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a) Das Erleben ist subjektiv und privat

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Physikalische Gegenstände und Ereignisse, Verhalten, Körperprozesse und Hirnprozesse sind öffentlich. Sie sind objektiv gegeben und intersubjektiv verifizierbar. Das Erleben ist subjektiv und privat, es ist nur uns selbst direkt zugänglich. Nur ich weiß, was ich im Moment fühle, denke und will. Zum Erleben anderer Menschen haben wir keinen direkten Zugang. Es hat noch kein Mensch das Erleben eines anderen von innen her erfahren. Wir können das Verhalten unserer Mitmenschen direkt beobachten, jedoch nicht ihr Erleben. Daraus folgt allerdings nicht, dass uns das Erleben der Mitmenschen vollständig unzugänglich bleibt. Vor allem am Gesichtsausdruck, am Tonfall, an der Sprechgeschwindigkeit, an der Körperhaltung und an sichtbaren Reaktionen wie Zittern, Erröten, Blässe und Schwitzen lesen wir ab, in welchem Gemütszustand unsere Mitmenschen sich befinden. Das Erleben wird vorwiegend auf nichtsprachliche Weise ausgedrückt. Auf Grund der Beobachtung des Ausdrucksverhaltens und auf Grund der Erlebnisberichte unserer Mitmenschen machen wir uns ein Bild davon, was sie im Moment erleben und wie sie empfinden. Zudem stellen wir uns vor, wie wir selbst in ähnlichen Situationen reagieren und empfinden würden. Wir sind fähig, uns vorzustellen, was unsere Mitmenschen erleben, wenn sie sich in einer bestimmten Situation befinden. Wir können uns bis zu einem gewissen Grad in unsere Mitmenschen einfühlen. Je besser uns das gelingt, desto genauer können wir ihr Verhalten und Handeln vorhersagen.

Beckermann (1999) macht auf die Mehrdeutigkeit des Ausdrucks ‘privat’ aufmerksam. Ein erster Sinn von ‘privat’ zeigt sich in Aussagen wie: „Mehrere Personen können dasselbe Auto besitzen, aber meine Schmerzen kann nur ich haben.“ Eine andere Person kann die gleichen Schmerzen haben wie ich, aber nicht meine Schmerzen. Ein verwandter, aber verschiedener Sinn von ‘privat’ wird deutlich in der Aussage: „Nur ich kann meine Schmerzen fühlen.“ Ein wieder anderer Sinn von ‘privat’ ergibt sich aus der Aussage: „Nur ich kann wissen, ob ich Schmerzen habe; andere können dies höchstens vermuten.“ Viele sehen einen engen Zusammenhang zwischen der Privatheit mentaler Zustände und ihrer Subjektivität (vgl. Beckermann, 1999, 11).

Subjektivität meint die Tatsache, dass es sich auf eine bestimmte Weise anfühlt, Erlebniszustände zu haben. Freude fühlt sich anders an als Ärger, Wut anders als Ekel, Verachtung wieder anders als Langeweile. Für jeden von uns haben diese Zustände eine ganz spezifische Erlebnisqualität. Es fühlt sich auf eine charakteristische Weise an, auf eine blühende Wiese zu blicken, den beruhigenden Ton einer Panflöte zu hören oder den süßen Geschmack von Schokolade auf der Zunge zu spüren. Solche Zustände zu erleben ist etwas anderes als sie zu denken, zu beurteilen oder zu glauben, in ihnen zu sein (vgl. Bieri, 1992). Jeder Mensch lebt in seiner persönlichen Erlebniswelt. Das hat vor allem der Psychologe Carl Rogers betont. Jeder von uns nimmt andere Menschen, Gegenstände und Ereignisse auf eine einzigartige Weise wahr, mit nur von ihm selbst empfundenen Bedeutungen. Diese innere Erlebniswelt ist nur der betreffenden Person selbst zugänglich. Nur sie kann sagen, was sie fühlt, was sie erlebt und wie sie es erlebt. Es gibt so viele Erlebniswelten, wie es Menschen gibt. Nach Rogers ist der beste Ausgangspunkt zum Verständnis des Verhaltens eines anderen Menschen dessen Erleben (vgl. Rogers, 1976, 417– 457). Wenn wir Gegenstände im Raum oder Menschen und Autos auf der Straße beobachten, dann stimmen unsere Wahrnehmungen mit denen anderer Menschen in der Regel überein. Wenn wir uns aber bemühen zu verstehen, wie eine Person einen Gegenstand erlebt, ob er ihr gefällt, welchen Wert er für sie besitzt, welche Gefühle er in ihr auslöst, dann sehen wir, wie verschieden unsere Erlebniswelten sind. Sich in einen anderen Menschen einzufühlen meint, die Welt mit dessen Augen zu sehen, so als wäre man der andere, ohne zu vergessen, dass man nicht der andere sein kann. Einfühlung ist der Versuch, das Erleben des anderen so genau nachzuvollziehen, als ob es das eigene wäre, ohne jemals diesen ‘Als-ob-Status’ zu vergessen. Damit ist nicht eine emotionale Identifikation mit dem anderen, ein Nacherleben seiner Gefühle, gemeint. Es geht darum, die Welt mit den Augen des anderen zu sehen, die eigenen Werthaltungen beiseite zu legen, um ohne Vorurteil die Erlebniswelt des anderen betreten zu können (vgl. Biermann-Ratjen, Eckert & Schwartz, 1995, 15 ff.).

Thomas Nagel (1993b) thematisiert die Subjektivität und Privatheit des Erlebens in seinem Artikel: „Wie ist es, eine Fledermaus zu sein?“ Er unterscheidet zwei Betrachtungsweisen, die subjektive und die objektive Betrachtungsweise. Was er damit meint, illustriert er anhand eines Gedankenexperiments. Er fordert uns auf, uns vorzustellen, wie es ist, eine Fledermaus zu sein! Nehmen wir an, dass Fledermäuse Erlebnisse haben, dass sie die Welt aus einer besonderen Perspektive wahrnehmen. Wir wissen, dass diese Tiere sich primär durch Radar oder Echolotortung in der Außenwelt orientieren. Dieses Radar ermöglicht eine Form der Wahrnehmung, die wir uns nicht recht vorstellen können. Bis zu einem gewissen Grad sind wir in der Lage, uns mit unserer Phantasie auszumalen, wie es für uns wäre, eine Fledermaus zu sein, es liegt aber jenseits unserer Fähigkeit, uns vorzustellen, wie es für eine Fledermaus ist, eine Fledermaus zu sein. Der Spielraum unserer Phantasie ist beschränkt. Es wird uns wenig helfen, uns vorzustellen, dass wir Flughäute an den Armen hätten, mit Hilfe deren wir bei Einbruch der Dunkelheit und im Morgengrauen herumfliegen, während wir mit dem Mund Insekten fangen; dass wir ein schwaches Sehvermögen hätten und die Umwelt mit einem System reflektierter akustischer Signale aus Hochfrequenzbereichen wahrnehmen; und dass wir den Tag an den Füßen nach unten hängend auf einem Dachboden oder in einer Höhle verbringen. Insofern wir uns dies vorstellen können (was nicht sehr viel ist), sagt es uns nur, wie es für uns wäre, uns so zu verhalten, wie eine Fledermaus sich verhält. Das aber ist nicht die Frage. Wir möchten ja wissen, wie es für eine Fledermaus ist, eine Fledermaus zu sein (vgl. Nagel, 1993b, 264). Um zu wissen, wie es für eine Fledermaus ist, eine Fledermaus zu sein, müssten wir die Welt aus der Perspektive einer Fledermaus betrachten. Wir müssten die Erlebnisqualitäten einer Fledermaus haben, und dazu bräuchten wir den Körper einer Fledermaus. Erlebnisqualitäten sind subjektiv und an eine bestimmte Perspektive gebunden. Diese Perspektive kann von einem objektiven Standpunkt aus nicht eingenommen werden. Wenn wir versuchen, das Erleben der Fledermäuse von einem äußeren, einem objektiven Standpunkt aus zu beschreiben, dann verlieren wir den subjektiven Gehalt des Erlebens aus dem Blickfeld. Das Ziel der Naturwissenschaft ist eine möglichst objektive Beschreibung, die so weit nur irgend möglich von subjektiven Standpunkten abstrahiert. Wenn wir also wissen wollen, was eine Fledermaus erlebt, dann ist es nur von begrenztem Nutzen, ihr Verhalten, ihren Körper und ihr Gehirn zu untersuchen. Wenn wir das Verhalten und die Neurophysiologie der Fledermäuse studieren, interessieren wir uns für die objektive Seite dieser Tiere. Bezüglich der subjektiven Erlebnisqualität der Fledermäuse führt uns jeder Schritt zu größerer Objektivität vom eigentlichen Untersuchungsgegenstand weg. Subjektives Erleben scheint eine Tatsache zu sein, die an eine besondere Perspektive gebunden ist. „Es ist schwierig, zu verstehen, was mit dem objektiven Charakter eines Erlebnisses gemeint sein könnte – unabhängig von der besonderen Perspektive, von der aus ein Subjekt sie erfasst. Was bliebe letzten Endes von der Weise übrig, wie es ist, eine Fledermaus zu sein, wenn man die Perspektive der Fledermaus entfernte?“ ( Nagel, 1993 b, 267).

John Searle (2001, 56–58) betont die Erste-Person-Ontologie der Bewusstseinszustände. Bewusstseinszustände sind in dem Sinne subjektiv, dass sie immer von einem menschlichen oder tierischen Subjekt erlebt werden. Sie existieren nur in Abhängigkeit von einer Person, einem Organismus oder einem Ich, das sie hat. Ihnen kommt ein subjektiver Existenz-Modus zu, denn sie existieren nur, weil sie von einem menschlichen oder tierischen Subjekt erlebt werden. Ein Schmerz existiert nur insofern, als er von jemandem erlebt wird. Objektive Entitäten, wie zum Beispiel Gebäude und Berge, haben eine Dritte-Person-Ontologie. Ihre Existenz hängt nicht davon ab, ob sie von einem menschlichen oder tierischen Subjekt erlebt werden. Ihnen kommt ein objektiver Existenz-Modus zu, weil ihre Existenz nicht davon abhängt, von einem Subjekt erlebt zu werden. Jeder Bewusstseinszustand existiert nur als ein von einem Subjekt erlebter. Dieses Merkmal erschwert es, Bewusstsein in unser wissenschaftliches Gesamtbild der Welt einzupassen (vgl. Searle, 2001, 91).

Lassen sich Erlebnisqualitäten wie Freude, Ärger, Sehnsucht oder Angst objektiv beschreiben und messen? Kann das subjektive Erleben Forschungsgegenstand empirischer Wissenschaften wie der Psychologie und der Neurowissenschaften sein? Die privaten Gefühle eines Menschen sind für die empirische Forschung keine Daten, weil sie von Außenstehenden nicht direkt beobachtbar sind. Sie werden jedoch zu Daten, wenn der Betreffende von seinen Erlebnissen berichtet. Erlebnisberichte oder Introspektionsberichte sind Daten. Die empirische Forschung ergänzt diese in der Regel durch Verhaltensbeobachtungen und physiologische Messungen. Das Erleben kann insofern Gegenstand wissenschaftlicher Forschung sein, als es objektiv erfassbar, d. h. intersubjektiv nachprüfbar ist. Das trifft auf Erlebnisberichte, auf das Ausdrucksverhalten und auf die mit dem Erleben einhergehenden Körperprozesse zu. Für die empirische Forschung bleibt die Subjektivität und Privatheit des Erlebens eine große Herausforderung. Die Neurowissenschaften erforschen die neuronalen Grundlagen des Erlebens, jedoch nicht das Erleben selbst. Wenn uns Gehirnforscher zum Beispiel bereits heute genau sagen könnten, welche spezifischen neuronalen Aktivitätsmuster mit dem Erleben von Freude einhergehen, wüssten wir ohne eigene Freudeerlebnisse trotzdem nicht, wie es ist, sich zu freuen.

Das Rätsel von Körper und Geist

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