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2. Die Nachhaltigkeits-Metapher als Idealtypus und Realmodell für die Wirtschaft der Zukunft

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Nachhaltigkeitsmodelle stehen im Spannungsfeld zwischen utopischen Idealentwürfen und umsetzbaren Handlungsszenarien, die auf konkrete Lebenskontexte hin ausgerichtet sind. Wie die Alltagserfahrung, so kann auch der wissenschaftliche Zugriff niemals alle Elemente der Realität in ihrer unendlichen Mannigfaltigkeit aufnehmen, sondern muss auswählen. Aber schon der Modus des Auswählens präformiert den Gegenstand in unserer Vorstellungswelt auf spezifische Weise und legt in gewisser Weise bereits den Regelkanon parat, von dem dann zwangsläufig detailliertere Betrachtungen ausgehen. Max Weber hat den Idealtypus als Spezialfall einer Form der Begriffsbildung eingeführt.[99] Der Idealtypus liefert kein geschlossenes System von Begriffen im Sinne einer endgültigen Gliederung der Wirklichkeit, sondern ist vielmehr eine Methode der Darstellung unter dem Gesichtspunkt des Verstehens und sinnhafter Klarheit. Der Bezug zu den empirischen Tatsachen liegt darin, dass der Idealtypus vermutete oder festgestellte Zusammenhänge verständlich machen kann. Sein Wert liegt also vor allem in der Veranschaulichung, die durch die Reduktion von Komplexität einer mannigfaltigen Wirklichkeit erreicht wird. Wir wollen hier nicht allen Implikationen des Weberschen Idealtypus nachsteigen, da für unsere Zwecke nur die eigentliche Kernidee von Bedeutung ist. So glaubte Weber im Gegensatz zu Marx, der Einsicht in die Wirklichkeit der Dinge für prinzipiell möglich hielt, dass alle erfahrungswissenschaftliche Erkenntnis nur Partialerkenntnis sein kann. Indem Weber die Gegenstandswelt als wertfreie und unendlich komplexe Tatsächlichkeit behandelt, bestimmt er die Objektivität der Erkenntnis allerdings nur von der angewandten Methode her.[100] Wenn sich die Erkenntnis somit ihr eigenes Objekt schafft, dann muss die herkömmliche Rede von objektiver Erkenntnis in die Irre führen. Erkenntnisgewinnung wird damit zu einem dialogischen Prozess zwischen Erkennendem und Erkannten - eine Ansicht die Max Weber so wohl nicht ausgesprochen hätte, die sich aber dennoch aus den Grundlehren seines Erkenntnismodells ableiten lässt. Was das bioökonomische Erkenntnisparadigma mit Max Weber und auch mit Karl Marx vereint, ist der Versuch, die Problematik der modernen Menschenwelt im Ganzen eines Prinzips transparent zu machen, aufgrund dessen sie dann im einzelnen erforschbar wird.

Weil die ökonomische und historische Totalität anders nicht darstellbar ist, muss versucht werden, über die Nachhaltigkeits-Metapher Aspekte dieses Ganzen unter dem Gesichtspunkt sinnhafter Klarheit, Konsequenz und Durchsichtigkeit zu rekonstruieren. Im Bild der Nachhaltigkeit ist die Wirtschaft das Gebilde eines geschichtlichen Vorgangs, der sich auf der Basis umgreifender ökologischer Prozesse abspielt. Mit Hilfe dieses Bildes werden die typischen Funktionen und Mechanismen sichtbar, durch die sich das wirtschaftliche Geschehen als abgegrenztes Gebiet mit entsprechenden Eigengesetzlichkeiten etabliert. Indem wir erkennen, auf welche Weise die Eigendynamik des Wirtschaftslebens in Widerspruch zu den ökologischen Lebensvoraussetzungen tritt, wird Nachhaltigkeit gleichzeitig zum Leitidee und Paradigma der Zukunftsentwicklung; zeigt es doch, wie die Bewegungsgesetze von Ökonomie und Ökologie wieder aufeinander abgestimmt werden können. Christiane Buch-Lüty[101] sieht im Leitbild der Nachhaltigkeit die Abkehr von einem ökonomischen Weltbild, das noch immer vom mechanischen Denken geprägt ist und Leben als ganzheitliche Kategorie nicht wahrnehmen will.

Die Nachhaltigkeits-Metapher stammt ursprünglich aus der Forstwirtschaft, in der das Nachhaltigkeitsprinzip bereits auf eine über dreihundertjährige Tradition zurückblicken kann. Nachhaltigkeit steht für erhaltende Nutzung, aber nicht statisch, im Sinne von bloßer Substanzerhaltung, sondern dynamisch im Sinne der Sicherung der Reproduktionskraft und Evolutionsfähigkeit der Naturpotentiale. Seit dem von der Weltkommission für Umwelt und Entwicklung 1987 herausgegebenen Bericht Unsere gemeinsame Zukunft, (nach der Kommissionsvorsitzenden, der norwegischen Ministerpräsidentin Gro Harlem Brundtland, auch als Brundtland-Bericht bekannt)[102], in dem die Notwendigkeit einer weltweiten Strategie dauerhafter Entwicklung im Mittelpunkt der Überlegungen steht, hat sich der Begriff der Nachhaltigkeit weltweit verbreitet. Nachhaltige Entwicklung steht für die Perspektive einer dauerhaft existenzfähigen Gesellschaft, die auf Ausgleich und Stabilität mit den ökologischen Systemen hin orientiert ist, ohne deren Produktivität keine langfristig tragfähige und damit zukunftsfähige Entwicklung möglich ist. Stofflich geht es dabei um die Errichtung und den Unterhalt energiearmer Kreislaufstrukturen, energetisch um eine Begrenzung der Entropiesteigerung. Das Soziosystem soll also so organisiert werden, dass im Zusammenspiel mit Biosphäre, Atmosphäre, Lithosphäre und Hydrosphäre das thermische Gleichgewicht innerhalb des Energiebudges der Sonne eingehalten wird.[103] Eine Gesellschaft kann dann als nachhaltig angesehen werden, „ …wenn sie so strukturiert ist und sich so verhält, dass sie über alle Generationen existenzfähig bleibt. Mit anderen Worten: Sie ist so weitsichtig, so wandlungsfähig und so weise, dass sie ihre eigenen materiellen und sozialen Existenzgrundlagen nicht unterminiert.”[104] Die Ausweitung und Generalisierung des Nachhaltigkeitsprinzips über die Forstwirtschaft hinaus zum Leitbild einer dauerhaft naturgerechten Wirtschaftsentwicklung ist keinesfalls, wogegen Busch-Lüty sich wendet, ein naturalistischer Fehlschluss. Vorwürfe dieser Art, so Busch-Lüty, übersehen, dass auch in der Fortwirtschaft Nachhaltigkeit zugleich als sozialethische Grundlage und Vorsorge im Hinblick auf die kommenden Generationen verstanden wurde. Nachhaltige Entwicklung setzt die Stabilität aller beteiligten Teilsysteme von Natur, Gesellschaft und Wirtschaft voraus. Nur aufgrund solcher Stabilität können interne und externe Veränderungen selbstregulierend ausgeglichen werden: „'Ökonomische', 'sozio-kulturelle' und 'ökologische' Reproduktion bedingen sich als Determinanten im vernetzten System von Ökonomie, Ökologie und Gesellschaft wechselseitig; sie bilden insofern nur integrativ die konstituierenden Elemente einer derart als ganzheitliches Lebensprinzip zu verstehenden Nachhaltigkeit.”[105]

Der klassischen Ökonomie ist der Begriff der Nachhaltigkeit fremd. Allerdings findet sich auch hier die Idee, dass am Ende des Wachstumspfades ein stationärer Zustand liegt. Mit Ausnahme von John Stuart Mill haben die Klassiker der Nationalökonomie jedoch diesen Zustand als trostlos, armselig und nicht wünschenswert aufgefasst. Auch die neoklassische Theorie hat ein gewisses Interesse an stationären Zuständen entwickelt, die jedoch mit dem soeben skizzierten Bild der Nachhaltigkeit kaum etwas zu tun haben. Neoklassische Ökonomen verwenden den stationären Zustand nicht zur Beschreibung einer wirklich existierenden Gesellschaft, sondern lediglich als analytisches Hilfsmittel. Über die Annahme dieses Zustandes soll ein einfaches, heuristisch brauchbares Bild wirtschaftlicher Prozesse gezeichnet werden. Das Bild der idealen, in der Wirklichkeit nie existierenden stationären Volkswirtschaft ist in der neoklassischen Denktradition durch endlose wirtschaftliche Kreislaufbewegungen und das Vorhandensein einer konstanten Bevölkerungszahl, bei Abwesenheit von Neu-Investitionen, technischen Neuerungen und Vermögenskonzentrationen geprägt.[106] Auch der Hauptopponent der klassischen Ökonomie, Karl Marx, hat in der Analyse des Kapitals die Annahme stationärer Zustände als analytisches Hilfsmittel eingesetzt, um die Bedingungen einfacher Reproduktion darzustellen. Um die logischen Entfaltungsstrukturen der kapitalistischen Produktionsweise durch Akkumulation und erweiterte Reproduktion aufzuzeigen, wählte er das Schema der einfachen Reproduktion, in der die Bedingungen der Produktion zugleich Bedingungen der Reproduktion sind, als die ideale Darstellungsebene eines in der Realität kaum anzutreffenden Zustandes.[107]

Die heutige Nachhaltigkeitsdiskussion hat allerdings wenig gemein mit dem Begriff des stationären Zustandes, wie er in der herkömmlichen Wirtschaftslehre und auch bei Marx gebraucht wird. Als stationär werden feste und beständige, nahezu unveränderliche Zustände bezeichnet; Nachhaltigkeit hingegen steht für dauerhafte, dynamische und selbststeuernde Gleichgewichtszustände. Mit dem Idealtypus der Nachhaltigkeit haben wir ein Hilfsmittel an der Hand, nicht nur um reale Ökonomien zu beschreiben, sondern auch das handlungsleitende Konzept einer nachindustriellen, nicht auf Wachstum beruhenden Wirtschaftsweise zu entwickeln, deren zentrale Funktionen an die Regelungsmechanismen der ihr zugrundeliegenden ökologischen Systeme rückgekoppelt sind. Darüber hinaus können mit diesem Idealtypus auch vorindustrielle Wirtschaftsformen hypothetisch gehaltvoll beschrieben werden. Im nächsten Kapital werden wir daher, ausgehend vom Nachhaltigkeitsmodell - verschiedenen Wirtschaftsweisen im Prozess ihrer historischen Herausbildung folgen und dabei sehen, auf welche Weise frühere Wirtschaftsformen in die sie umgebenden natürlichen Systeme eingebettet waren und dabei mehr oder weniger nachhaltige Nischenstrategien verfolgten.

Die gegenwärtige Nachhaltigkeitsdiskussion hat im angelsächsischen Raum ihren Anfang genommen. Dort dominieren vor allem zwei Stränge: Da ist zum einen die Diskussion um Sustainable Development und Ecodevelopment (Nachhaltige bzw. Ökoentwicklung) und zum anderen der tiefenökologische Strang der Permaculture. Der erstgenannte konzeptuelle Rahmen zielt auf einen alternativen Entwicklungspfad, der sich auf Umwelt- und Sozialverträglichkeit gründet. Der Grundgedanke des vom Maurice Strong, dem ersten Direktor des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (UNEP) entwickelten Ecodevelopment-Ansatzes liegt in der Befriedigung der Grundbedürfnisse, weitgehend mit Hilfe eigener, verfügbarer Ressourcen, der Entwicklung eines befriedigenden sozialen Ökoystems (u.a durch soziale Sicherheit und Respekt verschiedenartiger Kulturen) sowie der vorausschauenden Solidarität mit zukünftigen Generationen. Das Konzept des Sustainable Development thematisiert nachhaltige Entwicklung insbesondere im Kontext des Nord-Süd-Problems, das heißt dem Wohlstands- und Verteilungskonflikt zwischen den armen und reichen Ländern. Bei der weltweiten Naturzerstörung kumulieren sich unterschiedliche Ursachenkomplexe der armutsbedingten Umweltzerstörung in den armen Ländern des Südens mit der wachstumsbedingten Umweltzerstörung des ressourcenverschwenderischen industriellen Leitmodells der nördlichen Halbkugel. Nachhaltige Entwicklung bedeutet in diesem Kontext: der Norden darf seine derzeitigen und zukünftigen Bedürfnisse nur im Einklang mit denjenigen des Südens realisieren. Diese Ansätze beschränken sich aber nicht auf die Entwicklung in der Dritten Welt, sondern stehen generell für die Suche nach gesellschaftlich wünschenswerten, ökonomisch beständigen und ökologisch stabilen Mustern der Ressourcennutzung und Lebensweise.[108] Der zweite Strang der Nachhaltigkeitsdiskussion im angelsächsischen Raum ist das tiefenökologische Konzept der Permaculture als einer nachhaltigen, auf Stabilität und Dauer gerichteten Wirtschaftsweise, die auf eine dialogische und kommunikative Beziehung zur Natur gründet und dabei auch die innere Ökologie des Menschen in den Blick nimmt. Die Prinzipien der Permaculture basieren auf der Beobachtung natürlicher Systeme und traditioneller Mischkulturen. Sie sind auf Kooperation mit der Natur anstelle des Kampfes gegen die Natur gerichtet; sie orientieren auf maximales Verstehen und minimale Einmischung. Die gesellschaftliche Perspektive liegt in einem Zusammenschluss sich auf eigene Kräfte stützender kommunaler Einheit auf der Basis innerer Autonomie und Stärke.[109]

Nachhaltiges Wirtschaften entspringt der Vision einer zukunftfähigen Wirtschaft. Zur Umsetzung bezieht es sich allerdings auf konkrete und fassbare Größen. Ein System ist nachhaltig, wenn es trotz ständigen Werdens und Vergehens der einzelnen Teile sich auf einem gewissen Niveau erhält und erneuert. Wir können den nachhaltigen Zustand auch als Fließgleichgewicht bezeichnen. Die Basis nachhaltiger Betrachtungen sind die Energiezirkulationen und Materietransformationen auf dem Erdball. Ausgehend von diesen Austauschprozessen können die jeweiligen Formen der Energie- und Ressourcennutzung, die Bildungsprozesse des Wirtschaftskapitals, die Bevölkerungsentwicklung, aber auch die Eigentumsverhältnisse sowie die Bedeutung kultureller und religiöser Faktoren, hinsichtlich des nachhaltigen Charakters der Wirtschaftsweise analysiert werden. Später, am Ende unseres Streifzugs durch die Geschichte der Wirtschaftsweisen, wollen wir dann das Konzept einer nachhaltigen Wirtschaftsform mit den energetischen und stofflichen Abläufen in einem entwickelten, reifen Ökosystem in Verbindung setzen, während gleichzeitig Parallelen zwischen der herrschenden Wachstumswirtschaft und der Kolonisierungsphase, das heißt dem frühen und expansiven Stadium eines Ökosystems, aufgezeigt werden. Dabei soll deutlich werden, dass echte nachhaltige Politik mit Werten und Einstellungen der Menschen zu tun hat.

Die Analogiebildung ist ein nützliches Instrument, um die Prinzipien von Nachhaltigkeit, Dauer und Vorsorge dem subjektiven Theorieverständnis des Alltagslebens zugänglich zu machen. So hat zum Beispiel Heike Inhetven[110] sehr plastisch beschrieben, wie wichtige Aspekte des nachhaltigen und vorsorgenden Wirtschaftens am Beispiel der Nutzgartenwirtschaft entfaltet werden können: Der Garten lehre viel über die Weisheit des Lebens, er lehre Rhythmik und Ungleichzeitigkeit und erziehe zu Sorgfalt, Achtsamkeit und Augenmaß im Umgang mit der Natur. Hier sei der Ort, an dem das (weibliche) alltägliche Versorgungshandeln den Prinzipien des vorsorgenden Wirtschaftens am Nächsten komme. Der Garten lehre uns aber nicht nur die tieferen Geheimnisse der Natur, sondern zeige auch, was dem Menschen als unstillbare Sehnsucht vorschwebt: das versagte Paradies. In diesem Sinne ist der Garten nicht nur hortus conclusus, ein Ort lokal begrenzter Erfahrung und kleindimensionierten Individualhandelns, sondern er ist in gesellschaftliche Zusammenhänge eingebettet und verkörpert als Raum kreativer Handlungsausrichtung zugleich ein normativ-utopisches Anliegen. Fürsorgliches ökologisches Handeln geht dabei nicht mit der Kleinkariertheit eines eingezäunten Bewusstseins einher, vielmehr ist Hortikultur nicht nur bezogen auf die Familie und den Freundeskreis sozial ausgerichtetes Handeln: Im Strom der Gaben und Gegengaben und im Austausch hortikulturellen Anwendungswissens wirkt sie, wie Inhetven so treffend ausführt, interaktions- und kommunikationsfördernd und als Keimzelle ökologischen und sozialen Lernens.

Das nachhaltige Wirtschaftskonzept gründet sich im Unterschied zur monetären Ökonomie auf einen erweiterten Begriff ökonomischen Handelns. Gerade die wirtschaftlichen Aktivitäten der Frauen in der häuslichen Reproduktion, deren ökonomische Produktivität auf niederentropischen Tätigkeiten basiert, erzeugen einen maßgeblichen Teil unseres Wohlstandes. Das vorsorgende Wirtschaften erkennt die enge Verbindung von Versorgungswirtschaft und Erwerbsbereich und steht damit im Gegensatz zur weitverbreiteten Annahme, dass unser Wirtschaftssystem allein über Erwerbsarbeit funktioniert. Die weiblichen Prinzipien der Vorsorge und Pflege können zu den Leitwerten einer gebrauchswertbezogenen, naturdialogen Wirtschaftsweise werden, einer Ökonomie nach dem Muster fürsorglicher Hortikultur. Nachhaltigkeit und vorsorgende Wirtschaftskonzepte implizieren daher immer auch normative Zielsetzungen. Heute werden im Wirtschaftsleben vor allem rationales Problemlösen und ökonomische Effizienz trainiert, während Vorsorge für das eigene körperliche und seelische Wohl, das Sich-Sorgen um das Wohlergehen nahestehender Menschen und das Mit-Leiden mit unversorgten Fremden außerhalb des traditionellen wirtschaftlichen Bildungskanons liegen. Nachhaltiges Wirtschaften braucht folglich Koordinierungsprinzipien, die nicht für den isolierten, ausschließlich eigeninteressierten Menschen sind, sondern solche, die es den Menschen erlauben, im gesellschaftlichen Diskurs um die Ausrichtung des nischenstrategischen Handelns zu einem tragfähigen Konsens zu finden.[111] Nachhaltige Wirtschaftskonzepte münden daher in politische Empfehlungen, wie eine humane und ökologienahe Wirtschaftsweise erreicht werden kann. Ihr Grundmodell ist der Garten, das Hegen und Pflegen, der Dialog mit der Natur.

An dieser Stelle einige Erläuterungen zur begrifflichen Klärung. Ökonomie der Nachhaltigkeit, Umweltökonomie, Bioökonomie und ökologische Ökonomie sind keinesfalls synonyme Begriffe, sondern verweisen auf unterschiedliche inhaltliche Orientierungen, Intentionen, Ziele und weltanschauliche Implikationen. Seit der zweiten Hälfte der siebziger Jahre - beginnend etwa mit der Herausgabe des Journal of Ecological Economics - hat sich die ökologische Ökonomie als Gegenparadigma zur Naturblindheit der Mainstream-Ökonomie herausgebildet und seither zahlreiche Modelle und Konzepte einer ökologisch orientierten Wirtschaftstheorie entwickelt. Nicht identisch mit der ökologischen Ökonomie ist die Umweltökonomie, deren Ansatz in Kapitel VII.1. diskutiert wird, obgleich sich hier auch Schnittmengen finden. Während die ökologische Ökonomie in erster Linie auf inhaltliche und methodische Neuorientierung setzt, bedient sich die Umweltökonomie überwiegend klassischer Kategorien und Modelle, um umweltrelevante Entwicklungen im Kontext der ökonomischen Theorie zu bearbeiten. Im Unterschied zu diesen vorrangig methodologischen Differenzen, steht das Nachhaltigkeitskonzept innerhalb des Diskurses um eine ökologische Ausrichtung der Ökonomie für das generelle Modell einer Wirtschaftsweise, die auf Stetigkeit und Dauer gründet. Das bioökonomische Paradigma hingegen repräsentiert einen spezifischen methodischen Ansatz, der systemtheoretische Konzepte mit energietheoretischen Modellen und wirtschaftsanthropologischen Erkenntnissen verknüpft. Ziel ist die Entwicklung einer ganzheitlichen, auch Moral und Ethik in die ökonomische Theorie integrierenden Wirtschaftslehre, die auf eine Analogiesteuerung von Natur und Wirtschaft setzt. Innerhalb der ökologischen Ökonomie ist die Bioökonomie also ein spezielles Projekt.

Das bioökonomische Paradigma kritisiert die Entfremdung der ökonomischen Lebenswelt von unseren existentiellen Strukturen, unserer biologischen Konstitution und der Authentizität unserer innersten Gefühle. Dieser Ansatz wendet sich dagegen, Probleme die alle betreffen, in Kompetenzgebiete zu zerteilen und ausschließlich an Experten zu delegieren. Die Grundlinien ökonomischer Handlungsgestaltung können mit den subjektiven Theorien der Alltagswelt durchaus erfasst werden. Herman E. Daly[112], der mit seinem Konzept der Steady-State-Wirtschaft bereits in den siebziger Jahren das Konzept einer auf ökologische und existentielle Knappheit gegründeten nachhaltigen Zukunftsökonomie skizziert hat, fordert die zentralen ökonomischen Lehrsätze auf einem mittleren Abstraktionsniveau zu formulieren, das eher vom wissenschaftlichen Laien als von den obskuren Priestern technologischer Expertokratien verstanden wird.[113] Daly argumentiert gegen das mechanistische, reduktionistische und positivistische Denken, das die Teleologie als Richtschnur früheren Denkens ersetzt hat und plädiert für ganzheitliche Problemlösungsmodelle. Was wir brauchen, ist eine ökonomische Theoriebildung, deren Zwecksetzungen aus Introspektion und Diskurs entspringen, und die offen ist für unterschiedliche, soziale und politische Gestaltungen.[114] So gesehen erheben die bioökonomischen Konzepte keinen Anspruch auf Wahrheit im Sinne einer vollständigen oder definitiven Beschreibung der Wirklichkeit, die auch aufgrund des eingangs beschriebenen erkenntnistheoretischen Dilemmas gar nicht mögliche wäre. Es geht vielmehr um pragmatische Erwägungen und Zielsetzungen eines guten Lebens und eines Lebens in Harmonie mit der Naturordnung, aus deren Realitätsbezug sich zugleich ökologische, soziale und auch spirituelle Orientierungen ableiten lassen. Im Bild der Nachhaltigkeit zeigt sich dabei eine erstaunliche Koinzidenz von theoretischen Zwecken und sozialen Normen.

I. Die Bio-Ökonomie - Die nachhaltige Nischenstrategie des Menschen

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