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3. Der Vorbegriff der Monade
Оглавление„Die Monade, von der wir hier sprechen werden, ist nichts anderes als eine einfache Substanz, die in die zusammengesetzten eingeht; einfach, das heißt ohne Teile.“ (Mon., KS, S. 439) Damit ist zum Wesen der Monade zweierlei ausgesagt: zum ersten, daß die Monade als Substanz begriffen wird, welcher Begriff an dieser Stelle ohne Erläuterung hingenommen werden muß; es bleibt also zunächst unausgemacht, was Leibniz unter einer Substanz versteht. Zweitens: die ergänzende Bestimmung, die hinzugefügt wird, besagt die Einfachheit der Monade. Da diese attributiv zum Substantivum Substanz hinzutritt, geht daraus hervor, daß Substanz auch als eine Vielheit möglich ist (vgl. Monadologie, Kapitel 2, wo das dann auch ausgesagt wird); nur die Monade ist also keine solche Vielheit, Substanzen, die nicht monadischen Charakter haben, können durchaus zusammengesetzt sein; als Monade aber ist die Substanz notwendig einfach. Die Monade ist also eine besondere Art substantiellen Seins.
Einfachheit heißt aber nicht unbestimmt Einssein oder Nichtzusammengesetztsein, sondern präzis: „ohne Teile“. Ohne Teile ist aber nur ein Ganzes, dessen Elemente nicht wieder als Ganze von ebensolchem Charakter begriffen werden können. Einfachheit wird also erläutert: „Da aber, wo es keine Teile gibt, gibt es weder Ausdehnung noch Gestalt, noch mögliche Teilbarkeit. Und diese Monaden sind die wahrhaften Atome der Natur. Und, mit einem Worte, die Elemente der Dinge.“ (Mon., KS, S. 439)
Ein Gegenstand, dem Ausdehnung, Gestalt und Teilbarkeit ermangelt, kann nicht als materielles Seiendes angesprochen werden. Hier setzt das idealistische Mißverständnis ein, daß die Monade ein Seiendes von immateriellem Wesen sei, womit behauptet wird, daß Leibniz mindestens zwei Arten von Seiendem unterschieden habe. Es zeigt sich jedoch, daß dies ein Mißverständnis ist, wenn man Kapitel 2 der Monadologie zu Rate zieht, in dem es ausdrücklich heißt, daß die zusammengesetzten Substanzen „nichts anderes als eine Anhäufung oder ein Aggregat von Einfachen“ sind. Die Behauptung, daß die Häufung von Immateriellem ein Materielles ergäbe, ist jedoch widersinnig und kann Leibniz nicht unterstellt werden.
Einfachheit meint jedoch gar kein Merkmal, das eine Substanz im gleichen Sinne wie Ausdehnung oder Gestalt auszeichnen würde. Vielmehr ist damit ein Strukturbegriff angezielt, der besagt, daß hier Seiendes im Hinblick nicht auf seine einzelnen Bestandstücke, sondern in seinem Sein als Ganzes betrachtet wird. Das Sein des Seienden aber ist notwendig einfach, wenn auch formal; es ist nicht denkbar als Zusammensetzung durch Teile, sondern nur als die Herstellung einer höheren Einheit, in der die Teile ihre vereinzelte Selbständigkeit aufgeben, um ein individuelles Ganzes zu bilden.
Von dieser einfachen Substantialität, die jedem Organismus zukommt, ist eine andere Art des Substanzseins unterschieden, die mit dem Titel „aggregatum“ bezeichnet wird. Dieser besagt – als nähere Bestimmung der Art und Weise, in der Zusammengesetztes aus Einfachem gebildet wird –, daß die Anhäufung der Elemente zu einem Ganzen nicht als beliebige Summation, sondern als Formation vor sich geht. Denn der in aggregatum steckende und mit diesem Terminus beschworene Kern ist grex – die Herde, die Schar. In ihr wird das Einzelne zwar nicht amalgamiert, sondern als Einzelnes bewahrt, jedoch so, daß sein Sein nur im Zusammenhang der Schar bestätigt, ja geradezu in der Schar erst möglich wird. Die grex als Formation ist das Mittlere zwischen reiner Summation, in der jedes Glied isoliert werden kann und selbständig existent sein könnte, und der Organisation, außerhalb deren ihre Glieder nicht mehr selbständig existent sein können. So umschließt der Begriff grex den der Summation als minimalen und den der Organisation als maximalen Grenzfall. Aggregatum bezeichnet also die Seinsweise der zusammengesetzten Substanzen, insofern sie als Regel formativ, als Grenzwert entweder summativ oder organisch gedacht werden kann. Formativ jedoch besagt, daß das einzelne Seiende stets nur im Hinblick auf eine umgreifende Ganzheit von Seiendem offenbar wird, ebenso wie umgekehrt Substanz als zusammengesetzte ihre Struktur nur im Hinblick auf ihre elementaren Bestandteile sichtbar werden läßt.
Substantielles Seiendes gibt es also in verschiedener Weise: als einfache Substanz ist es nicht weiter in selbständige Teile zerlegbar, als Aggregat fügt es selbständige Teile zu einem größeren Ganzen zusammen, derart, daß diese Teile in der besonderen Eigenart, die sie innerhalb des Aggregats besitzen, außerhalb seiner nicht existieren können, wohl aber als selbständige Seiende sich zu behaupten vermögen. Wo diese Aggregation so eng wird, daß die Selbstbehauptung des einzelnen Seienden aufhört, daß dieses im Ganzen untergeht, schlägt das Aggregat in eine einfache Substanz organischer Natur um: Wir sprechen von Organisation. Wo aber das Einzelne sich vom Ganzen trennen kann, ohne sich zu verändern (wie ein Apfel von einem Sack Äpfel), liegt eine Summe vor, die keine Substanz mehr ist; denn schon in der Erläuterung zum Discours de Métaphysique hatte Leibniz ausgesprochen, daß nur das ein Sein ist, was auch ein Sein ist (siehe oben). Einfachheit als Merkmal monadischer Substanz zielt über die Vorstellung der Verschmelzung von Gliedern zu einer Einheit hinaus auf die Weise, in der die Glieder sich im Zusammengesetzten sammeln, das heißt auf die Strukturmerkmale, die solche Gliedteile als Glieder des Ganzen ausweisen. Da Zusammengesetztes durch Zusammensetzung entsteht, wird also mit dem Hinblick auf die Struktur seiner Zusammensetzung nicht sein materialer Seinsgrund, sondern seine formale Seinsweise ins Auge gefaßt. Diese Seinsweise wird als einfach und allem natürlichen Entstehen und Vergehen entgegengesetzt bezeichnet und meint damit eben das Sein dieses Seienden, demgemäß es als Seiendes allererst ist. Dies und nichts anderes besagen die Kapitel 4, 5 und 6 der Monadologie: „Es ist auch keine Auflösung zu befürchten und keine Art und Weise vorstellbar, auf welche eine einfache Substanz natürlichen Weges zugrunde gehen könnte.
Aus dem gleichen Grunde ist auch keine Art und Weise vorstellbar, auf welche eine einfache Substanz natürlichen Weges zu sein beginnen könnte, weil sie nicht durch Zusammensetzung gebildet wird.
So kann man sagen, daß die Monaden nur mit einem Schlage zu sein beginnen und enden können; das heißt, sie können nur durch Schöpfung zu sein beginnen und nur durch Vernichtung zu sein aufhören, während das, was zusammengesetzt ist, durch Vereinigung von Teilen beginnt und durch Auseinandertreten der Teile endet.“
Nun heißt es aber nicht etwa, daß die Monade nur das Sein des Seienden bezeichnet und ein reiner Formalbegriff sei, sondern sie wird zugleich als Substanz bezeichnet und somit als etwas, dem materieller Gehalt zukommt. Wie sehr Leibniz diesen materiellen Gehalt im Monadenbegriff mitgesehen hat, zeigt die folgende Stelle: „Indessen müssen die Monaden irgendwelche Eigenschaften haben, sonst wären sie sogar keine Seiende. Und wenn die einfachen Substanzen nicht durch ihre Eigenschaften voneinander verschieden wären, so gäbe es kein Mittel, irgendeine Veränderung in den Dingen wahrzunehmen …“ (Mon., KS, S. 439–441)
Der Monadenbegriff enthält also zunächst ein strukturelles, sodann aber auch ein materielles Moment, die hier auseinandergelegt worden sind. Er stellt mithin durchaus auf ein Reales, nicht nur auf ein Formales ab. Es bleibt an dieser Stelle nun die Aporie aufzulösen, wie eine Monade, die als Substanz ein Seiendes ist, eben doch als Einfachheit die Struktur des Seienden ausmachen kann. Wir begreifen die Synthesis beider Elemente der Monade derart, daß diese als qualitative Ganzheit eines Konkreten zugleich die bestimmte Struktur dieses konkreten Seienden wie auch das materielle Substrat erfaßt und damit das Sein des Seienden nicht als formales, sondern in einem als formales und materiales bestimmt wird. Der Weg, der zur Auflösung der Aporie von Struktur und Substanz, von formalem Sein und materiellem Seienden führt, ist durch die Erhellung des Sinnes der Leibnizschen Termini, mit denen er die Monade charakterisiert, vorgezeichnet.
Haben wir also die Monade dagegen abgegrenzt, in traditionellem Sinne als Substanz verstanden zu werden, so gilt es nun noch kurz zu zeigen, daß sie auch nicht als Seelisches (noch als bloße Masse) gedeutet werden darf.
Seelisches, als Titel für alle Bewußtseinsleistungen im weitesten Sinne des Wortes, trifft nicht das, was Leibniz mit monadischer Substanz meint, deren Seinsweise er vielmehr allem Seienden zuspricht: „Ich glaube weiter: Wenn man wirkliche Einheit beziehungsweise Substanz fast nur beim Menschen zulassen will, so stellt man sich in der Metaphysik auf einen ebenso beschränkten Standpunkt, wie früher in der Physik diejenigen, die die Welt in eine Kugel einschließen wollten.“9 Es zeigt sich in dieser Abgrenzung gegen idealistische Mißverständnisse, daß eine subjektive oder subjektiv-transzendentale Auslegung der nun zu erläuternden Begriffe – perceptio, appetitus, repraesentatio mundi – nicht zulässig ist. Daß das Realseiende aber auch nicht bloß als Masse aufgefaßt werden darf und darum der vordialektische Materialismus zur Begründung der Naturwissenschaften nicht ausreicht, macht Leibniz an gleicher Stelle sehr deutlich: „Die bloße Masse (wenn man sich so etwas überhaupt vorstellen könnte) steht unter einer Substanz, die perzipiert und Repräsentation des ganzen Universums unter ihrem eigenen Gesichtspunkt und gemäß den Eindrücken (oder vielmehr Beziehungen) ist, die ihr Körper mittelbar oder unmittelbar von allen anderen empfängt, ebenso tief, wie ein Leichnam unter einem lebendigen Tiere, oder besser, wie eine Maschine unter einem Menschen steht.“
Gegen eine undialektische Auslegung steht der umfassende Sinn der repraesentatio mundi, auf den wir unten näher eingehen. Bloße Masse ist als solche schon gar nicht denkbar, weil sie eine prima materia meinen würde, an der in concreto sich sofort die Strukturierung vollzieht, besser gesagt, die nur als strukturierte, geformte Materie überhaupt wirklich ist. Insofern bleibt „bloße Masse“ ein Abstraktum, das ontologisch nicht hypostasiert werden darf. Der Vergleich mit einem Leichnam oder einer Maschine zeigt, wie sehr es gerade auf die entelechiale Ganzheit, auf den strukturellen Charakter ankommt, der die reale Substanz gegenüber einer nur abstrakt vorgestellten Masse auszeichnet.
Das Wesen dieser Struktur muß nun – immer im Hinblick auf die vorgedachte Einheit mit dem substantiellen Träger der Struktur – näher herausgeschält werden.