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Vorwort

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Ein Paradies,- gibt es das? Früher glaubte man, das sei ein ferner, nur schwer zu erreichen­der Garten. Dort gäbe es alles,- paradiesische Zustände sagen wir heute. Sein Symbol wurde der Baum des Lebens. Ist es etwa dort, wo wir das Leben selbst und unsere „kleine“ Welt verstehen und vielleicht sogar genießen lernen? Ist es in uns oder in weiter Ferne?

Haben wir den Traum vom Paradies aufgegeben? Sich abgrenzen statt das Paradies und seinen Genuss zu suchen,- ist es das, was die Menschen in Wirklichkeit tun und was uns traurig macht? Aber kann es ein Paradies ohne schwer zu überwindende Zäune geben? Das Gerücht von seiner leichten Erreich­barkeit würde sich schnell verbrei­ten. Jeder könnte kommen und allein dadurch, dass so viele kommen, das Paradies zerstören. Es würde nötig sein, die Freiheit der Menschen zu beschränken. Ist jede Annähe­rung an das Paradies mit einer Einengung von Freiheit zu bezahlen? Oder ist gar einfach die Freiheit selber das Paradies?

Ist es überhaupt möglich, ein Paradies zu haben? Ja, wir wissen, dass es glückliche Momente im Leben gibt, in denen man sich wie im Paradies fühlt. Aber diese Art von Paradies scheint immer wie ein Geheimnis zu sein, sich als begrenzt zu erweisen. Woher rühren diese glücklichen Momente? Kommen sie von dem, was wir tun, von dem, was wir erreichen, von dem, was wir fühlen, oder von dem, was wir denken? Alle diese vier Wege wären vielleicht möglich. Ist alles nur eine Frage unserer eigenen Offenheit und im Grunde damit ganz einfach? Vielleicht, vielleicht! Ist die Offenheit selber solch ein einfaches “Ding”? Vielleicht, vielleicht, vielleicht! Fragen über Fragen,- doch zuvor sollten wir festhalten, was am Anfang gesagt wurde.

Einerseits wurde zum Symbol des Paradies der Baum des Lebens. Ein Baum lebt. Er entsteht aus einem Samen, wächst durch immer neue Verzweigungen, produziert neuen Sauerstoff und neue Samen, und stirbt schließlich. Je nach seiner Todesart hinterlässt er Humus oder Rauch. Hoffentlich ist das nicht zu viel Detail für ein Symbol. Andererseits muss das Paradies eine Art Zaun haben. Das kann sehr verschieden aussehen. Ein weiter leerer Raum, eine dünne Haut, ein Maschendraht, eine Wand mit Türen, eine überwachte Gebietsgrenze, ein hohes Gebirge,- was alle gemeinsam haben, ist eine beschränkte Durchlässigkeit. Schon wieder zu viel Detail? Und noch mehr gilt das für die vier viel­leicht möglich erscheinenden Wege.

Bringt uns das, was wir tun, in ein Paradies? Kann es einen perfekten Job geben? Unter einem Job verstehen wir im allgemeinen eine abhängige Arbeit. Fehlende Selbst­bestimmung ist gewiss kein Paradies. Was ist, wenn wir müde, faul, lustlos oder gar krank sind? Doch alleine tun, was wir gerade möchten? Teamarbeit ist mehr und mehr gefragt, soziale Sicherung ebenso. Für was sind wir offen?

Bringen uns gesellschaftlicher oder privater Erfolg in ein Paradies? Beide Male gibt es zwei völlig verschiedene Möglichkeiten. Der gesellschaftliche Erfolg bedeutet Gewinn von entweder nur Einfluss oder sogar Macht. Leben Menschen, die in dieser Hinsicht viel erreicht haben, in einem Paradies? Der private Erfolg hat ebenfalls zwei Gesichter, entweder im Familienleben oder sexueller Erfolg. Für was sind wir offen?

Bringen uns Gefühle in ein Paradies? Wie unterschiedliche Arten von Gefühlen es gibt! Ein unauslöschliches Erleben oder eine ebensolche Meditation sind grundverschieden, das Bestehen von Gefahren und das Erlangen eines höheren “erleuchteten” Zustandes charak­te­ri­sieren sie, beide Arten kämen infrage. Und wie steht es mit dem Glück? Zufälliges oder ge­schaf­fenes Glück sind wieder zwei entgegengesetzte Möglichkeiten. Für was sind wir offen?

Bringen uns Aufgaben, neue Wege, Einstellungen oder Erkenntnisse in ein Paradies? Hier spielt immer der Kopf eine große Rolle. Aufgabenstellungen für Andere oder für einen selber, neue Wege zur allgemeinen Weiterentwicklung oder zur eigenen Vervoll­kommnung, Glaubenseinstellungen einer Gruppe oder individuelle Überzeugungen, Natur- oder geistige Erkenntnisse,- wieder stoßen wir auf eine verwirrende Vielfalt. Für was sind wir offen?

Was begrenzt unsere Suche nach einem Paradies? Ist es dadurch, dass es an Leben gebunden zu sein scheint, der Vergänglichkeit unterworfen? Ist es nur die wiederholt gestellte Frage nach unserer eigenen Offenheit, gleichbedeutend mit der wohlbekannten Frage nach dem Verhältnis von Freiheit und Verantwortung, wie es seit langem die Humanisten postulieren, oder gibt es im Zuge moderner, vor allem von den Naturwissenschaften getragener Entwicklung, hier möglicherweise ganz neue Aspekte?

Ein mögliches Paradies scheint in solcher Sicht begrenzt zu sein hinsichtlich des Raumes, der Zeit und all seiner Dimensionen, die sowohl spirituell sein oder sich ebenso ins Reich der Künste erstrecken oder die scheinbar endlosen intellektuellen Räume der Wissenschaften einbeziehen können.

Dürfen wir die Geheimnisse eines besseren Lebens nicht verraten? Niemandem erzäh­len, dass es jenseits der Grenzen von Raum und Zeit ein Paradies gibt? Die Mächtigen werfen ins Gefängnis, wer zu laut die Pfeife bläst. Andere gehen alleine irgendwo in die Wüste oder die Wälder und kümmern sich den Teufel um jene Gesellschaft. Sollen die Anderen doch selber für sich sorgen! Wenn es denen schlecht geht, was tut das? Ist das nicht das Ende von sozia­lem Leben, das doch auf der Einschränkung von Freiheit zugunsten der Übernahme von Verantwortung beruht?

Müssen wir entweder die Kommunikation einschränken oder nur begrenz­tem materiellen Erfolg hin­nehmen? Inzwischen haben wir gelernt, dass Kommunikation etwas mit Ener­gie zu tun hat. Geht es um die alles durchdringende Wechselwirkung zwischen Ener­gie und Materie, die überall im Univer­sum herrscht? Das mag uns klar machen, dass die Transfor­mation zwi­schen beiden das wesentliche Ele­ment ist, das hinter allem steht, was die Welt bewegt.

Die entscheidende Frage würde einfach sein, ob wir volle Freiheit und das ersehnte Paradies durch die mehr oder weniger vollständige Umwandlung von materiellen Dingen in Energie und Information finden können. Ebenso könnten wir umgekehrt fragen, ob wir praktisch endlos mate­rielle Güter produzieren können mit Hilfe von Energie und Information? Das klingt wie eine schöne Utopie. Aber solche Vorgänge ten­dieren dazu, wenn sie einmal Fahrt aufgenommen haben, sich wie alles in unserem Universum immer weiter zu beschleu­nigen. Wie alles? Streben nicht sogar alle Galaxien, von denen wir heute Kenntnis haben, immer schneller ausein­ander? Muss das zwangs­läufig in einer Explo­sion enden oder in einer Implosion, was im Grunde gleich bedeutend sein mag? Man mag diese Krieg nennen oder Supernova oder Annihilisierung, aber es wäre aus unse­rer Sicht immer destruktiv.

Konstruktivismus oder Dekonstruktivismus,- sind sie die Kennzeichen der Welt in dieser Sichtweise? Es gibt nur Oszillation und Transformation, keiner hat jemals gesehen, dass irgendetwas aus nichts erzeugt wird. Ebenso lebt alles, was zerstört wird, in Form von Energie und Information weiter.

Werfe dich zu Boden, hier beginnt Religion! Doch sofort wird jemand kommen und schreien: Das ist alles esoterischer Unsinn! Und andere Menschen werden dich strafen, indem sie sagen, du zerstörst ihr Paradies und ihre Freiheit.

Um welche Art von Religion oder besser gesagt Religiosität handelt es sich? Sie könnte basieren auf einer modernen Form von “Dreieinigkeit”, - der Einfachheit, der Schönheit, und dem Gleichgewicht. Kleine oder größere Störungen dieser Basiselemente würden Entwicklung in Gang setzen. Durch Entwicklung entstehen auch Raum und Zeit. Erst in Raum und Zeit gewinnt der Begriff Leben seine Bedeutung.

Weder Einfachheit noch Schönheit noch Gleichgewicht werden von den meisten Menschen als Grundlage des Lebens akzeptiert. Das Streben nach Einfachheit als treibendes Element, die bevorzugte Stellung von schönen Menschen und die aktive Suche nach Gleichgewicht, also die gleich große Bedeutung der vier Anteile im Menschen von Tätigkeit, Sex und Macht, Gefühlsleben und Gedanken,- all diese drei Ziele scheinen den meisten Leuten mehr ein Dorn im Auge als erstrebenswert zu sein.

Besonders kritisch und deswegen weitgehend tabuisiert scheint der Anteil von Sex und Macht zu sein. Der vorliegende Text beschäftigt sich vorwiegend, jedoch absolut nicht ausschließlich mit diesem. Wer nicht möchte, dass über Sex und Macht offen geredet wird, sollte das Buch zur Seite legen.

Die drei folgenden einleitenden Geschichten und die letzten beiden Kapitel sind wie in dem vorausgegangenen Buch “101 Nachkriegsnächte” eine Rahmengeschichte, die absichtlich verstören soll, denn nur durch Störung kommt Entwicklung zustande. Die erste von ihnen ist weitgehend, die beiden folgenden teilweise fiktiv. Der Kernteil des Buches ist einerseits wieder autobiografisch und geht andererseits in Bereiche der Naturphilosophie und Kultur,- zwei Begriffe, die es in Ostasien in dieser Form gar nicht gibt. Um Missverständnissen vorzubeugen: Sex ist nicht das Hauptthema.



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