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„Wir warnen dich“

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Weshalb eine Bibliothek in Brand gesetzt wird

Man kann sich schon ein wenig verlaufen inmitten der gedruckten Schätze. Die Regale, in denen sie lagern, tragen keine Hinweisschilder. Draußen im Hof stehen stapelweise Kisten, die ebenfalls mit Büchern vollgestopft sind. So streife ich ziellos durch die engen Gänge und lande schließlich in einem Toilettenraum, wie ich ihn noch nie gesehen habe. Er ist auf schon geniale Weise in die Bibliothek integriert. Man kann auf der Toilette sitzen und die Hand nach Hunderten von Werken ausstrecken, die das Örtchen auf drei Seiten eng umschließen. Allerdings würde ich es nicht wagen, auch nur eine Publikation herauszuzupfen, weil ich Angst habe, dass dadurch alles zusammenbricht. Das Waschbecken wirkt wie ein Fremdkörper in diesem literarischen Lokus und die schiefe Holztür lässt sich nicht mehr richtig schließen. Ein Fettleibiger habe sich kürzlich hindurchgezwängt und einiges zum Wackeln gebracht, erzählt mir Hozyfa, ein junger Mitarbeiter, seither helfe oft leider nur noch rohe Gewalt. Er holt einen Hammer und drischt auf ein Brett ein, das Bestandteil des Türrahmens ist und sich schon bedrohlich gelockert hat.

Ein paar Minuten später vergeht mir dann doch wieder das Lachen. Hozyfa deutet zur Decke, die ist pechschwarz, und dort oben, in den höchsten Regalreihen, stehen Bücher, die von Feuer angefressen, aber in letzter Minute noch gerettet wurden. „Das sind Spuren des Attentats“, sagt der 18-jährige Student. Er ist Muslim und liebt das Ambiente hier, obwohl ihm der Schreck in den Knochen sitzt. So etwas wie dieses Haus, meint er, gebe es nicht noch einmal in der Stadt.

Tripoli, der einstige Phönizierhafen, begrüßt Besucher mit einem Steinmonument, das ihn geradezu mit der Nase auf die Eigenheiten des Landes stößt. Am Kreisel auf dem Hauptplatz Sahad al-Nur prangt in großen Lettern „Allah“ und darunter die Inschrift: „Die Festung der Muslime im Libanon heißt Sie willkommen.“ Man stelle sich einmal vor, München präsentiere sich an der Frauenkirche als „Festung der Katholiken“ und Hamburg vor dem Michel als „Festung der Protestanten“. Im Libanon aber gehört es zur Tagesordnung, die Zugehörigkeit zu einer religiösen oder ethnischen Gruppe demonstrativ zur Schau zu stellen. Man muss Stärke zeigen, denn Schwäche nutzt die Gegenseite aus.

Mein Weg zur Al-Saeh-Bibliothek führt durch die engen Gassen der Altstadt und ein Gewimmel von Menschen. Schon in diesem orientalischen Labyrinth kann man leicht die Orientierung verlieren und aufgesogen werden von dem Durcheinander. Am Ende geht es unter einem Torbogen hindurch in eine stille Nebengasse und plötzlich blickt man von der Straße aus durch eine offene Tür direkt auf das Büchergewirr. Keine Sperre am Eingang, keine Kontrolle, nichts. Die Bücherei war, ist und bleibt ein Haus der offenen Tür.

Sie ist das Lebenswerk von Ibrahim Sarrouj, einem rum-orthodoxen Priester. Er fing 1970 damit an, den Bestand mit seinem eigenen Geld aufzubauen. Spenden und Schenkungen kamen hinzu, weil die Leute sahen, mit welcher Hingabe er sich seiner Bibliothek widmete. Im Lauf der Jahre wuchs die Sammlung auf mehr als 85.000 Werke an, Bücher in arabischer und englischer, französischer und italienischer Sprache, poetische und wissenschaftliche Texte, Traktate zur islamischen Theologie, Schriften über die Geschichte des Judentums und der Stadt Tripoli. Die Räume wurden zu einem Treffpunkt von Akademikern, Intellektuellen und bildungsnahen Eltern aus dem Bürgertum, die für ihre Kinder etwas Schönes zum Lesen suchten. Sarrouj hatte für alle Zeit und für alle ein Lächeln, und natürlich wusste er auf Anhieb, welches Buch in welcher Reihe stand.

Mit Feuer und Schwert

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