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II. Koordinaten: Theologie – Theorie welcher Praxis?

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„Was machst du da eigentlich?“ – Wem diese Frage gestellt wird, muss davon ausgehen, dass man sich auf sein Verhalten keinen rechten Reim machen kann. Diese Ungereimtheit kann so weit gehen, dass die Ausgangsfrage noch einmal verschärft wird: „Bist du eigentlich noch bei Sinn und Verstand?“ Religiöse Akteure gehören zu den häufigsten Adressaten dieser Doppelfrage. Zu dem Verdacht eines unsinnigen und unverständlichen religiösen Tuns wird es allerdings gar nicht erst kommen, wenn man religiöser Praxis anmerkt, dass sie von Menschen mit einem wachen Verstand ausgeht. Um aber sicherzugehen, dass der christliche Glaube nicht gedanken- oder bedenkenlos praktiziert wird, müssen seine Vertreter sich beizeiten der Frage stellen: „Habt ihr auch an alles gedacht?“ Rechtzeitig zu bedenken sind mögliche Gründe, den Glauben für einen Ausdruck von Unverstand und Unvernunft zu halten. Dass solche Gründe haltlos sind, sollte bereits die Glaubenspraxis nahelegen. Dann sorgt bereits sie selbst – und nicht erst eine nachfolgende Reflexion – für Klarstellungen. Zu Ungereimtheiten führt dagegen eine Praxis, deren Subjekte sich wenig (oder nichts) dabei denken oder sich damit begnügen, es doch gut zu meinen.

Wenn aber gerade die Praxis des Glaubens klarstellen soll, womit das Christentum steht und fällt, ist gegen einen mystischen Eskapismus ebenso Front zu machen wie gegen einen frömmelnden Anti-Intellektualismus. Wer für den Glauben eintreten will, muss auch eine Antwort geben können auf die Fragen: Kann man unter den Bedingungen der Moderne noch denken, was Christen glauben – und wie lebt man, wenn man das tut, was Christen glauben? Welche Konsequenzen hat christliches Handeln, wenn es auf evangeliumsgemäße Weise sach- und zeitgemäß ist? Sind diese Folgen verantwortbar – nicht zuletzt gegenüber den in dieser Zeit Missachteten, Geschundenen, Notleidenden?34

Um plausible Antworten zu erhalten, wird man im Glauben um erhebliche Anstrengungen in Theorie und Praxis nicht vorbeikommen. Ihre Reflexion wird zu einem guten Teil von der Theologie zu leisten sein. Aber hier ist ebenfalls sehr bald mit der Frage zu rechnen: „Was macht ihr da eigentlich?“ Auch theologischen Bemühungen sollte man anmerken, dass sie nicht (allein) von mystischen Erweckungen, sondern (vor allem) von einem aufgeweckten Verstand ausgehen. Um sicherzugehen, dass man in der Theologie die „Unbedenklichkeit“ des Glaubens nicht mit Gedankenlosigkeit gleichsetzt, müssen auch ihre Vertreter sich beizeiten der Frage stellen: „Habt ihr auch an alles gedacht?“

Diese Frage ist mit dem Plädoyer für einen Glauben, der die Einheit von Gottes- und Nächstenliebe praktiziert, noch nicht zureichend beantwortet. Vielmehr sind zahlreiche weitere – auch epistemologisch belangvolle – Klärungen notwendig, die mit diesem Plädoyer verbunden sind. Zunächst ist der Verdacht auszuräumen, hier werde eine fatale Einseitigkeit mystischer Vertikalorientierung durch die horizontale Pragmatik eines religiösen Humanismus ersetzt. Daher ist als Erstes darauf einzugehen, anhand welcher Kriterien feststellbar wird, was authentische christliche Glaubenspraxis auszeichnet und dass dafür tatsächlich eine „Mystik der offenen Augen“ repräsentativ ist. Dabei steht natürlich auch die Verlässlichkeit jener Quellen auf dem Prüfstand, von denen her diese Kriterien bezogen werden: Inwiefern ist die Anleitung authentischer christlicher Glaubenspraxis im Neuen Testament zu finden? Gibt es noch andere Bezugsgrößen (Tradition – Bekenntnis / Dogma / Liturgie – Lehramt), an denen sich die Sicherung der Authentizität dieser Praxis zu orientieren hat?


Es gilt aber nicht bloß die Authentizität christlicher Glaubenspraxis, sondern auch deren Plausibilität und Intelligibilität zu sichern. Dies ist jedoch nicht im theologischen Alleingang und lediglich „glaubensintern“ zu entscheiden, sondern muss im Blick auf „glaubensexterne“ Referenzen (Vernunft) und Bezugswissenschaften der Theologie erörtert werden. Beide Vergewisserungen folgen der Überzeugung, dass es in Glaubensangelegenheiten nicht bloß auf eine Betonung der Praxis oder ihres gut gemeinten Primates ankommt, sondern auf die Betonung einer recht verstandenen Theorie / Praxis-Dialektik. Nicht nur auf ein Optimum des Glaubensengagements, sondern auch auf ein Maximum an Nachdenklichkeit muss die Theologie hinarbeiten. Sie muss dazu anleiten, dass beim Bedenken des Glaubens an alles gedacht wird: an den Glauben und an das Denken, an die Denkbarkeit seiner Praxis und an die Praxis der Reflexion. Sonst sind ihre Vertreter schlechte Theoretiker und schlechte Praktiker in einem.

Um an alles zu denken, muss eine theologische Epistemologie bei ihrer Durchführung zu einer Methode greifen, die nicht nur im wissenschaftlichen Kontext meist verpönt ist: Sie muss mit zweierlei Maß messen. Sie muss zum einen „ad intra“ ermitteln, was für den christlichen Glauben maßgeblich ist, d. h., sie muss nach Maßstäben fragen, an denen man ermessen kann, was diesen Glauben ausmacht (§§ 3–5). Sie muss „ad extra“ beachten, was für rechtfertigungsfähige Überzeugungen maßgeblich ist, d. h., sie muss sich an jenen Maßstäben orientieren, nach denen sich bemisst, was wahrheitsfähige Erkenntnis, Einsicht und Überzeugung ausmacht (§§ 6–10).

Praxis des Evangeliums. Partituren des Glaubens

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