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c) Das Erleben ist unräumlich

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Körper sind ausgedehnt, dreidimensional und von zeitlicher Struktur. Erlebniszustände sind unausgedehnt und besitzen nur eine zeitliche Existenz. Es hat keinen Sinn, danach zu fragen, wie lang, wie breit, wie hoch oder wie schwer ein Gefühl, eine Empfindung oder ein Wunsch ist. Ebenso unsinnig wäre es, Wahrnehmungen, Gedanken und Gefühle im Raum anordnen zu wollen, so dass sich ein Gefühl zum Beispiel zwei Meter neben einem Gedanken befände. Die Sprache, mit der wir unsere Erlebnisse ausdrücken, verwendet zwar räumliche Bilder wie zum Beispiel in der Aussage „mir ist ein Stein vom Herzen gefallen“, aber das Erleben selbst ist nichträumlich. Die Hirnaktivität, die mit Gedanken und Gefühlen einhergeht, kann als ausgedehnt bezeichnet werden, jedoch nicht die Gedanken und Gefühle selbst. Bewusstsein ist kein ‘Gegenstand’, der sich nahtlos in die gewöhnliche Welt einfügt.

In unserem Alltagsverständnis sind Bewusstsein und Raum zwei der selbstverständlichsten Dinge der Welt. Das Bewusstsein ist jeden Augenblick unseres Wachseins, und sogar in unseren Träumen, gegenwärtig. Wir können ihm nicht entfliehen, selbst wenn wir das wollten. Dem Raum können wir ebenso wenig entfliehen wie dem Bewusstsein. Unsere Welt ist eine räumliche Welt. Wir werden in den Raum hineingeboren, wir leben im Raum und wir sterben im Raum. Wir existieren nicht nur im Raum, wir nehmen die Welt auch als räumlich wahr. Wenn wir am Morgen die Augen öffnen, werden wir sofort mit dem Raum und den Gegenständen, die er enthält, konfrontiert. Unser menschlicher Körper selbst ist ein Objekt im Raum. Unser Leben und Handeln spielt sich im Raum ab.

Sehen ist der Sinn, der uns am unmittelbarsten mit Raum vertraut macht. Der Tastsinn ergänzt die visuelle räumliche Wahrnehmung. Manchmal benutzen wir ihn, um zu überprüfen, ob unsere visuellen Eindrücke von einer Entfernung korrekt sind. Spiegel können das Auge zum Narren halten und uns einen Gegenstand an einer Stelle sehen lassen, wo er sich in Wirklichkeit gar nicht befindet. Der Tastsinn ist für Spiegeltricks nicht empfänglich. Hören, Riechen und Schmecken sind ebenfalls vom Raum abhängig, wenn auch nicht so massiv wie Sehen und Tasten. Gerüche sind in der Nase zu Hause, Geschmack haben wir im Mund. Jeder Sinn berichtet uns auf seine Weise etwas über den Raum, indem er die räumlichen Relationen zwischen dem Körper und dem Objekt seiner Wahrnehmung mit einbezieht. Selbst unsere Gefühle sind vom Raum beeinflusst. Reisen beispielsweise weckt Erwartungen, Abenteuerlust, Optimismus oder Angst. Manche Menschen leiden unter Angststörungen, die mit dem Raum zusammenhängen, wie der Angst vor engen geschlossenen Räumen, vor weiten offenen Plätzen oder vor Höhen.

Wenn das Gehirn räumlich organisiert ist, ein Stück Materie im Raum, und der Geist nichträumlich, wie um alles in der Welt kann dann der Geist aus dem Gehirn hervorgehen (vgl. McGinn, 2001, 125–158)? Wie entsteht etwas Nichträumliches aus Räumlichem? Wie bringen es die kleinen, räumlich organisierten Gehirnzellen fertig, nichträumliche Empfindungen entstehen zu lassen? Das Ganze scheint ein Bruch in der natürlichen Ordnung zu sein. Wie kann etwas Nichträumliches eine enge kausale Beziehung zu etwas Räumlichem eingehen? Offensichtlich nicht mittels räumlicher Kontakte und auch nicht mit Hilfe der Schwerkraft. Wie kann das nichträumliche Bewusstsein einen Platz in der räumlichen Welt haben? Vielleicht, so McGinn, liegen wir mit unserer Einschätzung dessen, was Raum wirklich ist, völlig falsch. Vielleicht ist der Raum etwas ganz anderes, als wir glauben, und damit ließe sich Bewusstsein mit der wirklichen Natur des Raumes vereinbaren. Die Aussage, Bewusstsein besitze keine räumlichen Eigenschaften, ist so zu verstehen, dass es nicht die Eigenschaften hat, die wir dem Raum zuordnen. Raum ist womöglich etwas anderes als das, was wir uns darunter vorstellen. So gesehen ist das Wort ‘Raum’ nur ein Etikett für etwas da draußen, ein Medium, in dem sich alle Dinge befinden.

Bewusstsein hat weder Länge noch Breite noch Höhe, wie wir sie normalerweise wahrnehmen. Vermutlich sind Länge, Breite und Höhe bestenfalls oberflächliche Eindrücke von dem, was Raum seinem objektiven Wesen nach wirklich ist. „Vielleicht verfügt der Raum objektiv über eine Struktur, die ihn in die Lage versetzt, Geist und Materie auf einfache und natürliche Art zusammen in sich zu vereinen, die Art dieser Zusammenführung aber entzieht sich unserem gegenwärtigen Verständnis von Raum“ (McGinn, 2001, 145). Hätten wir eine Vorstellung vom wirklichen Wesen des Raumes, bis hinunter ins Allerkleinste seiner Ultrastruktur, würden wir einsehen, dass Bewusstsein etwas ebenso Räumliches ist wie Äpfel, Felsen und Kontinentalplatten. Nur unsere Unkenntnis des Raumes lässt uns glauben, Bewusstsein sei etwas Nichträumliches. Richtig ist: Bewusstsein ist nur in Bezug auf unsere gegenwärtige Vorstellung von Raum nichträumlich. Auch unser Gehirn muss über Eigenschaften verfügen, die in unserer gegenwärtigen physikalischen Weltsicht und unserer Raumvorstellung nicht repräsentiert sind, Eigenschaften, die wir nicht im Geringsten verstehen. Gehirne wären im gegenwärtigen Sinne des Wortes nicht ganz und gar räumlich.

Nach McGinn bräuchten wir eine völlig neue Theorie des Raumes, um Bewusstsein erklären zu können. Von einer solchen Theorie zu fordern, dass sie dem Menschen zugänglich sein soll, ist wohl zu viel verlangt. Unser Erkenntnisvermögen, mit dem uns die Evolution ausgestattet hat, reicht nicht aus, um eine radikal neue Vorstellung vom Raum zu entwickeln, die zum Verständnis von Bewusstsein notwendig wäre. Es gibt gute Gründe für die Annahme, dass wir bei der Lösung des Körper-Geist-Problems von unseren kognitiven Grenzen behindert werden. Auch bezüglich der wahren Natur des Raumes stoßen wir an die Grenze unseres Erkenntnisvermögens. Die für die Erfassung des Bewusstseins notwendige Ausweitung unserer Sicht des Raumes liegt sehr weit außerhalb von allem, was wir derzeit begreifen oder uns vorstellen können. „Unser Geist steht einer korrekten Theorie des Raumes so ähnlich gegenüber wie der Geist eines Adlers der Relativitätstheorie“ (McGinn, 2001, 155). Wir sind versucht anzunehmen, dass wir einen räumlich privilegierten Einblick in die wahre Natur von Bewusstsein und Raum genießen. Wir glauben, Bewusstsein in seiner unverfälschten Form zu untersuchen. Wir sehen den Raum vor uns ausgebreitet und erfassen intuitiv die räumlichen Beziehungen der Gegenstände zueinander. Es ist wie ein Schock, wenn wir hören, dass wir nicht wirklich verstehen, was diese Dinge eigentlich sind, dass wir ihren innersten Eigenschaften zutiefst unwissend gegenüberstehen.

Wenn Bewusststein nicht räumlich ist, wie kann es dann seinen Ursprung in der räumlichen Welt haben? Zuerst gab es das Universum ohne Bewusstsein. Dann begann die Evolution des Lebens, und die Materie ordnete sich immer komplexer und raffinierter an. Als Ergebnis davon kam das Bewusstsein in die Welt. Es entstand etwas radikal Nicht-Räumliches? Nicht-Räumliches ging aus rein Räumlichem hervor. Wie kann etwas Unausgedehntes aus dem Ausgedehnten entstehen? Colin McGinn spekuliert: Der Ursprung des Bewusstseins bedient sich irgendwie jener Eigenschaften des Universums, die dem Urknall vorausgegangen sind und ihn erklären. Bewusstsein wäre demnach ursprünglicher als Materie im Raum, zumindest, was sein Rohmaterial betrifft. Unser Gehirn muss über Eigenschaften verfügen, die in unserer gegenwärtigen physikalischen Weltsicht nicht vorkommen und die wir nicht im Geringsten verstehen. Dieser Auffassung nach ist unsere Sicht der Realität, einschließlich der physikalischen Realität, grundlegend unvollständig. Bewusstsein ist eine Anomalie in unserer gegenwärtigen Weltsicht (vgl. McGinn, 1996).

Das Rätsel von Körper und Geist

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