Idee kommen, dass der kleine Teufel hinter den Vorfällen in der Spedition steckte? Plötzlich kam sie sich gemein vor, dass sie ihm so etwas zutraute. Und noch einmal schüttelte sie den Kopf.

»Nein«, sagte sie laut. Und wurde gleich verlegen, weil sich einige Gäste in ihrer Nähe nach ihr umschauten.

Anna war das unangenehm, und sie beeilte sich, ihren Cappuccino auszutrinken und aufzustehen. Dann ging sie zur Theke, bezahlte und verließ eilig das Café.

Draußen hatte es wieder zu schneien begonnen. Anna setzte die Kapuze auf und machte sich auf den Weg nach Hause. Dort angekommen, ging sie langsam die Stufen hinauf zu ihrer Wohnung. Und spürte wie ihr Herz immer stärker klopfte. Vom Treppensteigen kam das nicht. Sie war gespannt, was inzwischen bei ihr zu Hause wohl alles passiert war.

Als sie die Wohnungstür geöffnet hatte und im Flur stand, schien alles wie üblich zu sein. Anna zog die Jacke aus und hängte sie auf einen Bügel. Dann ging sie in die Küche. Auch dort war nichts Ungewöhnliches zu entdecken. Und im Wohnzimmer sah es ebenfalls aus wie immer. Beruhigt zog Anna ihre Straßenschuhe aus und warf sie in die Ecke neben dem Fernseher.

Auf einen Espresso hatte sie jetzt keine Lust. Es war ja noch nicht so lange her, seit sie den Cappuccino getrunken hatte. Vom kleinen Teufel war nirgends eine Spur zu finden. Da fiel ihr ein, dass sie im Bad noch nicht nachgesehen hatte.

Sie öffnete langsam die Badtür und schrie auf: Den ganzen Boden bedeckte ein Teppich aus Schaum. Die Badewanne war gerade am Überlaufen, der Wasserhahn aber noch immer weit aufgedreht. Und mittendrin schwamm der kleine Teufel quietschvergnügt und grinste sie an.

Eilig sprang Anna zum Hahn und stellte ihn ab. Der kleine Teufel tauchte blitzschnell unter. Währenddessen krempelte Anna die Ärmel hoch und tastete dann nach dem Badewannenstöpsel.

Als sie ihn gefunden hatte, zog sie den Stöpsel heraus. Das Wasser begann langsam abzulaufen, stockte aber plötzlich. Der kleine Teufel hatte sich einfach auf den Abfluss gesetzt.

Wütend packte Anna ihn, um ihn aus dem Wasser zu ziehen.

»Was hast du jetzt wieder angestellt?«, fragte sie.

»Das Wasser habe ich angestellt. Ich hatte Lust zu baden.«

»Das Wasser hättest du aber wieder abstellen können«, sagte Anna vorwurfsvoll.

»Es macht so viel Spaß«, lachte der kleine Teufel.

Anna lachte nicht, sondern ging hinaus. Sie versuchte sich nicht zu ärgern, aber das klappte nicht. Sie nahm einen Eimer und einen Lappen aus dem Flurschrank. Dann ging sie zurück ins Bad, um dort den Boden aufzuwischen.

»Was hast du getan?«, fragte sie erstaunt, als sie sah, dass das Bad wieder völlig trocken und die Wanne leer und sauber war.

»Ich habe gemerkt, dass dir das nicht gefällt«, sagte der kleine Teufel.

Anna stand in der Tür, mit dem Eimer in der linken und dem Lappen in der rechten Hand.

»Na ja«, sagte sie, »Wenn das so ist.« Und sie räumte ihr Wischwerkzeug wieder auf. Dann ging sie in die Küche und stellte dort das Radio an.

Es war schon ungewohnt für sie, bereits am Vormittag wieder zu Hause zu sein, obwohl es kein Wochenende war. Das gehörte so gar nicht zu ihrem üblichen Alltag. Immerhin hatte sie in den zwei Jahren, die sie in dieser Spedition arbeitete, nicht einmal gefehlt.

Deshalb wusste sie jetzt mit der vielen Zeit nichts anzufangen, die sie bis zum Abend haben würde.

Während sie überlegte, kam der kleine Teufel zur Küchentür herein. Er war noch pitschnass. Und Anna sagte: »Willst du dich nicht abtrocknen?«

Statt einer Antwort begann der kleine Teufel sich wie ein Hund zu schütteln. Das Wasser spritzte durch die ganze Küche und hinterließ überall seine Spuren.

»Oh Gott!«, rief Anna, »Oh Gottogott!«

Und der kleine Teufel zuckte zusammen. »Sag das nicht« flüsterte er, »Nicht so oft.«

»Was?«, wollte Anna fragen. Aber sofort fiel es ihr wieder ein: Seit dem Auftauchen des kleinen Teufels am Sonntag war dieses Wort nicht mehr über ihre Lippen gekommen: Gott.

Jetzt wusste sie auf einmal, womit sie ihn verletzen konnte. Anna lachte. »Gott, Gott, Gott!« rief sie laut. Und wiederholte immer weiter »Gott, Gott, Gott!«

Währenddessen wand sich der kleine Teufel und hielt sich die Ohren zu. »Sag's nicht«, bettelte er.

Dass sie darauf nicht früher gekommen war! Gleich zu Anfang hätte sie es wissen müssen, dass sie dem kleinen Quälgeist damit etwas entgegenzusetzen hatte.

Und sie genoss es, wie er dasaß und sie geradezu verschüchtert ansah. Mit einem Mal jedoch verstummte sie.

»Warum tust du das?«, hörte sie ihn fragen.

Ja, warum tat sie das? Ihr wurde plötzlich bewusst, dass sie etwas getan hatte, nur um ihn zu verletzen. Sicher, sie war ungehalten darüber, dass er ihre Küche nassgespritzt hatte. Aber konnte man das wirklich als Notwehrsituation bezeichnen?

»Es hat dir Spaß gemacht, mir wehzutun«, stellte der kleine Teufel nun fest.

»Du hast recht«, gab Anna zu. »Es war schäbig von mir«, sagte sie dann kleinlaut.

Der kleine Teufel schüttelte den Kopf: »Es hat dir wohl gutgetan.«

»Es war rücksichtslos«, rief Anna. Der kleine Teufel schwieg und schaute sie nur an.

»Entschuldigung«, sagte Anna, »Tut mir leid.« Auch darauf gab der kleine Teufel keine Antwort.

Anna stand auf. »Ich werde die Tropfen jetzt wegwischen. Das hab ich wohl verdient.«

Der kleine Teufel schüttelte den Kopf: »Das musst du nicht. Dich stören die Wasserspritzer in deiner Küche, du möchtest, dass sie wieder verschwinden. So sei es!«

Und als Anna sich umsah, war kein Tropfen mehr zu sehen.

»Danke«, sagte sie und ging ins Wohnzimmer, direkt auf den Sessel zu, um sich hinein fallen zu lassen. Doch stattdessen schrie sie auf, »Iiih! Was ist denn das?« Auf dem Sessel war unübersehbar ein großer Kothaufen.

»Das ist von mir«, sagte der kleine Teufel. »Auch ein Teufel muss mal«, ergänzte er grinsend.

Anna verschlug es die Sprache. Ein paarmal musste sie kräftig durch den Mund atmen.

»Aber doch nicht dorthin«, rief sie dann erbost. »Mach das sofort wieder weg! Mach es weg!« Der kleine Teufel sah sie an.

»Verdammt noch mal, du sollst die Scheiße wieder entfernen! Mach sauber, los!«, tobte Anna. Doch der kleine Teufel machte keine Anstalten etwas zu unternehmen.

Anna setzte sich auf das Tischchen neben dem Sessel. »Was ist los?«, klagte sie, »Warum musst du deine Kacke ausgerechnet hierhersetzen? Dazu gibt es doch ein Klo.«

»Es war dringend«, betonte der kleine Teufel. »Und an ein Klo hab ich nicht gedacht.«

Anna fiel wieder das Beispiel vom neugeborenen Baby ein. Sollte sie dem Wicht etwa Windeln anlegen?

»Du kannst doch nicht einfach dorthin machen, wo du gerade zufällig sitzt oder stehst!«, schnaubte Anna.

»Und wenn ich keine Lust habe, auf dein Klo zu gehen?«, fragte der kleine Teufel. »Dann helfen nur Windeln«, seufzte Anna.

Sie kniete sich vor den kleinen Teufel hin: »Und jetzt würde es mir wirklich guttun, wenn deine Schweinerei wieder verschwindet.«

»So sei es!«, sagte der kleine Teufel. Es dauerte nur einen Moment, bis der Sessel wieder frei und sauber war.

Nun hatte Anna an diesem arbeitsfreien Tag wenigstens etwas zu tun: Sie musste Babywindeln besorgen. Das sagte sie dem kleinen Teufel.

»Ich würde gern mitkommen«, meinte der.

»Oh«, machte Anna. Es war ihr nicht gerade angenehm, mit einem Kerl in den Laden zu kommen, der nicht nur wie ein Teufel aussah, sondern auch einer war. Noch dazu wusste sie nicht, was er dort alles anrichten würde.

»Nein« sagte sie laut, »Ich will das nicht!«

»Aber ich möchte es«, lachte der kleine Teufel. Anna war verzweifelt. Wenn er wollte, würde er mitkommen. Und sie hätte keine Möglichkeit, ihn daran zu hindern. Außer ...

Ihr fiel ein, dass sie ihn ja mit nur einem Wort davon abbringen konnte: »Oh Gott!«, sagte sie überdeutlich.

»Wenn du mitkommst, werde ich das ständig vor mir her sagen«, drohte Anna.

»Na gut, dann bleibe ich hier«, gab der kleine Teufel schließlich nach.

»Versprichst du's?« Er nickte. Zufrieden zog Anna Schuhe und Jacke an.

»Bis nachher«, rief sie dem kleinen Teufel zu. Und machte sich auf den Weg zu einer Drogerie in der Nähe ihrer Wohnung.


Der kleine Teufel

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